Protokoll der Sitzung vom 03.04.2012

gemeinsam, haben diese Initiative vorangetrieben. Ich bin der Staatsregierung dafür sehr dankbar.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Martin Dulig und Herr Kind haben das Thema „Schlecker“ angesprochen. Ja, ich gebe zu, wir hätten es auch anders machen können. Wir hätten es einfacher haben können, wir hätten es populärer haben können, wir hätten es populistischer haben können.

Wir haben stattdessen Mut zur Ehrlichkeit gezeigt. Das stößt nicht überall auf Freude. Aber ich sage Ihnen eines: Eine Transfergesellschaft löst nicht das Problem der Arbeitslosigkeit; sie verschiebt es nur. Deswegen ist eine Transfergesellschaft keine Lösung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der CDU und Beifall des Staatsministers Sven Morlok – Thomas Kind, DIE LINKE: Sicherheit!)

Eine Transfergesellschaft bietet keine Sicherheit, sondern nur Scheinsicherheit.

Ein Arbeitsplatzverlust ist für die Betroffenen und ihre Familien immer ein Problem. Das ist bei den 472 Mitarbeitern von Schlecker genauso wie bei den 41 000 Sachsen, die sich im März einen neuen Job suchen mussten.

Die LINKEN sprechen oft von Gerechtigkeit. Nun frage ich Sie: Warum messen Sie eigentlich bei Jobverlusten mit zweierlei Maß? Wenn ein bekanntes Großunternehmen pleite ist, kommen Sie mit Medien im Schlepptau. Wenn ein kleines Unternehmen pleite ist, kommt der Gerichtsvollzieher. Das ist Ihre Heuchelei, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich frage Sie: Wo waren Sie denn, als die inhabergeführten Drogerien Pleite gingen – auch wegen Schlecker! – und Beschäftigte Ihren Arbeitsplatz verloren? Wo waren Sie, als die Inhaber nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern auch ihre Altersvorsorge verloren? Da gab es keinen ver.di-Funktionär, kein Schwenken roter Fahnen, keine Mahnwachen. Das zeigt Ihre Heuchelei.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der CDU und des Staatsministers Sven Morlok)

Ich sage Ihnen ganz klar: Für uns hat jeder, der einen Arbeitsplatzverlust zu erleiden hat, die gleichen Rechte auf Vermittlung und Qualifizierung – ob er vorher in einem bekannten Großunternehmen oder in einem ganz kleinen Handwerksbetrieb arbeitete. Für uns in Sachsen – das ist die Einstellung von CDU und FDP – gibt es keine Arbeitslosen erster und zweiter Klasse. Wir kümmern uns um jeden. Das ist der Unterschied zu Ihnen, meine Damen und Herren von LINKEN und SPD.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU – Zurufe von den LINKEN und der SPD)

Dass Sie sich heute aufregen, ist sehr interessant. Ich erinnere mich an Boykottaufrufe von SPD und ver.di. Ich möchte nur Ulli Nissen, SPD-Bundestagskandidatin aus Frankfurt/Main, zitieren: „Ich kann nur alle Verbraucher und Verbraucherinnen auffordern, nicht mehr bei Schlecker einzukaufen.“ Gratulation! Sie haben Ihr Ziel erreicht!

(Zurufe von der SPD)

Erst betätigen sich SPD und ver.di als Totengräber. Auf der Beerdigung rufen Sie dann nach Staatshilfe. Das ist schon arg heuchlerisch!

(Beifall bei der FDP und des Abg. Jürgen Petzold, CDU)

Die zukünftigen Impulse für den sächsischen Arbeitsmarkt werden nicht von großen Konzernen ausgehen; es sind die kleinen und die mittleren Unternehmen, die wachsen. Es gibt viele positive Beispiele. Die

3D-Micromac AG aus Chemnitz hat sich innerhalb von zehn Jahren zum Weltmarktführer für Laser-Mikrobearbeitungssysteme entwickelt. 2002 startete sie mit gerade einmal sieben Mitarbeitern; heute hat sie einhundert. Das sind die Erfolgsgeschichten, die Sachsen stark machen. Das zeigt: Erfolg auf dem Arbeitsmarkt ist möglich – im Interesse der Menschen, im Interesse der Beschäftigten. Dafür stellen wir als Schwarz-Gelb die Weichen – nicht, indem wir rote Fahnen vor den Werkstoren schwenken, sondern indem wir einen klaren Kurs fahren, klare Ziele formulieren und klare Maßnahmen ergreifen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir am Ende dieser Legislaturperiode über Arbeitsmarktpolitik reden, dann wird sich zeigen: Fünf Jahre Schwarz-Gelb haben Sachsen richtig gutgetan.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung – Arne Schimmer, NPD, steht am Mikrofon.)

Für die Fraktion der FDP sprach Herr Kollege Herbst. – Jetzt sehe ich am Mikrofon 7 Bedarf für eine Kurzintervention.

Danke, Herr Präsident. Ich würde gern – –

Ja, Herr Schimmer, das ist jetzt auch nach Geschäftsordnung wirklich möglich.

Ich würde gern vom Mittel der Kurzintervention Gebrauch machen, weil ich es ein bisschen dreist fand, dass Kollege Herbst eben von Mut zur Ehrlichkeit sprach. Wir wollen uns daran erinnern, dass am letzten Freitag die sogenannte Brandmauer zum Schutz des Euro auf 800 Milliarden Euro hochgezogen wurde und wir bei der Schlecker-Bürgschaft insgesamt deutschlandweit über eine Höhe von 76 Millionen Euro

reden. Das ist gerade mal ein Zehntausendstel der Risikosumme, die jetzt bei der Euro-Rettung im Gespräch ist.

Herr Herbst, es ist doch völlig unglaubwürdig, wenn Sie das ordnungspolitische Gewissen geben und gleichzeitig immer mehr Risiken für den Euro eingegangen werden. Das können Sie doch keinem erklären. Wenn Sie jetzt auch konsequent gegen weitere Bürgschaften für den Euro-Rettungsschirm stimmen würden, dann wäre Ihre Position ja noch konsequent, aber so ist es nichts weiter als eine platte parteipolitische Profilierung, die Ihnen niemand mehr abnimmt.

Herr Kind hat vorhin in seinem Beitrag durchaus interessante Zahlen genannt. Wir haben vor drei Jahren eine Bürgschaft für die Sächsische Landesbank in Höhe von 2,75 Milliarden Euro herausgegeben. Wenn ich daran denke, dass Sachsen für die Schlecker-Beschäftigten eine Bürgschaft von 3,6 Millionen Euro herausgeben soll, also gerade mal ein Tausendstel dieser Summe –

(Alexander Krauß, CDU: Stammtischparolen!)

nein, das sind keine Stammtischparolen, das sind harte Fakten –, dann sieht man, dass Sie einfach nicht den Mumm haben, gegen Großbanken oder Pleitestaaten konsequent zu sein, sondern nur bei kleinen Beschäftigten, die jetzt in die Arbeitslosigkeit

(Beifall bei der NPD)

oder in den Niedriglohnbereich gehen. Das ist peinlich für Sie, denn eines, Herr Herbst, wissen Sie ganz genau: Das Geschäftsmodell von Schlecker ist bestimmt nicht erfolgsträchtiger als das volkswirtschaftliche Geschäftsmodell von Griechenland.

Besten Dank.

(Beifall bei der NPD – Jürgen Gansel, NPD, steht am Mikrofon.)

Auf die Kurzintervention könnte reagiert werden. – Ich sehe keinen Bedarf dafür. Eine zweite Kurzintervention an Mikrofon 7. Herr Gansel, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte die Gelegenheit nutzen, aus NPD-Sicht noch einige Bemerkungen zu meinem Vorredner von der FDP-Fraktion beizusteuern. Wir haben wieder einmal die Arie auf die Arbeitsmarktentwicklung in Sachsen gehört. Dabei weiß selbst die FDP, dass seit den Arbeitsmarktreformen der rot-grünen Bundesregierung die Arbeitslosenzahlen frisiert sind, weil seit Jahren EinEuro-Jobber, Umschüler, Frührentner und Menschen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in den offiziellen Statistiken überhaupt nicht mehr erfasst werden. Insofern ist das dreistes, verlorenes Zahlenwerk, was der Öffentlichkeit aufgetischt wird.

(Widerspruch des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Ja, Herr Krauß, mir ist klar gewesen, dass dieser Einwurf kommt. Formal ist die Zahl der sozialversicherungs

pflichtigen Beschäftigungsverhältnisse gestiegen, aber im Niedriglohnbereich. Hier ist keine vollwertige Arbeit entstanden.

(Widerspruch des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Herr Krauß, Sie können gleich selbst ans Mikrofon treten.

Das Problem ist, dass die entstandene Beschäftigung nicht armutsfest ist. In dieser Situation – jetzt kann ich wieder den Bogen zu Herrn Herbst spannen – ist es angesichts einer eklatanten Niedriglohnausbeutung geradezu zynisch – vor wenigen Tagen war erst in der „Sächsischen Zeitung“ zu lesen, dass jeder dritte Sachse unter 35 Jahren einen Niedriglohn bezieht –, Zuwanderung zu fordern, die Anwerbung der mythenumwobenen ausländischen Fachkräfte;

(Alexander Krauß, CDU: Wir haben jetzt schon ausländische Fachkräfte, zum Beispiel in Krankenhäusern.)

denn die Zuwanderung nach Sachsen, die Sie wollen, ist der beste Garant – aus NPD-Sicht der schlechteste Garant – dafür, dass es keine Lohnsteigerung gibt, weil durch die Erweiterung des Arbeitskräfteangebots die Arbeitgeber in die Lage versetzt werden, die Sozialleistungen und Löhne der Deutschen zu drücken oder niedrig zu halten. Insofern wird es mit Ihrer Zuwanderungspolitik keine Lohnsteigerungen in Sachsen geben, sondern Sie sorgen dafür, dass in Sachsen weiter zu Niedriglöhnen gearbeitet wird.

(Beifall bei der NPD)

Gibt es Reaktionsbedarf auf die Kurzintervention? – Das kann ich nicht erkennen. Wir fahren also in der Rednerreihe fort. Das Wort ergreift jetzt für die Fraktion GRÜNE Herr Jennerjahn.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit zwei kurzen Vorbemerkungen beginnen. Lieber Martin Dulig, die von Ihnen gerade so hochgelobte Abwrackprämie war nicht etwa deswegen Murks, weil damit der Kauf neuer Autos ermöglicht wurde, sondern weil man konsequent darauf verzichtet hat, ökologische Standards zu definieren, was den Spritverbrauch betrifft oder die Materialeffizienz. Viel mehr hat man es auch möglich gemacht, die größten Dreckschleudern mittels staatlicher Subventionen anzukaufen, und das lehnen wir als GRÜNE ganz selbstverständlich ab.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben hier das Hohelied auf die sächsische Wirtschaftsentwicklung gehört: Sachsen nehme Spitzenplätze bei der Wirtschaftsentwicklung ein usw. Möglicherweise ist es den Kolleginnen und Kollegen aus den beiden Regierungsfraktionen entgangen, dass vor wenigen Tagen das Statistische Landesamt in Kamenz neue Zahlen veröffentlicht und ganz deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass Sachsen im Jahr 2011 beim Wirtschaftswachs

tum Mittelmaß war. Ich bitte Sie darum, das zur Kenntnis zu nehmen.