Protokoll der Sitzung vom 10.05.2012

Nun können Sie natürlich davon erzählen, dass es durch Gewerbesteuer und Schlüsselzuweisungen erhebliche Einnahmenschwankungen gibt. Das ist alles richtig, aber Ihnen ist auch bewusst, dass Kommunen im Allgemeinen dazu tendieren, prozyklisch zu investieren, und nur durch die Aufbau-Ost- und die Ost-West-Transfers ist es so, dass es bei uns immer verzerrte Zahlen und ein verzerrtes Bild gibt. Aber die Ost-West-Transfers laufen aus, und es geht darum, sie in den nächsten Jahren vor allem dazu zu nutzen, zukünftige Kosten zu vermeiden und zu mindern, damit die Kommunen nicht auf Dauer auf diesen Kosten sitzen bleiben, die im Prinzip einen immer größeren Teil an ihrem Gesamtanteil einnehmen werden. Das ist eine ganz wichtige Maßnahme, die durchgeführt werden muss. Dafür brauchen wir Entscheidungsgrundlagen, und das sind meiner Meinung nach Informationen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Petra Köpping, SPD)

Nächster Redner für die CDU-Fraktion ist Herr Mikwauschk. – Einen kleinen Moment noch, es gibt wahrscheinlich eine Kurzintervention von Herrn Krasselt, diese möchte ich gern noch zulassen. Dazu haben Sie jetzt Gelegenheit, Herr Krasselt; bitte.

Danke, Herr Präsident. – Frau Hermenau hat so viel Bezug auf meinen Vortrag genommen, dass ich einfach einige Worte dazu sagen muss. Ich denke, das erwarten Sie auch.

Bürgermeister lügen nicht, sind aber pfiffig, das will ich einfach mal so sagen.

(Heiterkeit und Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE: Sehr vigilant!)

Ich denke, mit Lügen – das wissen wir alle – hat das nichts zu tun, aber eine Pfiffigkeit ist dabei, und selbstverständlich führen Fördermittelgrößen immer dazu, zu variieren. Wenn ich heute 75 % Förderung in einem Programm habe, nehme ich erst das und warte mit einer anderen Investition. Das meine ich mit „Pfiffigkeit“. Das hat man doch alles im Haushalt stehen, damit man reagie

ren kann. Mit „Pfiffigkeit“ meine ich auch, dass manchmal mehr im Haushalt steht, als bezahlt werden kann. Da nehme ich halt die Gewerbesteuereinnahme ein bisschen hoch, damit das wieder aufgeht. Ich denke, das ist nicht Lüge, sondern das geschieht – das ist aus der Praxis gesprochen –, damit Sie im richtigen Moment reagieren können. Denn wenn Sie eine Maßnahme nicht im Haushalt haben, können Sie die Fördermittel nicht abrufen, auch wenn es dafür 100 % gäbe. Das ist halt so.

Ich habe in meinem Vortrag ausdrücklich gesagt, dass wenige Kommunen dieser Sache nicht gerecht geworden sind. Diesen wenigen zuliebe kann man nicht alles anders machen. Die meisten haben ihre finanziellen Probleme im Griff. Ich will Ihnen zwei Beispiele aus meinem unmittelbaren Umfeld dafür nennen, was passieren kann.

Die eine Gemeinde hat viel zu teuer Flächen gekauft, ein Gewerbegebiet daraus gemacht und konnte das dann nicht verkaufen, weil es zu teuer war. Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes pleite gegangen.

Eine andere, kleine Kommune dachte, sie müsste sich ein Hallenbad bauen. Das hat auch nicht funktioniert.

Das können wir aber nicht korrigieren. So viel Verantwortlichkeit gehört auf die entsprechende Ebene. Diese zwei kleinen Beispiele sollen nur zeigen, dass es auch Verfehlungen gibt, auf die wir reagieren müssen. Aber wir können dafür nicht 95 % bestrafen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Hermenau, Sie möchten darauf reagieren? Das können Sie.

Herr Krasselt, wenn es um Spaßbäder ginge, hätte ich von Spaßbädern gesprochen. Bei mir geht es darum, dass wir im Bericht der EnqueteKommission der letzten Legislaturperiode zur demografischen Entwicklung sehr wohl genaue Feststellungen darüber getroffen haben, welche Kostenpermanenzen wir auf der kommunalen Ebene auf die Bürger zukommen sehen. Der Bürgermeister kriegt zum Beispiel die Dresche dafür, dass die Abwasserbeiträge steigen, obwohl er eigentlich nicht wirklich etwas dafür kann, denn die Annahmen von damals waren ja falsch. Zumindest was die Größe der einen oder anderen Kläranlage betrifft, kann man das heute so sagen.

(Zuruf von der CDU)

Das ist nur ein Beispiel. Es gibt auch andere Infrastruktur, die im Verhältnis zur tatsächlichen Bevölkerungszahl zu groß ausgelegt ist.

Jetzt ist die Frage: Bleiben in Kommunen, bei denen noch das eine Dörfchen oder die eine Scheune hinzukommt, wo es große Straßen und Wege gibt, diese Bürgermeister oder die Bürger, was genauso ärgerlich ist, auf diesen Kosten sitzen, oder gibt es da eine Möglichkeit, das mit dem Geld, das wir für den Aufbau Ost bekommen, ein bisschen zu optimieren? Das sind Fragen, die ich für völlig

legitim halte. Da müssen Sie mir nicht mit Spaßbädern kommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Marion Junge, DIE LINKE, und Petra Köpping, SPD)

Jetzt Sie, Herr Mikwauschk.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Begründung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist im Besonderen auf das Thema Generationengerechtigkeit und künftige infrastrukturelle Nachholbedarfe der Kommunen fixiert. Es soll teilweise der Eindruck vermittelt werden, dass die fehlende finanzielle Ausstattung die sächsischen Kommunen handlungsunfähig mache.

Aus dem uns vorliegenden Antrag wird keineswegs deutlich, dass vor Ort in den Kommunen durch die effiziente und engagierte Arbeit die Entscheidungsfindungen präziser und schneller umgesetzt werden können. Hierzu sind keine zusätzlichen aufwendigen Erhebungen notwendig. Herr Krasselt ist bereits darauf eingegangen. Eine langfristige Sicherung eigener Gestaltungsspielräume kann nur durch eine nachhaltige und solide Finanzpolitik gewährleistet und damit dem Begriff der Generationengerechtigkeit entsprochen werden.

Es ist nicht unsere Aufgabe, bestehende Strukturen unverändert fortzusetzen, sondern sie sozialverträglich so zu gestalten, dass die Weichen in eine wirtschaftlich gesunde Zukunft gestellt werden. Dieser notwendige Ansatz ist in Ihrem Antrag schlichtweg nicht formuliert. Eine Anpassung an den Investitionsbedarf heißt: Dort, wo Kapazitäten reduziert werden müssen, sollte dies stets als Möglichkeit zur Qualitätsverbesserung genutzt werden. Dies bedeutet für die Finanzpolitik des Freistaates Sachsen und der Kommunen zugegebenermaßen eine äußerst schwierige Herausforderung. Die Umsetzung kann nur unter Wahrung der kommunalen Selbstverwaltung erfolgen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind uns darin einig, dass es zur Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung einer ausreichenden Finanzausstattung der Kommunen bedarf. Die Sichtweise Ihres Antrages ruft jedoch punktuell eine Erwartungshaltung hervor, der so nicht entsprochen werden kann. Die Quantifizierung des kommunalen Investitionsbedarfs kann nur vor Ort einvernehmlich und sachgerecht getroffen werden. Wenn solide öffentliche Finanzen als Basis für die Zukunft unterstellt werden, stimmt dies mit unseren Vorstellungen durchaus überein.

In der Fragestellung Ihres Antrages wird deutlich, dass bei der Bedarfsermittlung über eine angemessene Erfüllung freiwilliger Aufgaben der Kommunen schnell von falschen Voraussetzungen ausgegangen wird und dass dies zu Diskrepanzen hinsichtlich der Aussagefähigkeit dieser Zahlen führt. Aus Erfahrung wissen wir, dass die Ver

kehrsinfrastruktur ein wichtiger Faktor der Regionalentwicklung ist. Es gibt inzwischen Bereiche, in denen kein Nachholbedarf mehr besteht und somit pauschal keine Aussagen über Defizite getroffen werden können.

Für die Generationengerechtigkeit in der Finanzpolitik sind folgende wichtige Prinzipien zu beachten: Es ist erstens schwierig, den Investitionsbedarf, der nicht nur eine objektive, sondern vor allem eine politische Größe ist, abzuleiten. Und Sie, Frau Hermenau, wollten ja nicht mogeln.

Zweitens wird über die Notwendigkeit von sinnvollen und machbaren Entscheidungen von den Verantwortlichen vor Ort entschieden. Dies ist die richtige Ebene für eine sachliche Beurteilung.

Drittens, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sind die sächsischen Kommunen handlungsfähig und haben begriffen, dass nicht ständige Mehrforderungen, sondern eine intelligente Mittelverwendung die Gewähr zur Bewältigung der Aufgaben und damit zur Bewältigung der Zukunft bietet.

Somit erübrigt sich Ihr Antrag zur Quantifizierung einer Infrastrukturlücke.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich frage: Gibt es noch Wortmeldungen in der zweiten Runde? – Das kann ich nicht erkennen. Wortmeldungen in der dritten Runde? – Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Ulbig, Sie möchten gern zum Antrag Stellung nehmen. Dazu haben Sie jetzt Gelegenheit.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Gern will ich aus der Sicht der Staatsregierung zu diesem Antrag ein paar Aspekte beleuchten.

Einerseits hat es mich gefreut, dass diese Debatte durchaus dadurch geprägt war, dass sie nicht nur aus der Perspektive des Freistaates das Thema beleuchtet hat, sondern dass fast alle Antragsteller, die hier vorgetragen haben, zumindest auch einmal auf der kommunalen Ebene Verantwortung getragen haben, und dass damit die Wechselseitigkeit dieses Themas durchaus gut zum Ausdruck gebracht worden ist.

Dennoch möchte ich aus der Sicht der Staatsregierung Folgendes sagen: Ich gehe jetzt nicht mehr auf die Zuständigkeiten und die kommunale Selbstverwaltungskompetenz ein, sondern ich möchte sagen, dass der Staatsregierung tatsächlich für den geforderten Bericht keine aussagefähigen Zahlen vorliegen. Um diese Zahlen zu beschaffen, wäre tatsächlich ein sehr aufwendiges Verfahren notwendig; denn es geht ja nicht nur darum, diese Zahlen zu erheben, die man in irgendeiner ExcelTabelle nach oben aggregieren könnte, sondern diese Zahlen, diese Informationen müssten natürlich noch bewertet und überprüft werden.

Es ist angesprochen worden und ich will es noch einmal deutlich machen: Natürlich geht es um das Thema Berücksichtigung des demografischen Wandels, aber eben auch aus einer Perspektive, wie wir es gestern miteinander diskutiert haben. Stichwort integrierte Stadtentwicklungskonzepte, Stichwort Antizipieren dessen, was gegebenenfalls in fünf bzw. zehn Jahren notwendig oder gegebenenfalls eben nicht mehr notwendig ist.

Egal mit welcher Brille man das sieht – Herr Krasselt hat das mit „Pfiffigkeit der kommunalen Ebene“ charmant umschrieben –, würde eine solche Abfrage, die aus dieser Perspektive angestellt würde, natürlich auch kommunale Begehrlichkeiten wecken, weil aus meiner Sicht schon fast immanent durch die Abfrage der Eindruck erweckt wird, dass der Freistaat Sachsen am Ende mit diesen Zahlen nicht nur einen Erkenntniszugewinn haben will, sondern sich, bezogen auf den Haushalt des Freistaates Sachsen, Konsequenzen ableiten müssten.

Das, was Sie, Frau Köpping, angesprochen haben, also zum Beispiel Deutzen oder andere Themen, sind doch Einzelfälle und Einzelprobleme. Aus meiner Sicht müssen diese Themen auch einzeln benannt werden. Gerade bei Deutzen geht es ja weniger um Investitionsstaus als vielmehr besonders um das Thema Verschuldung. Das ist doch am anderen Ende, dass man vielleicht wegen zu hoher Verschuldung die eine oder andere Investition im Haushalt nicht mehr unterbringen kann. Das ist mit Sicherheit richtig. Aber da sieht man schon, wie problematisch quasi ein solches System ist, wenn es um die Abfrage geht.

Einen zweiten Aspekt möchte ich noch kurz aufgreifen. Das ist das Thema Finanzausgleich. Das ist aus unterschiedlicher Perspektive schon angesprochen worden. Herr Schimmer hat gesagt, man müsste es abschaffen, es sei ein furchtbares System. Über dieses FAG ist schon viel diskutiert worden, munter auch auf der kommunalen Ebene. Frau Köpping wird mir das bestätigen, selbst wenn Sie dazu mit Sicherheit nicht nachfragen will. Wir haben uns häufig mit dem FAG und den unterschiedlichen Säulen auseinandergesetzt. Am Ende waren wir zutiefst davon überzeugt, dass es vielleicht in der Nivellierung an der einen oder anderen Stelle anders ausgestaltet sein könnte, aber dass ein solches System sinnvoll und notwendig ist, um das Ziel, nicht gleiche, aber gleichartige Lebensbedingungen im Lande einigermaßen sicherzustellen, zu erreichen. Dass ein solches System dazu geeignet ist, davon waren wir alle überzeugt. Am Ende ist dieses FAG – –

(Petra Köpping, SPD, steht am Mikrofon.)

Herr Staatsminister, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Lassen Sie die Zwischenfrage zu?

Ja, ich mache jetzt einen Punkt. – Deshalb ist dieses FAG mit Sicherheit auch in zehn Jahren noch existent.

Lassen Sie die Zwischenfrage jetzt zu? – Frau Köpping, bitte.

Vielen Dank. – Herr Minister Ulbig, ist Ihnen bekannt, dass es solch eine Abfrage auf Landkreisebene in Vorbereitung der Funktionalreform schon einmal gegeben hat? Für mich ist unklar, warum es das nicht für die Kommunen geben kann.

Frau Köpping, das ist mir durchaus bekannt. Ich habe damals diese Funktional- und Landkreisreform intensiv beobachtet. Da hatte man aber eine andere Blickrichtung bei dieser Abfrage gehabt. Jetzt geht es dem Antrag entsprechend eigentlich darum, den Investitionsbedarf der kommunalen Ebene im ganzen Land zu erfassen. Man kann sich darüber streiten, ob es sinnvoll ist, drei oder fünf Jahre in solch ein System hineinzunehmen. Ich denke, das Thema Erwartungshaltung ist durchaus das Problem, welches ansteht und welches man im Blick haben muss.

Ich möchte das Stichwort Doppik aufnehmen, weil das angerissen wurde. Aus meiner Sicht ist zumindest zweierlei in dieser Debatte notwendig, um deutlich zu machen, was ich damit verbinde: Einerseits – da stelle ich mich jetzt vor die kommunale Ebene – haben sie das aus meiner Sicht zu spät angepackt. Sie wissen, dass die Umstellung in Pirna sehr frühzeitig angegangen wurde. Viele sind jetzt mitten in der Doppik-Umstellung. Sie sind bis über beide Ohren mit diesem Thema befasst. Sie jetzt noch einmal mit einer anderen Abfrage zu befassen, wäre aus meiner Sicht eine zusätzliche Beschwer.

Andererseits bin ich zutiefst davon überzeugt, dass – anders, als Sie, Frau Hermenau, es gesagt haben – mit dem System Doppik quasi fast systemimmanent auf der kommunalen Ebene diese Generationengerechtigkeit entsteht. Wenn ich das Anlagevermögen das erste Mal fast flächendeckend bewertet habe, wenn ich es eingestellt habe und wenn über den Zeitraum die Abschreibung abgebildet werden muss, dann kann ich eben nicht mehr, wie das in der Vergangenheit noch gewesen ist, tricksen und sagen: Ich mache das in einer Jahresscheibe, verstecke das, und wenn die Investition durch ist, rede ich nicht mehr darüber. Da haben wir zumindest für alles, was an Anlagevermögen vorhanden ist, den Investitionsbedarf, der sich durch die Abschreibung als nicht wirksame Zahlungsleistungen abbildet.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Das kriegen ja manche Abschreibungen gar nicht mehr hin!)

Das mag durchaus ein Problem sein. Deshalb sind wir derzeit dabei, gerade in der Übergangszeit Übergangsregelungen für diese besondere Problematik zu schaffen, um den Kommunen den Einstieg zu geben.