Protokoll der Sitzung vom 08.03.2011

Jetzt noch ein Wort zu Herrn Schmalfuß. Wo sitzt er denn? Oder ist er schon entfleucht? Wo auch immer. – Ach, da oben, auf der Besuchertribüne. Da sitzen Sie eh bald, genau.

(Lachen und Beifall bei der SPD – Oh-Rufe von der CDU)

Es ist gut. – Sie haben von Klientelpolitik gesprochen, Herr Schmalfuß. Wir machen auch Klientelpolitik, ich will es unumwunden zugeben. Ganz klar machen wir Klientelpolitik, aber unsere Klientel sind die Bürgerinnen und Bürger dieses Freistaates.

(Hört, hört! bei der CDU – Lachen bei der FDP)

Gut. – Noch ein Punkt zum Thema Entscheidungen: Die Entscheidungen – da machen wir uns nichts vor, was den Zeitpunkt dieses Antrags angeht – werden jetzt getroffen. Die werden nicht irgendwann in einem halben Jahr verhandelt, sondern schon jetzt werden die Vorbereitungen im Finanzministerium getroffen. Deshalb bieten wir Ihnen hier etwas an, weil wir von Ihnen gern Konzepte

sehen wollen. Wir wollen auch Strategien sehen. Nur: Sie haben keine. Da sage ich: Die SPD hilft.

(Lachen bei der FDP)

Also, solange Sie keinen Gestaltungswillen haben und den nicht annehmen, stimmen Sie bitte unserem Antrag zu. Dann haben Sie wenigstens irgendetwas gekonnt. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 5/8385 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Vielen Dank. Stimmenenthaltungen? – Bei Stimmenenthaltungen,

zahlreichen Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.

Meine Damen und Herren, dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

Existenzgefährdende Kürzung der Solarförderung verhindern –

Sächsische Solarindustrie erhalten

Drucksache 5/8391, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: zunächst die einbringende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, im Anschluss daran CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht.

Wir beginnen mit der Aussprache. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Lichdi. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit einem Zitat, gesprochen auf einer Feier am 14. September 2010 in Dresden beginnen:

„SOLARWATT hat eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte geschrieben, auf die Sie alle sehr stolz sein können. […] Man spürt: Hier ist der legendäre sächsische Tüftlergeist am Werk. Hier arbeiten Leute, die von Innovation etwas verstehen, zusammen mit guten Kaufleuten, die wissen, wie man Qualitätsprodukte verkauft.“

Für die Zukunft wünschte der begeisterte Gast den Mitarbeitern des Unternehmens alles Gute – Zitat –: „Spätestens in drei Jahren, zum 20-jährigen Jubiläum, sehen wir uns wieder.“ So sprach der damals ewig lächelnde Ministerpräsident Stanislaw Tillich bei der Eröffnung einer neuen Fertigungsstrecke von SOLARWATT hier in Dresden.

Dann gab es wohl Sekt und Häppchen, und alle waren zufrieden. Letzte Woche war der Betriebsratsvorsitzende von SOLARWATT in der Landespressekonferenz. Es gab weder Sekt noch Schnittchen und auch keine schönen Fotos. Der Gewerkschafter war nämlich nicht zum Feiern aufgelegt. Er berichtete, SOLARWATT habe im Februar 80 neue Mitarbeiter eingestellt, erst einmal als Zeitarbeiter. Die kamen hier frühmorgens an und wurden mit Tränen in den Augen gleich wieder nach Hause geschickt. – So Tino Holzbrecher. Warum? Die schwarz-gelbe Bundesregierung will mal eben wieder die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Fotovoltaik fundamental umstürzen. Leute, die nichts von der Materie verstehen,

schwadronieren hier immer von einer angeblichen Überförderung. Ich sage Ihnen mal etwas: Die Vergütungssätze in der Fotovoltaik sollen nach dem Willen von SchwarzGelb nicht, wie vereinbart, um immerhin 30 % im Jahr 2012 sinken, sondern, gemessen ab dem Dezember 2011, zwischen 40 und 58 %. Meine Damen und Herren, die sich hier um Wirtschaftspolitik kümmern, ich frage Sie: Welche Branche in Deutschland ist in der Lage, diesen fundamentalen sofortigen Abbruch der Förderung auszuhalten? Ich glaube, keine.

Wozu hat diese Ankündigung der Absenkung um 58 % in einem Jahr schon geführt? Letzte Woche war auch der Geschäftsführer der Firma SachsenSolar, Herr Wünsche, bei uns. Er berichtete, dass bereits nach dem Bekanntwerden der Ministereinigung zwischen Röttgen und Rösler sofort alle Aufträge ab April weggebrochen und storniert worden sind. SachsenSolar ist ein kleiner Mittelständler in Dresden mit 45 Beschäftigten. Er projektiert und baut Anlagen mit Modulen von SOLARWATT. Die kann er nun nicht mehr bestellen. Das heißt, auch keine Aufträge für die Deutsche Cell in Freiberg. Die liefern nämlich die Solarzellen. Die Deutsche Cell wiederum bekommt die Wafer von der Deutschen Solar, ebenfalls in Freiberg. Die Sägespäne aus der Waferproduktion werden aufgearbeitet von SiC Processing in Bautzen. Die Maschinen liefern auch sächsische Maschinenbauer, nämlich Roth & Rau in Hohenstein-Ernstthal.

Meine Damen und Herren! So schließt sich der Kreis. Keine Kunden für Solarhandwerker, keine Module, keine Zellen, keine Wafer, keine Maschinen, keine Arbeit, keine Wertschöpfung in Sachsen. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der CDU und der FDP! Die PV-Branche ist schon längst keine Nische mehr, sondern eine der wichtigsten Zukunftsbranchen in Sachsen. Ich zitiere mal wieder: „Die Fotovoltaik ist das mit

Abstand am weitesten entwickelte Branchensegment der erneuerbaren Energien in Sachsen. In der Produktion von Solarkomponenten sind in Sachsen mehr Menschen beschäftigt als in jedem anderen Bundesland.“ Ich sage Ihnen, wie viele es genau waren. Im Jahr 2011 waren es 6 500 Menschen. Das sind fast dreimal so viele wie in der Braunkohle. Vielleicht sollten Sie einfach einmal diesen schlichten Sachverhalt zur Kenntnis nehmen.

Ich bedaure außerordentlich, dass der Ministerpräsident Stanislaw Tillich soeben den Raum verlassen hat.

(Zurufe von der CDU: Nein!)

Wo ist er? – Danke. Hallo.

(Lachen bei der CDU)

Vielleicht hören Sie zu und verschieben Ihr Gespräch mit Kollegen Heinz um ein paar Minuten. Es geht nämlich Sie an, Herr Ministerpräsident.

Ich zitiere: „Im Bereich PV verzeichnet Sachsen innerhalb der letzten zehn Jahre eine Investitionssumme von mehr als 1,1 Milliarden Euro. Zahlreiche weltweit agierende Zulieferproduzenten sind entstanden. Hier gereichen Sachsen seine Tradition und Kompetenz im Werkzeug- und Sondermaschinenbau zum Vorteil. Spitzenpositionen werden auch im Bereich organischer Fotovoltaik mit einem Weltrekord im Wirkungsgrad organischer Fotozellen erreicht.“

Meine Damen und Herren! Wer hat das alles geschrieben? Es war die Sächsische Staatsregierung, und zwar im aktuellen Entwurf ihrer Innovationsstrategie. Was sie aufgeschrieben hat, ist richtig. Sie definieren die Fotovoltaik als Schlüsseltechnologie. Genauso ist es. Aber so handeln Sie eben nicht. Sie stellen sich nicht hinter die sächsische Fotovoltaikindustrie, sondern tun so, als ob Sie das alles nichts anginge.

Was sagt unser angeblicher Wirtschaftsminister Herr Morlok? Er war auch ganz stolz bei SOLARWATT, hat dort Sekt gekippt und Schnittchen gegessen. Was sagt Herr Morlok dazu? Er begrüßt diesen Frontalangriff auf die gesamte Wertschöpfungskette der sächsischen Solarwirtschaft. Ich zitiere Herrn Morlok: „Ich freue mich, dass durch diese Regelung Planungssicherheit für Investoren und Hersteller geschaffen wird.“

(Staatsminister Sven Morlok: Genau!)

„Das schafft Verlässlichkeit und beruhigt den Markt.“

(Staatsminister Sven Morlok: Ja!)

Das sagt unser angeblicher Wirtschaftsminister.

Meine Damen und Herren! Wenn es nicht so traurig wäre, müsste ich fragen: Ist das ein Witz? Es lacht nur keiner außer Ihnen, Herr Morlok.

Meine Damen und Herren! Das ist empörend. Ich sage es ganz klar: Das ist purer Hohn in den Ohren der Beschäftigten der sächsischen Solarbranche.

Wie wurden diese Erfolge erreicht? Durch das von Ihnen verteufelte EEG. Dies schreibt auch die sogenannte Geheimstudie – sie ging ja in den letzten Wochen durch die Medien – des Bundesinnenministeriums zum Aufbau Ost.

Aber wie gehen Sie denn mit der sächsischen Solarbranche um? Im Entwurf zum Landesentwicklungsplan taucht das Wort Solarenergie kein einziges Mal auf. Dies ist die typische Ignoranz und Arroganz, die die Politik der Staatsregierung seit Jahren prägt. Bei den Anstrengungen zur Nutzung der erneuerbaren Energien bildet Sachsen eindeutig das Schlusslicht. Sie können sich Ihre gesamte Innovationsstrategie für die Schwerpunkte Foto

nik/Fotovoltaik sparen, wenn Sie jetzt zulassen, dass die deutsche Solarindustrie von Staats wegen abgewürgt wird, wie es die Minister Röttgen und Rösler in Berlin planen.

Meine Damen und Herren! Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff hat das erkannt. Er nennt die Weichenstellung der Bundesregierung hinsichtlich der Fotovoltaikförderung völlig falsch. Seine Kollegin Lieberknecht aus Thüringen – übrigens auch von der CDU, soweit ich informiert bin – droht mit einem Veto des Bundesrates gegen die Kürzung der Solarförderung. Sie fordert Herrn Tillich explizit auf, sich ihr anzuschließen. Aber Herr Tillich sitzt bei Herrn Heinz und redet über wichtige Dinge, wahrscheinlich in der Landwirtschaft, anstatt hier der Debatte zu folgen.

Der bayerische Ministerpräsident Seehofer sagte im Landtag, viele Menschen seien im Vertrauen auf die aktuellen Regelungen finanzielle Verpflichtungen eingegangen. Da könne man nicht einfach dazwischengehen.

Was sagt der eingangs zitierte SOLARWATT-Besucher, unser sächsischer Ministerpräsident? Wie immer, wenn es schwierig ist, sagt er gar nichts und verzieht sich in die zweite Reihe.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Ich bin nicht ganz ehrlich. Ich war sehr erstaunt, als ich gestern in der Regierungserklärung das erste Wort über die Solarwirtschaft hörte. Zitat: „Sachsen ist Solarland.“ „Nur ein Beispiel für die große Dynamik.“