Herr Herbst, als Abschluss für nachher: Es gibt keine Alternative zu den erneuerbaren Energien, ob Braunkohlegipfel oder nicht. Die Weichen sind gestellt. Sie versuchen es aufzuhalten. Das wird ein Fehlversuch. Der Umbau der Energie in unserem Land ist die Zukunft für den sächsischen Mittelstand, für die zukünftigen Exportchancen.
Das war Herr Kollege Zais für die Fraktion DIE LINKE. Für die Fraktion der SPD spricht jetzt Frau Kollegin Köpping.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst auch von mir einen herzlichen Dank an die Wirtschaft, dass sie trotz der Strategie in Sachsen so wächst und boomt. Wir haben gestern wieder vom Herrn Ministerpräsidenten und Herrn Morlok gehört, dass die Wirtschaft in Sachsen tatsächlich boomt. Das tut sie.
Dennoch muss man ganz klar sagen: Der Freistaat profitiert immer noch von der besten Ausgangssituation, die die Ost-Bundesländer damals 1990 hatten, und von den höchsten Fördermittelzuschüssen, die in den vergangenen Jahren ausgereicht wurden. Das wird nicht erwähnt.
Es ist gerade gesagt worden, Herr Herbst, dass die Thüringer mit dem Abbau der Arbeitslosenquoten nicht so schnell sind. Das motiviert mich natürlich, immer einmal schnell nachzuschauen. Wo steht denn Sachsen zurzeit? Darf ich Sie fragen, wie hoch die Arbeitslosenquote zurzeit ist? 11,1 %. Wie ist sie in Thüringen? 9,4 %.
Die Statistik in Sachsen sagt ganz klar, dass Sachsen gegenüber den anderen Bundesländern, nämlich SachsenAnhalt und Thüringen, an Vorsprung verliert. Der strategische Wirtschafts- und Arbeitsmarkt ist in Thüringen und Sachsen-Anhalt anders aufgestellt. Ich war vergangene Woche mit den wirtschaftspolitischen Sprechern der SPDFraktionen zusammen. Wir haben Strategien abgestimmt. Mit Sachsen gibt es dort vonseiten des Wirtschaftsministers einfach keine Zusammenarbeit.
Bei Schwierigkeiten, Herr Wirtschaftsminister, sind Sie einfach nicht vor Ort. Wir reden immer, was alles toll geworden ist, und wenn ich dann daran denke: Was ist denn mit Manroland in Plauen? Wo waren Sie denn? Was ist denn mit ARISE in Bischofswerda? Wo waren Sie denn? Was ist denn bei Nokia Siemens in Leipzig? Wo sind Sie denn? Sie schicken zwar irgendeinen Ministerialen hin. Aber Sie selbst lassen sich dort nicht sehen. Ich meine, es ist auch schöner, wenn ich als Minister dorthin gehe, wo ich bunte Bändchen durchschneiden kann. Ich als Landrätin kenne das auch. Das macht Spaß. Aber ich muss mich auch dorthin begeben, wo die Probleme sind.
Wenn ich mir in Sachsen die Statistiken anschaue, ist es so, dass wir eine überdurchschnittlich hohe Unternehmerinsolvenz zu verzeichnen haben, anders als unsere Nachbarn. Existenzgründer sollen unterstützt werden. Wenn ich mir aber jetzt wieder die Zahlen anschaue, stelle ich fest, dass die Zahlen der Gründungen seit Jahren rückläufig sind. Wo unterstützen wir denn? – Sachsen bleibt auch hier deutlich hinter Sachsen-Anhalt und Thüringen zurück.
Das habe nicht ich gesagt und das habe nicht ich festgestellt, sondern das steht in Ihrem Mittelstandsbericht. Zur I-Zulage: Sie haben groß getönt, dass Sie dafür in Berlin
kämpfen wollen. Aber was ist denn herausgekommen? – Ergebnisse zählen. Nichts! Die neue Dachmarke, die wir für Sachsen einführen wollen, 32 Millionen Euro – trotz Sparprogramm der Landesregierung – ein ganz wichtiges Programm. Ich kenne bis heute kein Ergebnis.
Vereinfachung der Vergabe- und Förderverfahren: Alle anderen Bundesländer haben das durchgeführt und verlängert. Sachsen hat das glattweg verpennt.
Ich will nur einmal sagen, was das ausgemacht hat: Allein im Jahr 2010 gab es 70 Millionen Euro, die durch diese vereinfachten Förderbedingungen mehr erwirtschaftet wurden. Wir haben trotzdem nicht weitergemacht. Das muss mir einfach einmal jemand erklären.
Ja, wir haben auch etwas getan. Wir haben die Mittelstandsrichtlinie überarbeitet, aber so kleinteilig und so unbedeutend, dass man es eigentlich gar nicht merkt.
Einführung alternativer Förderinstrumente: Außer dem neuen Darlehenfonds gibt es keinerlei Aktivitäten. Seit 2009 gibt es die revolvierenden Fonds. Ich habe mir das einmal genauer angeschaut und dazu eine Kleine Anfrage gestellt. Diese revolvierenden Fonds gehen in ihrer Nutzung gen null. Da ist da mal eine Million. Und ganz wichtig wird es – Herr Tillich, Sie hatten gestern so schön über die Zukunft von Sachsen gesprochen – nun zum Zukunftsfonds. Haben Sie einmal hineingeschaut, wie viel darin ist? – Null Euro! Das ist Zukunft Sachsen!
Die Stärkung des sächsischen Handwerks wird auch propagiert. Das wollen wir ja tun. Zehn Branchen des Handwerks sind trotz hoher Antragsüberhänge über Nacht aus der Mikrodarlehensförderung gestrichen worden. Zehn Handwerksbranchen!
Kammerstrukturen. Auch dort wurde groß angekündigt: Wir wollen etwas tun, wir wollen diese vereinheitlichen. Ich kenne bis heute nicht eine einzige Aktivität dazu.
Zum Arbeitsmarkt gibt es im Koalitionsvertrag genau eineinhalb Seiten. Das zeigt, wie wichtig unserem Wirtschaftsminister und der FDP der Arbeitsmarkt ist. Wir fordern, dass außer Eierschecke-Aktionen hier Aktivitäten durchgeführt werden.
Zeitschriftbeilage zur Halbzeitbilanz. Das ist heute schon herrlich betitelt worden. Wirtschaft und Arbeit hat dort genau eine Seite mit vier Aktivitäten. Das eine ist die Innovationsprämie – gutes Programm, aber Herr Morlok, nicht Ihr Programm. Das ist das Programm der Wissenschaftsministerin. Das Zweite ist der Innovationsassistent. Auch das, Herr Morlok, ist nicht Ihr Programm. Das Dritte ist der Weiterbildungscheck.
Das war Frau Kollegin Köpping für die SPD-Fraktion. – Jetzt spricht Herr Kollege Weichert von der Fraktion GRÜNE.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben gestern schon bei der Halbzeitbilanz jede Menge Selbstbeweihräucherung hier erlebt. Als ich die Überschrift für die heutige Debatte gelesen habe, habe ich gedacht: Warum tun sie sich das eigentlich am zweiten Tag noch einmal an? Es ist doch völlig klar, dass wir wieder an demselben Punkt weitermachen, an dem wir gestern aufgehört haben. Das kommt mir ein wenig so vor wie „Sachsen einig Schlumpfenland“. Alle sind glücklich. Der Landesvater lächelt.
Das gipfelt dann in Behauptungen wie zum Beispiel: Wir können Wirtschaft. Das ist erst einmal grammatisch völlig falsch und inhaltlich auch.
Man ruht sich auf den Erfolgen der Vorgängerregierung aus und vor allen Dingen auf den guten Ergebnissen unserer Wirtschaft, unserer Unternehmer, unserer Handwerker und unserer Arbeitnehmer. Mir sind noch nie so viele Kritiken von der Industrie und von der Handwerkerschaft an einer Regierung vorgekommen, wie in den letzten zweieinhalb Jahren, und vor allen Dingen am FDP-geführten Wirtschaftsministerium.
Selbst die Mövenpick-Steuer hat eine Vielzahl von Unternehmen übrig gelassen, die sich ungerecht behandelt fühlen. Das betrifft zum Beispiel die Gastronomie oder andere arbeitsintensive Industrie- und Handwerkszweige.
Ja, wir können auf das von der sächsischen Wirtschaft Erreichte stolz sein. Das hat die Staatsregierung gestern schon für sich beansprucht. Wir müssen uns aber auch den ungelösten Problemen, die vor uns stehen, stellen. Einige will ich kurz anreißen.
Das Erste ist eine viel zu kleinteilige Wirtschaftsstruktur in Sachsen. Wir haben eine zu schwache industrielle Basis. Die Dynamik der Entwicklung sinkt seit immerhin zehn Jahren. Unser Produktivitätsniveau stagniert bei 70 bis 80 % des Niveaus im Westen. Da frage ich mich schon: Wirkt der Aufbau Ost bei der Entwicklung der Wirtschaft wirklich, oder muss man das vielleicht einmal neu definieren oder anders denken? Wir haben keine Firmenzentralen großer Unternehmen. Wir haben wenig Forschung und Entwicklung, wenig Innovation. Wir
haben sehr viele verlängerte Werkbänke, zu wenig Endprodukte und keinen expandierenden Mittelstand. Das gehört alles zusammen.
Was ist zu tun? Eine Möglichkeit ist, Cluster zu stärken und Cluster zu entwickeln. Cluster beeinflussen das Innovationsverhalten, das Gründungsgeschehen, die
Wettbewerbsfähigkeit, die regionale Wirtschaftsentwicklung und die regionalen Wirtschaftskreisläufe.
Nehmen wir das Beispiel Solar und Fotovoltaik. Dafür werden wir als Sachsen überall hervorgehoben. In der von Herrn Herbst genannten Studie und auch in einer Studie des Ifo-Instituts wird gerade die Fotovoltaik als am weitesten entwickeltes Branchensegment der erneuerbaren Energien in Sachsen mit 2,5 Milliarden Euro Umsatz und 5 300 Arbeitsplätzen gewürdigt.
Das ist ein Riesenerfolg. Aber ich frage mich: Wieso machen wir das wieder kaputt? Das Absenken der Förderung um 40 bis 58 % innerhalb eines Jahres halten die sächsischen Modulhersteller nicht aus. Es ist doch wirklich schizophren: Die Regierungen in aller Welt schützen ihre Industrie, ihre Leuchttürme, und die Staatsregierung in Sachsen macht aus ideologischen Gründen eine Zukunftsbranche kaputt.
Ein zweites Beispiel ist die Fachkräftesituation. Wir verlieren in den nächsten 20 Jahren mehrere Hunderttausend Erwerbstätige. Die wichtigste Herausforderung ist, Fachkräfte zu finden, zu binden und zu entwickeln. Da kommt uns eigentlich die Kompetenz des föderalen Systems zugute, aber es müsste heißen: Investition in die Bildung ist Investition in die Köpfe, Investition in die Schulen und Hochschulen. Was aber haben wir? Lehrermangel. Wir haben ein Bildungspaket vorgelegt bekommen, durch das der Lehrermangel in den nächsten drei bis vier Jahren vergrößert wird. Wir haben Defizite in der beruflichen Weiterbildung. Eigentlich brauchen wir ein Bildungsfreistellungsgesetz.