Abschließend möchte ich mich, wie meine Vorredner, bei den Mitarbeitern des Referates bedanken, die die Abgeordneten kompetent und geduldig unterstützen und ihnen jederzeit mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Meine Damen und Herren! Die Staatsregierung hat nicht das Wort gewünscht. Ich schlage Ihnen vor, diese Unterrichtung zustimmend zur Kenntnis zu nehmen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Unterrichtung des Petitionsausschusses zustimmend zur Kenntnis genommen worden und der Tagesordnungspunkt ist beendet.
Es liegt keine Empfehlung für eine allgemeine Aussprache vor. Daher spricht nur der Einreicher. Ich bitte Herrn Staatsminister Ulbig – – Nein, das ist BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Entschuldigung. Das habe ich überlesen.
Möge der Tag kommen, an dem eine sächsische Regierung solch einen Entwurf einreicht, und zwar bald; denn Sachsen braucht eine echte Polizeireform.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir als GRÜNE-Fraktion wollen, dass die Polizei transparent sowie auf Wahrung der Grundrechte und auf Deeskalation ausgerichtet arbeitet. Genügend und gut ausgebildetes Personal, moderne Entscheidungsstrukturen und bessere, attraktive Arbeitsbedingungen für Polizeibedienstete tun ebenfalls not, genügen allein jedoch nicht.
In ganz Deutschland wird von Bürger- und Menschenrechtsorganisationen kritisiert, dass die Polizei aufgrund ihrer hierarchischen Struktur und des vorhandenen Korpsgeistes nur schwer von außen kontrollierbar ist. Kontrolle von außen bedeutet ja: Eigentlich soll und muss das Parlament die Polizei kontrollieren. Sie kann es aber nur ungenügend tun – selbst dann, wenn es Untersuchungsausschüsse gibt. Wir haben ja gerade einen Untersuchungsausschuss auch zu Polizeithemen, aber ohne Untersuchungsausschüsse gilt dies umso mehr. Hierauf weisen Praktiker, Polizeiwissenschaftler, Bürgerrechtsorganisationen seit Jahr und Tag hin.
Wenn es zu Anzeigen während einer vermeintlichen Straftat gegen Polizeibedienstete im Amt kommt, muss auch die Polizei ermitteln, und sie ermittelt dann gegen sich selbst. Zu welchen Ergebnissen das in Sachsen führt, sehen Sie in der Antwort auf eine meiner Kleinen Anfragen, Drucksache 5/8910. In den vergangenen drei Jahren wurden bei uns in Sachsen insgesamt 640 Ermittlungsverfahren gegen Polizistinnen und Polizisten im Amt geführt. Hiervon wurden 591 nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt, weil die Staatsanwaltschaft keinen Grund zur Klageerhebung sah. Das sind 92 % aller Verfahren.
In nur circa 3 % der Fälle kam es zu einem Gerichtsverfahren. Zweimal – in 0,3 % der Verfahren – wurden Polizeibedienstete verurteilt. In Strafverfahren allgemein
kommt es nach bundesweiten Erhebungen, unter anderem vom Statistischen Bundesamt, in nur 26,5 % aller Fälle zu einer Einstellung nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung und in 11,5 % der Fälle zu einer Anklageerhebung. Diese Unterschiede sprechen für sich und müssen uns nachdenklich stimmen.
Durch eine weitere Kleine Anfrage von mir haben Parlament und sächsische Öffentlichkeit zudem erfahren, dass in der sächsischen Polizei noch nicht einmal das normal ist, was in anderen Ländern normal ist: Es gibt nämlich bisher keine Innenrevision. Es soll eine eingerichtet werden, aber das ist uns ohne Begründung und ohne Datum mitgeteilt worden. Ich bin gespannt, wann es gelingt.
Um derartige Situationen zu verbessern, wird von Fachleuten und Menschenrechtsorganisationen, zum Beispiel dem Europäischen Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung und Strafe, und von Amnesty International immer wieder die Einrichtung unabhängiger Stellen gefordert. Wir haben uns als Fraktion länger mit den verschiedenen, dafür möglichen Formen und den praktischen Erfahrungen in der Bundesrepublik beschäftigt und schlagen Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Gesetzentwurf die Errichtung einer unabhängigen Polizeikommission vor. Sie soll vom Landtag legitimiert und ihm direkt zugeordnet werden, ähnlich wie der Datenschutzbeauftragte.
Die Polizeikommission besteht aus fünf vom Landtag mit zwei Dritteln gewählten Mitgliedern, die über besondere Sachkenntnisse – aus ihrer Bürgerrechtsarbeit, aus der Rechtspflege und aus der Polizei selbst – verfügen. Angesichts der notwendigen Arbeit und der Vielzahl der Fragestellungen halten wir das für eine geeignete, aber auch schlanke Struktur. Die Mitglieder der Polizeikommission haben umfassende Rechte auf Akteneinsicht, Befragungen von Beteiligten, Zutritt zu Behörden und Auskunft. Sie können Demonstrationen und Polizeieinsätze ohne Einschränkungen beobachten.
Die Polizeikommission, so wie wir sie vorschlagen, ist vor dem Erlass von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften zum Beispiel zum Einsatz von Spezialeinheiten oder zur Planung polizeilicher Großeinsätze einzubeziehen. Sie kann Beschwerden von Bürgern oder Polizeidiensten bearbeiten oder nach eigenem Ermessen tätig werden.
Die Kommission kontrolliert die gesamte Polizeitätigkeit. Das betrifft auch die Kontrolle von Vorgängen, in denen die Polizei rechtswidrig gehandelt hat, ohne bereits
Straftatbestände erfüllt zu haben. Hierbei denke ich zum Beispiel an die rechtswidrigen Funkzellenabfragen um den 19. Februar 2011. Zwar haben sich die verantwortlichen Minister Ulbig und Martens anscheinend davon distanziert und eine engere Fassung der Strafprozessordnung im Bundesrat vorgeschlagen; jedoch wurde gleichzeitig eine Handreichung für die Polizei erarbeitet, die die damalige Praxis der Funkzellenüberwachung unverändert bestätigt.
Mit solchen Fragen kann und muss sich eine Polizeikommission beschäftigen, denn nach unserem Gesetzentwurf kann sie über die Bewertung einzelner Vorgänge hinaus Empfehlungen und Hinweise zur Tätigkeit der Polizei geben. Innenminister und Parlament, auch Minderheiten des Parlamentes, können sie um Prüfungen und Empfehlungen bitten – im Vergleich zur Tätigkeit des Sächsischen Rechnungshofes. Die Kommission erstattet dem Parlament jährlich einen öffentlichen Bericht über ihre Arbeit, die Schwerpunkte und ihre Empfehlungen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Durch die Arbeit der Polizeikommission erwarten wir, dass bürgerrechtliches Denken in der Polizei entschieden vorangetrieben wird. Wir erwarten, dass Beschwerdesteller, Bürger, genauso einen Ansprechpartner haben wie solche Polizeibedienstete, die Fehlverhalten, Mängel im Apparat sehen und thematisieren wollen, es aber innerhalb der Hierarchie nicht können.
Wir erwarten, dass auch die Qualität der parlamentarischen Arbeit besser wird, denn die Polizeikommission kann Empfehlungen und Gutachten geben, um einerseits Fehlentwicklungen, rechtswidriges rechtsstaatliches
Verhalten abzustellen und andererseits die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen der Polizei zu verbessern und zu qualifizieren sowie für eine genügende Ausstattung und selbstverständlich für moderne Deeskalations- und Einsatzkonzepte zu sorgen.
Wir erwarten, dass dadurch die Qualität unserer parlamentarischen Arbeit, aber auch die der Polizeiarbeit verbessert und reformiert wird und dass es nach einer echten Polizeireform nicht mehr zu den vielen kritischen Anfragen und Diskussionen, die wir in den letzten Jahren hier im Landtag führen mussten und immer noch führen müssen, kommen muss.
Vor diesem Hintergrund wünsche ich unserem Gesetzentwurf eine offene, sachliche und fruchtbare Diskussion.
Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den soeben eingebrachten Entwurf an den Innenausschuss – federführend –, an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss sowie an den Haushalts- und Finanzausschuss zu überweisen. Wer dem Vorschlag der Überweisung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist die Überweisung beschlossen und der Tagesordnungspunkt ist beendet.
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Die einbringende Fraktion erhält das Wort. Herr Abg. Bartl, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Es ist unschwer zu erkennen, dass die Gesetzesmaterie, die meine Fraktion mit dem in 1. Lesung dem Landtag vorgelegten Entwurf für ein Gesetz zur Gewährleistung einer effektiven Untersuchung von Beschwerden gegen polizeiliche Maßnahmen im Freistaat Sachsen, Drucksache 5/10200, unterbreitet, weithin den gleichen Gegenstand, in gewisser Weise das gleiche Regelungsziel verfolgt wie der im vorherigen Tagesordnungspunkt von Frau Kollegin Jähnigen eingebrachte Entwurf der GRÜNE-Fraktion.
Frau Kollegin Jähnigen hat den Praxisbedarf anhand statistischer Erwägungen dargelegt, bezogen vor allem
auf den Freistaat Sachsen. Wir gehen in gewisser Weise mit dem Entwurf etwas prinzipieller vor, wenn man es so sagen darf. Es besteht die Forderung, in der Bundesrepublik Deutschland bzw. in ihren Ländern endlich eine unabhängige Beschwerdeinstanz im Bereich der Polizei einzurichten, nachdem eine solche bereits in
acht europäischen Ländern – darunter in Großbritannien, Irland, Österreich, Frankreich, Belgien, Portugal, Norwegen und in den Niederlanden – teils schon seit den Neunzigerjahren besteht. Diese Forderung, in der Bundesrepublik und in den Ländern nachzuziehen und hier Ähnliches zu installieren, ist seit Langem im Gespräch.
Einen ersten Versuch und Ansätze dazu gab es in der Bundesrepublik Deutschland bereits. Genannt sei die 1998 gebildete Hamburger Polizeikommission als Reaktion auf die 1988 bundesweit reflektierten Vorfälle von
Misshandlungen auf einer Hamburger Polizeiwache. Sie ist damals allerdings mit dem Regierungsantritt der CDU bzw. der damaligen Koalition und den entsprechenden Mehrheiten in der Bürgerschaft ersatzlos gestrichen worden. Das also kann nur wenige Praxiserkenntnisse vermitteln.
Das Land Sachsen-Anhalt hat im Jahr 2009 eine sogenannte Zentrale Beschwerdestelle der Polizei eingerichtet, die auch außerhalb der Vollzugspolizei, aber beim zuständigen Staatssekretär im Innenressort angesiedelt ist, also wieder bei der Staatsregierung ressortiert. Sie ist auch nicht zuständig für Beschwerden gegen Gewaltanwendung im Zuge polizeilicher Handlungen usw. Aus unserer Sicht ist dies zu eng gefasst und zu sehr an die Exekutive angelehnt.
Um es im Hauptbild zu beschreiben: Auch unter Aufnahme der entsprechenden Kritiken von Amnesty International – zum Beispiel Koordinationsgruppe 2905, Polizei und Menschenrechte – wollen wir, dass eine solche Stelle, wenn sie eingerichtet wird, nicht in den Ruf gerät, ein Papiertiger zu sein. Sie soll so angesiedelt und ausgestattet und mit bestandskräftigen Regelungen versehen sein, dass sie eine auf lange Zeit belastbare Arbeitsgrundlage für die Wahrung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger sowie der Polizistinnen und Polizisten, die sich an diese Stelle auch wenden können, darstellt.
Auch verschiedene NGO sowie der Menschenrechtskommissar beim Europarat haben diese Frage der Bildung entsprechender unabhängiger Kontrollstellen im Bereich der Polizeiarbeit angemahnt. Ich darf verweisen auf den im Jahr 2006 vom EU-Menschenrechtskommissar vorgelegten Bericht beim Ministerkomitee und der Parlamentarischen Versammlung über seinen Besuch in Deutschland im Oktober 2006.