Liebe SPD-Fraktion, Ideen wie diese sind meines Erachtens geeigneter als Ihr Antrag. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Stellungnahme der Staatsregierung auf den Antrag der SPD-Fraktion erweckt den Anschein, als gebe es genug Unterstützungsangebote, um Unternehmensnachfolgen erfolgreich zu bewerkstelligen. Wenn das so wäre, brauchten wir zum Beispiel nicht in der Enquetekommission über dieses Thema zu diskutieren. Welche Fallstricke in der Praxis für uns jedoch lauern und wie unsere Förder- und Beratungsinfrastruktur in Sachsen tatsächlich arbeitet, möchte ich Ihnen an einem Beispiel schildern.
Dieses Beispiel habe ich nicht unter „www.“ gefunden, sondern im realen Leben. In Schirgiswalde gab es bis vor Kurzem eine Schlecker-Filiale und einen Lebensmittella
den. Was aus Schlecker geworden ist, wissen wir alle. Nun will auch der Betreiber des Lebensmittelgeschäftes – er ist 70 Jahre alt – aufhören. Er hat sich seinen Ruhestand redlich verdient. Wenn der Laden schließt, ist im Ort endgültig tote Hose. Der nächste Discounter liegt außerhalb und ist für ältere Menschen zu Fuß nicht zu erreichen.
Doch, meine Damen und Herren, der Zufall meint es gut mit Schirgiswalde. Eine junge Frau möchte das Geschäft samt der 52-jährigen Angestellten übernehmen. Die Qualifikation stimmt, denn sie war unter anderem bereits als stellvertretende Filialleiterin eines Lebensmittelmarktes tätig. Seit Anfang dieses Jahres ist sie jedoch arbeitslos. Als die Mutter eines zweijährigen Kindes von Bekannten erfuhr, dass ein Nachfolger für den Schirgiswalder Lebensmittelladen gesucht wird, überlegte sie nicht lange und entschied sich für die Selbstständigkeit.
Meine Damen und Herren! Ich fasse zusammen: Eine junge Frau möchte in Sachsen bleiben, die Nahversorgung eines Ortes im strukturschwachen Raum durch die Übernahme eines Unternehmens sichern und einen Arbeitsplatz erhalten. Merken Sie etwas? Dieses Beispiel vereint alles, worüber wir hier ständig reden, was wir uns wünschen und was wir fördern wollen.
Wie sieht nun die Unterstützung für die junge Frau aus? Zunächst versuchte die Frau, den Existenzgründerzuschuss vom Arbeitsamt zu erhalten. Aufgrund einer Ermessensentscheidung der Sachbearbeiterin wurde
dieser Zuschuss verwehrt, und zwar mit der Begründung, sie sei in anderen Teilen Deutschlands vermittelbar.
Als nächsten Schritt wollte sie auf das Programm „Gründungsberatung“ aus der Mittelstandsrichtlinie zurückgreifen. Dieses geht an der Lebenswirklichkeit eines Existenzgründers meilenweit vorbei, denn es handelt sich um eine Vorgründungsberatung, die vor Aufnahme der Geschäftstätigkeit komplett vorfinanziert werden muss. In dieser Zeit fallen aber auch sämtliche Gründungsinvestitionen an, so dass jeder Cent zählt.
Sie gibt nicht auf, sodass der nächste Anlauf unserer Gründerin wieder zur Agentur für Arbeit führt. Um den Start zu erleichtern, beantragt sie die Förderung für die von ihr übernommene oder zu übernehmen wollende Arbeitskraft, die ohne das Engagement der jungen Frau arbeitslos werden würde. Doch auch hier ergab die Einzelfallprüfung durch die Agentur für Arbeit: Die 52jährige Verkäuferin sei problemlos vermittelbar. Förderung gebe es deshalb nicht.
Meine Damen und Herren! Soweit zum Stand der Dinge. So sieht es in der Realität aus. Solange die Behörden gegen statt mit dem Gründer arbeiten und Fördermaßnahmen am Bedarf vorbeigebastelt werden, ist es kein Wunder, dass die Zahl der Gründungen seit Jahren in Sachsen rückläufig ist. Damit sich daran etwas ändert, werden wir dem Antrag der SPD-Fraktion zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir befinden uns in Sachsen, wie in ganz Mitteldeutschland, in einer Zeit der Unternehmensübergaben. Vor nunmehr 22 Jahren – kurz nach der Wiedervereinigung – nutzten viele talentierte und leistungsbereite Bürger die neuen Möglichkeiten, um ein Unternehmen bzw. eine Firma zu gründen. Damals waren sie zumeist zwischen 30 und 50 Jahren, heute sind sie im Rentenalter. Fast alle brauchen nun Nachfolger, aber ihre Kinder haben die Heimat oftmals verlassen und sind in den Westen gezogen, um dort Arbeit zu finden.
Schon der Berichtsteil des vorliegenden Antrags legt ein Versäumnis offen, das hier im Plenum von allen Seiten, außer von CDU und FDP, schon des Öfteren präzisiert wurde. Wir müssen auf der Basis von veralteten Daten eines veralteten Mittelstandsberichtes arbeiten.
Auch der Maßnahmenkatalog, den die Antragstellerin vorschlägt, ist aus unserer Sicht größtenteils zu befürworten. Allerdings fehlt aus Sicht der Nationaldemokraten noch der eine oder andere mittelstandspolitische Impuls, der notwendig ist, um den Problemen der Unternehmensnachfolge wirklich beizukommen. Leider wird die Steuerfrage ausgeklammert und versäumt, über unternehmensrelevante Entlastungen nachzudenken.
Erfolgreiche Betriebsübernahmen sichern mittel- und langfristig Tausende von Arbeitsplätzen, und zwar nicht nur die bestehenden; denn tatsächlich kann ein wesentlich höherer Arbeitsplatzeffekt erwartet werden, da sich weitergeführte Betriebe dynamischer als der Durchschnitt entwickeln. Darüber gibt es entsprechende Statistiken. Die Betriebsnachfolge ist daher steuerlich stärker als bisher zu unterstützen, zum Beispiel durch das Anheben der Freibeträge bei der Übernahme.
Außerdem sollte die Möglichkeit geschaffen werden, den Aufgabe- und Veräußerungsgewinn progressionsmindernd auf mindestens zehn Jahre zu verteilen oder ganz und gar als Altersvorsorge anzuerkennen. Die Besteuerung von Beteiligungsveräußerungen ist derzeit an das prozentuale Beteiligungsausmaß geknüpft. Dies führt dazu, dass die an klein- und mittelständischen Betrieben Beteiligten aufgrund des geringen Nennkapitals viel leichter einer Besteuerung unterliegen als Beteiligte an größeren Kapitalgesellschaften. Hier wäre zu überlegen, die Steuerpflicht nicht an einen Prozentsatz zu koppeln, sondern einem Freibetrag zu unterwerfen, der beispielweise mit 100 000 Euro anzusetzen wäre. Diese Maßnahme würde die gesellschaftsträchtigen Gestaltungsmöglichkeiten von Eigentümern kleiner und mittlerer Unternehmen deutlich erhöhen.
Außerdem ist über eine steuerliche Begünstigung von privatem Beteiligungskapital bis zu einem definierten
Maximalbetrag nachzudenken. Nicht generell – ich spreche hier von einer begünstigten Besteuerung nur bei KMU-Beteiligungen und Jungunternehmern. Damit
Auch wenn es dem vorliegenden Antrag an Mut fehlt, konkrete Steuererleichterungen bei Unternehmensübernahmen zu formulieren und damit einen echten Fortschritt für die Nachfolger von Unternehmen zu erreichen, werden wir Ihrem Antrag zustimmen, der ansonsten recht vernünftige Instrumente vorschlägt.
Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Wenn das nicht der Fall ist, übergebe ich das Wort Herrn Staatsminister Morlok.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Staatsregierung hat bereits zu dem Antrag umfangreich schriftlich Stellung genommen, und aufgrund der fortgeschrittenen Zeit gebe ich meinen Redebeitrag zu Protokoll.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gebe mein Schlusswort nicht zu Protokoll. Schön bei solchen Aussprachen im
Parlament ist, dass die Reden am Ende schriftlich vorliegen. Ich würde mir vorbehalten, den Verbänden mitzuteilen, wie hier diskutiert worden ist und welche Begründungen Sie von der Koalition gefunden haben, um solch einen Antrag abzulehnen. Ich denke, das ist für die Verbände recht interessant.
Herr Schmalfuß, ich habe in meiner Rede mehrfach Beispiele dafür gebracht, dass es eben nicht das Gleiche ist, ob ich ein Existenzgründer bin oder eine Unternehmensnachfolge organisiere. Mein Kollege von den GRÜNEN hat das ebenfalls getan und sehr ausführlich dargestellt, was jemandem passiert, der die Absicht hat, ein Unternehmen zu gründen und aufzubauen.
Ich werbe noch einmal für diesen Antrag, für dieses Projekt; denn ich glaube, dass das eine sehr wichtige Frage ist bei all den guten Aktivitäten, die es gibt. Diese haben wir überhaupt nicht negativ bewertet, aber es reicht nicht. Deshalb gilt nach wie vor: „Chefposten? – Nein, danke“ muss der Vergangenheit angehören.
Ich lasse jetzt über den Antrag abstimmen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Keine Stimmenthaltungen und eine Reihe von Stimmen dafür, dennoch ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden. Der Tagesordnungspunkt ist geschlossen.
Die sächsische Wirtschaft hat sich in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt. Besonders die kleinen und mittelständischen Unternehmen haben einen entscheidenden Anteil an dieser Entwicklung. Ungeachtet von ökonomischen Rahmenbedingungen größerer europäischer Dimension – Stichwort Eurokrise – und deren möglichen Auswirkungen für die heimische Wirtschaft sprechen wir heute über ein Thema wie die Unternehmensnachfolge, welches nicht nur Sachsen betrifft.
Die Frage der Unternehmensnachfolge wird in der Wirtschaft und deren Interessenvertretungen schon über Jahre diskutiert; ebenso war es hier im Landtag in den letzten Jahren immer wieder Thema.
Ich verweise an dieser Stelle auf den Ifo-Dresden-Bericht 1/2007 oder die Broschüren der SAB und nicht zuletzt den Inforeport des Ostdeutschen Bankenverbandes vom Mai 2012. Letzterer geht von über 4 400 Unternehmensnachfolgen bis zum Jahr 2014 aus.
Dabei stehen wir in Sachsen vor Problemen, die wir mit vielen Regionen in der Bundesrepublik teilen. Das lässt sich kurz mit dem allgemeinen Demografieproblem beschreiben. Aber es gibt auch eine ganze Reihe von speziellen sächsischen Herausforderungen bei der Gestaltung und Steuerung von erfolgreichen Unternehmensnachfolgen. Viele Unternehmen wurden im Zuge der wirtschaftlichen Veränderungen in den frühen Neunzigerjahren gegründet. Oft erfolgten diese Gründungen von Gründern, die in der Mitte ihres Berufslebens standen und durch eine selbstständige Tätigkeit die Chance sahen, sich in den damals wirtschaftlich unsicheren Zeiten eine eigene ökonomische Grundlage zu schaffen.
Für kleine und mittlere Unternehmen war und ist es immer besonders wichtig, die Unternehmensnachfolge in der Familie vorzubereiten. Dieser Weg steht für viele Familienunternehmer in Sachsen nicht offen, da aus der Gründungsspezifik oftmals folgte, dass mögliche Nachfolger eigene berufliche Wege gegangen sind, dabei oftmals auch außerhalb von Sachsen. Die Attraktivität für mögliche Übernahmen wird durch eine geringe Kapital
reiche Unternehmensnachfolgen besteht in dem allgemeinen Fachkräfteproblem, auf das wir in der nächste Zukunft zusteuern; denn wir werden die gut ausgebildeten jungen Fachkräfte nicht weiter bis zu 50 %, wie bei Jungakademikern immer noch normal, in andere Bundesländer ziehen lassen können, als möglichen Lehrernachwuchs verplanen oder für die technologischen Zukunftsbranchen mit Auslandsorientierung – nach FDP-Lesart – einsetzen wollen.
In Zeiten gestiegener Entwicklungschancen und offener Perspektiven werden Unternehmensnachfolgen nur dort positiv gelingen, wo sich echte Perspektiven ergeben. Vor dem Hintergrund der fehlenden potenziellen Nachfolger sollte das Augenmerk, neben vielen möglichen Übernahmeformen, auf Fusionen im Rahmen der Übernahme gelegt werden. Auch Übernahmen in Form von Genossenschaften von bisherigen Mitarbeitern könnten ein interessanter Weg sein, um erfolgreiche Unternehmensnachfolgen zu gestalten.
Es steht eine ganze Reihe von Förderinstrumenten zur Verfügung, die in ihrer Wirksamkeit zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen sind. Die entscheidende Verantwortung liegt dabei bei der Wirtschaft selbst und bei deren Kammern und Verbänden.
Der im Antrag der SPD geforderte Bericht liegt streng genommen mit der Stellungnahme durch die Staatsregierung vor. Meine Fraktion wird dem Antrag zustimmen.
Im Freistaat steht bis zum Jahr 2020 bei etwa 15 000 Unternehmen der Generationswechsel an. Davon sind circa 200 000 Arbeitsplätze betroffen. Der sächsischen Staatsregierung ist die Unternehmensnachfolge ein wichtiges Anliegen. Zur Unterstützung eines Eigentümerwechsels steht den Übergebern, aber auch den Übernehmern ein breit gefächertes Instrumentarium zur Verfügung.