Ich sage es noch einmal, damit es auch im Landtagsprotokoll steht. Vergleiche Medert/Süßmuth, Kommentar zum Melderecht, Teil I Bundesrecht, Vorbemerkung, vor Paragraphen 6 bis 10, Randzeichen 2: Das Erfordernis der Einwilligung des Betroffenen vor Datenübermittlung ist ein Mehr an Schutz der Betroffenen, daher möglich. – So ausdrücklich der führende Kommentar dazu. Ich würde mir einfach wünschen, dass das nicht länger bestritten wird – wider besseres Wissen, wie ich annehmen muss.
Schließlich wird gegen unseren Gesetzentwurf eingewandt, er habe eine zu kurze Halbwertszeit, da mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes zu rechnen sei. Aber Sie, Herr Staatsminister Ulbig, haben in der vorletzten Innenausschusssitzung gesagt, Sie könnten nicht einschätzen, ob – –
Vielleicht können Sie ja heute etwas anderes sagen; damals haben Sie jedenfalls berichtet, dass Sie nicht sicher sind, ob es in diesem Jahr noch zu einer Verabschiedung im Bundestag kommt.
Aber das ist nicht das Hauptargument. Das Hauptargument ist, dass das Meldegesetz des Bundes ohnehin erst zum 01.01.2014 in Kraft treten soll, und damit kommen wir in den Wahlkampfbereich 2013 Bundestagswahl.
Denn, meine Damen und Herren, wenn wir heute nicht unseren Gesetzentwurf annehmen, dann heißt das, dass es beispielsweise solchen verfassungsfeindlichen Parteien wie der NPD durchaus möglich ist, sich über das Meldegesetz Adressdaten von Bürgerinnen und Bürgern kommen zu lassen; das lässt das geltende Meldegesetz zu. Wir als GRÜNE sind allerdings der Auffassung, dass wir in diesem Hohen Hause diese Möglichkeit verbindlich ausschließen sollten. Das ist für uns ein zentraler Punkt, warum wir heute dieses Landesgesetz noch beschließen sollten.
Der Hauptwiderstand gegen unser Gesetz kommt natürlich nicht so sehr aus Ihren Reihen von der CDU und der FDP; wir wissen ganz genau, wo der Widerstand herkommt: Er kommt natürlich aus den Kommunen. Die Kommunen möchten mit der Weitergabe der Meldedaten der Bürgerinnen und Bürger weiter Geld verdienen. Sie regen sich ja auch immer medienwirksam darüber auf, dass wir zu Recht von Datenhandel, von Datenverkauf sprechen, und bringen dieses alte, abgestandene Argument, es handele sich ja um Gebühren. Letztendlich ist es dem Bürger egal, unter welcher Prämisse seine Daten weitergegeben werden.
Immerhin müssen wir uns immer wieder vergegenwärtigen, wie die Einnahmen sind. Im Jahre 2011 haben die sächsischen Kommunen über eine Million Euro Einnahmen aus dem Verkauf der Meldedaten der Bürgerinnen und Bürger erzielt. Ich nenne die Zahlen der drei großen Städte: Dresden 316 000 Euro, Leipzig 462 000 Euro und Chemnitz 128 000 Euro. Auch wenn Sie, Herr Staatsminister Ulbig, im Vorwort meiner Kleinen Anfragen zu den Einnahmen der Kommunen, die regelmäßig aktualisiert werden, sich auf den Standpunkt stellen, dass es sich nicht um Verkauf, sondern um Gebühren handelt, lenken Sie damit eben vom eigentlichen Fakt ab. Der Fakt ist der: Das Melderecht, so wie es jetzt ist, greift in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger ein, greift in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Die Bürgerinnen und Bürger werden gezwungen, zu öffentlich-rechtlichen Zwecken ihre Daten abzugeben; aber es ist eben nicht legitim, diese öffentlich-rechtlich zwangsweise erhobenen Daten an Private zu privaten Zwecken weiterzuverhökern.
Meine Damen und Herren, ich denke, die Vorbehalte gegen unseren Gesetzentwurf, die dauernd vorgebracht werden, sind vorgeschoben; sie sind nicht haltbar. Letztendlich geht es darum: Sind Sie bereit, die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger über die Einnahmeninteressen der Kommunen zu stellen, oder sind Sie es nicht?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat erkannt, dass Sachsen nach der Föderalismusreform keine Kompetenzen mehr für das Melderecht hat.
Auf Bundesebene ist der Prozess der Gesetzgebung vorangeschritten. In absehbarer Zeit ist das neue Meldegesetz nunmehr zu erwarten. Das haben wir Ihnen im
Ausschuss bereits erklärt, und auch andere Fraktionen – Sie haben das heute eingeräumt – haben Sie darauf hingewiesen.
Aber Sie beharren auf der derzeit noch möglichen Änderung des Sächsischen Meldegesetzes kurz vor Toresschluss und konstruieren jetzt Fälle, bei denen man davon ausgehen kann, dass die Betreffenden bereits die Meldedaten möglicherweise – auf welchem Wege auch immer – erlangt haben.
Sinnvoll ist von daher der von Ihnen vorgeschlagene Weg nicht, zumal der Gesetzentwurf auch nicht mit dem derzeit fortgeltenden Melderechtsrahmengesetz des
Bundes vereinbar ist; dazu haben wir von Ihnen nichts gehört. Ich frage mich deshalb, welches politische Signal Sie mit einer Beschlussfassung über ein Gesetz aussenden wollen, das einerseits nur eine kurze Lebensdauer hätte und andererseits mit dem derzeitigen Bundesrecht nicht kompatibel wäre. Der Vermittlungsausschuss – mit dem Ziel der Fortentwicklung des Meldewesens – wird im November zur ersten Sitzung zusammentreten. Ich möchte an dieser Stelle auf die Debatte, die hierzu im Plenum vor der Sommerpause stattfand, hinweisen.
Der Bundesratsausschuss hat sich am 6. September 2012 einstimmig dem sächsischen Antrag angeschlossen, dass es bei dem ursprünglich in den Bundestag eingebrachten Gesetzentwurf zum Meldewesen bleibt. Die Erteilung von einfachen Melderegisterauskünften für Zwecke der Werbung oder des Adresshandels soll nur zulässig sein, wenn der betroffene Einwohner in die Übermittlung für jeweils diesen Zweck ausdrücklich eingewilligt hat. Ansonsten ist eine Verwendung der Daten zum Zwecke der Direktwerbung oder des Adresshandels unzulässig. Es gilt, der Entwicklung einer „Adresshandelsindustrie“ Einhalt zu gebieten. Das ist ganz klar unsere Position.
Bei aller Kritik an dem derzeitigen Verfahren darf man nicht den Blick davor verschließen, dass es durchaus berechtigte Ansprüche auf Informationen gibt, etwa zur Beitreibung von Forderungen bei Schuldnern oder bei der DRK-Blutspendedatei. In den angesprochenen Fällen muss es einfach möglich sein, Informationen aus dem Register weiterzugeben.
Staatsminister Ulbig hat im Innenausschuss ausdrücklich auf diese Sachzusammenhänge hingewiesen. Daher gilt es auch bei dem künftigen Meldegesetz des Bundes durchaus zu unterscheiden und unterschiedliche Verfahren ins Auge zu fassen. Selbst wenn der Bundesentwurf aus der Sicht der GRÜNEN nicht weitgehend genug ist, ändert das nichts an der mangelnden Gesetzgebungskompetenz, wenn der Bundesgesetzgeber erst einmal das Bundesmeldegesetz verabschiedet hat.
Ich teile die Auffassung unseres Sächsischen Datenschutzbeauftragten Andreas Schurig durchaus, dass auch nach Verabschiedung des Gesetzes auf Bundesebene die Datenschutzbeauftragten ihre Arbeit mit dem Gesetz
haben werden. Er hat uns bereits auf das „Relikt“ der Hotelmeldescheine hingewiesen. Vielleicht gibt es aber schon an dieser Stelle auf Bundesebene Bewegung; das ist jedenfalls nicht auszuschließen. Ich teile auch seine Auffassung, dass uns dieses Thema im Zusammenhang mit der neuen EU-Verordnung zum Datenschutz beschäftigen wird.
Ich empfehle uns daher, zunächst die Ergebnisse der Arbeit des Vermittlungsausschusses auf Bundesebene abzuwarten. Wir werden den Gesetzentwurf der GRÜNEN ablehnen. Daher sehen wir auch keine Notwendigkeit, dem Änderungsantrag der genannten Fraktion, die die Einbringung begehrt hat, zu folgen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Selbst Herr Bandmann lernt. Er hat gerade begrüßt, dass die Daten der Bürgerinnen und Bürger nicht an Adresshändler ausgeteilt werden sollen. Ich erinnere allerdings daran, dass noch im Jahr 2008 – ich glaube, im Zusammenhang mit der Sächsischen Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung – im Gesetzestext als Begründung stand, dass man durch die Internetauskunft den Adresshändlern das Geschäft leichter machen wolle. Die Staatsregierung hat auch die Gebühren herabgesetzt, um das zu fördern. Also, Herr Bandmann: Ich kann das, was Sie dazu gesagt haben, nicht ernst nehmen.
Wir haben es oft genug im Ausschuss thematisiert, aber Sie bringen wieder die alte Leier, dass dann Rechtsanwälte die Adressen nicht erfahren könnten. Das ist Blödsinn! Rechtsanwälte sind in dieser Frage öffentlichen Stellen gleichgestellt. Es geht hier allein um die Weitergabe an Private und allein zu privaten Zwecken; die Rechtsanwälte gehören nicht dazu.
Zum Bundesentwurf: Ich hatte schon darauf gewartet, dass Sie wieder die Initiative von Herrn Ulbig loben. Ich sage: Ja, sie ist lobenswert, allein, sie geht nicht weit genug. Sie können sich auf diesen schmalen, welken Lorbeeren nicht ausruhen. Deswegen müssen Sie unserem Gesetzentwurf zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bandmann, die politische Botschaft fasse ich Ihnen gern zusammen: Es geht
um eine grundrechtsfreundliche Neuregelung des Meldegesetzes. Dafür setzt sich auch meine Fraktion ein. Es ist mehr als angebracht, das Thema sowohl handelnd als auch in der Diskussion aufzugreifen.
Die Neuregelung des Meldegesetzes erzeugte im Juli einen massiven – aus meiner Sicht: berechtigten – Aufschrei in der Öffentlichkeit, nachdem die Abstimmung im Bundestag ohne Aussprache und in unter einer Minute erfolgt war, von der Anwesenheit im Saal ganz zu schweigen. Dieser Vorgang wurde von der Netzgemeinde transparent gemacht und wirkungsvoll in Szene gesetzt, sodass der Protest von vielen Bürgerinnen und Bürgern aufgegriffen wurde. Man muss allerdings anmerken, dass es wahrscheinlich viel zu oft gelebte parlamentarische Praxis ist, dass Gesetze so verabschiedet werden.
Die im Bundestag beschlossene Neuregelung ist skandalös. Sich dazu grundlegend anders zu positionieren ist die Botschaft dieses Gesetzentwurfs und ist auch unser Anliegen. Die Regelung, die wir jetzt zurückholen müssen, besteht darin, dass der Weitergabe der Meldedaten ausdrücklich widersprochen werden muss. Aber sogar diese Einschränkung ist nicht wirkungsvoll, wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden. Das ist eine dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung absolut entgegenstehende Lösung. Deswegen mussten politische Institutionen – in dem Fall: über den Bundesrat bzw. den Vermittlungsausschuss – aktiv werden. Es hat zwar ein Einlenken eingesetzt; aber wir können das Ergebnis noch nicht absehen. In dem Zusammenhang ist auch die Debatte zu sehen. Wir müssen schauen, wo wir in dieser Debatte stehen.
Wir setzen uns für eine Revision des Meldegesetzes ein, sowohl parlamentarisch als auch außerparlamentarisch, wie in den vergangenen Wochen geschehen. Wir wollen eine grundrechtsfreundliche Regelung, die das Recht auf informationelle Selbstbestimmung umsetzt. Das heißt, wir stehen für eine Zustimmungsregelung, nicht für eine Widerspruchsregelung.
Wir reden jetzt aber über den Gesetzentwurf der GRÜNEN. Dieser ist schon vor längerer Zeit, Anfang 2010, eingebracht worden und steht hier sozusagen im letzten Zeitfenster vor einer gültigen gesetzlichen Regelung auf Bundesebene zur Behandlung an. Das heißt, wir können hier über diesen Entwurf beraten; die Möglichkeit dazu ist noch gegeben, auch wenn die Zeit seiner potenziellen Wirksamkeit absehbar begrenzt ist. Sollte aber – hypothetisch gesprochen – die Vermittlung scheitern, könnte er gültiges Landesrecht bleiben, und der Freistaat Sachsen könnte, wie Herr Kollege Lichdi es so charmant ausgedrückt hat, Schrittmacher für eine andere Regelung werden. Das wäre möglich, bevor die bundesgesetzliche Regelung konkurrierend wirksam wird, weil dann die Gesetzgebungskompetenz entfallen könnte.
Das Vermittlungsverfahren ist der eigentliche Prozess, der gerade abläuft. Was passiert da? Der Freistaat ist aktiv geworden. Wir machen auch außerhalb des Ausschusses
transparent, was wir darüber schon wissen. Sie von der Koalition meinen, Sie setzten sich für eine bürgerfreundliche Lösung ein. Der Abg. Bandmann hat aus dem Antrag des Bundesrates zur Anrufung des Vermittlungsausschusses zitiert.
Aus meiner Sicht ist das aber sehr wohlfeile, günstige, leicht zu habende Rhetorik, wenn man sich die Substanz des Vorschlags anschaut, wie er in den Fachausschüssen des Bundesrates wirklich diskutiert wird. Die im Vermittlungsausschuss beantragte Lösung läuft am Ende darauf hinaus, dass Unternehmen und Verbände die Daten erst einmal bekommen und dann von ihnen die Zustimmung der Beteiligten eingeholt werden muss, eventuell unter Rückmeldung an die Meldebehörden. Zitat: „… die Auskunft verlangende Person oder Stelle erklärt, die Daten nicht zu verwenden für Zwecke
es sei denn, sie versichert, dass die betroffene Person ihr gegenüber in die Ermittlung für jeweils diesen Zweck eingewilligt hat. Auf Verlangen sind der Meldebehörde entsprechende Nachweise vorzulegen.“
Auf Verlangen sind der Meldebehörde entsprechende Nachweise vorzulegen – das diskutieren die Fachausschüsse im Bundesrat. Das ist weit entfernt von der bürgerfreundlichen Lösung, die Sie im Allgemeinen beschreiben. Man könnte sagen, es ist ein richtiger Schildbürgerstreich, aber leider ist es ein in nahezu grotesker Ernsthaftigkeit vorgetragener Vorschlag.