Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

Der vorläufige Abschlussbericht der PKK wie schon zuvor der Abschlussbericht des Innenministers, beides sind Dokumente des Versagens, wobei die NPD-Fraktion und ich heute mehr denn je im Zweifel sind, ob es sich wirklich nur um ein Versagen auf ganzer Linie handelt oder ob nicht partiell der Verfassungsschutz doch mehr gewusst hat, als man bis heute zugeben will.

Natürlich, Sie werden das jetzt wieder als Verschwörungstheorie abtun. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie Herr Piwarz sich im vergangenen November vor Lachen kaum halten konnte, als die NPD-Fraktion die Vernichtung von Unterlagen in den Verfassungsschutzbehörden mit einen Dringlichen Antrag thematisieren wollte. Heute wissen wir doch, dass tatsächlich auch im

Bundesamt Köln fleißig gelöscht und geschreddert wurde. Also, Herr Piwarz, wirklich alles nur Verschwörungstheorie?

Durchsichtig ist in dem Bericht der PKK-Mehrheit auch der Versuch, die Schuld den Thüringer Behörden zuzuschieben. Das war schon die Strategie von Innenminister Markus Ulbig in seinem Bericht an den Innenausschuss vom 25. Juni. Es mag ja sein, dass in Thüringen tatsächlich der Schwerpunkt der dubiosen Ereignisse lag. Aber Fakt ist eben auch, dass die sächsischen Behörden trotz vieler Hinweise nicht in der Lage waren, den Aufenthaltsort des Trios ausfindig zu machen, obwohl dieses fast ein Dutzend Jahre lang mitten in Sachsen unter wenig konspirativen Umständen gelebt hat.

Wie ich eingangs betonte, spiegelt der Bericht nur die Erkenntnisse bis zum Juni wieder. Auch wenn der PKK grundsätzlich nicht viel zuzutrauen ist, erwartet die NPDFraktion deshalb weitere Berichte, am besten in regelmäßigen Abständen.

Neben Zweifeln an den in der PKK vertretenen Personen – hier meine ich übrigens ausdrücklich gerade die CDUVertreter in der PKK, die mir nicht gerade den Eindruck von brutalstmöglichen Aufklärern machen, sondern sich wohl eher als Beschützer und Wachhunde ihres Innenministers verstehen – sind es vor allem die mangelhafte Ausstattung und der nur sehr beschränkte Aktenzugang, der den Wert der Aussagen dieses Gremiums gegen null tendieren lässt.

Diese mangelnde Kontrolle der Geheimdienste hat die NPD-Fraktion vor sechs Monaten schon einmal im Rahmen einer Aktuellen Debatte angesprochen. Das blieb damals ohne Widerhall. Nach den ernüchternden Ereignissen der letzten sechs Monate finden wir damit vielleicht mehr Gehör. Die geringe Kompetenz der PKK aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen räumen die beiden Vertreter der LINKEN in ihrem Minderheitenvotum sogar ehrlicherweise ein.

Wenn wir also als Landtag eine Schlussfolgerung bereits heute aus der Affäre ziehen können, dann sicherlich die Notwendigkeit einer deutlichen Stärkung der Kontrolle des sächsischen Geheimdienstes, bei der künftig selbstverständlich alle Fraktionen in diesem Haus beteiligt sein müssen. Für die NPD-Fraktion ist dabei klar: Die verbesserte Kontrolle des Verfassungsschutzes kann nur eine Hilfsmaßnahme sein. Auch wenn Sie gestern unseren Antrag abgelehnt haben, bleiben wir Nationaldemokraten bei unserer Forderung „Die Inlandsgeheimdienste gehören abgeschafft.“

Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es noch Wortmeldungen für eine zweite Runde? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort

gewünscht? – Herr Staatsminister Ulbig, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zum Bericht ist eine ganze Menge vorgetragen worden. Als Erstes möchte ich mich bei Ihnen, den Mitgliedern der PKK, sehr herzlich bedanken. Das möchte ich ausdrücklich als Mitglied der Staatsregierung tun. Denn es war eine Mammutaufgabe, diesen Bericht zu erstellen. Prof. Günther Schneider hat deutlich gemacht, wie viele Sitzungen notwendig waren, um sich dem Themenkomplex in dieser Form zuzuwenden und diesen vorläufigen Abschlussbericht zu erstellen.

An diesem Bericht haben wir selbstverständlich mitgewirkt, und ich stimme im Wesentlichen mit den Inhalten überein. Es ist ausgesprochen worden, es handelt sich um einen vorläufigen Abschlussbericht. Ja, es tauchen ständig neue Informationen auf. Wir haben gerade auch in der letzten Sitzung darüber diskutiert und gesprochen, dass mit Sicherheit, gerade bezogen auf den Vorgang, der derzeit beim Generalbundesanwalt liegt, zu erwarten ist, dass, wenn die Anklageschrift vorgelegt wird, noch einmal neue Informationen und auch entsprechende Erkenntnisse vorgelegt werden, die dann sicherlich entsprechend berücksichtigt werden müssen.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, selbstverständlich.

Frau Köditz, bitte.

Herr Minister, habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass Sie dem Plenum mitgeteilt haben, dass die Staatsregierung am Bericht der PKK mitgewirkt hat? Ich darf an der Stelle doch gestehen, dass die PKK zur Erstellung dieses Berichtes ohne die Staatsregierung beraten hat. Würden Sie Ihre Formulierung dann bitte dem Plenum erklären?

Ich habe in der Phase meiner Rede von mir gesprochen, habe Ihnen gedankt und habe zum Ausdruck gebracht, dass wir – das war bezogen auf mich und meine Mitarbeiter; dann will ich es vielleicht unmissverständlicher dokumentieren –, zumindest die Grundlagen für die Erstellung des Berichtes geliefert haben. Insofern sollte an dieser Stelle keine streitige Position in diesem Plenum vorgetragen werden. – Das vielleicht zu diesem Themenkomplex.

Ich möchte als Drittes deutlich sagen, dass wir die Vorschläge entsprechend beherzigen werden, gerade was das Thema „Forderungen zum besseren Informationsaustausch zwischen den Behörden von Bund und Ländern“ angeht. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, da ist in der Zwischenzeit auch schon viel passiert, wohl wissend, dass dies nur Zwischenschritte auf dem Weg zu

einem notwendigen Philosophiewechsel in diesem Bereich sein können.

Im April des Jahres 2012 haben wir die gemeinsame Informations- und Analysestelle von LKA und LfV eingerichtet. Die Arbeit läuft nach ersten Einschätzungen gut, und eine Evaluation soll im ersten Quartal des Jahres 2013 erfolgen. Auch was die bessere Koordination der Arbeit zwischen Bund und Ländern angeht, ist einiges passiert: die Einrichtung des gemeinsamen Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus, außerdem seit 1. September die zentrale Rechtsextremismus-Datei, und die Innenministerkonferenz hat im August Eckpunkte zur Neuausrichtung der Kompetenzverteilung zwischen den Landesverfassungsschutzämtern und dem BfV beschlossen. Es ist der Auftrag an die Fachgremien gegeben worden, das weiter zu untersetzen und bis zur Herbsttagung entsprechende Vorschläge zu formulieren.

Sie sehen, dass die zuständigen Stellen diese Vorschläge wirklich ernst nehmen. Aber ich möchte auch deutlich sagen, dass eine tiefgreifende Analyse und eine Neuausrichtung, wie sie am Ende im Bereich der Sicherheitsbehörden tatsächlich stattfinden muss, auch ihre Zeit braucht. Deshalb ist es notwendig, dass die Erkenntnisse, die in den unterschiedlichsten Gremien zutage gefördert werden, gewonnen werden, mit einfließen, in den Untersuchungsausschüssen, der Bund-Länder-Kommission.

Wir haben die Expertenkommission, die sich damit befasst. Selbstverständlich wird sie sich auch mit solchen Themen wie dem Thema Aktenführung befassen und Vorschläge unterbreiten. Außerdem ist Herr Schurig auch als Datenschutzbeauftragter an diesem Thema dran.

Ich finde es wirklich gut – das will ich vor dem Plenum sagen –, dass man sich mit dem Themenkomplex befasst. Denn einerseits kann es bezogen auf die Aktenführung selber Vorschläge machen, und wahrscheinlich wird es notwendig sein, auch einzelne rechtliche Regelungen klarer zu formulieren, um gegebenenfalls Missverständnisse auch im Sinne der Amtsführung in Zukunft ausschließen zu können.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage?

Ja bitte.

Bitte, Herr Lichdi.

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Können Sie mir sagen, ob es im Bereich der Staatsregierung und den ihr nachgeordneten Behörden eine allgemein verbindlich eingeführte Aktenordnung gibt, in der niedergelegt ist, wie Akten zu führen sind, beispielsweise dass sofort nach Eingang eines neuen Aktenstückes selbiges zu paginieren und später nicht zu verändern ist? Gibt es entsprechende Anweisungen in der sächsischen Verwaltung?

Selbstverständlich gibt es entsprechende Vorschriften, wie mit

Akten zu verfahren ist. Aber es gibt nicht für die Staatsregierung und alle Bereiche gleichartige Vorgaben. Vor diesem Hintergrund ist sicherlich auch der Bereich des Verfassungsschutzes ein besonderer Bereich. Deshalb habe ich gerade zu diesem besonderen Themenkomplex gesprochen, dass ich es für richtig und erforderlich halte, dass einerseits die Expertenkommission sich gerade mit dem Thema Aktenführung auseinandersetzt, weil das kein sächsisches Thema ist, sondern durchaus ein Thema im Rahmen des Verfassungsschutzverbundes und anderseits aus Perspektive des Datenschutzbeauftragten, weil dort die Notwendigkeit besteht, Veränderungen an der bestehenden Regelung vorzunehmen, um zukünftig gegebenenfalls missverständliche Formulierungen herauszubringen und damit für Verwaltung und Verwaltungshandeln Klarheit zu schaffen.

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich schließen und sagen, wir nehmen die Vorschläge ernst. Aber ich möchte auch deutlich sagen: Auf die Landesämter für Verfassungsschutz werden wir auch in Zukunft nicht verzichten können, gerade vor dem Hintergrund der Forderung, die hier aus diesem rechten Bereich kommt; denn Sie wissen, dass derzeit die Aktivitäten, die es in diesem Bereich gab, auch was die repressiven Maßnahmen anbetrifft, dazu geführt haben, dass gerade im Bereich des Rechtsextremismus bisher öffentlich zugängliche Foren und Ähnliches so nicht mehr erreichbar sind und man sich ganz bewusst in den Untergrund zurückzieht, geschlossene Foren, nicht mehr zugängliche Bereiche nutzt.

(Zurufe von der NPD)

Ich denke, das ist an dieser Stelle ein klares Zeichen dafür, dass wir in Zukunft auch zum Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung Verfassungsschutzbehörden brauchen, die solche Menschen und solche Aktivitäten beobachten und – das gehört für mich ganz klar dazu – die Öffentlichkeit sachgerecht darüber informieren, um die entsprechend notwendigen Aktivitäten entfalten zu können.

Herzlichen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Meine Damen und Herren! Bevor ich zur Abstimmung aufrufe, frage ich noch Frau Friedel, ob sie als Berichterstatterin das Wort wünscht. – Das kann ich nicht feststellen. Meine Damen und Herren, damit stimmen wir nun über die Beschlussempfehlung des Innenausschusses in der Drucksache 5/10164 ab. Wer zustimmen möchte, zeigt das bitte an. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Danke. Gibt es Stimmenthaltungen? – Danke. Bei Stimmenthaltungen, keinen Gegenstimmen ist dem Bericht zugestimmt worden.

Meine Damen und Herren, dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Erklärung zu Protokoll

Mit dem vorläufigen Abschlussbericht der PKK ist die Aufarbeitung des NSU in Sachsen nicht beendet. Damit wurde gerade erst – leider viel zu spät – begonnen. Sechs Monate nach Einsetzung des Ausschusses, zehn Monate nach dem Auffliegen des NSU werden wir, dank des ungeheuren Ermittlungseifers der schwarz-gelben Koalition, morgen im Untersuchungsausschuss zur ersten Zeugenvernehmung kommen.

Während in den Berliner und Thüringer Untersuchungsausschüssen fast täglich neue Erkenntnisse über abstruses Behördenversagen ans Licht gekommen, haben wir in Sachsen Monate dafür gebraucht, um festzustellen, dass Zwickau und Chemnitz doch keine Städte in Thüringen sind und ein Großteil der militanten Unterstützern des Terrortrios aus der gewaltbereiten rechtsextremistischen Hardcore Musikszene kommen, und die sämtlich seit über 15 Jahren von Person bekannt sind.

In welcher Weise sich diese Typen tatsächlich von der rechten Szene losgesagt haben, wie das LfV Sachsen notiert hat, kann man wohl bezweifeln, wenn man zum Beispiel Folgendes aktenkundiges Zitat liest wie: "Heil Hitler! Zyclon B ist the only way, wir kriegen sie alle und

dann werden wir durch ihre Kadaver marschieren. Auf die nächsten 6 Millionen und mehr. Sieg Heil!"

Mit konsequenter Langzeitobservierung wäre man schon vor mehr als zwölf Jahren unmittelbar auf drei von fünf Unterschlupfwohnungen des Terrortrios in Chemnitz gestoßen. Wir alle erinnern uns, welch zäher Kampf es war, den Untersuchungsausschuss letztlich einzusetzen. Dazu passt auch, dass der große sächsische Vorsitzende Wochen brauchte, um sich aus seinem Ministerpräsidentensessel zu erheben und sich in Zwickau blicken zu lassen.

Mit fadenscheinigen Argumenten sowohl durch die Staatsregierung als auch durch die CDU/FDP-Koalition wurde die selbstverständliche parlamentarische Kontrolle durch einen Untersuchungsausschuss von Anfang an blockiert. Das geschah unter anderem mit dem Argument, dass andere Gremien vorhanden wären, um fehlerhaftes Behördenhandeln zu analysieren – eben auch die PKK.

Für den nun vorliegenden vorläufigen Abschlussbericht möchte ich mich bei den Kollegen der PKK bedanken. Unsere Einschätzung, dass dieser vorläufige Bericht nur ein erster Schritt sein kann, schmälert die Verdienste der PKK-Mitglieder nicht. Im Gegenteil: Die erste Einschät

zung, die hier abgegeben wurde, ist angesichts der begrenzten Informationen des Gremiums umso mehr wert.

Man merkt dem kritischen Bericht an, dass nicht nur die Mitglieder der Opposition, sondern zumindest auch den Vorsitzenden der PKK, ein ehrliches Aufklärungsinteresse antreibt. Danke, Herr Prof. Schneider, dafür, dass Sie sich nicht haben vors Loch der Schönredner und Verharmloser schieben lassen – ganz anders als einige ihrer Fraktionskollegen.

Ich will zwei wesentliche Punkte aus dem Bericht aufgreifen, die zumindest zu einem Teil erklären, warum das Trio mehr als zehn Jahre lang unbehelligt morden konnte:

Erstens. Der Bericht stellt fest, dass das LfV Sachsen so gut wie keine eigenen Bemühungen unternommen hat, um den Verbleib der drei untergetauchten Jenaer Bombenbastler zu erkunden. Man ist tätig geworden – immer mal wieder. Aber fast immer hat es dazu einen äußeren Impuls gebraucht: ein Ersuchen aus Thüringen, eine Anfrage aus Brandenburg, eine Mitteilung des Bundesamtes.

Das, was wir in den letzten Monaten immer wieder von der Staatsregierung gehört haben – dass andere Bundesländer zuständig gewesen seien, dass Sachsen nicht die Ermittlungen geführt habe –, diese Haltung scheint das sächsische Landesamt in der Tat verinnerlicht zu haben: Wir sind nicht zuständig. Wir machen was, wenn man uns fragt. Aus eigenem Antrieb tun wir nichts. Informationen aus Thüringen Ja, aber die erhielten wir mündlich in einem Telefongespräch. Verschriftlichung von Telefongesprächen: unbekannt.