Protokoll der Sitzung vom 10.05.2012

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Es gibt noch Redebedarf für eine zweite Runde. Bitte, Frau Abg. Falken für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Firmenich, wenn Ihnen der Antrag zu umfangreich ist, möchte ich Ihnen noch einmal ganz klar und deutlich erläutern, dass Kita, Schule und Hochschule etwas mit Bildung zu tun haben und dass wir in diesem Antrag heute natürlich ganz speziell auf das Thema Schule und Hochschule als Bildungsbereiche einsteigen wollen und leider auch müssen, weil noch nichts geklärt ist. Deshalb haben wir hier einen solchen umfangreichen Antrag gemeinsam gestellt.

Ein zweiter Punkt, Frau Firmenich. Ich hoffe nicht, dass die Ministerien genauso geprüft haben wie Sie. Der polyvalente Bachelor ist nicht daran schuld, dass die jungen Leute hauptsächlich das Lehramt am Gymnasium studieren. Dafür gibt es ganz andere Ursachen und Gründe.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Das hat etwas mit der Bezahlung zu tun!)

Ich hoffe, dass die Ministerien die Ursachen anders erforschen als Sie sie hier benannt haben, denn sonst wäre es die absolute Katastrophe und wir würden dort überhaupt keine Lösung finden, denn wir haben zurzeit im Mittelschulbereich in der Referendariatszeit ganze fünf Personen, die das Lehramt Mittelschule studieren. Doch bei dem zukünftigen Bedarf an Mittelschullehrern wird das natürlich auf keinen Fall reichen.

Aber jetzt zu meinen Ausführungen. Das Thema Lehrermangel beschäftigt uns im Sächsischen Landtag seit nunmehr mindestens zwei Jahren. Wir werden dieses Thema im Landtag weiter behandeln, auch wenn ich weiß, dass es viele von uns manchmal schon nicht mehr hören können.

Insofern bin ich sehr froh, dass wir heute vor dem Landtag eine Kundgebung von Schülern und Studenten haben werden. Die Betroffenen werden hier signalisieren, dass es so nicht mehr weitergeht. Wir haben einen ganz kleinen Schritt mit dem Einstieg der Staatsministerin Frau Kurth erlebt; denn der Lehrermangel wird uns kurzfristig und langfristig weiter begleiten – auch kurzfristig wird dies der Fall sein. Ich möchte das erläutern.

Die 565 Neueinstellungen, die durchgeführt werden sollen, zu denen zurzeit an den Regionalstellen die Ge

spräche stattfinden, sind keine neuen Personen; denn – dafür möchte ich mich hier bei der Ministerin ganz herzlich bedanken – unser Hinweis im April-Plenum, dass die Entfristungen sehr schnell durchgeführt werden sollen, hat gefruchtet, weil die Kolleginnen und Kollegen, die an Grund- und Förderschulen arbeiten, schon einen entfristeten Vertrag in der Tasche haben. Aber von den 318 Einstellungen an den Grundschulen sind ein Drittel entfristete Kollegen, das heißt, sie sind in diesem Jahr bereits im System gewesen. Es sind also keine zusätzlichen Einstellungen, sondern hierbei muss ich von den 318 Einstellungen ein Drittel abziehen, um die realistische Größe der Neueinstellungen zu erhalten.

Diese 290 Stellen, die für das kommende Schuljahr zur Verfügung gestellt werden sollen, sind aus dem Ganztagsangebot. Auch heute sind zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer bereits im Unterricht und nicht mehr im Ganztagsangebot eingesetzt. Das heißt, dass diese Stellen, die in den Unterricht zurückgeführt werden sollen, schon heute für die Ganztagsangebote nicht mehr zur Verfügung stehen.

Herr Bläsner, Frau Stange hatte die Frage bereits gestellt. Ich will sie wiederholen und untersetzen: Wenn im derzeitigen Haushalt 10 Millionen Euro für die Ganztagsangebote gestrichen worden sind und jetzt

2 Millionen Euro draufgelegt werden sollen, dann ist das eine riesige Lücke, die sich für die derzeitigen Ganztagsangebote ergibt.

Wenn Sie sagen, dass die Mittel nicht alle abgerufen worden sind, dann muss man der Ehrlichkeit halber aber auch sagen, dass es zahlreiche Schulen gab, die ihre Anträge zwar gestellt, aber mit einem korrigiertem Bedarf zurückbekommen haben, damit die Gelder für alle einigermaßen reichen. Dass es dann unter dem Strich ein Plus geben wird, war von vornherein klar.

Wenn Sie mit dieser Argumentation zu den Kollegen an die Schulen gehen, würden diese Ihnen sagen: Das kann doch wohl nicht wahr sein! Selbstverständlich hätten wir mehr beantragt, wenn wir mehr bekommen hätten. Zum Teil haben die Schulen auch mehr beantragt, als sie bekommen haben.

Es wird sich im kommenden Schuljahr ein weiteres Problem auftun, und zwar für die Kollegen, die in die Altersteilzeitruhephase gehen. Die Ministerin hat es im Ausschuss ausgeführt, wusste allerdings nicht das genaue Datum. Diese Kollegen werden in die Stundenplanung für den Unterricht bis zum 31. Oktober nicht einbezogen. Das halte ich für richtig und für sinnvoll. Aber was passiert danach? Wir werden im November, im Dezember, im Januar etc. ebenfalls Lehrerinnen und Lehrer haben, die in die Altersteilzeitruhephase gehen. Das wird ein Loch reißen, von dem heute überhaupt noch nicht klar ist, wie es gestopft werden soll.

Ich erwarte, dass Sie den Schülerinnen und Schülern sowie den Lehrerinnen und Lehrern, die heute bei uns im Plenum sitzen, erläutern, wie Sie diese Lücken, die sich auftun werden, ausgleichen wollen.

Ein weiteres großes Problem tut sich aus unserer Sicht bei der Abdeckung des Unterrichts mit ausgebildeten Fachlehrern auf. Es gibt dazu erste Aussagen aus unterschiedlichen Regionalstellen. Wir werden bereits im kommenden Schuljahr den Fachunterricht mit Fachlehrern nicht mehr überall ausstatten können. Aber im nächsten Schuljahr wird es noch um ein Vielfaches schwieriger sein, die Fachlehrer für den entsprechenden Fachunterricht zu erhalten.

Nun bin ich als Pädagoge froh, wenn wir Lehrer haben, die im Unterricht sind, und nicht Personen, die keinen pädagogischen Abschluss haben. Aber wenn wir in den Klassen – egal in welcher Schulart – damit beginnen, den Fachunterricht mit fachfremden Kollegen zu besetzen, dann wird das Niveau eindeutig leiden.

(Beifall bei den LINKEN, bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich komme zum Geld. Leider ist Herr Unland nicht im Saal, aber ich erkläre es ihm, denn vielleicht schafft er es noch, in den Saal zu kommen. Wir haben gelesen und gehört, dass für das kommende Schuljahr 23,5 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt werden sollen. Das ist nicht viel, aber immerhin.

(Zuruf des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Wir haben die Ministerin gefragt, woher das Geld kommt. Sie konnte es uns im Schulausschuss leider nicht erklären.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Aus dem Haushalt!)

Wir möchten es aber genau wissen, und wir möchten es heute wissen. Das gesamte Plenum hat, glaube ich, einen Anspruch darauf, zu erfahren, woher diese Gelder kommen.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Dieses Spiel hat die Staatsregierung schon einmal durchgeführt, und zwar mit Herrn Wöller. Damals wurde eine große Summe an zusätzlichen Ausgaben bekanntgegeben und dann wurden 50 % aus dem eigenen Kultushaushalt genommen.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Es muss zusätzliches Geld sein!)

Wenn ich höre und in der Zeitung lese – meine Vorredner haben sich schon darauf bezogen –, dass im Schulhausbau gekürzt wird – –

(Ministerpräsident Stanislaw Tillich: Das ist Quatsch!)

Herr Ministerpräsident, ich freue mich sehr, dass Sie reagieren. Vielleicht können Sie nachher ans Pult gehen und das selbst erklären. Das wäre, glaube ich, sehr günstig.

(Ministerpräsident Stanislaw Tillich: Einen solchen Unsinn muss ich nicht kommentieren!)

Vielleicht können Sie es. – Für die Kommunen wird es eine klassische Kürzung sein. Für uns in der Opposition tut sich schon der Verdacht auf, ob das die ersten Schritte sind, dieses Geld auch aus dem Kultushaushalt zu holen bzw. vielleicht noch wesentlich mehr.

Ich fordere entweder Frau Kurth, aber eher den Finanzminister, Herrn Unland, auf, heute dem Hohen Haus zu erläutern, woher diese Mittel kommen. Ich hoffe, sie kommen nicht aus dem Kultusministerium. Bei der Berücksichtigung von Prognosen ist es schwierig – ich weiß das –, aber im Bildungsbereich ist es mir lieber, wenn die Prognosen etwas höher sind und wir Reserven haben, als wenn wir die Prognosen herunterschrauben und dann zu der Misere kommen, die wir derzeit haben.

Sie haben genau wie ich in den Zeitungen gelesen, dass Dresden damit rechnet, dass es 20 000 Schülerinnen und Schüler zusätzlich im System sein werden. Ich habe dazu einmal in meiner Stadt Leipzig nachgefragt – denn das stand nicht in der Zeitung – und die Antwort erhalten: Mit 17 000 zusätzlichen Schülerinnen und Schülern rechnet die Stadt Leipzig.

Dresden und Leipzig gehen davon aus, dass sie bis zum Jahr 2020 bzw. 2022 mit 37 000 zusätzlichen Schülerinnen und Schülern rechnen müssen.

Wir haben damals alle gestöhnt, als wir die Prognose von Herrn Wöller aus dem Kultusministerium von 15 000 zusätzlichen Schülerinnen und Schülern für ganz Sachsen gehört haben. Wenn ich mir aber diese Zahlen anschaue, dann kommen wir noch in wesentlich größere Bedrängnis. Hier brauchen wir klare Aussagen – sowohl das Parlament als auch die Schülerinnen und Schüler sowie die Studierenden, die täglich damit zu tun haben.

Ich komme zum Unterrichtsausfall. Der Unterrichtsausfall im kommenden Jahr wird sich wesentlich erhöhen, weil es zurzeit keine Reserven für das kommende Schuljahr gibt und man nicht weiß, woher man eine Unterrichtsvertretung noch nehmen könnte. Die Reserven, die wir bisher hatten – ich habe das hier schon oft gesagt –, waren die aus den Ganztagsangeboten, dem Ergänzungsbereich und dem Förderunterricht, der an manchen Schulen in den letzten Jahren überhaupt nicht mehr gehalten worden ist. Diese Reserven gibt es für das kommende Schuljahr nicht mehr. Das heißt, woher nehme ich jetzt die Lehrer, die dann den Unterrichtsausfall kompensieren? Bei der Situation, die ich eben geschildert habe, wird dieser sehr hoch sein.

Ich fordere Sie auf, die Schüler und die Studierenden, die heute vor dem Landtag stehen werden, ernst zu nehmen und schnell und zügig zu reagieren. Ich glaube, dass unser gemeinsamer Antrag insoweit ein Baustein sein kann. Ich bitte Sie, ihm zuzustimmen.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Ich frage die SPDFraktion. – Herr Abg. Mann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Die zweite Runde dient dem Austausch; dafür möchte ich sie auch nutzen. Ich hoffe, wir bekommen noch ein paar Antworten. Im Moment gewinnt man den Eindruck, dass die Fachexperten der Regierungsfraktionen nicht mehr zum Gegenstand reden dürfen; ich hoffe, das kommt noch. Vielleicht sollten auch die Finanzpolitiker sprechen, da viel mit Zahlen gearbeitet wurde.

(Christian Piwarz, CDU: Was soll denn der Blödsinn?)

Stellen Sie bitte Zwischenfragen, Herr Piwarz; das dürfen Sie auch.

(Beifall bei der SPD)

Herr Bläsner hat gesagt, Prognosen seien schwierig. Es ist sicherlich schwierig, Prognosen zu Geburtenzahlen aufzustellen und rechtzeitig darauf zu reagieren. Aber wenn das die Kommunen im Gros hinsichtlich der KitaEntwicklung schaffen, das heißt, mit allem Aufwand das Problem stemmen, dann müssten Sie das auch bezüglich der Schulen schaffen, erst recht bezüglich der Hochschulen.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Man muss es aber wollen!)

Das kommt dazu.

Ein Beispiel: In meiner Heimatstadt Leipzig haben Vertreter der CDU im Stadtrat noch 2006 die Schließung von Gymnasien gefordert; vielleicht kommen da aber auch unterschiedliche Grundrechenarten zur Anwendung.

Auch das, was Herr Bläsner und seine Fraktion uns per Pressemitteilung zu verkaufen versuchen, muss man hinterfragen. Wir können ja kaum mehr bewerten, wie die Staatsregierung im vergangenen Jahr auf diesem Gebiet agiert hat. Wir haben es beim Bildungspaket gesehen: Meist war nur wenige Wochen oder Monate auf die Aussagen Verlass. Wir können aber sehr wohl bewerten, was aktuell läuft. Da ist die geänderte Schulbaurichtlinie – ich hoffe, wir erhalten dazu noch Antworten – wiederum ein Indiz dafür, dass es in die falsche Richtung geht.

Das Niveau der Sanierungsmittel bei 27,5 Millionen Euro zu belassen – bei steigenden Schülerzahlen! – heißt, sehenden Auges die Kommunen mit dieser Aufgabe allein zu lassen, die zudem eine Pflichtaufgabe – sie ist nur übertragen worden – des Landes ist. Das heißt auch, sehenden Auges in Kauf zu nehmen, dass in den Kommunen nicht nachgekommen werden kann, Schulen zu errichten, die bei steigenden Schülerzahlen notwendig sind. Das halten wir für das falsche Signal. Es ist geradezu verlogen, wenn man das jetzt in Paketverhandlungen zum Doppelhaushalt einbringt. Ich nenne es Erpressung, wenn Sie sagen: „Wir verhandeln demnächst den Flächenfaktor gegen ein kommunales Investitionsprogramm für Schulen.“