Zuerst werden die Änderungsanträge beraten. Mir liegt ein Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/10389 vor. Ich bitte, diesen jetzt einzubringen. Bitte, Herr Dr. Külow.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da ich auf den vorliegenden Änderungsantrag in meiner Rede bereits eingegangen bin und wichtige Aspekte angesprochen habe, möchte ich an dieser Stelle noch einmal die aus unserer Sicht wichtigsten drei Hauptpunkte hervorheben.
Erstens. Durch die Präambel soll sprachlich klargestellt werden, dass jedwede Relativierung, Verharmlosung oder gar Nivellierung der Menschheitsverbrechen des Nationalsozialismus durch die Gleichsetzung mit dem nach 1945 begangenen Unrecht ausgeschlossen ist. Damit steht untrennbar im Zusammenhang, die Zweckbestimmung der Stiftung jenseits von zeitgeschichtlichen Schablonen zu konkretisieren und neu zu bestimmen. Das ist aus unserer Sicht bislang in der vorliegenden Fassung nicht in erforderlichem Maße gelungen. Wir schlagen daher eine alternative Formulierung sowohl für die Präambel als auch für den Stiftungszweck vor.
Zweitens. Die Zusammensetzung des Stiftungsrates wird neu geregelt, um durch mehr politische Unabhängigkeit eine staatsferne, zivilgesellschaftliche Gedenkkultur zu stärken. Von Sachverständigenseite, unter anderem vom viel zitierten Prof. Bernd Faulenbach, ist hinterfragt worden, ob wirklich drei Minister im Stiftungsrat vertreten sein müssen, zumal der Finanzminister als unsichtba
rer Gast immer noch als vierter Minister am Tisch sitzt. Es wird von uns daher vorgeschlagen, dass regierungsseitig nur noch das zuständige Ministerium für Wissenschaft und Kunst vertreten ist und diesem auch nicht a priori der Vorsitz eingeräumt wird. Wir möchten vielmehr, dass dieser aus der Mitte des Stiftungsrates gewählt wird. Auf die Bildung zweier selbstständiger Stiftungsbeiräte haben wir aufgrund des Kompromisses zwischen den Opferverbänden verzichtet. Wir halten ihn jedoch in der Sache nach wie vor für sinnvoll.
Drittens. Zwecks stärkerer demokratischer Legitimation der Satzung und ihrer fundamentalen Bedeutung für die Arbeit der Stiftung möchten wir ihre Verabschiedung durch den Stiftungsrat mit Zweidrittelmehrheit vorschlagen. Ich würde es begrüßen, wenn unser Änderungsantrag heute eine Mehrheit fände, und bitte um Ihre Zustimmung.
Herr Dr. Külow, Sie haben in Ihrer langen Rede sehr viel zur Konfliktgeschichte gesagt, Sie haben aber deutlich erkennen lassen, dass Sie sich mit diesem Einigungsprozess, der in den letzten zwei Jahren stattgefunden hat, praktisch nicht beschäftigt haben.
Dieser Änderungsantrag zeugt davon. Ich kann aufgrund der Kleinteiligkeit nicht auf alles eingehen. Deshalb auch nur zwei Punkte, die Sie in der Rede und jetzt noch einmal angesprochen haben.
Das ist zum einen die Zusammensetzung der Stiftungsgremien. Wir müssen erst einmal feststellen, dass eine Stiftung öffentlichen Rechts die Staatlichkeit in ihren Gremien haben muss. Das ist laut Stiftungsrecht so. Aber viel wichtiger für uns ist, dass sich in dem Konsultationsprozess die Verbände und Initiativen auf diese Zusammensetzung geeinigt und ihre stärkere Vertretung im Stiftungsrat als geeignete Lösung zur Relativierung der Staatlichkeit gesehen haben.
Wir sehen uns in diesen vier Fraktionen nicht als Fraktionen, die ihre eigenen Vorstellungen hier einbringen, sondern wir haben diesen Gesetzentwurf in einer treuhänderischen Form als Ergebnis der Konsultationsklausur umgesetzt. Das ist für uns wichtig und entscheidend.
Der zweite Punkt, den Sie angesprochen haben, ist Präambel und Stiftungszweck. Es ist der entscheidende und wahrscheinlich wichtigste Punkt für den Konsens, der in der Konsultationsklausur gefunden wurde. Es ist die Grundlage für dieses Gesetz. Wenn Sie an dieser Stelle mit einer Neuformulierung hineingehen wollen, dann brechen Sie diesen Konsens auf, und Sie gefährden das gesamte Ergebnis. Ich finde es an dieser Stelle schon
interessant bis bezeichnend, wie Sie das Wort Diktatur für die Zeit der DDR vermeiden. Das ist eine sehr singuläre Sicht, die nicht dieser Einigung dieser Verbände entspricht und auch nicht der historischen Wahrheit.
Ich möchte, weil Ihre Rede etwas kaschiert hat, noch einiges deutlich herausarbeiten. Diese Vereinbarung der Verbände und Initiativen ist von allen sogenannten Vorfünfundvierzigern mit einer Ausnahme getragen worden, das ist der Bundesverband der Opfer der Militärjustiz. Das ist die Grundlage für dieses Gesetz. Dieser Gesetzentwurf wird getragen nicht nur von den kleinen Verbänden und Vereinigungen, sondern auch vom Zentralrat der Juden, vom Dokumentations- und Kulturzentrum der Sinti und Roma und von der VVN-BdA. Das ist für uns eine Grundlage. Ich bitte Sie, versuchen Sie nicht, diese Grundlage aufzubrechen. Sie gefährden die erfolgreiche Beendigung eines schwierigen Prozesses.
Ich spreche gleich von hier aus. Da Herr Dr. Gerstenberg die wesentlichsten Gründe der Ablehnung des Antrages der LINKEN genannt hat, beschränke ich mich darauf, noch einmal zu betonen – das gilt auch für die SPD-Fraktion –, dass wir diesen Konsens anerkennen und diesen Konsens hier nicht durch fahrlässige Veränderungen am Gesetzentwurf aufmachen. Ich finde es sehr schade, dass es nicht gelungen ist, auch innerhalb der LINKEN, auch wenn der Prozess vielleicht nicht optimal gelaufen ist, dafür Verständnis herbeizuführen, dass es gelungen ist, gerade die VorfünfundvierzigerOpferverbände in diesen Prozess einzubeziehen und diesen Konsens herzustellen. Das, was Sie als Änderungsvorschlag vorlegen, gefährdet den Konsens und würde ihn somit an anderer Flanke wieder öffnen. Wir werden deshalb dem Änderungsantrag nicht zustimmen.
Möchte noch jemand zum Änderungsantrag sprechen? – Wenn das nicht der Fall ist, dann lasse ich jetzt über den Änderungsantrag in der Drucksache 5/10389 abstimmen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer Reihe von Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit großer Mehrheit abgelehnt worden.
Ich beginne mit der Überschrift. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und wenigen Stimmen dagegen ist der Überschrift mehrheitlich zugestimmt.
Ich rufe auf Artikel 1. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Auch hier gleiches Abstimmverhalten. Artikel 1 wurde mehrheitlich zugestimmt.
Ich rufe auf Artikel 2. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Auch hier: Bei Stimmenthaltungen und wenigen Stimmen dagegen wurde Artikel 2 mehrheitlich zugestimmt.
Ich rufe auf Artikel 3. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Auch hier wieder gleiches Abstimmungsverhalten. Artikel 3 wurde mit Mehrheit zugestimmt.
Wer dem Entwurf des Gesetzes zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei wenigen Gegenstimmen und einer Reihe von Stimmenthaltungen ist damit der Entwurf als Gesetz beschlossen.
Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Es beginnt die Fraktion GRÜNE, danach folgen CDU, DIE LINKE, SPD, FDP und NPD. Ich erteile nun Herrn Abg. Lichdi das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sachsen kann heute durch die Annahme unseres GRÜNENGesetzentwurfes Schrittmacher bei der Erhöhung des
Datenschutzniveaus von Meldedaten auch auf Bundesebene werden. Daher fordern wir Sie heute auf, diesem Ansinnen zuzustimmen.
Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP, könnten damit beweisen, dass Sie nicht nur auf der Bundesebene durch die Initiative des Staatsministers Ulbig und auf den beschränkten Einfluss Sachsens im Bundesrat verweisen können, sondern dass Sie auch auf Landesebene Ihre originären Gesetzgebungskompetenzen ernst nehmen, dass Sie diese Gesetzgebungskompetenzen ausschöpfen, um damit unmittelbar und schnellstens Verbesserungen des Datenschutzniveaus für Sachsen zu erreichen.
Datenübermittlungen zu Werbezwecken an Adressbuchverlage, Parteien und Religionsgemeinschaften sowie Melderegisterauskünfte über das Internet sollen nach unserem Vorschlag von der Einwilligung der Betroffenen abhängig gemacht werden. Nach aktueller Gesetzeslage erfolgt die Übermittlung nämlich auch ohne Kenntnis der Betroffenen und so lange, bis ein ausdrücklicher Widerspruch vorliegt. Wir halten dies für einen ausgemachten Skandal.
Mit Stand vom 30. Juni 2012 lagen immerhin 250 000 Widersprüche in ganz Sachsen vor – so die Antwort auf meine Kleine Anfrage Drucksache 5/9651. Daraus ist aber unseres Erachtens nicht der Rückschluss möglich, dass alle anderen Sachsen – also die restlichen ungefähr 90 % – mit dem Verkauf ihrer Meldedaten einverstanden wären.
Solange es noch kein bundeseinheitliches Meldegesetz gibt, gilt das Sächsische Meldegesetz fort und die Koalition und wir in diesem Hohen Hause sind nicht gehindert, weitergehende Schutzvorschriften zugunsten der sächsischen Bürgerinnen und Bürger zu verbessern.
Da die Gesetzgebungskompetenz im Innenausschuss in der letzten Woche infrage gestellt wurde – für uns durchaus überraschenderweise auch und gerade von der LINKEN –, erlaube ich mir hierzu noch ein paar Ausführungen.
Ausdrücklich möchte ich dabei würdigen, dass Sie, Herr Staatsminister Ulbig, im Innenausschuss unsere Rechtsauffassung ausdrücklich geteilt hatten. Die Übergangsvorschrift im Grundgesetz Artikel 125a Abs. 3 lautet: „Recht, das als Landesrecht erlassen worden ist, aber wegen Änderung des Artikels 73“ – das ist hier der Fall – „nicht mehr als Landesrecht erlassen werden könnte, gilt als Landesrecht fort. Es kann durch Bundesrecht ersetzt werden.“
Die Frage ist also, ob für das fortgeltende Landesrecht im Sinne dieser Vorschrift eine Anpassungs- und Änderungskompetenz der Länder verbleibt, solange Bundesrecht nicht in Kraft ist. Das mag unter Juristen möglicherweise nicht ganz unumstritten sein, aber nach unserer Auffassung gibt es diesen Weg. Allein Sie von der Koalition wollen diesen Weg nicht beschreiten, weil Ihnen der politische Wille fehlt.
Fortgeltung des Landesrechts im Sinne obengenannter Vorschrift bedeutet, dass die Gesamtheit des Landesrechts anwendbar ist, also auch die Norm über das Verfahren der Gesetzgebung bzw. der Gesetzesänderung.
Im Übrigen sehen wir angesichts des seit nunmehr sechs Jahren andauernden Gesetzgebungsverfahrens auf Bundesebene durchaus die Gefahr einer Versteinerung der Rechtslage, wenn es der Bund nicht endlich schafft, von seiner neuen Gesetzgebungskompetenz Gebrauch zu machen und das Gesetz in Kraft zu setzen. Eine Versteinerung der Rechtslage durch Ausschluss einer Änderungskompetenz ist aber nach unserer Auffassung nach Sinn und Zweck der grundgesetzlichen Übergangsvorschrift sicher nicht Absicht des ändernden Verfassungsgebers gewesen.
Aber Sie, Herr Ulbig, haben im Innenausschuss wieder das unrichtige Uraltargument aus der Schublade geholt, das wir – auch schon vor Ihrer Amtszeit – hinlänglich erörtert hatten, nämlich den Vorwurf, dass es den Ländern nicht möglich sei, weitergehende Schutzrechte zugunsten der Bürgerinnen und Bürger einzuführen.
Ich sage es noch einmal, damit es auch im Landtagsprotokoll steht. Vergleiche Medert/Süßmuth, Kommentar zum Melderecht, Teil I Bundesrecht, Vorbemerkung, vor Paragraphen 6 bis 10, Randzeichen 2: Das Erfordernis der Einwilligung des Betroffenen vor Datenübermittlung ist ein Mehr an Schutz der Betroffenen, daher möglich. – So ausdrücklich der führende Kommentar dazu. Ich würde mir einfach wünschen, dass das nicht länger bestritten wird – wider besseres Wissen, wie ich annehmen muss.