Protokoll der Sitzung vom 10.05.2012

Der vorliegende Antrag würde bei einer Pi-mal-DaumenSchätzung zu erheblichem Verwaltungsaufwand führen, keine belastbaren Zahlen liefern, bestenfalls unrealistische Erwartungen schüren und zu Enttäuschungen führen.

Aus diesem Grund können wir den Antrag leider nur ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Nun erhält die Fraktion DIE LINKE das Wort, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 100 Milliarden Euro fehlen den Kommunen bundesweit für Investitionen. Dies geht aus der aktuellen Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW „Kommunalpanel 2011“ hervor. Die Entwicklung ist alarmierend, sagte der Volkswirt der KfW-Bankengruppe Norbert Irsch. Allein für die Schulen und Kindertagesstätten beklagen die Kommunen einen Investitionsrückstand von 27 Milliarden Euro. Für den Straßenbau und die Verkehrsinfrastruktur fehlen weitere 25 Milliarden Euro. Der Bund hat diese Studie vorgelegt. Herr Krasselt, was der Bund auf Bundesebene ermitteln kann, sollte auch das Land tun.

Trotz positiver konjunktureller Entwicklungen und leichter Entspannung der Kommunalfinanzen können die Städte und Gemeinden nicht wesentlich mehr investieren. Deswegen liegt dieser Antrag in dieser Form vor. Deswegen müssen wir die Debatte hier führen.

Circa 4 % der Einnahmen des Kernhaushaltes werden derzeit für Investitionen in die technische und soziale Infrastruktur verwendet. Ich zitiere einmal einen Satz aus der Studie. Dort steht Folgendes: „So ist bereits heute absehbar, dass beispielsweise die Schuldenbremse der Länder, das Auslaufen der Mittel aus dem Solidarpakt II, die Reduzierung der EU-Fördermittel und wachsende Pensionslasten die kommunalen Kassen stark weiter belasten werden.“

Wenn ich mir das anschaue, trifft das auch auf Sachsen zu. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass sich der Investitionsrückstand gegenüber den Vorjahren erhöht hat. Hierzu gibt die Studie Informationen. Der Investitionsrückstand ist in den Kleingemeinden unter 5 000 Einwohnern am größten. Am niedrigsten ist der Rückstand

hingegen in den Großstädten über 50 000 Einwohnern. Es hat sich ebenso gezeigt, dass die Kommunen derzeit nicht mehr in der Lage sind, Investitionen selbst zu tätigen. Zumindest 40 % der Kommunen können heute nicht die notwendigen Eigenanteile für die Inanspruchnahme von Fördermitteln nutzen. Das ist die Debatte, die wir führen. Darüber sollten wir uns heute verständigen. Dazu dient dieser Antrag.

Wenn sich die Finanzsituation der Kommunen nicht maßgeblich verändert, werden nicht wenige Kommunen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung abgehängt. Die Bevölkerungsverluste, Sozialausgaben, Schuldenbremse und die Verringerung der Fördermittel verschärfen die Finanzsituation der Kommunen. Somit ist kein Abbau des kommunalen Investitionsstaus zu erwarten. So sieht auch die Situation in Sachsen aus.

Wir haben diese Debatte am 25. April schon im Haushalts- und Finanzausschuss begonnen. Wir haben Sachverständige eingeladen, um herauszufinden, wie der Bedarf auf der kommunalen Ebene aussieht. Wir haben versucht, den Investitionsbedarf zu hinterfragen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Krasselt, bitte.

Ich bin ein klein wenig spät mit meiner Frage dran, weil ich erst aus der hinteren Reihe nach vorn an das Mikrofon kommen musste. Meine Frage zielt auf Ihre Aussage zwei Sätze vorher ab.

Die sächsischen Kommunen waren im Jahr 2011 in der Lage, 180 Millionen Euro zu tilgen oder zurückzulegen. Würden Sie daher von einer Investitionskatastrophe sprechen?

(Zuruf des Abg. Mario Pecher, SPD)

Das ist bares Geld. Das hat mit der Doppik nichts zu tun.

(Zuruf des Abg. Mario Pecher, SPD)

Das ist bares Geld. Es sind 180 Millionen Euro. Ist das für Sie eine Investitionskatastrophe oder nicht? Das möchte ich beantwortet haben.

Es ist sicherlich keine Investitionskatastrophe.

(Beifall bei der CDU – Gernot Krasselt, CDU: Danke!)

Herr Krasselt, aber es gibt große regionale Unterschiede. Das müssen Sie ebenso zur Kenntnis nehmen. Sie kommen immer mit einer riesigen Zahl daher und wollen weismachen, dass es allen Kommunen in dieser Größenordnung gut geht. 40 % der Kommunen sind nicht in der Lage, die Fördermittel abzurufen, weil sie dafür kein Geld haben. Darüber muss man debattieren. Dafür müssen wir

gemeinsam Lösungen finden. Deswegen ist es wichtig, den Investitionsbedarf im Freistaat Sachsen zu ermitteln. Das ist die Debatte, die wir mit Ihnen bisher noch nicht geführt haben und zu der Sie uns keine Zahlen nennen konnten. Davon hängt einerseits die Förderung und anderseits die Schwerpunktsetzung ab. Wenn man den Investitionsbedarf ermittelt hat, kann man die Förderschwerpunkte ganz anders setzen. Deswegen unterstützen wir den Antrag der GRÜNEN, den Bedarf abzurufen.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Bitte.

Herr Krasselt, bitte.

Natürlich sind nicht alle Kommunen gleich. Ich gebe Ihnen völlig recht. Das Finanzausgleichsgesetz Sachsens nivelliert die Finanzunterschiede in erheblichem Maße.

Herr Krasselt, bitte stellen Sie Ihre Frage!

Können Sie sich vorstellen, dass 40 % der Kommunen auch an den Ursachen arbeiten sollten, wodurch sie schlechter als andere dastehen?

Ich finde es ein wenig unfair, wegen der Unterfinanzierung der Kommunen und der Aufgabenübertragung auf die kommunale Ebene die Kommunen dafür verantwortlich zu machen, dass sie nicht richtig mit Geld umgehen. Ich gebe Ihnen nicht recht. Dafür sind in den letzten Jahren genügend Haushaltskonsolidierungskonzepte durch die Kommunen

geführt worden – gerade in dem Bereich, in dem es Schwierigkeiten gegeben hat. Das wissen Sie ganz genau. Ansonsten hätten Sie nie den Haushaltsplan genehmigt bekommen. Demzufolge gebe ich Ihnen nicht recht. Die Kommunen haben in den letzten Jahren viele Aufgaben hinzubekommen und haben höhere Lasten zu tragen. Deshalb können sie zurzeit nicht zusätzlich in Größenordnungen investieren. Das gilt vielleicht in dem Maße nicht unbedingt für die Großstädte wie für den ländlichen Raum und kleine Städte. Es müssen Lösungen gefunden werden. Es müssen andere Prioritäten bei der Förderung gesetzt werden.

Ich würde gern fortfahren. Für die anstehenden Haushaltsberatungen und die damit verbundene Schwerpunktsetzung brauchen wir Abgeordnete belastbare Daten, um qualifizierte Entscheidungen treffen zu können. Bis zum heutigen Tag können weder die Staatsregierung noch die kommunalen Spitzenverbände die Höhe des kommunalen Investitionsbedarfs in Sachsen darstellen.

Deswegen schlagen die GRÜNEN vor, den Investitionsbedarf für die nächsten drei Jahre auszuweisen. Wir haben einen kleinen Änderungsantrag eingebracht. Wir schlagen aufgrund der kommunalen Haushaltswirtschaft vor, die

Finanzplanung auf fünf Jahre auszuweisen. Aufgrund der Haushaltspläne der mittelfristigen Finanzplanung ist das durchaus machbar. Deswegen möchten wir mit unserem Änderungsantrag den Zeitraum auf das Jahr 2016 erweitern.

Meine Fraktion DIE LINKE hält es darüber hinaus für notwendig, den Investitionsbedarf von Gemeinden ab 3 000 Einwohnern in die Datenerhebung einzubeziehen. Gerade dort ist der Investitionsbedarf sehr hoch und an und für sich die Unterfinanzierung am größten. Bei den Gemeindegrößenklassen sollten wir uns an denen des Sächsischen Frühwarnsystems kommunale Haushalte orientieren.

Ich komme nun zur Argumentation von Herrn Krasselt, dass alles viel zu viel Aufwand sei. Ich behaupte Folgendes: In der mittelfristigen Finanzplanung der Kommunen sind die Investitionsbedarfe ausgewiesen. Diese Daten sollten Sie zunächst einmal ermitteln. Letztendlich kann sich nun auch die Doppik bewähren. Es ist ein erster Ansatz. Wir brauchen die entsprechenden Daten, um letztendlich eine gezielte mittelfristige Finanzplanung herzustellen.

Ich möchte zum Schluss noch darauf hinweisen, dass der Bericht – wenn heute die Mehrheit das beschließen würde – natürlich keine generellen Veränderungen der Finanz- und Investitionskraft der Kommunen bringt, sondern wir erwarten konkrete Vorschläge seitens der Staatsregierung, seitens der Koalition und natürlich auch Maßnahmen für eine aufgabengerechte Finanzausstattung der Kommunen. Wir als Fraktion haben dieses Jahr mittlerweile drei Initiativen diesbezüglich ergriffen und würden auch hier wollen, dass sich die Staatsregierung viel stärker mit dem Thema auseinandersetzt. Investitionsermittlung, Bedarfsermittlung ist ja ein Thema von vielen im Rahmen des Finanzausgleichsgesetzes, im Rahmen der Finanzausgleichsdebatte.

Unser gemeinsames Ziel sollte es an und für sich sein, die notwendigen Finanzmittel zu einer angemessenen und dauerhaften Erfüllung der Selbstverwaltungsaufgaben der Kommunen zur Verfügung zu stellen. Ich möchte auch noch einmal unterstreichen: Sie haben einen Verfassungsauftrag, und diesen sollten Sie unbedingt erfüllen.

(Zuruf von der CDU: Das tun wir!)

Letztendlich halten wir es für notwendig, die Finanzmittelverteilung im kommenden FAG 2013/2014 zugunsten der kommunalen Ebene zu verändern. Dafür brauchen wir natürlich auch entsprechend belastbare Daten. In dem Sinne stimmen wir dem Antrag zu mit den kleinen Änderungsvorschlägen, die wir hier eingebracht haben.

Danke.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die SPDFraktion Frau Abg. Köpping, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Gerade ist die berühmte Studie KfWKommunalpanel zitiert worden. Ich hatte eigentlich auch vor, darüber zu sprechen. Deswegen kann ich kurz zu Beginn noch auf den Redebeitrag von Herrn Krasselt eingehen.

Lieber Herr Krasselt, Sie waren Bürgermeister. Ich war das auch. Wir wissen beide, dass es sowohl Kommunen gibt, die sich trotz vieler Hindernisse wirklich angestrengt und gute Ergebnisse erreicht haben. Sie werden aber nicht bestreiten, dass es einer Kommune, die vielleicht im Speckgürtel von Leipzig liegt, etwas anders geht als einer Kommune auf dem flachen Land. Ich komme später auf ein Beispiel zurück, das gut Ihre These widerlegt, dass es Schuld der Kommunen ist, wenn sie nicht investieren. Ich werde aber zunächst mit dem Investitionsrückstand beginnen.

Frau Junge hat schon die Zahlen aus dem Kommunalpanel genannt. Aber ich möchte sie noch für den Bereich der Kinderbetreuung und Schule nennen, die deutschlandweit auf 27 Milliarden Euro geschätzt werden. Für den Freistaat Sachsen existieren bislang keine verlässlichen Zahlen. Allein für den Schulbereich wird der Investitionsbedarf auf über 2,5 Milliarden Euro geschätzt. Bei Kindertagesstätten, Sport- und Schwimmhallen und Verkehrsinfrastruktur gibt es leider überhaupt keine zuverlässige Schätzung. Die Liste ließe sich noch endlos fortführen.

Noch düsterer sähe es aus, wenn man die Liste um die Notwendigkeit von Zukunftsinvestitionen erweitern

würde. Ich denke da beispielsweise an die notwendige energetische Sanierung – Frau Hermenau hat das angesprochen –, und zwar zum einen aus Umweltschutzaspekten, aber auch aus kommunaler Sicht. Wenn sich die Kommunen nicht umstellen, dann sind das auch Kostenfaktoren.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen kurzfristig einen Bericht über den Investitionsbedarf der kommunalen Hand. Leider verhält sich die Staatsregierung, was die Quantifizierung von Investitionen auf kommunaler Ebene betrifft, wie die drei Affen – nichts sehen, nichts hören und nichts sagen. Stattdessen verweist man gern auf die bestehende kommunale Zuständigkeit. Das haben wir gerade wieder gehört. Die Kommunen können ja eigenständig entscheiden. Sie können das eben nicht, auch das wissen wir beide, die wir in der kommunalen Ebene gearbeitet haben. Wir haben dort Haushaltspläne, die genehmigt werden müssen. Wenn eine Kommune tatsächlich einmal Mehreinnahmen hat und nicht als abundante Gemeinde gezählt wird, dann hat sie das gefälligst in ihre Entschuldung zu stecken.