In dieser Legislaturperiode stellen wir uns der Herausforderung der Bewältigung des Fachkräftebedarfs. Wir sind in Kontakt mit verschiedenen Initiativen, die das unterstützen, beispielsweise durch die Initiative 5000 mal 50. Ziel der Initiative ist es, die Unternehmen zu ermuntern, Stellen für Arbeitsuchende über 50 zu schaffen. Zur Verfügung stehende ESF-Mittel setzen wir dafür ein, dass die Chancen älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt verbessert werden, ebenso die Erfolgsgeschichte der Weiterbildungsschecks, die das SMWA ins Leben gerufen
hat und unterstützt. Damit wird gerade die berufsbegleitende Weiterbildung nach vorn gebracht, denn klar ist: In einer sich rasant wandelnden Arbeitswelt ist lebenslanges Lernen beste Voraussetzung, um im Arbeitsleben fit und aktiv zu bleiben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sicherlich ist Ihnen das alles bekannt. Das sind öffentliche Initiativen. Die Große Anfrage der LINKEN verschafft uns jetzt noch einmal einen Überblick, bringt uns aber inhaltlich nicht weiter. Mit eigenem Fleiß hätten sie sich bestimmt viele Fakten vom Statistischen Landesamt selbst zusammensuchen können und wären Recherchierer gewesen.
Die Zunahme in der gesellschaftlichen Mitwirkung der über 50-Jährigen erleben wir doch alle vor Ort in unseren Gemeinden und Städten. Dass viele ältere Menschen die Chance des Bundesfreiwilligendienstes nutzen, hat meine Kollegin Frau Dietzschold bereits erwähnt und ausgeführt, dass 880 Frauen und über 680 Männer über 50 in diesem Freiwilligendienst tätig sind. Das ist aber nicht nur auf die über 50-Jährigen zu reduzieren. Nein, wir erleben gerade einen Ansturm in allen Altersbereichen auf diesen Freiwilligendienst. Das ist gerade angesichts der vielen anfänglichen Skeptiker für uns in Sachsen sehr erfreulich.
Eine ähnliche Zunahme des Engagements sehen wir auch bei der Mitgliedschaft in den Sportvereinen. Die Staatsregierung gibt in ihrer Antwort an, dass seit 2003 die Zahl der über 50-jährigen Mitglieder im Landessportbund von knapp 110 000 auf über 167 000 gestiegen ist. Für den organisierten Sport bedeutet das Altern der Gesellschaft Chance und Herausforderung zugleich. Aktive ältere Menschen sind unbestritten eine spannende Zielgruppe in Sportvereinen.
Ich darf Sie hier auf die Senioreneuropameisterschaft der Leichtathletik vom 16. bis 25. August dieses Jahres im Dreiländereck hinweisen. Hauptausrichter ist Zittau. Hier sind Aktivitäten zu bewundern. Ich habe mir einmal die Starterliste angesehen. Sie ist europäisch bunt gemischt. Ich lade Sie dazu herzlich ein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage hat gezeigt, dass wir beim zentralen Thema des demografischen Wandels schon viel erreicht haben. Aber wir haben noch viel vor, sei es, dem Fachkräftemangel entgegenzusteuern, dem betrieblichen Gesundheitsmanagement besondere Aufmerksamkeit zu widmen, wie wir es schon bei der AOK Plus sehen, oder auch das bürgerschaftliche Engagement weiter zu unterstützen.
Die Große Anfrage der LINKEN weist zwar in keine neue Richtung und bringt auch keine eigenen Ideen hervor, aber ich erkenne an, dass sie zumindest dazu beiträgt, einen Überblick über die einzelnen Lebensabschnitte der über 50-Jährigen zu schaffen.
Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Frau Schütz, zwei Dinge. Sie pflegten zu sagen, dass die Große Anfrage uns inhaltlich nicht weitergebracht habe.
Das mag Ihre Meinung sein, aber meinen Sie nicht, dass Sie damit die Staatsregierung, Ihre Koalitionsregierung kritisieren?
Was mich viel mehr interessiert, sind Ihre Positionen; dass Sie nämlich meinten, endlich sei nach den grün-roten Regierungen das Renteneintrittsalter heraufgesetzt worden. Dazu will ich Ihnen einmal Folgendes sagen: Selbst die SPD kommt langsam auf den Trichter, dass doch nicht alles ganz so toll war; denn wie sieht es in Sachsen aus? Vorgestern in der Antwort der Staatsregierung auf eine Anfrage von mir: 2010 hatten wir 78 % der Neurentner des Jahres 2010, die vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Rente gegangen sind. Nun könnte man ja erwarten – bei den Segnungen der schwarz-gelben Koalition –, dass es dann wenigstens heruntergeht. Nein: Im vergangenen Jahr waren es 81 %.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe zu, mich hat eine gewisse Skepsis befallen, als ich diese Große Anfrage in der Hand hatte. Schließlich gehöre ich selbst dieser Altersgruppe an und war mir bis dahin nicht bewusst, dass es zu diesem Alter einer Großen Anfrage bedarf. Ich habe mich nicht in irgendeiner Weise besonders gefühlt, aber das sollte ich vielleicht mit dieser Großen Anfrage.
50 Jahre – die Zeit, die im Erwerbsleben bleibt, ist überschaubar, und wenn Mann oder Frau noch einmal neu starten will, dann wird es jetzt wahrscheinlich ein letzter guter Zeitpunkt dazu sein.
Auch die Zeit, die bleibt, um für das Alter vorzusorgen, wird knapp; ist man in diesem Alter arbeitslos, dann gehört man zu der Zielgruppe, für die besondere Programme aufgelegt werden.
„Leben in der zweiten Lebenshälfte …“ – so der Titel der Großen Anfrage der LINKEN, und für viele von uns ist das ja schon Wirklichkeit. Was wünschen wir uns? Wie
sehen unsere Perspektiven aus und die Perspektiven der Menschen in Sachsen in diesem Alter? Was wollen wir für unser Leben erreichen und für unsere Altersgruppe in Sachsen, und über wie viele Menschen reden wir?
Gut, die Große Anfrage erhält darauf zum Teil eine Antwort. Ich möchte auch nicht die Zahlen wiederholen, die Kollege Pellmann ausführlich dargestellt hat. Richtig ist, wir haben eine demografische Entwicklung, die dazu führt, dass es immer mehr Menschen gibt, die in dieser Altersgruppe sein werden; der Trend setzt sich also fort. 2020 werden überall in Sachsen, außer Dresden und Leipzig, 50 % der Menschen älter als 50 Jahre sein. Wie viele von ihnen werden Lust und Kraft haben, das zu machen, was wir uns jetzt hier so ausmalen – was die Vorrednerinnen auch dargestellt haben? Wie viele wollen die Ärmel dann noch einmal hochkrempeln und sich eine neue Lebens- oder Berufsperspektive eröffnen?
Ja, das wird letztendlich auch daran liegen, welche Voraussetzungen wir dazu schaffen, und da sehe ich schon sozialpolitischen Handlungsbedarf. Bislang ist es eben so: Wenn wir die 50 erreicht haben, sind die Lebenschancen im Wesentlichen verteilt und Nachjustieren ist kaum möglich. Auch das zeigen die Zahlen, und wenn wir wissen, dass das Durchschnittseinkommen in dieser Altersgruppe heute bei 758 Euro liegt, dann ist zu sehen, dass es Handlungsbedarf gibt. Ich möchte deshalb den Blick ganz speziell auf diese Tatsache legen. Das werden nämlich die Menschen sein, die auch später, wenn sie in Rente gehen, eine geringe Rente haben, und für sie gilt eben: „einmal arm, immer arm“ – wenn wir nicht etwas dagegen unternehmen.
Das bestätigt auch die Studie der Staatsregierung vom vergangenen Jahr „Alter – Rente – Grundsicherung“, die zeigt, wie sich dieses niedrige Einkommen auf die Rente auswirkt. Mehr Menschen werden Grundsicherung im Alter beziehen und damit dann zum Teil, wenn sie pflegebedürftig werden, auch auf Hilfe zur Pflege als SGB-XIILeistungen angewiesen sein. Diese Leistung bezahlen, wie wir alle wissen, die Landkreise und kreisfreien Städte – also auch deshalb Handlungsbedarf.
Wenn die Große Anfrage nach der allgemeinen Situation der älteren Erwerbspersonen fragt, dann zeigt sich meiner Meinung nach der etwas verengte Blickwinkel der Staatsregierung. Die positive Sicht auf das Alter und die vorhandenen Potenziale älterer Menschen ist nicht dargestellt. Fataler ist für mich, dass der Gestaltungswille nicht erkennbar ist. Gut, das mag in der Großen Anfrage schwierig sein – es ist ja eine Sammlung von Zahlen –, und trotzdem ist es mehr eine Beschreibung als eine Gestaltung.
Wo ist Ihr Konzept zum Umgang mit dem demografischen Wandel? Wie wollen Sie die verschiedenen Projekte, die an der einen oder anderen Stelle benannt sind und die auch die Vorredner benannt haben, zusammenführen; was ist Ihre Strategie? Was ist mit altersgerechten Arbeitsplätze, mit Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz, mit Weiterbildung, beruflicher Wiedereingliederung, ESF
Programmen, Wohnen, Verkehrsgestaltung, Teilhabe, Partizipation, dem Grundsatz „ambulant vor stationär“? Da müsste man einmal ein Gesamtkonzept haben, damit man sehen kann, was Sie sich vorgenommen haben.
Eine fundierte Darstellung der allgemeinen Situation hätte es erfordert, nicht nur das Referat Ältere Menschen, Pflegeversicherung im SMS mit der Antwort zu betrauen und sich ansonsten Zahlen zu beschaffen, sondern über die Ressortgrenzen hinaus zu schauen und zu sehen, was die Kolleginnen und Kollegen, die sich mit ESF und Arbeitsmarkt bzw. Weiterbildung befassen bzw. die in der Staatskanzlei für die Förderrichtlinie Demografie verantwortlich sind, dazu beizutragen haben und wie diese Dinge zusammenzuführen wären. Zahlen haben wir genug. Was wir jetzt brauchen, ist ein gemeinsames Konzept, und das vermisse ich.
Die verkürzte Sicht auf das Alter, die zum Teil aus der Großen Anfrage zu erkennen ist, finde ich wirklich fatal und das ist, ehrlich gesagt, auch nicht der Blick, mit dem wir selbst betrachtet werden wollen.
Der Entschließungsantrag der LINKEN bringt einen Teil dieses Mankos noch einmal auf den Punkt; er formuliert einen Auftrag. Deshalb werden wir dem Entschließungsantrag zustimmen.
Die NPD-Fraktion verzichtet. – Wir gehen jetzt in die zweite Runde. Herr Pellmann, hatten Sie noch Redebedarf?
Im Augenblick nicht, gut. Ich sehe auch sonst keinen Redebedarf mehr. – Dann bitte ich jetzt Frau Ministerin Clauß; bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Staatsregierung hat die Große Anfrage beantwortet. Ich danke Ihnen für die Debatte und übergebe meinen Redebeitrag zu Protokoll.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. André Hahn, DIE LINKE: In der Rede wird bestimmt die Große Anfrage gelobt, und das will sie nicht vorlesen!)
Meine Damen und Herren! Damit sind die Reden erst einmal beendet und wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 5/9673. Herr Pellmann, Sie möchten ihn bitte einbringen.
Ich will ganz kurz auf den zweiten Teil unseres Entschließungsantrages eingehen, in dem wir relativ moderat – sage ich ausdrücklich; kurz vor der Sommerpause war ich heute ohnehin relativ moderat, im Unterschied zu gelegentlich, das gebe ich zu – einige Handlungsaufgaben für die Regierung formuliert haben.
Insgesamt möchten wir – das hat auch in einigen Redebeiträgen eine Rolle gespielt – ein Gesamtkonzept der Staatsregierung, wie wir den demografischen Wandel bewältigen wollen oder wie wir uns darauf einstellen. Die Debatte im vorhergehenden Tagesordnungspunkt hat ja insbesondere, was die Koalition betrifft, gezeigt: Der Landesentwicklungsplan, den wir demnächst wieder in der zweiten Runde diskutieren werden, ist genau dieses Gesamtkonzept nicht. Es geht uns also um mehr als um Raumordnungsprinzipien, sondern wir brauchen wirklich Leitbilder.
Vielleicht darf ich noch auf einen Punkt eingehen: Ja, wir brauchen auch einen eigenständigen Beitrag für die Eingliederung Älterer in Arbeit – ich hatte das vorhin in der Rede benannt; das ist ernst gemeint, einen eigenständigen Beitrag. Man kann es auch ein Programm Sachsens nennen. Es reicht nur eben nicht, dass wir uns lediglich an Bundes- oder EU-Programme dranhängen. Hier ist mehr gefragt und Sachsen könnte Vorreiter sein.
Ich habe fast das Wichtigste vergessen: Natürlich fordern wir die Staatsregierung erneut auf, ihren Einfluss geltend zu machen, damit die Benachteiligung vornehmlich von Frauen in dieser Altersgruppe schrittweise überwunden wird. Wir müssen mehr gegen Altersarmut, die vornehmlich ein weibliches Gesicht hat, unternehmen.