Auf Verlangen sind der Meldebehörde entsprechende Nachweise vorzulegen – das diskutieren die Fachausschüsse im Bundesrat. Das ist weit entfernt von der bürgerfreundlichen Lösung, die Sie im Allgemeinen beschreiben. Man könnte sagen, es ist ein richtiger Schildbürgerstreich, aber leider ist es ein in nahezu grotesker Ernsthaftigkeit vorgetragener Vorschlag.
Die Kritik lässt natürlich nicht auf sich warten. So sagt der Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, „dass dieses Entgegenkommen gegenüber der Adress- und Inkassowirtschaft zur Folge hätte, dass auf die Melde- und Datenschutzbehörden ein erhöhter Prüfaufwand zukäme“. Das bedeutet im Prinzip eine Erschwerung des Verfahrens. Sönke Hilbrans von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz schätzt das so ein: „Unternehmen zu erlauben, die Einwilligung für die Meldedatenabfrage bei den Betroffenen einzuholen, würde den Datenschutz bei den Meldeämtern ins Chaos stürzen. Die Meldeämter wären nicht in der Lage, die Rechtmäßigkeit der Einwilligungserklärung wirksam zu überprüfen.“ Das heißt, diese Systemumstellung ist sowohl hanebüchen als auch wahrscheinlich systematisch nicht leistbar. Die im Vermittlungsausschuss eingeschlagene Richtung entspricht auch dem Begehr des öffentlichen Einspruchs nicht. Man hat sich auf eine oberflächliche Lösung des allgemeinen Aufregers beschränkt.
Noch ist Zeit nachzusteuern. Die Verhandlungen laufen. Das richtet sich speziell auch an die Staatsregierung, sich für eine konsequent grundrechtsfreundliche Lösung einzusetzen, die nicht dazu führt, dass die Daten am Ende doch bei den Händlern landen. Daten sind zur lukrativen Ware geworden – es ist deswegen wichtig, von Verkauf zu sprechen und nicht von einer Gebührenerhebung – und zu einem sensiblen Schutzgut. Deshalb muss die bundesge
Wir stimmen dem Gesetzentwurf im Interesse einer generell grundrechtsfreundlichen Lösung zu, auch wenn wir die Halbwertszeit als begrenzt und die Wirksamkeit vielleicht als gefährdet ansehen, aber die Einmischung in die Diskussion auf Bundesebene und im Vermittlungsausschuss kommt genau zur richtigen Zeit. Auch deswegen hat der Gesetzentwurf unsere Unterstützung.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Lichdi hat die inhaltlich erforderlichen Ausführungen zum Gesetzentwurf gemacht. Da sind wir ganz bei Ihnen. Was Sie in Ihrem Gesetzentwurf regeln, halten wir für inhaltlich sinnvoll. Es wurde das Kernstück Einigungslösung genannt.
Was uns dennoch skeptisch gegenüber dem Gesetzentwurf werden lässt, ist die Tatsache, dass wir innerhalb der nächsten sechs bis zwölf Monate ein Bundesgesetz zu erwarten haben und dass das sächsische Gesetz, welches Sie zu beschließen begehren, hinfällig wäre. Wir halten es für nicht sinnvoll, im Wissen darum, dass es in kurzer Zeit ein Bundesgesetz gibt, jetzt ein solches Gesetz auf sächsischer Ebene zu verabschieden mit all dem, was dazugehört. Nur weil wir es beschlossen haben, ist es ja noch nicht Wirklichkeit, sondern wir haben dann den Prozess, dass im Freistaat Sachsen alle Meldebehörden das neue Gesetz anwenden müssen, dass es eingeführt werden muss, dass die Mitarbeiter geschult werden müssen. Das alles erscheint uns kein sinnvolles Vorgehen, wenn die Bundesebene selbst bald den Gesetzentwurf beschließen wird.
Ihre Partei genauso wie meine hat sich auf Bundesebene für bessere Regelungen eingesetzt. Wir werden das auch weiter tun. Sollte wider Erwarten bis zur Bundestagswahl 2013 kein Gesetz verabschiedet werden, dann sollten wir die Möglichkeit nutzen, gegebenenfalls mit neuen Mehrheiten zu einer weiteren Verbesserung im Bereich des Datenschutzes beizutragen.
Wir werden uns deshalb heute bei dem Gesetzentwurf der Stimme enthalten. Inhaltlich stehen wir dazu. Aber verfahrenstechnisch halten wir es für nicht sinnvoll.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gut gemeint ist manchmal das Gegenteil von gut. So könnte man das Anliegen der GRÜNEN in dem vorliegenden Gesetzentwurf zusammenfassen. Die Frak
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN meint es gut, wenn sie vorschlägt, das Sächsische Meldegesetz zu ändern. Das Widerrufsrecht des Betroffenen bei der Weitergabe von Meldedaten an Private, Religionsgemeinschaften oder vor Wahlen an politische Vereinigungen soll an eine ausdrückliche Einwilligung im Vorfeld geknüpft werden. Die Fraktion DIE LINKE hat in den Ausschussberatungen einen Änderungsantrag zum Gesetzentwurf gestellt und heute erneut vorgelegt. Zusätzlich zu den Vorschlägen der GRÜNEN wird ein Stopp der Weitergabe von Daten durch Meldebehörden an den MDR oder die GEZ ins Spiel gebracht. Auch die erweiterte Melderegister- und Gruppenauskunft an Private soll nicht mehr möglich sein.
Was den MDR und die GEZ anbelangt, so würde dieser Vorschlag lediglich dazu führen, dass umfangreiche Datenbestände bei einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft neu aufgebaut werden und durch Private aktualisiert werden müssten. Diesem Vorschlag können wir uns nicht anschließen.
Was den Vorschlag der GRÜNEN insgesamt betrifft, so ist es nun wahrlich kein Geheimnis, dass sie mit dem Vorschlag zur Stärkung des Datenschutzes für den Bürger bei meiner Fraktion offene Türen einrennen. Seit jeher setzen wir uns als Partei der Bürgerrechte – und ich als datenschutzpolitischer Sprecher – für das größtmögliche Schutzniveau in diesem Bereich ein. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist für uns ein hohes Gut und darf weder wirtschaftlichen Interessen noch den Interessen der Strafverfolgungsbehörden zum Opfer fallen.
Herr Kollege, können Sie mir in Erinnerung rufen, wie sich die FDP bei der Bundestagsabstimmung im Juli zur Widerspruchslösung gestellt hat, also der datenschutzunfreundlichen Variante? Haben Sie dagegen gestimmt?
Ich spreche hier für die FDP in Sachsen. Wir haben uns sehr frühzeitig, als das bekannt wurde, dagegen ausgesprochen.
Ich habe gar kein Problem damit, eine falsche Abstimmung, die von meiner Fraktion im Bundestag mitgetragen wurde, auch als falsch zu bezeichnen und eine Korrektur zu fordern.
Was den Gesetzentwurf der GRÜNEN betrifft, so muss man sagen: Sie kommen damit leider zu spät. Wir haben schon oft darüber diskutiert, dass die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit für das Melderecht auf den Bund übergegangen ist, und das schon im Jahr 2006. Im
Bundesrat wird diskutiert und ich kann mich nur Ihnen, Frau Friedel, anschließen, wie sinnvoll es ist, für diese kurze Übergangszeit ein eigenes Gesetz zu machen, hier die Verfahren und Prozesse bei den Meldeämtern umzustellen, die EDV neu zu programmieren – und das alles, obwohl man weiß, man braucht das Gesetz demnächst nicht mehr.
Ich hätte mir gewünscht, dass man im Bundestag mit dem Datenschutz sensibler und sorgfältiger umgegangen wäre. Unter Beteiligung des Freistaates Sachsen hat man sich jetzt dazu entschieden, das im Bundesrat über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zu korrigieren. Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Staatsregierung mitgemacht hat. Unsere Fraktion hat sehr schnell reagiert und eine solche Korrektur des gemachten Fehlers gefordert. Die Staatsregierung hat es mitgetragen und dafür bin ich ihr sehr dankbar.
Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Fortentwicklung des Meldewesens sah in § 44 Abs. 3 eine ausdrückliche Einwilligung des Betroffenen für den Datenhandel vor. Genau dieses Ziel verfolgt der Freistaat Sachsen bei den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss weiter. Wir sind auf Bundesebene bereits auf gutem Wege, und deshalb ist es müßig, sich Gedanken über eine entsprechende Änderung des Sächsischen Meldegesetzes zu machen. Für müßig halte ich im Übrigen auch die Diskussion, ob der Sächsische Landtag das betreffende Gesetz noch ändern darf. Artikel 125a Abs. 3 des Grundgesetzes sollte für uns maßgeblich sein.
Vielmehr geht es mir darum, auf Bundesebene all unseren Einfluss fraktionsübergreifend geltend zu machen, um ein größtmögliches Niveau für den Datenschutz im Meldebereich zu erreichen. Mit Gesetzesänderungen auf Landesebene in letzter Minute sorgen wir nur für hohen Aufwand bei den Rechtsanwendern und erhöhen die Verwirrung über die Rechtslage zusätzlich. Einen Erfolg für den Datenschutz erreichen wir dadurch nicht. Ich hätte mir von den Einreichern, der GRÜNEN-Fraktion, gewünscht, dass sie im Interesse des Datenschutzes vorgehen würden und ihr eigenes Interesse an der Darstellung ihrer Position eines alten Gesetzentwurfes hätten zurückstehen lassen. Dieser Gesetzentwurf gehört jetzt nicht mehr in die Beratung. Es ist eine Bundesangelegenheit. Ich hoffe, dass wir dort eine gute Lösung im Interesse des Datenschutzes finden werden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch wenn der Skandal der sommerlichen Abstimmung des Bundestages über das neue Meldegesetz im Schutz der Fußball-EM inzwischen wieder geräuschlos korrigiert worden ist, bleibt die Ungewissheit über die Auslegung der Weitergabe der
persönlichen Daten an Dritte bestehen. Der jetzt zur Debatte stehende Gesetzentwurf ist zwar schon älter, aber keineswegs überholt, ganz im Gegenteil. Als NPDFraktion werden wir dem auch zustimmen. Wir haben in diesem Haus erst vor wenigen Wochen die Berichte des Datenschutzbeauftragten debattiert und wissen, welche aktuellen und potenziell perspektivischen Möglichkeiten des Missbrauchs von persönlichen Daten, nicht nur bei rein kommerziellen Interessen denkbar sind.
Denken wir dabei nur an die GEZ und deren massive Datenerhebung. Das Anliegen – die Zustimmung des jeweils Betroffenen vor der Weitergabe der Daten an Dritte ausdrücklich einzuholen – ist daher geradezu unverzichtbar, obgleich es aus Sicht der NPD-Fraktion eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Das Gleiche gilt für die umfassende Informationspflicht des Betroffenen bei Weitergabe von Daten und auch eine Aufklärung über die Bedeutung der Weitergabe von Daten an Dritte.
Wir wissen, dass die Gesetzgebungskompetenz für das Meldewesen demnächst weitgehend vollständig bei der Bundesebene liegen wird. Dennoch: Umso wichtiger wäre es jetzt, da in der Übergangsphase noch der Landesgesetzgeber kompetent ist, schnellstmöglich dieses Gesetz zu verabschieden, damit die dort im Vergleich zu der momentan im Vermittlungsausschuss vorhandenen Variante deutlich sichereren Regelungen implementiert werden könnten und dann auch einen gewissen Bestandsschutz genießen würden.
Als NPD-Fraktion werden wir, wie gesagt, dem Gesetzentwurf der GRÜNEN zustimmen, ebenso auch dem Änderungsantrag, besser Ergänzungsantrag, den die LINKE-Fraktion noch eingereicht hat.
Gibt es weiteren Redebedarf seitens der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Wünscht die Staatsregierung das Wort? – Herr Staatsminister Ulbig, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es ist aus der Diskussion deutlich geworden, dass wir uns nicht zum ersten Mal über diese Themen unterhalten, und der vorliegende Entwurf entspricht auch im Wesentlichen dem des Jahres 2009. Deshalb möchte ich nur ein paar Aspekte aufgreifen, die in der Debatte vorgetragen worden sind, um noch einmal die Position der Staatsregierung zu erläutern.
Ja, wir befinden uns derzeit im Vermittlungsverfahren. Die erste Sitzung des Vermittlungsausschusses soll schon in der 47. Kalenderwoche erfolgen, und ein neues sächsisches Meldegesetz würde dann schon vor Weihnachten obsolet sein, weil Bundestag und Bundesrat zumindest in der 50. Kalenderwoche beschließen könnten.
Weshalb ich mich immer im Konjunktiv bewegt habe, Herr Lichdi, hängt einfach damit zusammen, dass ich
zwar die Daten, die mir bekannt sind, in den Gremien genannt habe, dass es aber selbstverständlich dem Gesetzgeber vorbehalten bleibt, ob er tatsächlich zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung trifft. Deswegen hat es eher informativen Charakter, als dass ich das als sächsischer Staatsminister endgültig bestimmen könnte.
Auch dass der Entwurf des Bundesmeldegesetzes zu Recht kritisiert worden ist, haben wir schon mehrfach miteinander besprochen, und deshalb hat sich die Staatsregierung im Bundesrat für entsprechende Änderungen eingesetzt. Dem sind alle Bundesländer gefolgt, und zwar mit Erfolg: Der jetzige Entwurf orientiert sich im Wesentlichen am bisherigen Regierungsentwurf. Das bedeutet, noch einmal ausgesprochen, die Einwilligungs- statt der Widerspruchslösung bei einfachen Melderegisterauskünften für Zwecke des Adresshandels und der Direktwerbung. Zusätzlich sollen die Regeln für die Zweckbindung der Daten restriktiver gefasst werden, und Bußgeldtatbestände sollen verhindern, dass die Daten missbräuchlich verwendet werden.