Kollege Biesok, wollen wir in Zukunft generell so verfahren, dass wir, wenn Sie etwas in der Presse erklären, darauf vertrauen, dass es so kommt, und umgekehrt genauso?
Dann könnten wir uns viele Sitzungen, Sitzungsgelder und dergleichen mehr sparen. Oder wollen wir weiter Parlament sein, in dem wir im öffentlichen Disput über Gesetze oder meinethalben auch über Anträge debattieren?
Herr Kollege Bartl, Sie wissen, ich schätze den Disput mit Ihnen außerordentlich, deshalb möchte ich es gern hier diskutieren. Aber ich möchte eines nicht: dass Sie sich hier vorn hinstellen und so tun, als ob es Ihr Antrag gewesen sei, der die Staatsregierung zum Handeln gebracht habe. Das ist schlicht und einfach falsch.
Ich finde es auch sehr beachtlich, dass die Linksfraktion nun ausgerechnet einen Gesetzentwurf unterstützt, den die Regierung von CDU und FDP im Bundestag eingebracht hat, und diese Dinge wieder zurückbringen will. Aber es dient dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und ist deshalb grundsätzlich zu begrüßen.
Im Gesetzgebungsverfahren wurden Fehler gemacht. Diese Fehler muss man jetzt korrigieren, das haben wir schon näher ausgeführt. Aber man muss sich auch einmal inhaltlich mit dem Antrag der LINKEN auseinandersetzen, der ist handwerklich nämlich nicht viel besser.
In Ihrer blinden Wirtschaftsfeindlichkeit haben Sie nämlich hineingeschrieben, dass es keine Auskünfte für gewerbliche Zwecke mehr geben soll. Das ist auch schlicht und einfach falsch. Das war nie Grund der Diskussion. Das Bundesmeldegesetz unterscheidet nämlich sehr wohl zwischen einer Auskunft aus gewerblichen Gründen und einer Auskunft an Adressenhändler und zu Werbezwecken. Sie kippen das gleich zusammen: Alles, was Gewerbe ist – Scheiße, weg damit, machen wir nicht mehr!
Immer dann, wenn es für gewerbliche Zwecke ist, darf es nicht mehr gemacht werden. Schon nach dem bisherigen Melderecht war es so, dass eine Meldeauskunft auch an Unternehmen gegeben werden kann, wenn wirtschaftliche Auskünfte dabei sind. Wenn zum Beispiel ein Vertragspartner verzogen ist, dann darf man über eine einfache Meldeauskunft erfahren, wo er hingegangen ist. Was
wollen Sie laut Ihrem Antrag, wenn eine gewerbliche Auskunft nicht mehr möglich ist, mit einer Wohnungsgenossenschaft machen, die zum Beispiel einen Mietnomaden hat und die Forderung geltend machen möchte? Dann wollen Sie nun sagen: Nein, wenn er nicht eingewilligt hat, dann gibt es keine Auskunft mehr.
Nein, Herr Bartl, das ist handwerklich mindestens genauso schlecht wie das, was der Innenausschuss gemacht hat, und deshalb lehnen wir Ihren Antrag inhaltlich ab. Es ist nämlich falsch so, wie es gemacht wurde, und wir wollen, dass es so wiederhergestellt wird, wie die Bundesregierung es im Bundestag eingereicht hat, und dafür haben wir die Unterstützung der Staatsregierung bereits sicher.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es scheint sich hier im Hause die übergroße datenschutzrechtliche Einigkeit einzustellen, allerdings glaube ich nicht so richtig daran; denn ich habe in den letzten Jahren hier einige Erfahrungen mit den Haltungen verschiedener Fraktionen machen müssen.
Ich denke, wir sollten noch einmal auf den Kern der Debatte zurückkommen. Die Bürgerinnen und Bürger werden verpflichtet, ohne Ausweichmöglichkeiten ihre persönlichen Daten bei der Meldebehörde abzugeben. Dass diese Daten dann zu kommerziellen Zwecken verkauft werden können – und darum geht es –, ist ein Skandal an sich,
und es ist so, dass auch der viel gelobte Gesetzentwurf der Bundesregierung, dem Herr Ulbig zustimmen will, keineswegs flächendeckend die vorherige ausdrückliche Einwilligung, also die flächendeckende Opt-in-Lösung, vorsieht, sondern nur für diesen einen Fall, wenn die Daten an Adressenhändler herausgegeben werden sollen. Hier erzielt man höchstens kleine Fortschritte, und es geht wieder zurück zu dem, was die Koalition am 28.06.2012 in Berlin angerichtet hat, und das reicht natürlich bei Weitem nicht aus.
Nun haben sich verschiedene Fraktionen – ich erinnere mich an Herrn Biesok, der heftig gekämpft hat – damit gebrüstet, dass sie dieses Thema in den Sächsischen Landtag eingebracht hätten. Tut mir leid, ich muss Sie nerven: Wir haben im Jahr 2008, Herr Kollege Brangs, genau das – –
Ich weiß, warum Sie so zickig reagieren; denn Sie haben damals, als Sie in der Koalition mit der CDU waren, unseren Gesetzentwurf, der genau denselben Inhalt hatte, abgelehnt. Sie erinnern sich? Das böse Gewissen
Sie wissen auch, wir haben den Gesetzentwurf im März 2010 wieder eingebracht und werden ihn auch ungeachtet der bundesrechtlichen Situation zur Abstimmung stellen, und dann werden wir sehen, wie die Reaktionen der verschiedenen Fraktionen sein werden.
Nein, meine Damen und Herren, der eigentliche Grund, warum wir bisher datenschutzrechtlich nicht vorangekommen sind, ist schlicht und ergreifend: weil die Kommunen damit Reibach bzw. Geld machen. Deshalb ist die kommunale Familie immer heftig dagegen gewesen. Im Jahr 2010 waren es allein 2,1 Millionen Euro, die sächsische Gemeinden und Kommunen durch den Adresshandel eingenommen haben.
Ich erinnere mich, Herr Ulbig, Sie haben mir erst kürzlich geantwortet: Es sei ja gar kein Handel, sondern es sei im Gesetz vorgesehen. Das ist jetzt auch wieder Rabulistik. Der Bürger, der zwangsmäßig seine Daten abgeben muss, empfindet es durchaus als unrechtmäßigen Handel mit seinen eigenen Daten.
Ich hoffe, dass der jetzt hier so einhellig von Ihnen, Herr Ulbig, und von der CDU-Fraktion bekundete datenschutzrechtliche Mut bis September im Bundesrat anhalten möge. Sie gestatten mir diesbezüglich ein paar Zweifel aufgrund Ihres bisherigen politischen Verhaltens. Wir werden Sie dort sehr genau beobachten. Diese Debatte wird Ihnen sicherlich noch weiter auf den Füßen stehen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesmeldegesetz ist das zweite parlamentarische Desaster der CDU/FDP-Koalition im Bundestag innerhalb weniger Tage. Besonders pikant daran ist, dass hierbei die Oppositionsparteien ebenso komplett versagt haben, also alle auch hier im Sächsischen Landtag selbsternannten demokratischen Parteien.
27 letzte Mohikaner saßen 57 Sekunden im Plenarsaal. Keiner hatte Lust, seine vorbereitete Rede vorzutragen. Alle gaben sie zu Protokoll. In weniger als einer Minute winkten 17 Koalitionsvertreter und zehn oppositionell spielende Laiendarsteller der Linken, der SPD und der GRÜNEN in zwei Lesungen ein Gesetz durch, welches sie wahrscheinlich nicht einmal gelesen hatten. Man wollte wohl, wie die anderen 593 hoch bezahlten Volksvertreter, Fußball schauen. Danke für diese erneute Sternstunde des real existierenden Parlamentarismus. Es lebe die repräsentative Demokratie!
Es wundert wirklich niemanden mehr, dass diese Abgeordneten mit der gleichen Sachkenntnis und Arbeitsfreude auch mal eben 500 Milliarden Euro Hilfspakete oder
Der Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens war ein Desaster, und zwar deswegen, weil er einen eklatanten Bruch mit den parlamentarischen Gepflogenheiten darstellt. CDU/CSU und FDP haben in der letzten Sitzung des Innenausschusses eine Veränderung in § 44 des Meldegesetzes vorgenommen, der nicht abgesprochen war und wohl auch den anderen Fraktionen nicht deutlich übermittelt wurde. Damit verstößt man gegen die gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien, da man unter Federführung des Lobbyisten der CSU Hans-Peter Uhl Formulierungshilfen aus dem Bundesinnenministerium erhielt, die inhaltlich von Beschlüssen der Bundesregierung abwichen, die das genaue Gegenteil des ursprünglichen Entwurfs ausmachten.
Die vorgesehene Einwilligungslösung der betroffenen Bürger bezüglich der Weitergabe ihrer Daten wurde durch eine ausgehöhlte Widerspruchsmöglichkeit ersetzt. Damit wurde der Werbewirtschaft für den Ankauf von personenbezogenen Daten ebenso bewusst Tür und Tor geöffnet wie den Gemeinden für lukrative Nebeneinnahmen zulasten einer informellen Selbstbestimmung der Bürger – und die Schnüffler der GEZ sollten durch die Mitwirkungspflicht der Wohnungseigentümer auch ihren Anteil erhalten.
Meine lieben Damen und Herren! Das ist auch ein Beispiel für Lobbyismus. Wir halten den vorliegenden Antrag für richtig. Ich werde ihm namens der NPD-Fraktion auch zustimmen.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich rufe eine zweite Runde auf. Möchte ein Abgeordneter in der zweiten Runde das Wort ergreifen? – Das kann ich nicht erkennen. Die Staatsregierung? – Sie möchte auch nicht mehr sprechen.
Meine Damen und Herren! Wir kommen zum Schlusswort. Herr Bartl, Sie können das Schlusswort halten, aber Sie müssen es nicht.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie wollen es doch, meine Damen und Herren von der Koalition! Kollege Bandmann, natürlich steht in Artikel 33 Satz 3, dass man in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung per Gesetz eingreifen kann, aber man kann es nicht abschaffen.
Das Gesetz, das der Bundestag mit den 27 Abgeordneten beschlossen hat, ist im Grunde genommen die informationelle Fremdbestimmung und nicht mehr die informationelle Selbstbestimmung. Genau das ist das Problem.
Kollege Biesok, ich habe die beiden bösen Worte, die Sie vorhin genannt haben, in unserem Antrag nicht gefunden. Meines Wissens hat dieser Tage Kollege Schreiber einmal von „Hundekot“ gesprochen. Aber die bösen Worte, die
Sie nannten, finde ich nicht. Ich begreife es nicht, was an dem Antrag missdeutig sein könnte. Darin steht eindeutig: Die Staatsregierung wird aufgefordert, keinem Modell, keiner Lösung zuzustimmen, die diese vorherige, ausdrücklich freiwillige Zustimmung des betreffenden Bestandsdateninhabers umgeht. Wir wollen nichts anderes, als dieses Opt-in-Modell. Genau das ist es, was wir mit diesem Antrag definitiv wollen.