Protokoll der Sitzung vom 03.04.2012

(Beifall bei der SPD)

Herr Unland, ich weiß nicht, auf welchem Mist das gewachsen ist – ich sage es jetzt einmal ganz deutlich –, ob das in Ihrem Haus entstanden ist. Ich kann Herrn Wöller gut verstehen, dass er in Anbetracht dieser Unverfrorenheit die Reißleine gezogen hat.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den LINKEN)

Für das kommende Schuljahr, Frau Kurth, werden 852 Neueinstellungen benötigt. Das entspricht dem, was frei wird, ist aber nicht das Minimum, das uns das Kultusministerium immer vorgerechnet hat.

Wer einmal die Kleine Anfrage zum Renteneintritt gesehen hat, die ich gestellt habe, der weiß, dass die Lehrerin

nen eben nicht mit 63 Jahren und die Lehrer eben nicht mit 65 Jahren in Rente gehen. Das ist die Maximalvariante, die das Kultusministerium berechnet hat. In dem Bildungspaket sind 400 Neueinstellungen vorgesehen. Es geht davon aus, dass alle Lehrerinnen und Lehrer mit 65 Jahren in Rente gehen. Das tatsächliche Renteneintrittsalter liegt bei den weiblichen Lehrkräften aber bei knapp 60 Jahren und bei den männlichen Lehrkräften bei 63 Jahren. Man kann schon sagen, dass es ein geniales Rechenkunststück ist, unter dieser Voraussetzung auf 400 Neueinstellungen zu kommen. Es klafft definitiv eine Lücke. Ich denke, dass selbst die 852 Stellen noch untertrieben sind.

Wir wollen dringend ein Seiteneinsteigerprogramm im Bereich der Lehrkräfte an Grund- und Mittelschulen. Auch diese Aufforderung erheben wir nicht erst heute. Sie muss schnell umgesetzt werden. Das Programm darf aber bitte nicht nur über die Universitäten als Zusatzqualifikation, sondern muss so gestaltet werden, wie es in anderen Bundesländern üblich ist, dass die angehenden neuen Lehrkräfte als Seiteneinsteiger nach einer ausreichenden Prüfung eingestellt werden und über die Lehrerseminare eine berufsbegleitende Qualifikation erwerben. Das ist der einzige vernünftige und sofort tragbare Weg. Das machen alle anderen Bundesländer; nur Sachsen muss einen anderen Weg gehen.

(Beifall bei der SPD)

Für den neuen Haushaltsplan muss Vorsorge getroffen werden, dass die Höhergruppierungen im Bereich der Lehrkräfte an Grund- und Mittelschulen, an Förderschulen und an Gymnasien auch tatsächlich erfolgen. Sie stehen seit Langem an. Wir haben es gehört: Das Kultusministerium hat selbst festgestellt, dass unsere Arbeitsbedingungen unattraktiv sind. Bevor das nicht geändert wird, brauchen wir nicht darüber reden, dass wir irgendeinen Lehrer aus den westlichen Bundesländern, egal ob im Angestellten- oder im Beamtenstatus, hierher holen. Es ist eine Ungerechtigkeit, dass die Lehrer mittlerweile seit 20 Jahren auf die Höhergruppierung warten.

(Beifall bei der SPD)

Der letzte Punkt in unserem Antrag: Wir erwarten natürlich, dass die Finanzierung aus dem Gesamthaushalt erfolgt und nicht aus dem Haushalt des Kultusministeriums;

(Beifall bei der SPD)

denn das ist eine Aufgabe – Herr Morlok, das gilt auch für die Wirtschaft – für die Staatsregierung als Ganzes. Herr Ministerpräsident, Sie haben die Richtlinienkompetenz. Sie sind dafür verantwortlich, wie das Bildungssystem in Sachsen aussieht, und nicht der einzelne Fachminister. Ich meine, dass schon ein Fachminister wegen dieser Situation gegangen ist, müsste Ihnen ob Ihrer Verantwortung zu denken geben. Mit Lächeln kann man das Problem nicht wegdiskutieren.

(Beifall bei der SPD)

Für die einbringende SPD-Fraktion sprach Frau Dr. Stange. – Für die CDUFraktion ergreift nun Herr Kollege Schreiber das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, wir haben ein Problem, und wir haben nicht nur ein Problem. Wir haben das Problem, wie es sich momentan an sächsischen Schulen darstellt, was den Unterrichtsausfall und die Versorgung mit fachgerechtem Lehrpersonal angeht. Wir haben dieses Problem heute und werden dieses Problem, wenn wir nicht entsprechend reagieren, verstärkter auch noch morgen und übermorgen haben.

Deswegen habe auch ich ein bestimmtes Problem, heute zum Antrag der SPD zu sprechen, nämlich – das setze ich gleich vorne an – ein Stück weit deshalb, weil sehr vieles, was in dem SPD-Antrag steht, den Tatsachen entspricht und entsprechend umgesetzt werden muss.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Aber eines, Frau Dr. Stange, ist auch klar: Was Sie in diesem Antrag schreiben, ist zu einem Teil schon im Bildungspaket, das im Dezember 2011 vorgestellt worden ist, enthalten. Sie haben ja aus dem entsprechenden Papier des Kultusministeriums von Staatsminister a. D. Prof. Roland Wöller zitiert und aus den Erkenntnissen, die im Staatsministerium für Kultus vorliegen, ebenso.

Jetzt – da ist der Unterschied zwischen unseren Fraktionen – sind wir in der Situation, dass Sie hier im Haus Opposition sind und an keiner Stelle und zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Art und Weise in verschiedenen Fachressorts Übereinkünfte und Übereinstimmungen herstellen und erst recht nicht mit dem Finanzminister kämpfen müssen.

(Stefan Brangs, SPD: Das kennen wir zur Genüge!)

Wir sind Koalitions- und Regierungsfraktionen mit der Verantwortung, das, was hier auf dem Papier steht, sachgerecht, fachgerecht und vor allem finanziell zu untersetzen. Das ist der entscheidende Unterschied, warum Sie in wenigen Tagen hier den Antrag zaubern können. Eingegangen ist er am 26. März, wir haben heute den 3. April. Wir haben allerdings die Verantwortung, das, was hier auf dem Papier steht, entsprechend umzusetzen.

(Zuruf von der SPD)

Ich fange jetzt nicht die alte Leier an, wer hier fünf Jahre mitregiert hat, wer drei Jahre im Wissenschaftsministerium gesessen hat und einige Entwicklungen, die heute hier bemängelt werden, genauso verschlafen hat wie so manch anderer in der CDU/FDP-Koalition.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Zeigen Sie nicht immer mit Fingern auf andere, wenn es darum geht, wie Probleme entstanden sind und wer dazu beigetragen hat, sie zu lösen. Ich bringe das Problem immer wieder. Ein ganz entscheidendes Problem in

Sachen Lehrerversorgung, Frau Dr. Stange, rührt eben daher, dass man an Universitäten nicht entsprechend dem Bedarf ausgebildet hat. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein! – Es kommt sowieso immer die gleiche Frage von Frau Dr. Stange, und ich bin es langsam müde, immer die gleiche Antwort zu geben.

(Thomas Jurk, SPD: Sie sind nicht vorbereitet! – Beifall bei der CDU)

Nein, nein, Herr Jurk, ich bekomme das auch ohne Vorbereitung auf solche Fragen hin.

Fakt ist eins, und da habe ich eine andere Auffassung als mein Kollege Rohwer, das sage ich hier ganz deutlich: Wenn Chemie durch das Fach Mathe vertreten wird, fällt Chemie aus. Punkt. Diesen Fakt muss man einfach anerkennen, und es ist müßig, darüber zu philosophieren, ob Statistiken geschönt oder nicht geschönt sind. Chemie kann auch einmal ausfallen.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Nö!)

Doch. Ich glaube, es gibt nach wie vor ganz viele Schüler – wenn ich noch Schüler wäre, wäre ich froh, wenn Chemie ausfiele.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Auch bei Mathe und Physik war das der Fall.

Aber Fakt ist eins, und damit sind wir hier in diesem Hohen Hause auf einer Linie: Es kann nicht sein, dass sechs Wochen Chemie und Physik am Stück ausfallen und dass innerhalb eines halben Jahres dreimal die Klassenleiterin in der 1. Klasse wechselt. Ich persönlich und sicher alle hier im Haus werden erleben, wie auch die neue Frau Kultusministerin an diesen Stellen ansetzt. Ich habe die große Hoffnung, dass wir hier, wo wir etwas gemeinsam bewegen müssen, auch etwas gemeinsam bewegen werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Darauf vertraue ich. Ich möchte mich explizit der Kritik des Kollegen Rohwer anschließen. Ich überlege gerade, wann Roland Wöller zurückgetreten ist, ich glaube, am 20. März. Sie bringen am 26. März diesen Antrag hier ein. Da macht es schon Eindruck, dass Sie dieses Thema hier auf die Tagesordnung setzen, um zu testen, wie sich auch einige Kollegen aus meiner Fraktion verhalten. Wir werden Ihnen aber den Gefallen dieses Darstellens in Zwietracht nicht tun.

(Beifall bei der CDU)

Eines ist aber wichtig zu wissen – das kommt mir in der gesamten Darstellung zu kurz: Momentan wird in der Öffentlichkeit richtigerweise sehr viel über das Schulwe

sen in Sachsen diskutiert. Es ist schon spannend, wenn man abends das Heute-Journal sieht. Da kommt nach dem Motto „Der Klassenprimus verspielt seine Leistung“, und alles, was in irgendeiner Weise in den letzten 20 Jahren entstanden und aufgebaut worden ist, fast ausschließlich durch die sächsischen Lehrerinnen und Lehrer, wird in einer Art und Weise in den Dreck gezogen. Das ist unseres Schulsystems unwürdig.

(Beifall bei der CDU)

Damit meine ich jetzt, Frau Dr. Stange, nicht Ihre Äußerungen hier am Pult und Sie müssen nicht gleich wieder in den Rechtfertigungswahn kommen, sondern ich meine vor allem auch die öffentlichen Darstellungen des gesamten Themas. Dies geht auch in Richtung Presse, wie in einer Art letzten Endes hier nach Presseerfolgen, das heißt, nach Missständen in den sächsischen Schulen geforscht wird und wie teilweise Dinge konstruiert und inszeniert werden. So können wir unser Bildungssystem nicht zukunftssicher machen.

(Karl Nolle, SPD: Wie konnte das passieren?)

Herr Nolle, gehen Sie doch einmal nach Hause, sehen Sie in den Spiegel und fragen Sie sich noch einmal. Sie sollten hier einmal ruhig sein – ebenso wie meine Fraktion dies selbstkritisch tut und in sich geht – und überlegen, was Sie in Verantwortung fünf Jahre lang hier mitgetan haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Da können Sie sich rausreden, dass Sie nicht das Kultusressort hatten und nicht das Finanzressort. So wie Sie hier am Pult genauso den Finanzminister und den Ministerpräsidenten zur Verantwortung ziehen und nicht nur das Kultusressort, genauso sind Sie jetzt zur Verantwortung zu ziehen, wenn es darum geht, wer in der gesamten Staatsregierung Verantwortung getragen hat. Nehmen Sie sich doch einmal ein Stück zurück, seien Sie selbstkritisch und hinterfragen einmal die Dinge, die Sie nicht getan haben, und dann können wir weiter an einer Problemlösung arbeiten.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Nolle ist verantwortlich für den Lehrermangel!)