Da wir gerade bei den Zuschüssen sind: Ist Ihnen bekannt, dass der flächendeckende Kostendeckungsgrad des ÖPNV in Sachsen summarisch bei 70 % für den Betrieb des ÖPNV liegt – landesweit?
Ich finde es absolut richtig und gut, dass die Aufgabenträger des ÖPNV einen hohen Kostendeckungsgrad anstreben. Auch wenn diese Gelder vom Bund kommen, so sind es doch Steuergelder, mit denen wir verantwortlich umgehen müssen. Die Haushaltsplanung des Bundes findet nicht so statt, dass sich der Haushaltsausschuss im Keller des Reichstagsgebäudes versammelt, den Kopierer anwirft, Geldscheine druckt und daraus die Mittel für den Bundeshaushalt entspringen. Noch einmal: Es sind Steuergelder! Wir haben mit diesen verantwortungsvoll umzugehen.
Die nutze ich gern. – Meine Damen und Herren! Für die FDP-Fraktion ist Mobilität ein Bürgerrecht und – im Gegensatz zu den GRÜNEN – keine Ideologie. Wir wollen – wiederum im Gegensatz zu Ihnen – die Bürger nicht dazu zwingen, ein bestimmtes Verkehrsmittel zu benutzen, sondern wir wollen ihnen ein Angebot machen. Wir stehen dafür, dass die Bürger in unserem Land selbst darüber bestimmen können, mit welchen Verkehrsmitteln sie zu welchen Zielen gelangen. Das darf ihnen nicht zwangsweise von oben oktroyiert werden. Deshalb kümmern wir uns sowohl um den ÖPNV als auch um den Individualverkehr einschließlich Radverkehr sowie um die Vernetzung aller Verkehrsträger. Das alles gehört zusammen. Wir brauchen keine ideologische Verkehrspolitik, die den Bürgern vorschreibt, welche Verkehrsmittel sie zu nutzen haben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Aktuelle Debatte ist in jedem Fall berechtigt; denn wir sind nicht nur in der Situation – das ist schon öfters hier im Landtag konstatiert worden –, dass der öffentliche Personennahverkehr schlecht ist, sondern wir stehen vor einer Entwicklung, in deren Verlauf der ÖPNV in den nächsten Jahren aller Wahrscheinlichkeit nach noch schlechter wird, auch deshalb, weil notwendige Entscheidungen nicht getroffen oder zeitlich verschleppt werden.
Als Beispiel will ich nicht nur die Einsparungen im Regionalverkehr nennen. Auf der Nord-Süd-Trasse soll der Bahnfernverkehr, der bislang über Leipzig stattfindet – Leipzig ist in Sachsen die einzige Großstadt, die eine
zukünftig an Leipzig vorbei über Halle und Erfurt geleitet werden. Diese Entwicklung bedeutet eine weitere Verschlechterung.
Wie man am Beispiel des Bahngipfels in Chemnitz ablesen kann, zeigt sich, dass die Staatsregierung, obwohl sie in der 54. Sitzung des Sächsischen Landtages wortreich erklärt hat, wie sehr sie doch sächsische Interessen auch gegenüber der Bahn vertrete, diese sächsischen Interessen eben nicht vertritt. Es ist schon interessant – und zwar für jemanden, der zwischen den Zeilen lesen kann, nicht etwa deshalb, weil der Informationsgehalt so hoch wäre –, sich die Presseerklärung der Staatsregierung zum Bahngipfel in Chemnitz durchzulesen.
Ich musste schmunzeln, als ich im ersten Satz las, dass Stanislaw Tillich – der Ministerpräsident – und sein Verkehrsminister, Sven Morlok, „noch einmal deutlich gemacht“ haben, „wie wichtig eine gute Schienenverkehrsanbindung für den Freistaat … ist. ‚Attraktive Bahnverbindungen sind auch immer ein Standortvorteil. Hier wollen wir gemeinsam noch besser werden. Die gegenüber den Bürgern und Unternehmen zugesagten Ausbau- und vor allem Beschleunigungsmaßnahmen müssen eingehalten werden‘“, so Tillich, zitiert in dieser Presseerklärung.
Ich konnte mir, wie gesagt, das Schmunzeln nicht verkneifen; denn das sind Allerweltsaussagen, die eigentlich selbstverständlich sind. Nur, auch diese Selbstverständlichkeiten werden von der Politik nicht eingelöst. Ich muss ganz ehrlich sagen: Auf dem Bahngipfel hat sich die Sächsische Staatsregierung als alles andere denn als Anwalt sächsischer Interessen gezeigt. Ich habe aus den Ergebnissen des Bahngipfels eher ablesen können, dass man unsere Interessen gerade nicht vertreten hat und sehr handzahm gegenüber Bahnchef Grube aufgetreten ist. Ich hatte erwartet, dass die Sächsische Staatsregierung im Zusammenhang mit dem Bahngipfel noch einmal klar Position beziehen würde und – wie das bayerische Verkehrsministerium – zu der Aussage gekommen wäre, wonach der Bund schlicht und einfach seiner Verantwortung für den Fernverkehr nicht vollumfänglich nachkommt. Diesen Vorwurf erhebt immerhin das bayerische Verkehrsministerium gegenüber dem Bundesverkehrsministerium. Ich verstehe nicht, warum man, wenn man von sich behauptet, Anwalt sächsischer Interessen zu sein, diese Fehlplanung und Fehlleistung des Bundesverkehrsministeriums, von der wir als Sachsen besonders betroffen sind, nicht vollumfänglich angeht und auch einmal das Instrument des Bundesrates nutzt, um tatsächlich eine Lösung herbeizuführen.
Denn uns läuft die Zeit davon. Mit den sehr mageren Ergebnissen, die im Anschluss an den Bahngipfel präsentiert worden sind – der Freistaat Sachsen tritt wieder einmal finanziell in Vorleistung, ohne konkrete Zusagen der Bahn erhalten zu haben –, kann man nicht zufrieden sein. Die Lösung der Probleme wird letztlich aufgeschoben. Die Probleme werden nicht gelöst, sondern sie
Die Lösungen, die gefunden werden, müssen beinhalten: Wir müssen für den ÖPNV mehr Fahrgäste gewinnen. Das können wir nur erreichen, wenn der ÖPNV attraktiver wird. Die Trennung von Fern- und Nahverkehr ist zu überdenken. Auch dazu ist eine Initiative im Bundesrat möglich.
Für die NPD-Fraktion sprach Herr Storr. – Wir sind am Ende dieser Rednerrunde angekommen. Ich eröffne eine zweite. Als einbringende Fraktion hat die Fraktion GRÜNE das Wort. Es spricht Frau Kollegin Jähnigen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Springer, auf Ihren Wunsch hin sage ich gern noch einmal, wer die Bahnreform angeschoben hat: Das war die Regierung Kohl. In der Tat haben die Regierungen Biedenkopf und Milbradt nur dem VDE 8 zugestimmt, das jetzt für die Fernverkehrsabbindung von Sachsen sorgt. Das ist das Problem.
Aber Ministerpräsident Tillich hat zum Bahngipfel einen völlig neuen Zungenschlag in die Debatte gebracht, indem er sagte, Sachsen brauche einen strategischen Bahn-Plan. Er hat erkannt – Kompliment, nachdem die GRÜNEN das über zehn Jahre lang gefordert hatten –, dass es nicht reicht, die Aufgabenträger und die Landkreise vor sich hin planen zu lassen, sondern dass man eine sachsenweite Planung braucht. Richtig! Denn nach unserem ÖPNVGesetz koordiniert das Land den überregionalen Nahverkehr. Aber der Verkehrsplan, den das Kabinett beschlossen hat, enthält diesen Punkt nicht und ist völlig ungeeignet. Den können Sie in die Tonne werfen!
Wenn man die Untertöne in der Pressekonferenz zum Bahngipfel richtig verstanden hat, weiß man, dass Bahnvorstand Homburg ganz deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass der Freistaat Sachsen gern auf seine Kosten untersuchen dürfe, ob man eine Elektrifizierung der Strecke Chemnitz–Leipzig wirtschaftlich in den Bundesverkehrsplan bringen könne – wir GRÜNEN unterstützen das auch –, aber wenn keine zusätzlichen Fahrgäste generiert werden könnten, sei das sowieso nicht wirtschaftlich. Das ist das Problem! Wir sind zum ÖPNVRückbauland geworden und haben auf Bundesebene schlechte Karten. Dafür haben Sie mit Ihren Kürzungen gesorgt!
Aber das können Sie jetzt noch verändern. Jetzt, mit der Entscheidung über den Doppelhaushalt, stellen Sie die Weichen: Kommen Sie aus der Abbaupolitik wieder heraus, oder führen Sie sie fort? Ich bin – bei allen geringen Erwartungen – von Ihren Redebeiträgen wirklich enttäuscht. Sie haben keinen einzigen Vorschlag gebracht. Wir stehen vor den Haushaltsberatungen, aber Sie haben keine Idee, wie Sie die Situation im öffentlichen Verkehr verbessern wollen.
Das einzig Konkrete, was Herr Herbst sagte, war die Idee, dass man Anrufsammeltaxis und Kombibusse brauche. Herr Kollege Herbst, richtig! Das schlagen wir als GRÜNE auch seit Jahr und Tag vor. Aber wenn man zur Finanzierung des regionalen Busverkehrs die Schülerverkehrsbeförderung einsetzt, braucht man sich doch nicht zu wundern, dass die Busunternehmen nur die Schülerhaltestellen abfahren und keine anderen Investitionen tätigen. Sie bekommen ja auch keine investiven Mittel, sie sollen ihre gebrauchten Busse nehmen. So geht es nicht! Auch dieser – einzige – Vorschlag ist unbrauchbar.
Jetzt kommen wir mal zu den Kosten. Wir können Effizienzen erschließen, wenn wir uns mal trauen, eine landesweit integrierte Planung zwischen Bus und Bahn in Form eines integralen Taktfahrplanes zu machen. Das traut sich die FDP-Fraktion auch nicht mehr in den Mund zu nehmen. Aber wenn es schon um Kostenbewusstsein geht – und das ist der GRÜNEN-Fraktion wichtig –, kritisieren wir, dass es nur um den öffentlichen Verkehr geht. Ihr Verkehrsminister hat mit dem Verkehrsplan versprochen, die Kosten der Straßenneubauten, der Instandhaltung der Straßen und der Sanierung offenzulegen. Keine einzige Zahl dazu in Ihrem Verkehrsplan! Kostenbewusstheit gilt für den ganzen Verkehr und nicht nur für den öffentlichen Verkehr. Davor drücken Sie sich immer noch.
Die Realität ist, dass von den Mitteln die wir vom Bund bekommen und nur weiterreichen, 75 % der Entpflichtungsmittel in den Straßenbau gehen und nur 15 % in den öffentlichen Verkehr. Das ist bundesweit die geringste Quote. Auch das müssen wir verändern. Rheinland-Pfalz verdoppelt gerade seine Mittel, um neue Fahrgäste und Einnahmen zu generieren. Mit Ihrem Sparbewusstsein, das eben kein Kostenbewusstsein ist, kommen wir nicht weiter. Sachsen braucht eine Verkehrswende, sonst wird Mobilität hier für alle Verkehrsteilnehmer nicht bezahlbar bleiben und wir werden unsere Klimaschutzziele verfehlen. Da hilft all Ihr Heimatgefasel nichts. Wir brauchen eine andere Politik und bessere Vorschläge.
Das war Frau Jähnigen für die einbringende Fraktion GRÜNE. – Für die CDUFraktion spricht jetzt Herr Kollege Heidan.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Jähnigen! Ich darf kurz auf Ihren Redebeitrag eingehen. Die Aufgabenträger, die in Sachsen die Verkehrspolitik maßgeblich beeinflussen und gestalten, sind die fünf Zweckverbände. Ich erlaube mir
an dieser Stelle zunächst ein herzliches Dankeschön zu sagen für die gute Arbeit, die die Zweckverbände leisten, auch unter dem Aspekt, dass die Finanzen in einer ordentlichen Höhe da waren – das hat Herr Herbst vorhin gesagt –, als Sachverwalter einer vernünftigen Unterhaltung des Verkehrssystems in Sachsen.
Aber – und das ist bisher in keinem Redebeitrag der Fall gewesen –, wir müssen ein wenig nach den Ursachen forschen. Gerade in der Verkehrspolitik haben wir nicht nur den Zeitraum einer Legislaturperiode zu betrachten, sondern einen längeren Zeitraum. Gerade Sie in Verantwortung von Rot-Grün 1998 hatten unter Ihrer Verantwortung im Bund die Möglichkeit der Weichenstellung gehabt, aber nicht genutzt, den Bundesverkehrswegeplan für Sachsen so auszubauen, dass wir heute eine ordentliche Fernverbindung von Berlin nach Dresden und von Dresden in den südlichen Raum, nämlich mit der Definierung der Sachsen-Franken-Magistrale, hätten.
Sie haben es doch unter Ihrer Regierungsverantwortung mit Verkehrsminister Stolpe oder in der Nachfolge unter Verkehrsminister Tiefensee versäumt.
Aber Sie hatten damals Regierungsverantwortung, Frau Jähnigen. Da können Sie sich jetzt nicht in die Büsche schlagen. Das ist doch wohl ganz klar.
Ich darf auf den 13.07.2004 zurückgehen. Da wurde überhaupt keine Finanzierungsvereinbarung für Strecken in Sachsen beantragt. Der damalige Verkehrsminister Tiefensee postulierte in seinem Investitionsplan den Planansatz, der weit über das Jahr 2010 hinaus reichte. Das Geld ist bis 2015 gebucht, so ist es im Investitionsrahmenplan von 2006 zu lesen. Da waren keine Vorhaben in Sachsen, die wichtig gewesen wären, meine Damen und Herren. Dafür tragen auch Sie ein Stück Verantwortung, weil Sie damals in der Regierungsverantwortung waren.
Ich würde an Ihrer Stelle den Mund nicht so voll nehmen, denn Sie haben schon ganz schön die Hosen voll, wenn ich Ihnen die Liste mit den Dingen vorlese, die damals nicht mit in dem Plan realisiert wurden. Nicht berücksichtigte Vorhaben zum Stand 2006 war die Strecke Berlin–Görlitz mit dem zweiten Gleis, die Strecke Berlin– Dresden mit dem Ausbau auf 200 km/h, die Strecke VD 8 2 Erfurt–Leipzig. Das ist unter Ihrer Verantwortung passiert. Das muss man an dieser Stelle sagen dürfen. Das
können Sie auch ganz gut in der Bundesdrucksache 16/3000 unter www.bundestag.de nachlesen. Dort steht, was Ihr Versagen damals war.
Dafür haben wir heute diese Probleme zu lösen, die uns bis ins Jahr 2020 hinein beschäftigen werden. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Der Bahngipfel, der in der vergangenen Woche getagt hat, hat mir auch nicht das Auge gefüllt. Das sind die Dinge, die Herr Ramsauer noch mit dem Bahnvorsitzenden Herrn Grube aufgrund der damaligen Entscheidungen zu klären hat. Da ist nichts anderes zu erwarten. Das war Ihre Verantwortung. Von daher würde ich an Ihrer Stelle in diesem Haus den Mund nicht so voll nehmen. Sie haben genauso die Verantwortung für die Bahnpolitik in Sachsen gehabt. Und die war nicht besonders gut.