Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich steige bei den letzten Worten von Herrn Brangs ein. Ich dachte nicht, dass ich Ihnen das noch einmal sagen muss: Höhere Löhne jetzt sichern keine höheren Renten in 40 Jahren. Wir können höhere Renten in 40 Jahren nur zahlen, wenn wir eine nachfolgende Generation haben, die dann diese Verpflichtungen tatsächlich auch erfüllt. Sie kennen selber demografische Entwicklungen und Zahlen. Ich wiederhole das gern noch einmal von heute Vormittag:

Wir haben das Problem der doppelten Alterung. Wir haben nicht nur niedrige Geburtenraten, sondern eben auch eine steigende Alterung. In den nächsten 40 Jahren sinkt die Zahl der Erwerbspersonen um 30 %. Das sind jetzt bereits Geborene, von denen wir die Zahlen kennen. Wir kennen auch die demografische Entwicklung. Frauen, die nicht geboren wurden, können zukünftig auch keine Kinder kriegen. All diese Zahlen muss ich Ihnen doch nicht erzählen.

Ich denke, die Rentendiskussion ist eine wichtige Diskussion, aber die Art, wie sie geführt wird, ist Augenwischerei. Ich kann Ihnen das Folgende leider auch nicht ersparen: Es ist gut, dass Sie, nachdem Sie keine Regierungsverantwortung mehr tragen, bezüglich der Riesterrente im Augenblick zu dem Ergebnis kommen, dass sie so, wie sie aufgebaut ist, nicht die richtige sei. Ich bin trotzdem der festen Überzeugung, dass private Vorsorge ein wichtiger Aspekt in der zukünftigen Rentensicherung sein wird.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Der neue Überbietungswettbewerb, der gegenwärtig stattfindet, jetzt gerade wieder durch den Antrag der Linksfraktion dokumentiert, ist ein Wildwuchs an unausgereiften Instrumenten und teilweise auch rückschrittlichen Ideen. Statt dieses Spiel mit der Angst hier weiter zu betreiben, setzen wir als FDP auf eine sachliche Diskussion, um tatsächlich nicht nur die Rente von morgen, sondern eben auch von übermorgen sicherstellen zu können.

Dass wir gegen eine Absenkung des Renteneintrittsalters sind, haben wir in diesem Hohen Hause mehrfach deutlich gemacht, seitdem die Altersgrenze mit 67 im Jahr 2007 unter Regierungsbeteiligung der Sozialdemokraten eingeführt wurde. Wir freuen uns ja, dass wir gesünder älter werden, und – dieser Einwurf sei mir

gestattet – nicht alle, die berufstätig sind, sind Dachdecker.

Die generelle Absenkung des Renteneintrittsalters kann aus unserer Sicht eben auch nicht funktionieren; denn ich hatte zu Beginn bereits gesagt: Die Rente muss nicht nur von immer weniger werdenden Erwerbstätigen für immer mehr Rentner gezahlt werden, sondern sie muss eben auch immer länger gezahlt werden, denn die Lebenserwartung nimmt zu. Das ist sehr schön, aber leider haben wir unsere Sozialsysteme dafür nicht zukunftsfest gemacht.

Eine künftig noch höhere Belastung der Beitragszahler über Steuern oder über Rentenbeiträge lehnen wir kategorisch ab. Das ist, denke ich, nichts Neues. Auch braucht der Arbeitsmarkt zunehmend ältere Arbeitnehmer, um den Bedarf an Fachkräften zu decken. Auch aus diesem Grund halte ich eine starre Zurückführung des Renteneintrittsalters grundsätzlich für den falschen Weg. Sie kennen unsere Position zum flexiblen Renteneintritt.

Die geplante Senkung des Rentenbeitrages ist für uns im Übrigen indiskutabel. Denn dank der guten Konjunktur sind die Rentenkassen so gut gefüllt wie lange nicht mehr. Wie gesagt, Rentenbeiträge werden nur gezahlt, wenn sie aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung entstehen. Auch das sage ich gern noch einmal in Richtung SPD. Es ist falsch, wenn gesagt wird, das alles seien nur 400-Euro-Jobs oder 375-Euro-Jobs oder Ähnliches. Nein, das ist nicht der Fall, und hier sind wir in Sachsen auf einem guten Weg.

Gegen Jahresende steigt die Reserve in der Rentenkasse auf circa 500 Milliarden Euro. Dass der Rentenbeitrag nun um 0,6 Prozentpunkte auf 19 % sinken soll, hat in erster Linie etwas mit dem Vertrauen gegenüber den Bürgern und den Beitragszahlern zu tun. Der gesetzliche Automatismus schreibt das vor. Es ist eben kein Wahlgeschenk, wie Herr Pellmann uns das gerade darlegen wollte, dass die Beitragszahler entlastet werden, wenn genügend Geld in der Reserve ist. Ich muss auch sagen, diese Erhöhung der Reserve ist eigentlich nur eine Problemverschiebung in die Zukunft. Wir sind der Meinung, dass die, die das jetzt erwirtschaften, auch etwas davon haben sollen.

(Beifall bei der FDP)

Wir greifen eben nicht in den Rentenmechanismus ein, wie es die SPD damals mit ihrer Rentengarantie kurz vor den Wahlen gemacht hat. Nein, wir halten uns an das Gesetz. Die Absenkung der Beiträge ist richtig. Der Verbraucher hat wieder mehr Geld in der Tasche, im Übrigen auch, um private Vorsorge zu betreiben. Aus dieser Verantwortung werden wir keinen Einzigen in unserer Gesellschaft entlassen können.

Im Übrigen ist private Vorsorge auch, sich gesund zu erhalten. Auch das ist ein ganz, ganz wichtiger Aspekt. Die öffentlichen Haushalte werden zudem entlastet, und auch die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes müssen

weniger Rentenbeiträge bezahlen. Aber das nur am Rande.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, über das Thema Altersarmut diskutieren wir nicht erst seit heute. Im Alter ist es für Anstrengungen zu spät. Nachsorgend zu kompensieren bedeutet immer, mehr Geld auszugeben. Wir kennen das aus der Jugendhilfe. Wenn ich Elke Herrmann dazu lächeln sehe, weiß ich, dass genau diese Problematik hier besteht und dass es so eben nicht funktionieren kann.

Wichtig sind die präventiven Ansätze, die die Menschen ermuntern, privat oder eben auch betrieblich vorzusorgen. Auch darin, Herr Brangs, darf ich Ihnen widersprechen. Auch hier in Sachsen gibt es mittlerweile genügend Betriebe, die in betriebliche Altersvorsorge investieren, und auch bereits die Ersten, die davon profitieren konnten und das jetzt als zusätzliche Einnahmen neben der gesetzlichen Rentenversicherung haben.

Aber wir müssen natürlich auch aufpassen, dass wir falsche Anreize beseitigen. Wir fordern unter anderem, dass private und betriebliche Vorsorge nicht mehr voll auf die Grundsicherung angerechnet wird; denn natürlich bremst die heutige Regelung, so wie sie ist – also die volle Anrechnung –, die Motivation der Geringverdiener zum Sparen.

Die beste Voraussetzung für eine gute Altersvorsorge ist es daher, möglichst viele Menschen in sozialversicherungspflichtige Arbeit zu bringen. Daher dürfen wir den Eintritt in Arbeit nicht erschweren, weder durch Mindestlöhne noch durch die Verteufelung flexibler Arbeitsformen wie der Zeitarbeit.

Ich denke, ich habe das ausführlich begründet. Herr Pellmann und die Damen und Herren der Linksfraktion werden nicht erstaunt sein, dass wir Ihren Antrag ablehnen werden.

Herzlichen Dank.

Und nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Abg. Herrmann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche es kurz zu machen, weil von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern schon sehr viel gesagt worden ist.

In Ihrem Antrag, Herr Pellmann, über den wir heute diskutieren, sehe ich wirklich weniger ein Konzept, weil ein Konzept auch darin besteht, dass man zumindest versucht, die einzelnen Schrauben, an denen man dreht – also sozusagen das Getriebe –, aufeinander abzustimmen. Bei Ihnen habe ich den Eindruck, dass Sie Forderungen, die Sie hier immer wieder vorgebracht haben, einfach in einen Antrag geschrieben haben, ohne sich wirklich gründlich Gedanken darüber zu machen, wie das eine das andere beeinflusst.

Ich muss ausnahmsweise tatsächlich sagen, dass mein Kollege Alexander Krauß an einigen Stellen zumindest

sachlich eine Richtigstellung vorgenommen hat, wenn Sie zum Beispiel immer wieder mit den Rentenwerten argumentieren. Das macht sich so schön, das klingt so schön. Nur, solange die Löhne hier noch niedriger sind, ist gar nicht ausgemacht, dass das am Ende für den Arbeitnehmer die bessere Variante ist. Er hat von der Höherwertung gesprochen. Höherwertung und Angleichung schließen einander aus. Solange die Löhne niedriger sind, macht Höherwertung Sinn. Wir haben dann eben unterschiedliche Rentenwerte.

Ich gebe Ihnen nicht so ganz recht, Kollege Brangs, wenn Sie sagen, dass Mindestlöhne das Fundament seien, um im Alter armutsfeste Renten zu haben.

(Stefan Brangs, SPD: Das habe ich nicht gesagt!)

Sie nicht? Dann war das jemand anderes. Mindestlöhne müssten mindestens 14 Euro betragen, damit man nicht in die Grundsicherung fällt. Das reicht allein nicht aus. Natürlich ist ein wesentlicher Punkt, um im Alter eine armutsfeste Rente zu bekommen, dass die Löhne entsprechend hoch sind und dass dafür Beiträge gezahlt werden. Aber damit werden wir das Problem nicht lösen; denn dieses Problem ist nicht nur ein Problem des Einkommens – auch das hast du gesagt –, sondern es ist eben auch ein Problem der Demografie.

Menschen leben länger und erhalten damit auch länger Rente. Das war einer der Gründe, warum man die Beitragswerte auf 43 % abgesenkt hat. Ich kann nicht sehen, dass sich das wesentlich verändert hat, dass wir heute sagen können: Auf diese Absenkung können wir verzichten.

Wenn Sie unter Punkt 6 davon sprechen, dass Sie eine Rente nach Mindesteinkommen wollen, aber hier den Ausdruck „Rente nach Mindesteinkommen“, die eine ganz spezielle Form ist, nicht verwenden – – Als Sie hier gesprochen haben, haben Sie von „Mindestrente“ gesprochen, und das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Wenn Sie „Rente nach Mindesteinkommen“ sagen, dann greifen Sie auf ein Modell zurück, das seit 1992 nicht mehr angewendet wird und das mitnichten dazu führt, dass die Rente im Alter armutsfest ist. Sie müssen schon wissen, was Sie eigentlich wollen.

Ja, wir sind an einigen Stellen durchaus Ihrer Meinung, zum Beispiel bei Punkt 3. Das ist die Bürgerversicherung, die die GRÜNEN seit Langem vertreten.

In Bezug auf Punkt 6 schlagen wir schon seit vielen Jahren eine grüne Garantierente vor, und zwar nicht als Fürsorgeleistung, sondern als Anrecht.

Beim Kollegen Brangs bin ich dann wieder, wenn es darum geht, flexible Rentenzugangszeiten einzurichten. Ich denke, das ist der richtige Weg. Sich an einer starren Zahl festzuhalten, wie Sie es gesagt haben, wird uns in Zukunft nicht weiterhelfen.

Ich habe das Gefühl, dass wir, wenn wir in dem derzeitigen System an der einen oder anderen Schraube drehen, die Probleme nicht beseitigen werden. Wir müssen uns

über eine wirkliche Veränderung unseres Rentensystems Gedanken machen. Andere Länder haben das vor uns getan. Es ist unter Umständen eine Radikalkur, aber ich sehe nicht, wie unter den derzeitigen Voraussetzungen die Rente sicher werden könnte, auch nicht für Sächsinnen und Sachsen. Frau Ministerin, Sie haben die Studie „Alter, Rente, Grundsicherung“ in Auftrag gegeben, anhand derer man genau sehen kann, was passieren wird, wenn alles bleibt, wie es ist.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war Frau Herrmann für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. – Nun die NPD-Fraktion, Herr Abg. Apfel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es vorweg zu nehmen: Die NPD wird dem vorliegenden Antrag zustimmen, weil wesentliche Punkte zur Vermeidung von Altersarmut und zur Sicherung des Rentensystems enthalten sind, die von der NPD schon seit Jahren eingefordert werden. Deshalb müsste von dem heutigen Tag eigentlich ein Signal ausgehen, dass wenigstens die Opposition in Sachsen zusammensteht, wenn es um eine solch entscheidende Frage wie die Rentensicherung geht. Aber vermutlich werden Sie, meine Damen und Herren der LINKEN, gleich erklären, warum Sie unsere Unterstützung nicht wollen. So muss man sich die Frage stellen, wie ernst es Ihnen mit Ihrem Anliegen überhaupt ist.

Aber gehen wir einige Aspekte des Antrages der Reihe nach durch. Sie fordern eine Angleichung der Rentenwerte in Ost und West. Das ist nicht mehr als recht und billig, wenn es nicht als isolierte Maßnahme, sondern mit einem Gesamtpaket zur Rentensicherung beantragt wird.

Das gesetzliche Rentenalter soll wieder auf 65 Jahre herabgesenkt werden. Hierzu sage ich: Solange nicht alle Register gezogen wurden, um ein solidarisches Rentensystem unter Einbeziehung aller, also auch der Beamten und Selbstständigen, zu installieren, ist die stete Anhebung des Renteneintrittsalters eine Zumutung und eine sozialpolitische Sauerei.

(Beifall bei der NPD)

Zudem wird nicht berücksichtigt, dass unterschiedliche berufliche Tätigkeiten eigentlich auch unterschiedliche Renteneintrittsalter rechtfertigen würden, zumindest dann, wenn wir den Menschen zugestehen, dass sie nach Beendigung ihres Erwerbslebens noch ihren verdienten Ruhestand in relativer Gesundheit verbringen wollen. Bei einem Maurer zum Beispiel müsste man schon mit Rücksicht auf dessen körperliche Beanspruchung während seiner Berufszeit im Grunde auch ein anderes Renteneintrittsalter haben als bei einem Berufstätigen, der überwiegend Bürotätigkeiten nachgegangen ist.

Unser Rentensystem bedarf also einer intelligenteren Steuerung des Übergangs vom Erwerbsleben in den

Ruhestand. Hierfür gibt es interessante Modelle, die einmal diskutiert werden sollten. Eine pauschale Anhebung des Renteneintrittsalters jedenfalls ist ungerecht. Lassen Sie es mich zugespitzt so formulieren: Wenn es so weitergeht wie bisher, werden viele Arbeitnehmer künftig den Rentenbescheid wohl zeitgleich mit Ihrer Sterbeurkunde erhalten.

Auch die Absenkung des Rentenniveaus bis 2030 ist nichts anderes als ein Verarmungs- und Verelendungsprogramm. Das zeigt im Grunde auf, wie hilflos diese, aber auch alle früheren Bundesregierungen mit der demografischen Katastrophe und deren Folgen für das umlagefinanzierte Rentensystem in Deutschland umgehen bzw. umgegangen sind.

Wer wie Sie – damit muss ich die Vertreter aller etablierten Parteien ansprechen, auch die antragstellende Fraktion – nicht die Rahmenbedingungen schafft, damit genug deutscher Nachwuchs entsteht, braucht sich über die Schieflage des Rentensystems, das auf einem Dreigenerationenvertrag beruht, nicht zu wundern. Diese Schieflage ist nun schon so weit fortgeschritten, dass das Schiff namens Rente zu kentern droht. Das aber ist ein Aspekt, den DIE LINKE in ihrem Antrag nicht anspricht. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den NPD-Antrag mit der Drucksachennummer 5/3061 vom Juli 2010, in dem die NPD eingefordert hat, bevölkerungspolitische Anreize im Rentensystem zu setzen und den generativen Beitrag zum Generationenvertrag zu würdigen, den Eltern mit Kindern zum Beispiel für den Erhalt des Rentensystem leisten.

Übrigens kam kürzlich die CSU mit einem ähnlichen Vorschlag um die Ecke. In der Tat ist das ein großer Schwachpunkt in Ihrem Antrag, meine Damen und Herren der LINKEN. Sie hätten sich wesentlich mehr Gedanken dazu machen müssen, wie man Kindererziehungszeiten stärker berücksichtigt. Aber damit haben Sie so Ihre Probleme. Familie, Kinder – besonders deutsche –, das ist altertümliches, verstaubtes Zeug von gestern. Deshalb fehlt dieser Gedanke bei Ihnen vollkommen. Stattdessen fordern Sie den Aufbau einer Demografiereserve, was die Probleme aber nicht löst. Sie werden nur verschoben, und das müsste eigentlich auch Ihnen bekannt sein.

Ihre weiteren Forderungen – die Zeit, auf jeden einzelnen Punkt einzugehen, fehlt – sind vernünftig. In dem NPDAntrag forderten wir übrigens ebenfalls die Einbeziehung aller Einkommens- und Erwerbsformen in die gesetzliche Rentenversicherungspflicht. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von einer solidarischen Volksrentenkasse. Was Ihrem Antrag fehlt, ist nämlich die notwendige Differenzierung zwischen Deutschen und Nichtdeutschen. Sie können nicht allen Menschen, die jemals einen Fuß auf deutschen Boden gesetzt haben, schon nach kurzer Zeit alle Ansprüche aus dem deutschen Rentensystem zubilligen. Aber das ist etwas, was die LINKE wohl nie verstehen wird.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Nein, das wollen wir auch gar nicht verstehen!)