Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion unterstützt die grundsätzliche Intention des vorliegenden Antrages der SPD-Fraktion, nämlich die Verhinderung des Kaputtsparens in substanziellen Bereichen wie Familie, Jugend und regionale Wirtschaft. Da wir auch die im Einzelnen erhobenen Forderungen befürworten, werden wir dem Antrag zustimmen.
Wir wissen zwar ganz genau, dass die in der NovemberSteuerschätzung für 2011 festgestellte und für 2012 prognostizierte kräftige Erhöhung der Steuereinnahmen vorübergehender Natur ist und zudem natürlich auch schon für das laufende Jahr 2012 mit großen Unsicherheiten behaftet ist, trotzdem muss die Tatsache zumindest vorübergehend erhöhter Steuereinnahmen natürlich im Rahmen des Haushaltsansatzes 2013/2014 zu einer Überprüfung der unter anderen Bedingungen beschlossenen Sparmaßnahmen führen, besonders in substanziellen Bereichen, die für die demografische Überlebensfähigkeit Sachsens und all seiner Regionen von besonderer Bedeutung sind.
Meine Damen und Herren, ich sage bewusst „Überlebensfähigkeit“ und nicht „Wettbewerbsfähigkeit“, denn Letztere ist allenfalls ein mittelbares Ziel und kein Selbstzweck. Ich spreche ebenso bewusst nicht von der Sicherung der künftigen Einnahmenbasis des Freistaates Sachsen. Diese ist zwar ein wichtiges Element der Staats
verwaltung, das mit der Sicherung eines durchwachsenen wirtschaftlichen und sozialen Lebens in Sachsen einhergehen muss, aber sie ist nach Auffassung der NPD keineswegs das Hauptziel einer richtig verstandenen Politik für Sachsen. Denn dieses unser Land ist eben keine GmbH und keine Aktiengesellschaft, sondern ein Gebilde aus Land und Volk. Genau das zu beherzigen ist wichtig, auch wenn es im ersten Augenblick so trivial klingt; denn ein Unternehmen kann aufgelöst werden, wenn der Unternehmenszweck nicht mehr erfüllt werden kann. Der Verbund von Volk und Land hingegen muss auch dann weiterbestehen, und zwar flächendeckend, wenn die Geschäfte eben mal nicht so gut laufen. Das muss höchste Priorität haben, und zwar noch vor jeder haushaltspolitischen Sorgfalt.
Das bedeutet im konkreten Fall, dass angesichts der von Finanzminister Prof. Unland zu Recht sehr gut im Auge behaltenen mittel- und langfristigen Schrumpfungsentwicklung des Haushaltsvolumens die Mittelverwendung sehr genau im Hinblick auf ihre substanzerhaltende Relevanz zu prüfen ist – nicht primär deshalb, damit die staatliche Einnahmenbasis auch künftig gesichert ist; denn dies sollte, eine vernünftige Haushaltsführung vorausgesetzt, nur ein haushalterischer Begleiteffekt sein, der zeigt, dass es dem ganzen Land gut geht, dass überall die regionalen Wirtschaftskreisläufe funktionieren, dass
Gerade auf diese letztgenannten Punkte kommt es an, meine Damen und Herren. Nachdem wir wissen, dass genau dies in großen Teilen von Sachsen nicht der Fall ist, müssen wir genau hier die Defizite aufzeigen und dem Finanzminister erklären, dass, wenn ein irreversibler Verlust von Lebenssubstanz in unserer Bevölkerung und in unseren Regionen droht, jegliche Kürzungsmaßnahmen schlicht und einfach vermieden werden müssen – bei allem Respekt für die vom Finanzminister eingeforderte Haushaltsdisziplin.
In diesem Sinne setzte sich die NPD-Fraktion schon in der Haushaltsberatung 2010 vehement gegen Kürzungen der Staatsregierung im sozialen, besonders im familienpolitischen Bereich ein. So forderte die NPD-Fraktion in ihrem Änderungsantrag zum Haushaltsbegleitgesetz
2011/2012 zum Beispiel nicht nur die Aufhebung der von der Staatsregierung dann leider durchgesetzten Streichung des beitrittsfreien letzten Kindergartenjahres, wie es jetzt auch die SPD tut, sondern auch eine Erhöhung des Landeserziehungsgeldes statt der von der Staatsregierung dann durchgesetzten Kürzungen.
Ich muss jetzt einfach fragen: Warum stimmte die SPDFraktion unserem damaligen Änderungsantrag nicht zu? Etwa deswegen, weil wir ihn mit der Notwendigkeit der Überlebensfähigkeit unseres Volkes und der sächsischen Regionen begründeten und nicht mit der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit oder der Einnahmenbasis des Staates? Wenn es ums Überleben geht, wie es in vielen sächsischen Regionen nachweislich der Fall ist, reden wir Nationaldemokraten tatsächlich davon und nicht von
mittelbaren Zielparametern einer ordentlichen Staatsverwaltung oder eines florierenden Geschäftsbetriebes eines global agierenden Unternehmens Sachsen. Denn nur durch diese Klarheit in der Zieldefinition ist man in der Lage, die politischen, insbesondere die haushaltspolitischen Prioritäten so festzulegen, dass die notwendige Vitalität und Lebenssubstanz von Volk und Land auch in ökonomisch und haushaltspolitisch schwierigen Zeiten gesichert werden kann.
In diesem Sinne werden wir als NPD-Fraktion, wie gesagt, dem Antrag der SPD-Fraktion zustimmen, und zwar auch dann, wenn die Motive der Antragstellerin mit unseren nicht unbedingt deckungsgleich sind.
Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Gibt es weiteren Redebedarf? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Prof. Unland, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die finanzielle Situation des Freistaates Sachsen ist solide.
(Beifall bei der CDU und der FDP sowie der Abg. Thomas Jurk und Dirk Panter, SPD – Dirk Panter, SPD: Jetzt will ich wissen, was „solide“ ist! – Heiterkeit)
Sie haben recht, das zahlen unsere Bürger. – Unabhängig von den prognostizierten Steuermehreinnahmen für einen kurzfristigen Zeitraum müssen wir immer die langfristige Situation des Haushalts im Blick behalten. Haushaltspolitik wird zukünftig immer weniger planbar. Konstante und damit sichere Einnahmenbestandteile wie in den vergangenen zwei Jahrzehnten werden sinken oder in Zukunft sogar ganz entfallen. Zum Beispiel werden die Transferzahlungen der EU zurückgehen, auch die des Bundes, und die Solidarpaktmittel – Sie wissen das – werden bis 2019 auslaufen. Man muss das ab und zu wiederholen.
Wir werden also abhängiger vom eigenen Steueraufkommen und damit auch von Konjunkturschwankungen. Aus heutiger Sicht müssen wir davon ausgehen, dass die Einnahmen des Freistaates bis 2020 um real circa 2 bis 2,5 Milliarden Euro sinken werden. Wir brauchen deshalb eine vorausschauende Finanzpolitik.
Dazu gehört es, strukturelle Maßnahmen einzuleiten und die Ausgaben langfristig an die zurückgehenden Einnahmen anzupassen. Damit haben wir im Doppelhaushalt 2011/2012 begonnen. Dieser Schritt war richtig und bleibt richtig. Aber auch die Bildung von Rücklagen ist notwendig. Damit erhalten wir uns die Möglichkeiten, in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten Einnahmenschwankungen
Unabhängig davon ist zur November-Steuerschätzung 2011 Folgendes zu sagen: Gegenüber dem Haushalt für 2011/2012 wurden in der Tat Steuermehreinnahmen prognostiziert. Es sind allerdings für beide Jahre zusammen insgesamt 1,5 Milliarden Euro und nicht 2 Milliarden Euro, wie in der Begründung zum Antrag angegeben. Mehr als die Hälfte der erwarteten Steuermehreinnahmen beziehen sich allerdings auf das Jahr 2012 und sind demzufolge noch nicht einmal realisiert. Die aktuelle konjunkturelle Entwicklung ist angesichts der weiterhin nicht abschließend gelösten Schuldenkrise in Europa höchst unsicher.
Wir sollten die hier geforderten zusätzlichen Ausgabenpositionen in den Haushaltsberatungen näher bewerten. Es ist jedoch unsolide, einmalige, zum Teil noch unsichere Einnahmensteigerungen zur Erhöhung dauerhafter laufender Ausgaben einzusetzen.
Davon abgesehen – und das ist in der jetzigen Debatte noch nicht deutlich geworden – können wir auch nicht uneingeschränkt über die Mittel verfügen. Zum Beispiel werden wir mit mehr als 440 Millionen Euro die sächsischen Kommunen nach dem Gleichmäßigkeitsgrundsatz im kommunalen Finanzausgleich an den Mehreinnahmen beteiligen. Mehr als 300 Millionen Euro nutzen wir zur Vorsorge. Das Geld deckt im Garantiefonds künftige Forderungen an den Freistaat ab bzw. steht in der Haushaltsausgleichsrücklage für schlechte Zeiten zur Verfügung.
Die verbleibende Summe fließt unter anderem in Investitionsprogramme. Von diesen profitieren die sächsischen Kommunen. Sie geben sie für Kindertagesstätten, Schulen, Sportstätten und dergleichen aus. All dies habe ich bereits Ende des letzten Jahres im Haushalts- und Finanzausschuss des Landtags dargelegt.
Die finanziellen Spielräume sind demnach deutlich kleiner, als im Antrag unterstellt wird. Die tatsächlichen zusätzlichen Mittel kommen zudem durchaus auch dem Sozialbereich in Sachsen zugute, kurzfristig durch die genannten konkreten Investitionsausgaben, aber auch langfristig durch die vorausschauenden Rücklagen.
Zu den geforderten Maßnahmen auf der Einnahmenseite haben wir im Plenum teilweise schon diskutiert. Die derzeit in der Diskussion befindlichen Steuersenkungen betreffen gerade die Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen. Diese Menschen sind unverzichtbare Leistungsträger unserer Gesellschaft, denn sie zahlen einen Großteil der Steuern. Sie verdienen allerdings unter Umständen kaum mehr als Hartz-IV-Empfänger. Die Politik muss deshalb verhindern, dass niedrige Lohngruppen durch steigende Abgabenlasten und Inflation immer mehr an den Rand des Existenzminimums gedrückt werden.
Das muss eine Firma vorher erst einmal verdient haben, damit man das Geld als Lohn weitergeben kann, Herr Jurk, das wissen wir beide.
Ich möchte allerdings auch daran erinnern, dass das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht hat, dass der Gesetzgeber das Existenzminimum fortwährend überprüfen und steuerfrei belassen muss. Deshalb müssen wir uns mit diesem Thema ohnehin auseinandersetzen.
Die Vermögensteuer ist zur Erhöhung der Einnahmenseite keine Lösung. Vermögen wird bereits im Rahmen der Erbschafts- und Schenkungsteuer besteuert. Eine weitere, das Vermögen abschöpfende Steuer ist deshalb nicht erforderlich. Außerdem träfe die Vermögensteuer auch Unternehmen, auf deren Investitionen eine dynamische Wirtschaftsentwicklung angewiesen ist. Eine derartige Steuer wäre von Nachteil für den Wirtschaftsstandort Deutschland und würde die Basis zukünftiger Steuereinnahmen schmälern.
Konsolidierung muss deshalb weiter auf der Ausgabenseite erfolgen. Der weitaus größte Teil sind dabei die laufenden Ausgaben. Insbesondere, weil diese auch die Personalausgaben umfassen, ist hier ein stetiger Anstieg zu verzeichnen.
Die Sächsische Staatsregierung erarbeitet derzeit den Entwurf für den nächsten Doppelhaushalt. Wir werden Ihnen auch für die Jahre 2013 und 2014 einen Entwurf für einen soliden Doppelhaushalt vorlegen. Auch dieser wird erneut ohne Neuverschuldung auskommen. Wie bereits im jetzigen Haushalt werden unsere Ausgabenschwerpunkte wieder auf Bildung, Forschung und Entwicklung sowie Investitionen liegen.
Durch eine nachhaltige und generationengerechte Haushaltspolitik sichern wir auch in Zukunft die Wirtschafts-, Innovations- und Steuerkraft in Sachsen. Damit unterstützen wir gleichzeitig die Sicherstellung unserer Arbeitsplätze. Ich möchte es deutlich machen: Investitionen in die Wirtschaft sind bisher immer noch die beste Sozialpolitik gewesen. Eine Vorfestlegung auf bestimmte Ausgaben verbietet sich zurzeit. Zunächst hat die Staatsregierung den schwierigen Prozess der Haushaltsaufstellung zu durchlaufen und den Entwurf eines Haushaltsplans vorzulegen. Über diesen wird der Landtag – das wird nach der Sommerpause sein – zu beraten haben. Dem würde durch diesen Antrag vorgegriffen werden. Deshalb bitte ich, den Antrag abzulehnen.
Herr Präsident! Ich muss sagen, diese Debatte, vor allem vonseiten der Koalition, erfüllt mich mit Trauer und Betroffenheit.
Ja, doch, es ist so. – Mit Trauer deshalb: Wenn ich mir anschaue, mit welcher Leidenschaftslosigkeit ein Staatsminister der Finanzen hier einen Vortrag hält, in einem Kernbereich der sächsischen Politik, dann muss ich wirklich sagen: Das ist nur noch traurig. Anders kann man es nicht sagen.
Betroffen macht mich das Ganze aber aus einem anderen Grund. Herr Michel hat davon gesprochen, dass ein Haushalt aufgestellt werden soll, der wieder – ich betone das Wörtchen „wieder“ – solide und gerecht sei.
Warum eigentlich „wieder“? Da war der Staatsminister eindeutig ehrlicher. Der hat gerade davon gesprochen, den neuen Haushalt solide aufzustellen. Der hat nicht das Wörtchen „gerecht“ in den Mund genommen, weil er weiß, dass der neue Haushalt das nicht sein wird.
Zum Thema Trägersterben: Herr Schreiber, diese Naivität macht mich auch betroffen. Dass die Träger massiv unter Druck geraten sind und trotzdem gerade so überleben, zeigt die Leidensfähigkeit der Sachsen. Das aber auch noch als Argument zu benutzen, muss ich ganz ehrlich sagen, ist ziemlich unredlich.