Protokoll der Sitzung vom 17.10.2012

Dann würde ich jetzt über den Änderungsantrag mit der Drucksache 5/10387 zu Drucksache 5/10301 abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Vielen Dank. Die Stimmenthaltungen? – Bei drei Stimmenthaltungen und zahlreichen Dafür-Stimmen ist der Änderungsantrag mit der Drucksachennummer 5/10387 mehrheitlich nicht angenommen.

Wir kommen zum nächsten Änderungsantrag mit der Drucksachennummer 5/10388 von der Fraktion der SPD. Herr Mann, Sie möchten ihn gern nochmals einbringen. Sie hatten es zwar schon gemacht, aber dazu haben Sie natürlich Gelegenheit.

Sehr geehrter Herr Präsident! Das hatte ich im Unterschied zu Herrn Gerstenberg nicht; ich hatte auch angekündigt, dass ich das noch machen würde.

Wenn Frau Fiedler ihr Schlusswort dazu nutzt, Stellung zu unseren Änderungsanträgen zu nehmen, will ich zunächst auch noch einmal zu dem Stellung nehmen, was sie gesagt hat.

Wenn Sie in Ihrem eigenen Antrag im Punkt 3 einen inhaltlichen Punkt formulieren mit der Frage Schließung der Regelungslücke und selbst eingestehen – wie die Ministerin noch einmal bestätigt hat –, dass das ein Punkt ist, den man nur gemeinsam mit Bund und den anderen Ländern lösen kann, dann ist mir das Argument, wir beschränken uns hier auf das, was wir in Sachsen machen können, nicht ganz einsichtig. Genau deswegen stellen wir Ihnen auch noch einmal ein paar andere Vorschläge anheim, die in den Punkten, wie wir sie formuliert haben, nicht nur einsichtig und sinnvoll sind, sondern vielleicht auch noch Projekte formulieren, die die Sächsische Staatsregierung mitnimmt.

Das Erste ist: Sie wollen einen Prüfauftrag auslösen noch einmal zum Online-Verfahren. Wir sagen, es wäre sicherlich sinnvoll, darin nicht nur die Untersuchungsergebnisse des Normenkontrollrates zu nutzen, sondern auch den gerade aktuell vorgelegten Zwischenbericht für diesen Prüfauftrag. Dem können Sie sich sicherlich nicht verweigern. Fünf Seiten sind auch nicht so viel, als dass das über Gebühr Text wäre für die Staatsregierung. Das schafft sie, da bin ich mir sicher.

Im zweiten Punkt weisen wir darauf hin, und da sollten wir uns sicherlich einig sein: Wenn Freibeträge nicht an gestiegene Sozialversicherungsbeiträge angepasst werden, dann ist das zum Nachteil der BAföG-Empfänger. Jedem müsste einsichtig sein, dass bei der Berechnung der BAföG-Beträge die aktuellen Beitragssätze angesetzt werden und eben auch die Freistellung von privater, steuerlich geförderter Altersvorsorge mit angerechnet wird. Das ist derzeit nicht der Fall und deswegen sagen wir, auch das soll berücksichtigt werden. Das sind eher Verfahrensfragen.

Die Bologna-Tauglichkeit hatte Kollege Gerstenberg von den GRÜNEN schon angesprochen; hier noch einmal ein ganz konkretes Beispiel: Das Gesetz fordert von den BAföG-Antragstellern immer noch, dass sie nach dem vierten Semester einen sogenannten rosa Schein vorlegen, der ihren Studienfortschritt bescheinigt – ein riesiger bürokratischer Aufwand. Zu diesem Zeitpunkt haben sie meist noch nicht die letzten Prüfungsergebnisse. Das kommt noch aus der Studienorganisation von Grund- und Hauptstudium.

Wir sagen, nutzt doch an dieser Stelle ganz klar das ECTS-Leistungssystem. Diese Leistungsnachweise sind einfach abzurufen und entsprechen eher der heutigen Studienrealität im Bachelor- und Mastersystem.

Der dritte Punkt ist die Anhebung der Altersgrenzen für das Erststudium auf 35, für ein Masterstudium auf 40 Jahre. Das sollte Ihnen sicherlich auch eingängig und verständlich sein. Und natürlich – hier in Sachsen nicht so natürlich oder selbstverständlich – halten wir auch die Gleichbehandlung von Ehegatten mit Partnern in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft beim BAföG für Selbstverständlichkeiten und Punkte, die man sicherlich auch bei den Ländern anbringen und beim Bund nach vorn bringen kann.

Deswegen bitten wir um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag und eine Verbesserung beim BAföG.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich frage die Abgeordneten: Gibt es noch Wortmeldungen? – Frau Fiedler, bitte.

Herr Mann, es gilt das Gleiche, was ich zu dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gesagt habe: Es geht sicher darum, das BAföG-Verfahren weiterzuentwickeln; das passiert auch. Aber hier so zwischendurch auf die Schnelle zu beschließen, dass wir das Ganze zum Beispiel von 35 auf 40 Jahre hochsetzen, ohne zu wissen, welche Auswirkungen es hat und warum man es beispielsweise nicht auf 42 oder 43 Jahre setzt; ohne dass diese inhaltliche Diskussion dazu stattgefunden hat, ist kein seriöses Arbeiten.

Deshalb werden wir Ihren Antrag an der Stelle auch ablehnen – nicht ohne zu erwähnen, dass wir uns für eine

Weiterentwicklung des BAföG-Verfahrens in die Diskussion weiterhin einbringen werden.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Holger Mann, SPD)

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen kann ich nicht erkennen.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag der SPD-Fraktion, Drucksache 5/10388 zu Drucksache 5/10301. Wer diesem Änderungsantrag der SPD-Fraktion seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? –

Danke. Stimmenthaltungen? – Bei keinen Stimmenthaltungen und zahlreichen Dafür-Stimmen ist der Änderungsantrag Drucksache 5/10388 mehrheitlich nicht

angenommen worden.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung über die Drucksache 5/10301 und ich bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Bei einigen Stimmenthaltungen und keinen Gegenstimmen ist die Drucksache 5/10301 mehrheitlich beschlossen und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 9

Einheitliche Anrechnung von drei Jahren

Kindererziehungszeit auf die gesetzliche Rente

Drucksache 5/8749, Antrag der Fraktion DIE LINKE

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: DIE LINKE, CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile für die Einreicherin Frau Werner das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Fraktion DIE LINKE hat das Ziel, bestehende Ungleichheiten bei der Anerkennung von Kindererziehungszeiten auf Rentenansprüche zu begleichen für Eltern, deren Kinder vor 1992 geboren wurden.

Uns ist natürlich klar, dass das nur Teil einer großen Rentenreform sein kann, die bestehende und drohende Altersarmut verhindern muss. Wir haben schon heute beständig sinkende Renten für Neurentnerinnen und -rentner, wir haben steigende Zahlen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie bei minijobbenden Menschen im Rentenalter.

Seit Jahren sinken die durchschnittlichen Rentenzahlbeträge bei jenen, die neu in Rente gehen. So sind die Renten für Neurentnerinnen und -rentner, die eine langjährige Versicherungszeit aufweisen können, von

1 021 Euro im Jahr 2000 um 6,7 % auf 953 Euro im Jahr 2011 gesunken. Die Renten wegen voller Erwerbsminderung sanken noch drastischer: von 738 Euro im Jahr 2000 um 14,1 % auf 634 Euro im Jahr 2011. Das ist ein Betrag, der sogar unterhalb des Grundsicherungsniveaus für voll erwerbsgeminderte Menschen liegt. Altersarmut ist also bereits heute ein Problem.

DIE LINKE hat im Bundestag ein entsprechendes Rentenkonzept vorgelegt; wir haben auch zur letzten Landtagssitzung in Teilen darüber gesprochen, und ich möchte einige kurze Stichworte dazu geben. Zunächst geht es immer darum, dass wir Renten- und Arbeitsmarktpolitik gemeinsam denken müssen, denn gute Arbeit und gute

Löhne führen auch zu guten Renten. Notwendig ist also das Eindämmen und Abschaffen prekärer Arbeit sowie die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes.

(Beifall des Abg. Thomas Kind, DIE LINKE)

Weitere Punkte wären: Anheben des Rentenniveaus, Senkung des Renteneinstiegsalters, Angleichung der Ostrenten und Abschaffung der ungerechten Abschläge für Erwerbsgeminderte.

DIE LINKE ist allerdings realistisch und weiß, dass dieses Konzept mit Schwarz-Gelb nicht umsetzbar ist. Wir sind auch hoffnungsvoll; ich denke, 2013/2014 wird es Mehrheiten links von Schwarz-Gelb geben und damit auch Chancen für eine solidarische Rentenreform.

(Beifall des Abg. Mario Pecher, SPD – Benjamin Karabinski, FDP: Wo bleibt der Realismus?)

Aber DIE LINKE ist auch pragmatisch und sagt: Wir müssen die Spielräume von heute nutzen.

Das Problem der Altersarmut vor allem von Frauen ist nun in fast allen Parteien angekommen. Uns allen ist klar, dass Altersarmut in Deutschland vor allem weiblich ist. Die durchschnittlichen Versicherungsrenten von Frauen waren 2007 in Westdeutschland mit 468 Euro monatlich nur halb so hoch wie die der Männer. In Ostdeutschland lagen Frauenrenten mit 665 Euro bei zwei Dritteln der Versicherungsrenten der Männer.

Dieser Ost-West-Unterschied erklärt sich aus längeren Versicherungszeiten, weil in der DDR fast alle Frauen in Vollzeit erwerbstätig waren. Aber auch in Ostdeutschland ist seit der Wende die Frauenerwerblosigkeit stark angestiegen. Deshalb wird die Altersarmut von Rentnerinnen auch hier bald das westdeutsche Niveau erreichen.

Die sogenannte Standardrente erreichen nur die Versicherten, die 45 Jahre lang Beiträge entsprechend dem Durchschnittsverdienst gezahlt haben. Frauen erreichen diese Standardrente so gut wie gar nicht. Das liegt nicht nur daran, dass sie meistens unter dem Durchschnitt verdienen, häufig unterbrochene Erwerbsbiografien haben und, damit verbunden, kürzere Beitragszeiten als Männer aufweisen, also nicht auf 45 Beitragsjahre kommen. Das liegt auch an Kindererziehungszeiten, auch wegen fehlender Betreuungseinrichtungen. Zum anderen übernehmen meist Frauen die familiäre Pflege von Angehörigen, was sich wiederum in mangelnden Rentenansprüchen bemerkbar macht.

Die Konzepte gegen Altersarmut sind vielschichtig. Auch bei Frauen geht es natürlich darum, bestehende Ungleichheiten und Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt zu beseitigen. Es geht um höherer Löhne, um bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und auch um besser bezahlte Positionen. Andere Möglichkeiten wären, die Familienfreundlichkeit zu erhöhen und prekäre Jobs in reguläre, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu überführen.

Bis hierhin gibt es sicherlich große Widersprüche zwischen den Forderungen der LINKEN und denen – vor allem – der Koalition.

Aber zu einem weiteren Punkt: Derzeit werden Müttern und Vätern drei Jahre Kindererziehungszeiten in der Rente angerechnet. Jedes dieser Jahre wird so bewertet, als ob die Mütter oder Väter in dieser Zeit durchschnittlich verdient hätten. Diese Regel jedoch gilt erst für ab 1992 geborene Kinder. Für bis 1991 geborene Kinder wird nur ein Jahr Kindererziehungszeit gutgeschrieben.

Ich möchte zitieren, was eine Frau in einem Forum geschrieben hat: „Die Regelung der Kindererziehungszeiten verstößt gegen das Gleichheitsgebot. Ich bin auch von dieser Ungleichbehandlung betroffen. Unsere Kinder sind 1969, 1972, 1983, 1990 und im November 1991 geboren. Ich konnte auch nur Teilzeit arbeiten, weil die Öffnungszeiten der Kindergärten überhaupt nicht im Einklang mit der Berufstätigkeit der Frauen standen. Ich bin jetzt 61 Jahre alt und werde wohl bis 65 Jahre noch arbeiten; sonst erhalte ich wegen der Rentenkürzung noch weniger ausgezahlt. Was ich ungerecht finde, ist, dass die Frauen bis 65 arbeiten müssen. Sonst erfolgen eine Rentenkürzung und die Benachteiligung bei der Anrechnung von Kindererziehungszeiten.“

DIE LINKE will nun – das steht auch in unserem Antrag –, dass unabhängig vom Geburtsjahr des Kindes drei Jahre Kindererziehungszeiten gutgeschrieben werden. Damit Sie merken, dass das kein „linkes Teufelszeug“ ist, möchte ich Sie daran erinnern, dass diese Forderung seit Jahren von Frauen in der CDU erhoben wird. Auf den Bundesparteitagen 2003 und 2011 hat die CDU entsprechende Beschlüsse gefasst. Auch in der Diskussion über das Betreuungsgeld gab es Fürreden zu diesem Vorschlag.

Ich zitiere aus Veröffentlichungen der CDU zu dieser Forderung: „Ältere Mütter waren in geringerem Umfang

erwerbstätig als heute. Ihnen fehlten die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Als ihre Kinder klein waren, gab es keinen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, kein Elterngeld, keine dreijährige Erziehungszeit mit Rückkehrgarantie, keine Hortbetreuung und keine Ganztagsschulen. In dieser Situation entschieden sich viele Mütter für eine längere berufliche Unterbrechungszeit zur Erziehung ihrer Kinder. Zudem gibt es in dieser Altersgruppe eine zunehmende Zahl an Alleinerziehenden und Geschiedenen; sie sind bereits von der Absenkung des Rentenniveaus betroffen.“

Die Vorsitzende der Frauen-Union Marburg-Biedenkopf sagt: „Mit ihrer Entscheidung für Kinder haben diese älteren Mütter einen wesentlichen Beitrag für unsere umlagefinanzierte Rentenversicherung geleistet. Lebensleistung bedeutet nicht nur Erwerbsarbeit, sondern auch Erziehung der Kinder. Diese Leistung muss endlich stärker anerkannt werden. Die aktuelle Rentenreform muss Verbesserungen für ältere Mütter bringen. Nur so lässt sich Altersarmut erfolgreich verhindern.“