Noch etwas zu den Demonstrationen: Es mag sein, dass die emotionale Art und Weise, wie Sie da auftreten, wie Herr Dulig auftritt, vielleicht in der aufgeheizten Stimmung gut ankommt. Wir als Koalition handeln überlegt und auf der Grundlage von Fakten, während Sie Hysterie schüren, alles Mögliche fordern und wenn Probleme kommen, den Kopf verlieren. Wissen Sie: Das ist genau der Unterschied zwischen der Regierungsfähigkeit von CDU und FDP und dem oppositionellen Gehabe von Ihnen.
Für die FDP-Fraktion sprach Herr Kollege Bläsner. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt Frau Kollegin Giegengack.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin vor drei Tagen von einem grünen Mitglied angesprochen worden. Er ist selbst Lehrer, hat zwei Söhne und war auch bei der Demonstration dabei. Er hat mich gefragt: Wie geht es nun weiter mit dem Thema? Was macht ihr dazu im Landtag? – Da habe ich gesagt: Nun ja, wir haben wieder Anträge und eine Aktuelle Debatte dazu im nächsten Plenum. Da werden auch die Anwürfe von Herrn Flath und Herrn Unland im letzten Plenum gegen die Lehrer aufgegriffen. – Ich muss sagen, ich war etwas über das entsetzt, was mir der Lehrer darauf geantwortet hat. Er hat gesagt: Wenn das die ganze landespolitische Wirkung der Demo sein soll, dass ihr allgemein über die Schulpolitik debattiert und über Beleidigungen redet, dann könnt ihr einpacken in Dresden. – Er persönlich, seine Schule und das Gymnasium seiner Söhne hätten effektiv nichts von einer solchen Debatte. Das hat bei mir die Frage aufgeworfen: Was tun wir hier eigentlich?
Mich beängstigt, dass man wirklich den Eindruck gewinnen kann, dass hier Schulpolitik für politische Zwecke instrumentalisiert wird.
Bevor Sie anfangen zu klatschen: Das betrifft zum einen die Koalition. – Für mich ist es nicht nachvollziehbar, wieso in der Amtszeit von Herrn Wöller angeblich kein Verhandlungsspielraum für Stellenplanung und Finanzierung der Lehrer da war und seine Nachfolgerin problemlos fehlende Lehrerstellen und auch die Millionen dazu bekommt. Das freut mich durchaus, aber es wirft die Frage auf: Wurde hier ein unliebsamer und durchaus
Auf der anderen Seite: Warum führt DIE LINKE gerade jetzt diese Grundsatzdebatte? Wir haben einen neuen Haushaltsentwurf, und der sieht durchaus – Herr Bläsner, da haben Sie nicht ganz Unrecht – Nachsteuerungen im Schulbereich vor, und die Auslassungen von Herrn Unland und Herrn Flath sprechen für sich. Ich weiß nicht, ob wir hierüber lange diskutieren müssen.
Mich bewegen insbesondere im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Haushalts vielmehr grundsätzliche Fragen: Wie bekommen wir zum Beispiel den Unterrichtsausfall in den Griff, obwohl wir jetzt 650 Lehrer mehr haben, die durchaus auch aus dem System selbst kommen, und uns aber die Schüler, Lehrer und Eltern weiterhin in Größenordnungen Unterrichtsausfall melden? Wie werden wir den älteren Lehrern und ihrem Anliegen gerecht, aufgrund der Belastung kürzertreten zu wollen, vor dem Hintergrund, dass viel zu wenig junge Lehrer die Unis verlassen? Wie schaffen wir es, die in den nächsten Jahren in Größenordnungen aus dem Schuldienst aussteigenden Lehrer zu ersetzen? Ich gehe davon aus, dass die 1 700 Studienanfänger pro Jahr dafür nicht ausreichen werden.
Wie kommen wir zu einer gerechten Entlohnung für die Lehrer, zum einen nach bundesdeutschem Maßstab, damit wir konkurrenzfähig sind, damit ein solches Anwerbungsprogramm auch funktioniert, zum anderen auch untereinander, um junge Leute zu motivieren, Grundschullehramt, Mittelschullehramt oder Förderschullehramt zu studieren, wo sie doch weniger bekommen, obwohl sie den gleichen Hochschulabschluss haben wie Gymnasiallehrer? Reichen unsere Anstrengungen im Bereich Ganztagsangebot aus, um Kindern aus bildungsfernen Familien tatsächlich gleiche Chancen einzuräumen? Ich glaube, dass das, was jetzt im Haushalt steht, dafür nicht ausreicht. Ein ganz großes Problem ist der Bereich frühkindliche Bildung: Fachlich ist die Verbesserung des Betreuungsschlüssels unumgänglich. Ich glaube, darin sind wir uns wirklich einig; wir haben schon mehrmals darüber debattiert. Aber allein den Betreuungsschlüssel in der Kita und in der Krippe für ein Kind zu verbessern kostet uns jährlich 90 Millionen Euro. Das macht mir Bauchschmerzen, ganz ehrlich. Das müssen wir nämlich auch in unserem Haushaltsentwurf, den wir vorlegen werden, einrechnen.
Wie stemmen wir – ich denke, das wird eine der größten Aufgaben – das große Thema Inklusion in unserer Schule?
Die Aufgaben in unserem Land sind 20 Jahre nach der Wende größer als je zuvor. Ich glaube, wir sollten wirksame Debatten führen. Wem nützt es, dass wir uns hier eine Stunde lang gegenseitig Unfähigkeit oder Populismus vorwerfen? Ich habe nichts gegen eine politische Debatte. Überhaupt kein Problem. Aber die Debatte muss, denke ich, auf die Lösung der bestehenden Probleme gerichtet sein.
Das war Frau Kollegin Giegengack für die Fraktion GRÜNE. Als Nächster spricht für die NPD-Fraktion der Abg. Löffler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema der heutigen Aktuellen Debatte – „Sachsen wehrt sich gegen die Schulpolitik der Kultusministerin und die Diffamierung der Lehrerinnen und Lehrer durch die Regierungskoalition“ – leitet einen regelrechten Reigen bildungspolitischer Themen der heutigen Plenarsitzung ein, und es polarisiert vielleicht mehr, als es notwendig wäre.
Es gibt gewiss genügend Gründe, die Personalpolitik der Sächsischen Staatsregierung, insbesondere des Finanzministeriums und des Kultusministeriums, zu kritisieren. Es liegt klar auf der Hand, dass eine ausreichende Versorgung, die auf Kante genäht wurde – so Originalton Ministerin Kurth –, zu Defiziten führt. Es wird nicht berücksichtigt, dass die vorhandenen Lehrer meist ein fortgeschrittenes Alter vorweisen. Sie gehen aber nicht nur bald in Rente, sie sind auch häufiger krank.
Krank werden aber auch die jüngeren Lehrer, da sie bis zur Obergrenze gefüllte Klassen unterrichten müssen und vor Schülern stehen, die zunehmend schwieriger werden. Die Verhaltensauffälligkeiten nehmen zu, Lerndefizite nehmen zu, soziale Kompetenzen und auch die sogenannten Sekundärtugenden sind nicht hinreichend ausgeprägt. Immer mehr Schulabgänger sind den Anforderungen des beruflichen Lebens nicht mehr gewachsen. Die fehlende Ausbildungsreife wird oft genug von den Handwerkskammern kritisiert.
Aber auch Abiturienten gehen an Hochschulen und Universitäten und brechen ab. Jeder Dritte schafft nicht einmal den Bachelor, und dieser Abschluss wird als zertifizierter Studienabbruch gehandelt, der letztlich ohne Master nichts wert ist.
Beklagt wird die falsche Studienorientierung der Lehrerstudenten. Zu viel Deutsch und Geschichte wird studiert, zu wenig Naturwissenschaften und Mathematik. Genauso sieht es in den Bereichen Sozialwissenschaften und Ingenieurwissenschaften aus.
Lesen, Schreiben, Rechnen – werden diese grundlegenden Fähigkeiten ausreichend vermittelt? In Sachsen sprechen PISA-Studie und andere Studien eher dafür. Aber wird das auch so bleiben? Welcher Bildungspolitiker hat diese Fähigkeiten ausreichend auf seinem Schirm? Wird nicht viel lieber an den vorhandenen Strukturen herumgebastelt, und haben sich die bildungspolitischen Fantasien, die häufig auch in diesem Hohen Hause vorgetragen werden, nicht schon weit von der Wirklichkeit entfernt?
Da wurde in der vergangenen Legislaturperiode eine Gemeinschaftsschule auf den Weg gebracht und es blieb bei einem begrenzten Versuch. Nur dort, wo Lehrer und Eltern dies gemeinsam wünschten und die räumlichen
Voraussetzungen vorhanden waren, wurde das Experiment begonnen. Dann wechselte die Koalition, und die Beendigung des Modells stand an. Es wäre interessant zu erfahren, welche konkreten Veränderungen, Erkenntnisse oder Ergebnisse dieses Experiment im Vergleich zur Mittelschule tatsächlich erbracht hat. Aber es ist erstaunlich still darum geworden.
Es geht nie um Lesen, Schreiben, Rechnen. Die eine Seite kämpft für die Einheitsschule um jeden Preis, die andere hält dagegen, und dabei ist es völlig egal, wie die Einheitsschule genannt wird, ob Gesamtschule, Gemeinschaftsschule, oder ob man über die Hintertür der UNKonvention mit dem Zauberwort „Inklusion“ den Einheitsbrei letztlich erzwingen will. Die Taktik ist durchschaubar.
Im Einzelfall funktionieren diese Modelle, im landes- oder bundesweiten Raum erzwungen, stiften sie allerdings nur Unheil, wie man das am Beispiel der Hansestadt Hamburg ganz aktuell sehen kann. Das Thema Inklusion ist dort mittlerweile zum Reizwort geworden, über das GEW und SPD-geführter Senat im Dauerclinch liegen. Von einem Sparmodell ist die Rede, das Schülern und Lehrern gleichermaßen schadet.
Dennoch wollen die Stimmen nicht verklingen, die, wie Frau Prof. Claudia Dalbert, Fraktionschefin der GRÜNEN in Sachsen-Anhalt, alle Förderschulen einschließlich der Gehörlosen- und Blindenschulen schließen wollen.
Meine Damen und Herren! Wir gehen jetzt in die nächste Runde. Ich frage die Fraktion DIE LINKE. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Erst einmal herzlichen Glückwunsch zur Wahl, Herr Bienst, aber Sie haben ein nicht einfaches Amt angenommen. Der Problemberg, den Sie von der Koalition insgesamt zu bewältigen haben, ist über die Jahre nicht kleiner geworden, sondern so groß, dass anscheinend bei Ihnen die Nerven so blank liegen, dass Sie sich nur noch in solche Attacken flüchten können, statt eine normale Debattenform zu finden. Das ist auch der Grund, weshalb wir reden.
Wenn ich Sie so höre, Herr Bienst, und wenn Sie so auf die 15 000 Lehrer rekurrieren, die dort standen, wobei keiner von Ihren Freunden dabei gewesen sei, dann hört sich das so an wie der Geisterfahrer auf der Autobahn, der die Meldung bekommt, es sei ein Geisterfahrer unterwegs und dann ruft: „Einer? Tausende!“
Also, Herr Bienst, ich glaube, so einfach können Sie sich die Welt nicht machen. Ich würde deshalb zumindest einen Aspekt in die Debatte einbringen, den wir am 7. September schon einmal kurz angesprochen haben, wobei ich das damals noch für einen Ausrutscher gehalten habe. Aber das scheint es nicht zu sein. Deswegen gebe
ich Ihnen ein Zitat von dem von Kollegen Flath sehr geschätzten Kollegen Kirchhoff. Er hat in seinem Buch, das wir alle zur Kenntnis bekommen haben, geschrieben: „Die Leistungskraft eines Staates liegt in seinem Personal, das in seiner Begabung, Berufsqualifikation und Zuverlässigkeit den staatlichen Handlungsauftrag erfüllt.“ So weit Kirchhoff und so weit auch richtig.
So ist es einfach nicht hinzunehmen, dass es sich eben nicht um einen Ausrutscher handelt, sondern anscheinend um eine Kampagne, die CDU und FDP gezielt gegen die Lehrerinnen und Lehrer im Freistaat Sachsen führen – eine Kampagne, die meines Erachtens an Schäbigkeit nicht zu überbieten ist. Wie kann man denn allen Ernstes einen Sturmangriff auf die Beschäftigten im öffentlichen Dienst fahren, auf die man doch angewiesen ist, die man doch braucht, um die Qualität in der Bildung zu gewährleisten, die man doch braucht, um mitzuziehen, damit der Wettbewerbsvorteil und die Wettbewerbsfähigkeit von Sachsen gewährleistet bleiben?
Das können Sie doch nicht allen Ernstes meinen. Sie können sich doch nicht hinstellen und allen Ernstes – auch gestern noch bei der Veranstaltung der Handwerkskammer – den Leuten vorrechnen, was die Lehrer verdienen, und hinzufügen, die sollten sich alle ein bisschen zurücknehmen; denn wenn man sich einmal umschaue, was der Sachse im Durchschnitt sonst so verdient, stelle man fest, dass die Lehrer eh viel zu viel verdienen. Das kann doch nicht ernsthaft Ihre Position sein! Sie können sich doch als Regierungsfraktionen nicht hinstellen und sagen, die Lehrer sollten schön die Klappe halten.
Es geht doch hier am Ende nicht um solide Finanzen. Der Freistaat ist doch nicht arm. Ich habe eher das Gefühl, dass Sie mit vom Geiz zerfressenen Gesichtern den Lehrern gegenüberstehen, die mit berechtigten Forderungen auf verbesserte Bedingungen ihrer persönlichen Einkommen – natürlich! –, aber vor allen Dingen der Bildungsperspektive auftreten und sagen, dass man da etwas ändern müsse. Da können Sie sich doch nicht hinstellen und sagen: Was wollt Ihr eigentlich von uns?
Kommen wir doch einmal zur Realität, wie Sie mit Personal umgehen. Da sind ja nicht nur die Lehrer betroffen. Sie wollen die Streichung des Weihnachtsgeldes auch heute nicht zurücknehmen, obwohl Sie damals gesagt haben, das sei der Beitrag der Beschäftigten zur Überwindung der Krise. Die Krise ist glücklicherweise nicht so stark eingetroffen. Trotzdem sind Sie nicht bereit, diese Maßnahme zu korrigieren. Sie sind nicht bereit, endlich eine Anpassung der Wegstreckenentschädigung herbeizuführen. Obwohl Sie sie seit Jahren versprochen haben, schieben Sie sie Tag für Tag hinaus. Warum? Weil Sie mit jedem Tag Geld auf dem Rücken der Beschäftigten
sparen. Und Sie sind nicht bereit, endlich bei den Lehrern die gerechtfertigte Eingruppierung vorzunehmen.
Ich sage, für eine solche Art von Politik und einen solchen Umgang mit Personal gibt es einen Fachbegriff, und der heißt „Verarschung“, meine Damen und Herren von der Koalition.
Vielleicht verstehen Sie mich besser, wenn ich nicht auf der Grundlage von Moralität argumentiere, denn Sie wollen ja die großen Wettbewerbshüter sein. Sie wollen diejenigen sein, die verstehen, wie Wettbewerb funktioniert.
Wir kommen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in einen richtigen Wettbewerb der öffentlichen Arbeitgeber. Wie wollen Sie sich bitte schön mit dem Wegfall von Sonderzahlungen, mit der Falsch-Eingruppierung, mit der Beschädigung und Diffamierung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst als attraktiver öffentlicher Arbeitgeber aufstellen?