Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kommt nicht so häufig vor, dass die NPD-Fraktion einem Vorhaben der Regierungsfraktionen zustimmen kann – allerdings kommen von Ihnen ansonsten auch nur Berichtswünsche an die Staatsregierung. Der Antrag ist ein seltenes Beispiel.
Die Gängelung der Nationalstaaten, allen voran Deutschlands, durch die EU bzw. die EU-Kommission wird nun auch in der Frage der Mindestqualifikation für die Ausübung der Gesundheits- und Pflegeberufe deutlich. Schade nur, werte Kollegen von CDU und FDP, dass Sie Ihren ersten zaghaften Widerstand gegen Brüssel an einem vergleichsweise harmlosen Beispiel der EUDiktatur deutlich machen. Für Sie ist das aber bereits politisches Neuland.
Die völlig sinnlose, ja schädliche Vereinheitlichung der Anforderungen an die Gesundheits- und Pflegeberufe wird natürlich schwerwiegende Auswirkungen auf die Gewinnung von Nachwuchskräften in diesem Bereich haben und damit auch die Zahl der minderqualifizierten Hilfskräfte in die Höhe schnellen lassen, wie Sie es in
Der Ausverkauf Deutschlands und die demutsvolle Fügung in eine desaströse Rettungsschirmpolitik zugunsten anderer europäischer Pleitestaaten und die Aufgabe nationalstaatlicher Souveränität auf allen Gebieten erregten bislang leider auch Ihrerseits keinen Widerstand. Um es mit den Worten Wolfgang Schäubles gegenüber seinem portugiesischen Amtskollegen zu sagen: Keine Ursache. – So meinte Ihr Unionskollege, als es um weitere Milliardenhilfen für die nächsten Rettungsschirmkandidaten ging.
Da mutet der vorliegende Antrag fast wie eine alibihafte Ersatzhandlung an. Der Antrag ist inhaltlich hinsichtlich seiner Aufforderung, in Deutschland an der zehnjährigen allgemeinbildenden Schulausbildung festzuhalten, aber zielführend und hinsichtlich des Berichtsteils auch nachvollziehbar. Sie sollten sich aber vielleicht auch ein bisschen fragen, wie es so weit kommen konnte, dass das Abitur als Qualifikation, die einmal hauptsächlich der Erlangung der Hochschulreife mit dem Ziel der nachfolgenden Studienaufnahme dienen sollte, mittlerweile zur Zugangsvoraussetzung für viele Berufe geworden ist, die früher mit einem guten Haupt- oder mit einem Mittelschulabschluss ergriffen werden konnten.
Wenn immer mehr dazu übergegangen wird, alle und alles gleichzubehandeln und zwanghaft möglichst viele Schüler auf das Gymnasium zu hieven, dann braucht man sich nicht zu wundern, dass die Qualität des höchsten allgemeinbildenden Schulabschlusses darunter leidet. Nicht umsonst bilden sich an den Gymnasien zusätzliche SKlassen für höher Begabte heraus oder wird von den Besserbetuchten, denen es möglich ist, gleich der Weg der Privatschule eingeschlagen, um eine positive Selektion nachzuholen, die verlorengegangen ist. Dabei, meine Damen und Herren von CDU und FDP, laufen Sie leider seit Jahren den Forderungen der politisch linken Gleichmacher hinterher.
Warum sollen wir jetzt für die Gesundheits- und Pflegeberufe eine zwölfjährige Schulausbildung mit Abiturzwang benötigen? Wir sehen das nicht so. Abstufungen gemäß dem Anforderungs- und Leistungsprofil tun dem Arbeitsmarkt und dem Bildungswesen in Deutschland gut, weil sie der menschlichen Natur sowie der natürlichen Ungleichheit der Menschen entgegenkommen, weil sie Elitenbildung und möglichst passgenaue Qualifikationen ermöglichen.
Hier wie auch sonst benötigen wir keine Gleichmacherei nach dem Gusto Brüssels. Die Stimmen der NPDFraktion für diesen Antrag sind Ihnen sicher.
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde in der allgemeinen Aussprache. Mir liegen keine Wortmeldun
gen für eine zweite Runde vor. Ich frage die Abgeordneten trotzdem, ob eine zweite Runde gewünscht ist. – Das kann ich nicht erkennen. Möchte die Staatsregierung das Wort ergreifen? – Frau Staatsministerin Kurth, ich erteile Ihnen das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche mich ausdrücklich gegen einen Abiturzwang bei Ausbildungen in Pflegeberufen aus.
Ein Blick auf die Altersstruktur unserer Gesellschaft reicht aus, um die untragbaren Folgen einer solchen Anhebung zu erkennen. Das erwähnten einige meiner Vorredner bereits.
Aufgrund unserer insgesamt alternden Gesellschaft, besonders der deutlich kleineren nachwachsenden Generationen, herrscht bereits jetzt erhöhter Pflegebedarf. Wenn nun die Zugangsvoraussetzungen für Pflegeberufe angehoben würden, würde das die Anzahl von qualifiziertem Personal zwangsläufig noch weiter reduzieren. Auch das wurde bereits erwähnt. Man würde also einen eklatanten Fachkräftemangel hervorrufen. Einen solchen Vorschlag kann man nicht akzeptieren.
Meine Damen und Herren! Die Ausbildungen in der Krankenpflege und die der Hebammen sind bundesrechtlich geregelt. Sie fallen nicht direkt in die Gesetzgebungszuständigkeit des Sächsischen Landtages. Dennoch würde die Anhebung der Zugangsvoraussetzungen gravierende Auswirkungen für Sachsen haben, wie bereits erwähnt. Sie würde zu einer Verortung dieser Bildungsgänge im Hochschulbereich führen. Damit wäre der großen Zahl von Schulabgängern mit einem mittleren Schulabschluss der Zugang zu diesen Berufen verwehrt.
Eine aktuelle Erörterung zu den Zugangsbedingungen in den jeweiligen Ausbildungen in Sachsen ergab Folgendes: Circa 34 % der Schüler in der Gesundheits- und Krankenpflege verfügen derzeit über eine allgemeine Hochschulreife bzw. die Fachhochschulreife, bei der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege sind es circa 55 %, bei der Hebammenausbildung circa 87 %. Es würde also eine erhebliche Menge qualifizierten Personals unter dem Strich wegfallen. Hinzu kommt, dass sich die Ausbildungszeit verlängert. Damit erhöhen sich auch die Ausbildungskosten und die Kosten im Gesundheitswesen insgesamt.
Außerdem ist die Erhöhung der Zugangsvoraussetzungen sachlich nicht notwendig. Die in Deutschland ausgebildeten Pflegefachkräfte und Hebammen waren und sind im europäischen Raum sehr, sehr anerkannt. Sie erfüllen alle Qualitätsstandards hinsichtlich ihrer pflegerischen Kompetenzen.
Eine weitere Negativkonsequenz des Abiturzwangs wäre die Tatsache, dass die Anschlussfähigkeit der Ausbildung in der Krankenpflege nicht mehr gegeben wäre, und darauf legen wir sehr großen Wert. Wir haben einen zweijährigen Bildungsgang mit Zugang Hauptschulabschluss in diesem Jahr mit sehr großem Erfolg eingeführt.
Damit wäre, wenn das nicht mehr der Fall wäre, unsere bildungspolitische Zielsetzung „kein Abschluss ohne Anschluss“ unterlaufen.
Meine Damen und Herren! Das Kultusministerium hat sich von Beginn an klar gegen diese Erhöhung der Zugangsvoraussetzungen ausgesprochen. Das kam zur Geltung in Zuarbeiten zur Erarbeitung der Bundesratsstellungnahmen und der gemeinsamen Bund-Länder
Stellungnahmen in einem Schreiben des Staatsministers an den EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen Barnier im Januar 2012 sowie in Gesprächen in Brüssel mit Parlamentariern aus Deutschland, Österreich und Luxemburg im Januar 2012 und im März 2012. Auch Herr Ministerpräsident Stanislaw Tillich hat am
28. September 2011 in einem Gespräch mit dem EUKommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen in Straßburg die sächsische Position zum Ausdruck gebracht.
Bisher sieht es jedoch so aus, als wollte die Europäische Kommission an der zwölfjährigen Schulbildung festhalten. Spielraum sieht sie nur hinsichtlich der Schaffung von Möglichkeiten, die eine Gleichwertigkeit zur zwölfjährigen Schulbildung herstellen: die sogenannte Äquivalenzregelung.
Meine Damen und Herren! Ich denke, es ist höchste Zeit, dass auch die EU die Zeichen der Zeit erkennt.
Ein signalrotes Zeichen der Zeit ist die demografische Herausforderung, auf die sie sich einstellen muss. Hier muss seitens der EU Vorsorge getroffen werden, und zwar in allen Bereichen. Das möchte ich an dieser Stelle einmal unterstreichen.
Um die EU auf die Sondersituation der Altersstruktur in den ostdeutschen Bundesländern aufmerksam zu machen und hier für Unterstützung seitens der EU zu werben, haben am 29. Februar dieses Jahres alle ostdeutschen Kultusminister gemeinsam in Brüssel mit Vertretern der EU-Kommission und des Europäischen Parlamentes das Gespräch gesucht. Dies war ein wichtiger Schritt, um auf die Bedeutung der demografischen Vorsorge hinzuweisen.
Ich fasse zusammen. Vor allem mit Blick auf unsere Gesellschaftsstruktur und die demografische Entwicklung ist eine Anhebung der Zulassungsvoraussetzungen für die Ausbildungen in Gesundheits- und Pflegeberufen auf zwölf Jahre allgemeine Schulbildung kurzsichtig und verantwortungslos.
Frau Dr. Runge, Sie möchten sicherlich eine Kurzintervention starten? – Dazu haben Sie jetzt Gelegenheit.
In der Tat. Danke. Verehrter Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu der eben stattgefundenen Debatte folgende Erklärung abgeben.
Frau Dr. Runge, wenn Sie zu der gesamten Debatte sprechen möchten, geht das nicht. Frau Dr. Runge, ich werde die Zeit einmal kurz stoppen lassen. Sie haben die Möglichkeit, eine Kurzintervention zu starten, das habe ich zugelassen. Dabei müssen Sie sich auf die vorhergehende Rednerin Frau Staatsministerin Kurth beziehen. Das bitte ich Sie auch in den folgenden Redebeiträgen zu berücksichtigen.
In Bezug auf die Ausführungen der Ministerin möchte ich Folgendes feststellen: Die Europäische Union schreibt in ihrem Richtlinienentwurf keinen Abiturzwang vor. Ich wiederhole das, was meine Kollegin bereits vorgetragen hat. Die Berufszweige Krankenpflege und Hebammen haben sich in den letzten drei Jahrzehnten deutlich weiterentwickelt. Daher sollte die Zulassungsvoraussetzung für diese Ausbildung auf eine allgemeine Schulbildung von zwölf Jahren – hier liegt jetzt die Betonung – oder eine bestandene Prüfung von gleichwertigem Niveau erhöht werden. Diese Formulierung lässt genau diese Möglichkeit zu, wie sie in Deutschland existiert.
Ich verbitte mir einfach, hier ständig die Europäische Union zum Popanz und zum Buhmann zu erklären und
(Missfallensrufe von der CDU und der FDP – Dr. Johannes Müller, NPD: Wenn Sie kein anderes Problem haben, Frau Dr. Runge!)
Frau Staatsministerin Kurth, Sie haben die Möglichkeit, wenn Sie wollen, auf diese Kurzintervention zu antworten. – Das möchten Sie nicht. Damit kommen wir zum Schlusswort. Frau Strempel? – Kein Schlusswort.
Dann schlage ich vor, dass wir zu dem Änderungsantrag kommen. Dieser ist auch schon eingebracht. Dann frage ich, ob jemand zu dem Änderungsantrag sprechen möchte. – Wenn das auch nicht der Fall ist, kommen wir gleich zur Abstimmung über den Änderungsantrag der SPDFraktion in der Drucksache 5/8780 zu Drucksache 5/8589. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einigen Stimmenthaltungen und einigen Dafür-Stimmen ist mehrheitlich der Änderungsantrag nicht beschlossen.
Meine Damen und Herren! Ich stelle Ihnen nun die Drucksache 5/8589 zur Abstimmung. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei zahlreichen Stimmenthaltungen ist mehrheitlich die Drucksache 5/8589 beschlossen. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.