Protokoll der Sitzung vom 04.04.2012

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Nun gibt es keine weiteren Erklärungen mehr zum Abstimmungsverhalten und ich kann deshalb diesen Tagesordnungspunkt schließen.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 9

Sächsische Schulen und Kindertageseinrichtungen

stärker für Freiwilligendienste öffnen

Drucksache 5/8588, Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: CDU, FDP, DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht.

Meine Damen und Herren, wir beginnen mit der Aussprache. Für die Fraktion der CDU Herr Abg. Schreiber; bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir behandeln in Tagesordnungspunkt 9 ein Thema, das vielleicht zu nicht

ganz so vielen emotionalen Debatten führt, denn es ist in meinen Augen vor allem ein erfreuliches Thema.

Vor ziemlich genau einem Dreivierteljahr wurde mit dem Aussetzen der Wehrpflicht und damit des Zivildienstes der Bundesfreiwilligendienst eingeführt. 35 000 Stellen sollten deutschlandweit entstehen und mit 250 Millionen Euro gefördert werden. Sehr geehrte Damen und Herren, mittlerweile sind nicht nur 35 000 Stellen des BFD besetzt, sondern 37 800. Das zeigt, dass der Bundes

freiwilligendienst trotz aller Unkenrufe ein Erfolg geworden ist.

Ich kann mich noch an zahlreiche Gespräche mit Trägern erinnern, die vor der Umstellung insbesondere wegen deren Kurzfristigkeit große Bedenken gegen den Bundesfreiwilligendienst hegten: Würden sich genügend Freiwillige melden? Ist die Finanzierung abgesichert? Kann das eigene Leistungsangebot abgedeckt werden? Oder würden die Unwägbarkeiten des Bundesfreiwilligendienstes

aufgebaute Strukturen und Angebote wenn nicht gleich zerstören, dann doch wenigstens deren Erbringung erschweren?

Mittlerweile dürften diese Bedenken hinfällig sein. Fast alle zur Verfügung stehenden BFD-Stellen sind besetzt, manche werden in diesen Tagen besetzt; ich sagte bereits: insgesamt 37 800 Stellen. Das Interesse am BFD und die Nachfrage steigen. Auf jede angebotene Stelle kommt mehr als eine Bewerbung. Im Freistaat Sachsen gibt es derzeit circa 4 500 besetzte Stellen. Das sind schon heute mehr, als es je pro Jahr an Zivildienstleistenden gab. Insbesondere die über 27-Jährigen fragen das Angebot Bundesfreiwilligendienst nach. Drei Viertel aller „Bufdis“, wie sie liebevoll genannt werden, haben diese Altersgrenze jedoch überschritten. So war vor wenigen Wochen in der „Freien Presse“ zu lesen, dass sich beispielsweise bei der Arbeitslosenhilfe Sachsen bislang ausschließlich ältere Menschen um eine BFD-Stelle beworben haben.

Darüber hinaus gibt es deutschlandweit auch noch 42 000 Stellen für das Freiwillige Soziale und Ökologische Jahr. Alle drei Formen des freiwilligen Engagements – also BFD, FSJ und FÖJ – können in den unterschiedlichsten Einsatzbereichen wahrgenommen werden:

Kultur, Sport, Umweltschutz, Kinder- und Jugendhilfe sind nur einige Beispiele. FSJ und FÖJ sind im Gegensatz zum Bundesfreiwilligendienst nur den unter 27-Jährigen vorbehalten. Sie dienen nach wie vor als Neu- und Umorientierung in Sachen Berufswahl.

In Sachsen nehmen dieses Angebot rund 1 850 junge Menschen wahr. Allein im Freistaat Sachsen gibt es rund 1 000 Einsatzstellen, bei denen man sich freiwillig engagieren kann. Warum sollte dies nicht noch stärker in Kindertageseinrichtungen und Schulen erfolgen? Schon heute arbeiten ungefähr 300 FSJler in sächsischen Kitas, 60 FSJler arbeiten in Schulen. Eingesetzt werden diese jungen Menschen vor allen Dingen in den Bereichen Jugendarbeit, Hausaufgabenhilfe, Nachmittagsangebote, Sport- und Freizeitaktivitäten und gegebenenfalls als Assistenten in Förderschulen. Sie sollen aber – das können Sie in unserem Antrag lesen – kein Ersatz für mangelndes Lehrpersonal sein.

Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag wollen CDU und FDP zwei Dinge erreichen: Erstens wollen wir die aktuelle Lage, die sich derzeit darstellt, analysieren. Wir wollen ausloten, was getan werden muss, damit der Bundesfreiwilligendienst und das FSJ sinnvoll in Kindertageseinrichtungen und Schulen angeboten

werden können. Mit „sinnvoll“ meinen wir vor allen Dingen, dass es nicht darum geht, dass FSJler oder Bufdis irgendwelche Hilfsleistungen erbringen, sondern dass sie qualitativ hochwertig in diese Bereiche integriert werden.

Wir sehen vor allen Dingen in der möglichen Einführung des FSJ in sächsischen Schulen eine Möglichkeit, auch den Lehrerberuf – damit sind wir wieder bei der Debatte des Lehrermangels – gerade für junge Menschen interessant zu machen und einfach einmal darzustellen, welche Herausforderungen man alltäglich erbringen muss, wenn man Lehrerin oder Lehrer werden will. Das hilft uns eher weiter, als wenn wir einen Haufen immatrikulierter Lehramtsstudenten haben, die nach fünf, sechs Semestern zum ersten Mal vor einer Klasse stehen und mitbekommen, dass das Lehramtsstudium vielleicht doch nichts für sie ist.

Die theoretische Ausbildung, die beim Freiwilligendienst dazugehört, bietet gute Anknüpfungspunkte, um eine pädagogische Vorbildung potenzieller Erzieherinnen und Erzieher bzw. Lehrerinnen und Lehrer zu erreichen.

Dies führt mich zu Punkt III unseres Antrags. Inhaltliche Konzepte für ein „FSJ Kita und Schule“ können von den zuständigen Ministerien vorgelegt und passgenau auf eine spätere pädagogische Ausbildung zugeschnitten werden.

Dementsprechend haben wir auch Punkt IV formuliert. So soll der Freiwilligendienst in Schule und Kita bei einer späteren Ausbildung in einem dieser Bereiche angerechnet werden können. Sie alle erinnern sich bestimmt an die Diskussion dazu, wie heute schon Anrechnungsmöglichkeiten dieser Dienste in der späteren Berufsausbildung funktionieren oder – an manchen Stellen – leider nicht funktionieren.

In Anbetracht des akuten – und noch steigenden – Lehrerbedarfs in Sachsen kann unser Antrag ein weiterer Schritt sein, dem Mangel, wenn auch nur mittelbar, entgegenzuwirken, einfach indem er jungen Menschen zeigt, welcher Alltag sie erwartet und welche Herausforderungen alltäglich zu meistern sind.

Werte Abgeordnete, wir bitten Sie herzlich um Zustimmung zu unserem Antrag. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsministerin Christine Clauß)

Nächste Rednerin: Frau Schütz für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Freiwilligendienste sind für alle interessant. Sie sind aber vor allem für diejenigen Menschen interessant, die sich gern für einen bestimmten Zeitraum intensiv engagieren möchten – sei es, um eine private oder berufliche Übergangssituation zu gestalten; sei es, um sich neu zu orientieren oder sich weiterzuqualifizieren. Sie setzen sich mit ihrem individuellen Wissen, ihrer Erfahrung und ihrer Persönlichkeit in den verschiedensten Bereichen ein.

Auch für die Vereine, Verbände und Einrichtungen – ganz gleich, ob in den Bereichen Soziales, Kultur, Sport oder Ökologie – bringt sowohl das Freiwillige Soziale Jahr als auch der Bundesfreiwilligendienst Herausforderungen und Möglichkeiten mit sich. Freiwilligendienste bieten aus unserer Sicht die Chance, die Gesellschaft aktiv mitzugestalten. Daher möchte ich alle Interessierten ermutigen, die Gelegenheit zu ergreifen und diese Zeit gleichzeitig als Orientierungs- und Bildungszeit für sich zu nutzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Freiwillige – ob im Rahmen des Bundes- oder des Landesfreiwilligendienstes – können sich auf unterschiedlichste Weise in pädagogischen Einrichtungen, Kitas oder Schulen einsetzen. Interessant ist diese Möglichkeit vor allem für junge Menschen, die neugierig auf die Arbeit mit Kindern sind und die möglicherweise vorhaben, später einen sozialen oder pädagogischen Beruf zu ergreifen, und dort erste Erfahrungen sammeln wollen. Interessant ist der Einsatz im Rahmen des Freiwilligendienstes aber auch für die Menschen, die ihre Lebenserfahrung und ihr Wissen im Kontakt mit Kindern einbringen möchten und die Spaß daran haben, etwas von ihrer Erlebniswelt weiterzugeben.

Freiwillige können auf unterschiedliche Weise in den Einsatzstellen eingesetzt werden – so, wie wir es uns in unserem Antrag vorstellen. Dabei haben sie die Möglichkeit, in die Arbeit hineinzuschnuppern und Erfahrungen in einem sozialen Arbeitsumfeld zu sammeln.

Ich denke auch an Unterstützung in den Bereichen, in denen vorher der Zivi tätig war, insbesondere in der Assistenz. So kann zum Beispiel Schülern mit motorischen Beeinträchtigungen Hilfestellung gegeben werden, oder Schüler werden bei Unterrichtsgängen begleitet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollen das Engagement der Freiwilligen in unseren pädagogischen Einrichtungen stärken und potenzielle Interessenten in den Blick der Träger rücken. Angelehnt an das ökologische und das kulturelle freiwillige Jahr wollen wir die spezielle Bezeichnung „Freiwilliges Soziales Jahr in Schule und Kita“ stärker in das Licht der Öffentlichkeit rücken und letztlich auch der Bedeutung dieses pädagogischen Einsatzbereiches gerecht werden.

Gemeinsam mit den Schulträgern und den Trägern der Kindertageseinrichtungen wollen wir prüfen, wie mehr Freiwillige für die in diesen Einrichtungen zu erledigenden Aufgaben gewonnen werden können und wie das Aufgabenspektrum auch erweitert werden kann.

Die Entwicklung der Jugendlichen im Freiwilligen Sozialen Jahr steht natürlich im Mittelpunkt. Den Einsatzstellen kommt dabei eine doppelte Verantwortung zu: Einerseits geht es um sozialpädagogische Begleitung der Jugendlichen bzw. der Freiwilligen, andererseits um die Wahrnehmung der pädagogischen Verantwortung in diesen Einrichtungen selbst.

Ich bin mir daher sicher, dass es einen Mehrwert für beide Seiten geben wird: für den Freiwilligen auf der einen

Seite, für die Träger und Einsatzstellen auf der anderen Seite. Es ist eine Herausforderung, dort den Alltag gemeinsam zu erleben und die Arbeit gemeinsam zu gestalten. Deshalb bitten wir Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, um Zustimmung zu unserem Antrag.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Frau Klepsch ist die Rednerin für die Fraktion DIE LINKE. Frau Klepsch, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Sächsische Schulen und Kitas stärker für Freiwilligendienste öffnen“ – das wollen CDU und FDP. Das klingt gut und ist löblich. Und doch ahnt man die Absicht und ist verstimmt. Warum?

Hier versucht die schwarz-gelbe Koalition gutzumachen, was im aktuellen Doppelhaushalt mit dem Kürzungsdiktat schiefgegangen ist. Dass wir gegenwärtig zu wenige Stellen für Freiwillige haben, liegt nicht nur daran, dass der Bund bei der Umwandlung des Zivildienstes in den Bundesfreiwilligendienst die Stellen halbiert hat; die zu wenigen FSJ-Stellen in Sachsen sind auch ein hausgemachtes Problem. Standen nämlich im Haushalt

2009/2010 noch über 1 100 landesfinanzierte FSJ-Stellen zur Verfügung – im Wert von 2 Millionen Euro –, so sind es inzwischen nur noch etwa 700 Stellen im Wert von 1,3 Millionen Euro.

In ihrem Antrag fordern die Fraktionen von CDU und FDP die Staatsregierung auf, sich einen Überblick über die vorhandenen Freiwilligendienststellen in den sächsischen Kitas und Schulen zu verschaffen. Ich sage ganz deutlich: Das begrüßen wir, war doch das Sozialministerium bisher der Auffassung, dazu lägen keine Daten vor, und der BFD sei Sache des Bundes.

Des Weiteren wollen CDU und FDP von der Staatsregierung erfahren, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit der Freiwilligendienst in Kitas und Schulen stattfinden kann.

Liebe Kollegen aus der Koalition, das überrascht. Es gibt FSJ- und BFD-Stellen in Kitas und Schulen; das haben Sie selbst gerade dargestellt. Die Bedingungen sind im Bundesfreiwilligendienstgesetz und auch im Gesetz zum FSJ definiert.

Allein – das erfährt man, wenn man auch mit den Trägern und den Wohlfahrtsverbänden telefoniert – es scheitert oft auf der Handlungsebene, zum Beispiel, weil in staatlichen Schulen in kommunaler Trägerschaft schwierig zu klären ist, wer die Betreuung und Anleitung des Freiwilligen übernimmt und wie er mit seinen 40 Wochenstunden sinnvoll eingebunden werden kann; er soll nicht nur weitergereicht werden. An den freien Schulen sind deshalb heute bereits viel mehr Freiwilligenstellen zu finden, weil diese Schulen, zum Beispiel die FAS in Dresden und die Montessori-Schule, in der Regel einen rhythmisierten

Ganztag leben und nicht nur Ganztagsangebote machen. – Schade, dass das Kultusministerium gerade abwesend ist.

Das Dresdner Sportgymnasium in städtischer Trägerschaft ist ein Beispiel dafür, wo der Freiwilligeneinsatz aufgrund genau dieser Rahmenbedingungen nicht funktioniert hat. Der freie Träger hat gesagt: Dort bieten wir das nicht noch einmal an.