Protokoll der Sitzung vom 03.04.2012

Viel Kraft hat die Koalition darauf verwandt, die Strukturen der Arbeitsverwaltung nachhaltig zu schwächen. Das Optionsmodell sollte als beherrschendes Strukturmodell durchgesetzt werden. Das konnte durch aktives politisches Agieren und die politische Vernunft vieler Verantwortlicher in den Kreistagen verhindert werden. So hat sich der Kreistag im Vogtland gegen den Vorschlag des

CDU-Landrates durchgesetzt, und auch in Nordsachsen haben die Kreisräte die Gefahr erkannt, mit dem Problem der Langzeitarbeitslosen alleingelassen zu werden, und sich gegen das Optionsmodell entschieden.

Arbeitslosigkeit ist und bleibt ein immanentes gesellschaftliches Problem einer hoch entwickelten, technologiezentrierten kapitalistischen Gesellschaft und muss daher auch gesamtgesellschaftliche Hilfssysteme bereithalten, zumal in einer sozialen Marktwirtschaft; denn das wollen wir nach Grundgesetz weiterhin sein, davon gehe ich zumindest aus.

Eine Herausforderung der Zukunft wird mit Sicherheit die Fachkräftesicherung sein, die aber nicht nur mit demografischen Entwicklungen zu tun hat, sondern eng mit der sächsischen Bildungspolitik verbunden ist, bei der trotz PISA-Besoffenheit der Regierung und Selbstsuggestion immer noch fast 10 % der Schulabgänger die Schule ohne berufsqualifizierenden Abschluss verlassen.

Um das Bild des drohenden Fachkräftemangels zu stützen, wird immer wieder die Zahl der Schulabgänger gegen die der aus dem Arbeitsleben Ausscheidenden gestellt. An dieser Stelle passt es ja. Die Arbeitsmarktzahlen, für die sich Staatsminister Morlok und die Staatsregierung hier aber feiern wollten, haben den gleichen Grund, nur wird dieser hier positiv gewertet, um vom eigenen Nichtstun abzulenken. So ist die Arbeitslosenzahl per annum um 23 000 gesunken. Das ist schön. Die Zahl der Erwerbstätigen ist aber nur um 8 400 gestiegen. Die Differenz ist also entweder weiterhin abgewandert – trotz Eierschecke an der Autobahn –, den Wanderungssaldo können wir eigentlich vernachlässigen; Sie haben von Zuwanderung in diesem Jahr gesprochen, das ist richtig, oder aus Altersgründen aus der Statistik gefallen, und nicht wegen Ihrer zukunftsgerechten und chancenorientierten Arbeitsmarktpolitik.

Halten wir fest: Durch eine Reihe günstiger Umstände, positive konjunkturelle Entwicklung und demografische Effekte hat sich der sächsische Arbeitsmarkt in der letzten Zeit erfreulich entwickelt. Es bleiben aber viele ungelöste Probleme. Die strukturelle Langzeitarbeitslosigkeit habe ich bereits erwähnt. Daher fordert die Fraktion DIE LINKE:

erstens ein Arbeitsmarktprogramm, zumindest für die Regionen mit den größten strukturellen Problemen, wie zum Beispiel in der sächsischen Armutshauptstadt Leipzig.

Zweitens. Die Fraktion DIE LINKE fordert die Sächsische Staatsregierung auf, ihre Blockadehaltung bei der Lohnabsicherung nach unten aufzugeben. Die bisherige Praxis, Einspruch bei Anträgen auf Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen zu erheben, muss ein Ende haben.

Drittens. Die Fraktion DIE LINKE fordert die Staatsregierung auf, sich auf Bundesebene stark zu machen, dass aus der Ankündigung vom November letzten Jahres – inzwischen haben wir ein halbes Jahr ohne Ergebnis erlebt –,

sich für den flächendeckenden Mindestlohn einzusetzen, Realitäten werden.

(Sebastian Fischer, CDU: Niemals!)

Ein erster Schritt in diese Richtung könnte sein, sich positiv zu dem Vergabegesetzentwurf zu verhalten, den der DGB Sachsen nach Aussage des DGB-Vorsitzenden von Leipzig, Bernd Günther, auf dem Neujahresempfang in Leipzig in Kürze in die Diskussion geben wird.

Weitere Probleme sind die ungleichen Chancen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Unter dem Stichwort „Equal Pay“, wie auf dem letzten Aktionstag vom 23.03.2012 geschehen, wird auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam gemacht.

Eine besondere Situation müssen die Schwerbehinderten im gegenwärtigen Arbeitsmarkt ertragen. Im Verlauf der Krise in den Jahren 2008/2009 waren sie überdurchschnittlich hoch von Arbeitslosigkeit betroffen. Teilweise stieg deren Arbeitslosigkeit um 15 %. Aber das besonders Fatale daran ist, dass selbst nach der Erholung auf dem Arbeitsmarkt im letzten Jahr diese Zahl weiterhin steigt und nicht sinkt. Das ist ein Skandal und wir fordern Sie auf zu handeln.

(Beifall bei den LINKEN)

Das bedeutet für uns mehr, als Sie zum Beispiel bei dem Bündnis „5000 mal 50“ an den Tag gelegt haben. Wir fordern den Ministerpräsidenten auf, an dieser Stelle auf seinen Wirtschaftsminister einzuwirken.

Eine Initiative des Ministerpräsidenten mit der Regionaldirektion der Agentur für Arbeit, den Kammern und den Gewerkschaften, die zum Ziel hatte, sich verstärkt mit den über 50-Jährigen und deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu befassen: Diese Aufgabe hat Staatsminister Morlok nie angenommen und deshalb – zum Beweis für dieses Desinteresse – auch keinen Vertreter zu der Veranstaltung zur Auswertung der Zwischenbilanz in der Vertretung Sachsens in Berlin geschickt. Er hat den Staatssekretär, der dieses Haus leitet, dort alleingelassen. Es war kein Vertreter des Wirtschaftsministeriums anwesend. Das hat die Beteiligten schon sehr irritiert, inbegriffen Frau Cordt von der Regionaldirektion.

Auf die Frage eines Vertreters auf dem Podium, warum die Staatskanzlei und nicht das zuständige Ministerium Partner in diesem Bündnis sei, hat der Teilnehmer geantwortet: Das soll sicherlich das Vakuum im Wirtschaftsministerium ausfüllen. – Recht hatte er.

Die Fraktion DIE LINKE fordert den Ministerpräsidenten auf, seine Richtlinienkompetenz und den Minister zum Handeln zu drängen. Gleiches hätte er bei der Blockadehaltung des politisch autistisch agierenden FDP-Ministers in der Schlecker-Frage tun sollen

(Zuruf von der FDP)

mit der Verweigerung von 3,8 Millionen Euro Bürgschaft für die Auffanggesellschaft – gerade so viel, wie am gleichen Tag in die Chipindustrie in Dresden gesteckt

wurde. Oder besser und drastischer gesagt: ein Zehntel von dem Betrag, den Sachsen im Quartal für die Sachsenbankpleite zu zahlen hat. Pro Quartal im letzten Jahr waren das im Durchschnitt 35 Millionen Euro. Ein Zehntel davon hätte gereicht, um diesen Frauen eine Chance zu geben.

(Torsten Herbst, FDP: Eine Transfergesellschaft ist doch keine Chance!)

Er hat nicht nur den Frauen, die jetzt ihre Kündigung in den Händen halten, die letzte kleine Hoffnung genommen, dass sie bei der Suche und auch bei der Vorbereitung auf einen möglichst neuen Job nicht alleingelassen werden. Oder kann ich bei der sächsischen Lösung – von der Sie sprechen – davon ausgehen, dass Sie den 500 Frauen Weiterbildungsschecks in Höhe der Cohausz-Weiterbildung ausreichen werden? Also 34 000 Euro für eine Maßnahme, die circa eine Woche dauern wird. Das wäre immerhin ein Angebot. Aber es wird ein bisschen teurer als die 3,8 Millionen Euro.

Mit Ihrer Verweigerung haben Sie nicht nur den Frauen die Chance genommen, sondern Sie haben eine mögliche Überführung der noch bestehenden Fialen im Insolvenzverfahren damit maßgeblich und nachhaltig verschlechtert. Sie haben die Risiken für den Restbestand und für den Insolvenzverwalter maßgeblich erhöht, einige Filialen auf dem Markt unterzubringen und potenziellen Käufern ein sinnvolles Angebot machen zu können, weil die Risiken durch die jetzt zu erwartenden Klagen – sie werden immens sein – eine Rettung unmöglich machen.

Soziale Grausamkeit und politischer Zynismus haben in Deutschland einen Namen: Martin Zeil, Jörg Bode und Sven Morlok, oder kürzer: FDP!

(Zuruf des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Zusammenfassend komme ich zu dem Schluss: Herr Staatsminister, Sie sind und bleiben ein Totalausfall in dieser Regierung. War es mit der Eierschecke an sächsischen Rasthöfen noch eine Blamage für Sachsen, so ist Ihre Blockadehaltung und die damit unterlassene Hilfeleistung für die Schlecker-Frauen eine Schande für Sachsen.

Um im Fliegerbild zu bleiben: Bisher war Ihr Regierungshandeln von Orientierungslosigkeit geprägt. Das verlangt nach sofortiger Landung. Nunmehr sind Sie ins Trudeln gekommen, und das führt in niedrigen Höhen unweigerlich zum Absturz und zum Totalverlust.

Diesen Zustand und Ihr Verbleiben auf dem Ministerstuhl hat der Ministerpräsident zu verantworten. Er ist zu feige und nur auf den Koalitionsfrieden bedacht. Dafür zahlt er lieber den Preis und opfert nicht zuletzt die Arbeitsplätze von über 500 Schlecker-Frauen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Die Debatte zur Regierungserklärung hat Kollege Kind für die Fraktion DIE

LINKE eröffnet. – Noch ein Hinweis: Zu den Debattenbeiträgen sind Kurzinterventionen bis zu zwei pro Fraktion und Tagesordnungspunkt möglich. Die Regierungserklärung ist kein Debattenbeitrag. Deshalb ist dazu auch keine Kurzintervention möglich.

(Jürgen Gansel, NPD: Das werden wir klären! – Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE – Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zum zweiten Redner. Für die Fraktion der CDU spricht Herr Kollege Heidan. – Wer eine Zwischenfrage stellen möchte oder am Ende eine Kurzintervention vortragen will, kann dies im Anschluss an den Debattenbeitrag tun.

Bitte, Herr Kollege Heidan, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kind, Ihr Beitrag in allen Ehren, aber der Realität entsprechen Sie in keiner Weise. Sie haben hier eine Schwarzmalkunst an den Tag gelegt,

(Christian Piwarz, CDU: Eher grau! – Zuruf des Abg. Thomas Kind, DIE LINKE)

die jeglicher Begründung entbehrt. Wenn Sie vom neoliberalen Kurs der SPD sprechen, dann muss ich Ihnen sagen, dass das in der Form einfach nicht stimmt. Als die SPD Regierungsverantwortung hatte, ist sie den richtigen Weg gegangen. Was sie jetzt in der Opposition macht, ist sicherlich fragwürdig, aber es ist Aufgabe der SPD. Das habe ich nicht weiter zu bewerten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben soeben vom Wirtschaftsminister Morlok gehört, wie positiv sich der Arbeitsmarkt in Sachsen entwickelt habe. Dem gibt es nichts hinzuzufügen.

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Selbst in der momentanen kleinen Schwächephase der deutschen Wirtschaft zeigt sich der Arbeitsmarkt robust und davon eher unbeeinflusst.

Ich möchte Ihnen ein paar Zahlen nennen: Im IV. Quartal 2011 ist das reale Bruttoinlandsprodukt saison- und kalenderbereinigt um 0,2 % geschrumpft. Für das abgeschlossene I. Quartal 2012 lassen die aktuellen Produktions- und Auftragszahlen keine grundlegende Änderung erwarten. Andererseits deuten die Erwartungsindikatoren darauf hin, dass sich die Konjunktur im weiteren Jahresverlauf stabilisieren könnte. Die Erwerbstätigkeit und die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nehmen

weiterhin zu.

Das sind die Fakten, Herr Kind, und diese sollten Sie beachten und nicht immer alles schlechtreden.

Die Arbeitslosigkeit und die Unterbeschäftigung haben sich verringert. Darauf hat der Minister bereits hingewiesen. Wichtige Indikatoren für die gesamte positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt sind immer im Vorjahresvergleich und in der Beschäftigungsentwicklung zu suchen. Laut jüngsten Hochrechnungen waren Ende

Dezember in Sachsen 1,45 Millionen Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das waren 29,5 bzw. 2,1 % mehr als im Jahr zuvor, meine Damen und Herren.

(Jürgen Gansel, NPD: Zu welchen Lohnbedingungen?)

Das sind die realen Dinge, die hier einmal gesagt werden müssen.

Die Arbeitslosenstatistik für den Februar weist 236 118 Menschen ohne Job aus. Das sind 2 082 Arbeitslose mehr als im Januar, aber rund 27 700 weniger als im Februar 2011. Das sind die wahren Fakten, Herr Kind! Das haben Sie hier nicht gesagt.