Die Euro-Länder brauchen eine europäische Bank für öffentliche Anleihen zur kostengünstigen und finanzmarktunabhängigen Staatsfinanzierung. Eine derartige Bank könnte sich zinsgünstig bei der EZB refinanzieren, und die Privatbanken im Zusammenspiel mit den RatingAgenturen verlören dadurch zugleich die Möglichkeit, ganze Staaten zu erpressen.
Herr Ministerpräsident, Ihre Ausführungen stehen im Kern für eine Solidarität mit den Banken. DIE LINKE fordert weiterhin eine Solidarität mit den Menschen.
Ein europäisches Investitionsprogramm nach dem Vorbild des Marshall-Plans könnte wirksam dazu beitragen, die Wachstumsschwäche der Krisenländer zu überwinden. Ein solches Investitionsprogramm sollte konjunkturfördernde Projekte enthalten und natürlich auch längerfristig wirkende Strukturhilfen. Notwendig sind – nicht nur aus unserer Sicht – die Einrichtung einer europäischen Ausgleichsunion zu Eindämmung von Leistungsbilanzungleichgewichten, die Einführung einer Finanztransaktionsteuer, die wirksame Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Korruption, eine deutschland- und EU-weite Vermögensabgabe und die Einführung einer Millionärssteuer.
Herr Ministerpräsident, kommen wir zurück auf Ihre Regierungserklärung. Was verstehen Sie eigentlich unter Solidität? Solidität würde bedeuten, dass Sie am 29. Juni im Bundesrat Risiken vom Freistaat Sachsen abgewehrt haben. Die Fakten sprechen eine andere Sprache.
Der Fiskalpakt erhöht den Konsolidierungsdruck auf Länder und Kommunen. Der Fiskalpakt verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, die Schuldenbremse ein Jahr nach Unterzeichnung in nationales Recht umzuwandeln. Dann gilt der neue Rechtsrahmen sofort. Hingegen müsste die bereits zuvor beschlossene deutsche Schuldenbremse vom Bund erst ab dem Haushaltsjahr 2016 und von den Ländern erst ab dem Jahr 2020 eingehalten werden.
Der europäische Fiskalpakt führt also zu einem erhöhten Kürzungsdruck für die Länderhaushalte, wenn Bundeszuweisungen aufgrund der vorzeitigen Einführung gestrichen werden. Während die deutsche Schuldenbremse sich nur auf den Bund und die Länder bezieht, sind beim Fiskalvertrag auch die Gemeinden und Sozialversicherungsträger inklusive der Nebenhaushalte einbezogen. Dadurch entstehen zwangsläufig zusätzliche Belastungen für die Städte und Gemeinden, die gerade auch in Sachsen
Herr Ministerpräsident! Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen. Die auch mir Ihrer Stimme im Bundesrat verabschiedeten Verträge, die zu allem Überfluss auch noch eine sogenannte Ewigkeitsgarantie enthalten, erhöhen nicht nur den Druck auf die Staaten im Euroraum, sondern führen ungeachtet relativ solider Haushaltsdaten auch für den Freistaat Sachsen und seine Kommunen zur Verschärfung des ohnehin schon harten Konsolidierungszwangs. Das ist aus unserer Sicht nicht zu verantworten.
Herr Ministerpräsident, ich komme auf einen weiteren Punkt zu sprechen: Was verstehen Sie unter vertretbaren Kompensationsgeschäften? Diese Frage drängt sich geradezu auf. Weil nach Ihrer Auffassung ESM und Fiskalpakt offenkundig endverhandelt sind und Sie im Unterschied zur LINKEN nicht die Absicht haben, juristisch dagegen vorzugehen, sind die eingegangenen Verpflichtungen verbindlich. Ganz im Gegenteil dazu ist das mit den Regierungschefs der Länder besprochene Ausgleichspaket des Bundes völlig unverbindlich. Das Kompensationsgeschäft hat nicht mehr Wert als eine simple Protokollnotiz. Es ist weder vertraglich vereinbart noch irgendwie durch Sachsen einklagbar.
Dazu nenne ich Ihnen nur ein Beispiel: Die Länder erwarten eine Entlastung um mindestens vier Milliarden Euro bei den Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderung. Allerdings soll darüber erst noch verhandelt werden. Das soll in der nächsten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages geschehen. Was für ein grandioser Schachzug, Herr Tillich, von dem ein künftiger Kontrahent am Brett noch nicht einmal Kenntnis hat, und da nun einmal nichts Konkretes feststeht, muss der Bundesfinanzminister die vermeintliche Vereinbarung auch nicht in seiner Mittelfristigen Finanzplanung für die Jahre 2012 bis 2016 berücksichtigen. Das klingt verdächtig nach folgendem Prinzip: Nach uns die Sintflut! Soll doch die nächste Regierung im Bund wie im Land sehen, wie sie mit den fragwürdigen Zusagen umgeht! Vorausschauende, nachhaltige Politik sieht ganz gewiss anders aus, Herr Ministerpräsident.
Last but not least habe ich noch eine Frage: Welche Lehren haben Sie eigentlich aus dem Landesbankdesaster und dem Notverkauf der Sächsischen Landesbank im Jahr 2007 gezogen?
Herr Kollege Tillich, können Sie sich noch an den Dezember 2007 erinnern, als Sie im Sächsischen Landtag die Auffassung vertreten haben, dass es sich bei den 2,75 Milliarden Euro Garantieübernahmen für die Landesbank im Prinzip nur um Bürgschaften handelt und, wenn man Glück hat, Sachsen dafür nie tatsächlich einstehen muss? Inzwischen hat das Leben entschieden, dass Sie sich gewaltig geirrt haben. Zum 30. Juni 2012 erfolgte die jüngste Garantiezahlung von 54 Millio
nen Euro. Inzwischen hat der Freistaat insgesamt 365 Millionen Euro gezahlt. Die zu begleichenden Quartalsrechnungen der Jahre 2011 und 2012 haben inzwischen das Volumen im Wert eines Jahresförderprogramms des Freistaates Sachsen erreicht. Was könnte mit diesem Geld alles an sinnvollen Projekten unterstützt werden, wenn die Landesbank nicht durch eine verfehlte CDUPolitik an die Wand gefahren worden wäre?
Wir als LINKE haben jedenfalls unsere Lektion aus den Vorgängen aus dem Jahr 2007 gelernt. Genau aus diesem Grund halten wir die von Ihnen am 29. Juni eingegangenen Risiken mit der Zustimmung zum ESM und Fiskalvertrag für nicht vertretbar.
Meine Damen und Herren! Kurt Biedenkopf und Georg Milbradt haben damals der Euro-Einführung im Bundesrat nicht zugestimmt, weil sie die Risiken einer gemeinsamen Währung ohne Wirtschafts- und Finanzunion gesehen haben. Ich bin mir sehr sicher, dass Biedenkopf und Milbradt auch den ESM-Vertrag in der vorliegenden Form nicht akzeptiert hätten – und dies völlig zu Recht.
In Sachsen sparen, bis es quietscht, und auf Bundesebene völlig unkalkulierbaren Risiken zuzustimmen, das passt einfach nicht zusammen.
Herr Ministerpräsident, Sie haben hier in diesem Haus inzwischen schon zweimal einen Amtseid geleistet und geschworen, Schaden von unserem Land abzuwenden. Mit Ihrer Entscheidung zum Fiskalpakt im Bundesrat haben Sie das Gegenteil getan. Sie haben nicht nur Sachsen sondern Sie haben der Demokratie insgesamt Schaden zugefügt. Damit müssen Sie, damit müssen aber vor allem die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen leben. Deshalb bleibt nur zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht noch ein Stoppzeichen setzt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Herr Hahn, fast könnte man annehmen, Sie befänden sich schon im Bundestagswahlkampf.
Ich will für die CDU-Fraktion zur Regierungserklärung unseres Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich Stellung nehmen. Herr Ministerpräsident, ich danke Ihnen für die Regierungserklärung. Es war alles enthalten, was die sächsische Haltung anbelangt.
Ich danke Ihnen auch für die Transparenz, die Offenheit und den fairen Umgang im Verhältnis Regierung und Parlament. Ich möchte ausdrücklich Folgendes sagen: Die Haltung Sachsens im Bundesrat ist nachvollziehbar und von Verantwortung getragen. Sie haben in Bezug auf dieses Handeln die Unterstützung der CDU-Fraktion.
Richtig und angemessen ist auch die Zustimmung Sachsens. Es fiel auf, dass die Zustimmung Sachsens in dieser Situation nicht von Bedingungen abhängig gemacht wurde. Es ist durchaus üblich, dass bei solchen Bundesratsverfahren die Gelegenheit genutzt wird, die eine oder andere Notwendigkeit oder den Wunsch der Länder mit zur Sprache zu bringen.
Ich fand das Handeln von Sachsen richtig. Man muss gut unterscheiden. Deshalb muss man gut unterscheiden in solchen Situationen, wie gerade Herr Hahn aus Wahlkampfgründen – es ist durchaus gestattet und in Ordnung, einen Vorteil zu suchen –, oder ich sehe die Dramatik der Situation.
Deshalb will ich wiederholen: Das war angemessen und von staatlicher Verantwortung getragen, weil eine solche Situation – das ist mir auch aufgefallen, ich will jetzt konkret keine einzelne Partei benennen, vielleicht haben Sie das noch im Ohr – nicht dazu da ist, die Bundeskanzlerin Angela Merkel anzugreifen. Ich glaube, die Menschen im Land, die Bürgerinnen und Bürger wissen, dass sie in schwierigen Verhandlungspositionen deutsche Interessen zu vertreten hat. In solchen Situationen war es in der Vergangenheit immer üblich, auch dort gesamtgesellschaftliche Verantwortung zu tragen und sich zu überlegen, wie man sich äußert, wie man sich vielleicht auch mit anderen Regierungschefs der Europäischen Union trifft: Dient das der Stärkung der deutschen Haltung oder deren Schwächung? Bei Abwägung aller Risiken – das wissen wir auch in der CDU-Fraktion – muss ich deshalb immer sortieren. Ich finde, Sachsen hat sich hier richtig verhalten.
Gerade weil wir so aufgetreten sind, wie unser Ministerpräsident das hier vor dem Parlament nochmals erklärt hat, steht es uns Sachsen auch zu, genau wie das unser Ministerpräsident im Bundesrat deutlich gemacht hat, unsere Haltung für zukünftige Entscheidungen klar und deutlich zu formulieren. Man kann es Wünsche nennen, man kann es auch Forderungen nennen. Wir haben in der Fraktion, als wir in Bad Düben zur Klausur zusammen waren, eine sehr intensive Diskussion geführt. Wir haben uns vor allen Dingen mit der Frage beschäftigt, was das alles für Auswirkungen auf Sachsen, auf unser Handeln hat, zum Beispiel in der bevorstehenden Haushaltsberatung hier im Landtag. Wir haben dann einen Beschluss gefasst, kurz und knapp, eigentlich aus einem Satz bestehend: Wir lehnen als CDU-Fraktion in Sachsen Eurobonds und Deutschlandbonds ab.
Nun wissen wir auch nicht, was alles an Vorschlägen entwickelt wird und wie kreativ man dabei sein wird. Ich nenne nur einmal den Begriff „intelligente Schuldenverwaltung“. Das klingt ja toll. Ich würde schon erwarten, dass Länder, die Schulden zu verwalten haben, das dann auch intelligent tun.
Aber es geht nicht um Begriffe, sondern darum, wie solche Dinge konstruiert werden. Ich will es praktisch aus dem Leben greifen. Wenn ich vielleicht ein Bauvorhaben oder etwas anderes privat plane und vorhabe, zur Bank zu gehen und mir einen Kredit zu holen, und dann erfahre, dass der Nachbar irgendetwas Ähnliches vorhat, dann kann ich auch gemeinsam mit ihm zur Bank gehen. Es kann auch schon sein, dass ich damit eine Summe erreiche, mit der mich die Bank überhaupt zu einem Gespräch empfängt. Das kann schon sein, und es kann auch sinnvoll sein. Nur dann kommt der Punkt, an dem die Bank fragt: Wie ist das eigentlich, bürgen und haften Sie gemeinsam oder einzeln? Dann ist der Punkt erreicht, an dem ich mit meiner Frau sprechen würde.
Herr Hahn, Sie müssen es völlig überhört haben, als der Ministerpräsident von Solidarität gesprochen hat. Unsere sächsische Haltung ist immer, dass es als Allererstes Solidarität zur nächsten Generation zu wahren gilt.
Wenn ich für andere bürge, dann gilt für mich im Leben die Regel, dass ich dann mit meinen Kindern sprechen sollte, da sie davon betroffen sein könnten.
Gerade weil wir als CDU-Fraktion die 22 Jahre Entwicklung und auch das, was 1989 hier in Sachsen war, nicht vergessen haben, wissen wir Europa zu schätzen. Wir wissen Frieden, Freiheit und Demokratie zu schätzen. Gerade auch in Krisensituationen haben wir den Mut, darauf hinzuweisen, dass das kein Versagen der Marktwirtschaft ist. Es ist auch heute richtig zu sagen, dass die soziale Marktwirtschaft oder – wie man mit gutem Recht im weltweiten Vergleich auch sagen könnte – die sozialökologische Marktwirtschaft diesem Land und auch Sachsen seit 22 Jahren viel Erfolg gebracht und den Menschen gedient hat. Deshalb will ich an dieser Stelle sagen: Nicht die Marktwirtschaft hat versagt, viel eher die Anwendung der Marktwirtschaft.
Ich möchte das nicht in großer Breite ausführen, sondern will mich an die Kürze und Klarheit unseres Ministerpräsidenten halten. Es ist wohl auch notwendig, wie das morgen unser Umweltminister Kupfer tun wird, an das zu erinnern, was war, als wir vor zehn Jahren hier eine Katastrophe hatten. Was haben wir für Konferenzen durchgeführt, was haben wir diskutiert. Morgen wird man feststellen, dass die einen mehr, die anderen weniger – wir sicher mehr und Sie, Herr Hahn, sicher weniger – zufrieden sind. Wir haben uns damals nicht darüber auseinandergesetzt, wie wir zukünftig Katastrophen vermeiden können. Das können wir nicht. Wir haben darüber gesprochen, ob sich Dinge bewährt haben oder nicht. Das
vermisse ich insbesondere in der Finanzwirtschaft. In der Finanzwirtschaft scheint mir am deutlichsten das marktwirtschaftliche Prinzip verletzt worden zu sein. Jetzt muss ich auch wieder aufpassen: Das war nicht bei allen Banken so. Es haben sich Sparkassen, Volksbanken, Genossenschaftsbanken außerordentlich vorbildlich verhalten.
Aber es haben sich auch Banken mit viel Engagement immer genau darum gekümmert, dass sie im Erfolgsfall den Nutzen haben und der Schaden schön auf die Steuerzahler abgewälzt wird. Ein solches Prinzip ist nicht marktwirtschaftlich. Es ist aus meiner Sicht eher sozialistisch.
Es geht uns allen so: Wir setzen uns täglich, manchmal stunden-, manchmal nächtelang mit diesen Fragen auseinander. Mir ist ein Begriff wieder in Erinnerung gekommen, den wir am Ende der DDR gebrauchten, bevor die DDR pleiteging. Dieser Begriff war „organisierte Verantwortungslosigkeit“. Wir müssen genau prüfen, ob es nicht auch heute insbesondere in der Finanzwirtschaft manchem gelungen ist, zu seinem Nutzen eine organisierte Verantwortungslosigkeit hinzubekommen. Das darf nicht die Zukunft sein.
Wir als CDU wissen, dass bei Weitem nicht alles in Ordnung ist. Man muss aber trennen. Es geht um gesamtstaatliche Verantwortung. Der ist Sachsen gerecht geworden. Gerade deshalb ist Sachsen – denke ich – berechtigt, Meinungsführer in der Auseinandersetzung darüber zu sein, was in diesem Land und in der Europäischen Union falsch läuft, was sich nicht bewährt hat und dringend korrigiert werden muss.