Protokoll der Sitzung vom 09.05.2012

Ich möchte noch einmal auf das Menschenbild eingehen, welches hinter Ihrem Antrag steht. Das Menschenbild, welches dahinter steht – Sie haben einige Wirtschaftsverbände zitiert –, ist, dass der Mensch nur zum Arbeiten da ist. Das steckt dahinter.

(Zuruf des Abg. Karl-Friedrich Zais, DIE LINKE)

Ja, es hat mich auch gewundert, dass das gerade bei den LINKEN der Fall ist. Das gab es schon bei Marx oder auch in der DDR: Wer nicht produktiv war, zählte nichts. Nur der Werktätige zählte. Das darf man nicht vergessen.

(Unruhe bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Bei Ihnen spielt nur die Frage des Berufs eine Rolle. Dass ein Arbeitgeberverband oder ein Wirtschaftsverband danach fragt, ist vollkommen in Ordnung. Das ist deren Sicht der Dinge. Den Verbänden geht es um die Besetzung des Arbeitsplatzes. In der Politik muss aber auch die Frage erlaubt sein: Was ist das Beste für die Familie und für das Kind? Diese Frage müssen wir uns stellen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Arbeit ist kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zum Zweck. Zuerst kommt der Mensch. Wir sollten danach schauen, was gut für den Menschen ist und was ihm dient. Der Mensch ist mehr als die Ausfüllung eines Arbeitsplatzes.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Giegengack?

Bitte.

Herr Krauß, ich würde Sie auch gern noch einmal Folgendes fragen: Wer hat das Programm mit den flexiblen Kita-Öffnungszeiten bis spät abends aufgelegt? War es die CDU, die Regierungskoalition oder DIE LINKE?

Ich habe schon einmal gesagt, dass wir die Wahlfreiheit haben möchten. Ich hätte beinahe Folgendes gesagt: Mich kotzt es an. Mich stört es, dass Kita-Plätze ständig gegen das Betreuungsgeld ausgespielt werden. Wir wollen beides. Wir wollen einerseits ordentliche und gute Kita-Plätze, Kindergartenplätze und Krippenplätze und andererseits das Betreuungsgeld. Wir wollen, dass die Eltern frei wählen können.

(Zurufe von den LINKEN)

Wir wollen nicht, dass diese Punkte gegeneinander ausgespielt werden. Das ist der Ansatz.

Ich würde gern fortfahren.

(Zurufe aus dem Plenum)

Lassen Sie weitere Zwischenfragen zu?

Nein, ich würde gerne weitermachen, weil es nicht zur Problemlösung beiträgt.

Genau!

Für uns stellt sich folgende Frage – diese möchten wir diskutieren –: Was ist gut für die Familie und für das Kind? Wann das Kind in die Krippe geht – nach einem halben oder einem Jahr, nach zwei oder drei Jahren –, ist die Entscheidung der Eltern. Diese wollen wir den Eltern nicht abnehmen. Wir wollen diese Entscheidung nicht treffen. Das ist eine Entscheidung, die die Eltern an den Maßstäben treffen müssen, die ich nannte.

Ich wünsche mir, dass das Familien- und Kindeswohl mit betrachtet wird. Der Staat soll diese Aufgabe nicht übernehmen. Das Betreuungsgeld ist ein kleiner Schritt dahin, den Eltern die Wahlfreiheit zu ermöglichen. Uns geht es darum, dass die Eltern wählen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Ende kommen. Aus meiner Sicht ist der Antrag eine Beleidigung für alle sächsischen Eltern. Sie sprechen Ihnen pauschal ab, dass sie ihre Kinder ordentlich erziehen können. Sie wollen die Wahlfreiheit der Eltern verhindern. Das ist das Ziel Ihres Antrags. Sie konstruieren zwischen dem Betreuungsgeld und der Kinderkrippe Gegensätze. Das ist falsch. Beides ist nötig. Wir wollen beides ausbauen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sagen Ja zum Betreuungsgeld. Wir sagen Ja zu mehr Krippenplätzen. Wir sagen aber Nein zur Bevormundung der Eltern. Wir sagen ebenso Nein zu Ihrem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der NPD)

Für die CDU sprach Herr Kollege Krauß. Jetzt sehe ich am Mikrofon 1 Bedarf für eine Kurzintervention. Ist das der Fall?

Ganz genau, Herr Präsident. Vielen Dank. Ich möchte Bezug nehmend auf den Beitrag von Herrn Krauß feststellen, dass gegenwärtig die Wahlfreiheit der Eltern – zwischen der häuslichen Betreuung und der Kindertagesbetreuung unter drei Jahren – weder in Sachsen noch in der Bundesrepublik überhaupt gegeben ist, weil es mitnichten genügend Krippenplätze für null- bis dreijährige Kinder gibt.

(Alexander Krauß, CDU: Es gibt aber kein Betreuungsgeld!)

Das liegt in Sachsen unter anderem daran, dass der Freistaat die Mittel des Bundes für den Krippenausbau nicht weiterleitet, sondern in der Kita-Pauschale verschwinden lässt.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Möchten Sie auf diese Kurzintervention reagieren, Herr Krauß? – Das ist nicht der Fall.

(Annekathrin Giegengack, GRÜNE: Er hat nichts zu sagen!)

Ich sehe noch eine weitere Kurzintervention von Herrn Kollegen Pellmann.

Mit Verlaub, Herr Präsident. Ich möchte gern eine sachliche Richtigstellung vornehmen.

Das können Sie.

Wunderbar. Herr Krauß, Sie meinten, dass Behinderte in der DDR nichts gezählt hätten.

(Zurufe der Abg. Alexander Krauß, CDU, und Jürgen Gansel, NPD)

Ich sage Ihnen Folgendes: Hier steht ein behinderter Mensch, der in der DDR gelebt hat und dort studieren durfte. Das war nicht der Fall, weil er aus adligen oder anderen Verhältnissen kam. Ich kam aus einfachen Verhältnissen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Ich weise zurück, dass Sie derartig undifferenziert über behinderte Menschen reden. Das Recht haben Sie nicht – auch nicht nach 20 Jahren, weil Sie vielleicht der Meinung sind, dass die Geschichte vergessen worden wäre.

(Beifall bei den LINKEN – Zuruf des Staatsministers Frank Kupfer)

Herr Kollege Pellmann, wollen Sie es als sachliche Richtigstellung oder doch als Kurzintervention gelten lassen?

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Ich möchte es als sachliche Richtigstellung gewertet wissen!)

In Ordnung, somit können wir auch keine Reaktion darauf zulassen. Gibt es weiteren Redebedarf? – Es müsste eine Kurzintervention sein. Das ist nicht der Fall.

Wir fahren in der Rednerliste fort. Jetzt spricht für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Neukirch. Bitte, Sie haben das Wort.

(Beifall des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach zwei Redebeiträgen ist klar, was auch sonst jeder jeden Tag in der Zeitung lesen kann: Das Betreuungsgeld und die Debatte darum spaltet seit Monaten nicht nur die politische, sondern auch die gesellschaftliche Landschaft.

Herr Krauß, nach einer Umfrage der ARD sind es 80 % der Menschen in Deutschland, die das Betreuungsgeld nicht wollen.

(Alexander Krauß, CDU: Die Umfragen haben Sie wohl selbst gemacht?!)

Sie können das auf der Homepage der ARD nachlesen. Es gibt noch viele andere Gründe.

(Alexander Krauß, CDU: Die repräsentative Umfrage im „Stern“ sagt etwas anderes!)