Protokoll der Sitzung vom 13.12.2012

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Herr Präsident, wir als LINKE beantragen in Bezug auf die in I und II genannten Punkte punktweise Abstimmung. Teil 1 werden wir zustimmen, bei Teil 2 werden wir uns enthalten.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Homann für die SPD-Fraktion; bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das NPD-Verbotsverfahren ist ein aktuelles und ohne Frage wichtiges innenpolitisches Thema. Ich finde es schade, dass es heute zu einem so späten Zeitpunkt diskutiert wird. Es hätte weiter nach vorn gehört.

Ich respektiere die Skepsis, ja, ich respektiere sogar jene, die für eine Ablehnung des NPD-Verbots sind, wenn sie zum Beispiel aus demokratietheoretischen Auffassungen heraus abgeleitet jede Form von Parteienverbot ablehnen. Ich respektiere auch jene, die skeptisch sind, wenn sie jenen widersprechen, die aus Opportunität ein NPDVerbot fordern. Ich warne jeden davor, ein NPD-Verbot zu fordern, weil es gerade alle fordern oder weil es gerade opportun ist. Jene handeln unverantwortlich.

(Beifall bei der SPD – Andreas Storr, NPD: Die Antragsteller handeln also unverantwortlich!)

Bereits seit 2009 bereiten die SPD-Innenminister der Länder ein erneutes NPD-Verbotsverfahren vor. Diese Langfristigkeit zeigt für mich zwei wichtige Punkte. Erstens. Das NPD-Verbot ist von SPD-Seite sorgfältig vorbereitet. Zweitens. Die fürchterlichen Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrundes und die im Laufe der Ermittlungen offenbar gewordenen Verstrickungen mit ehemaligen NPD-Spitzenfunktionären sind für uns ein wichtiger, aber bei Weitem nicht der einzige Grund eines erneuten NPD-Verbots in Deutschland. Alles andere wäre Opportunismus.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten halten das Verbot der NPD für politisch geboten und juristisch

möglich. Ausgangspunkt unserer Argumentation ist dabei nicht der NSU, sondern die Radikalisierung der NPD Mitte der Neunzigerjahre unter ihrem damaligen Bundesvorsitzenden Udo Voigt. Diese Jahre sind geprägt durch eine inhaltliche und personelle Öffnung der NPD gegenüber militanten und autonomen Neonazi-Strukturen, durch die Aufnahme des Kampfes um die Straße, um eine kulturelle Hegemonie, dem unter dem Aufruf zur Schaffung national befreiter Zonen durch die JN viele Neonazis folgten und in dessen Rahmen Gewalt ausgeübt wurde, Asylbewerberheime angezündet wurden und die ganz klar kämpferisch gegen eine freiheitlich-demokratische

Grundordnung, gegen die Freiheit der Menschen in diesem Land vorgingen.

(Andreas Storr, NPD: Das hat alles nur nichts mit der NPD zu tun!)

Die JN hat auch gar nichts mit der NPD zu tun. Das ist nur Ihre Jugendorganisation. Ist schon klar. Halten Sie einfach die Klappe!

(Holger Apfel, NPD: Prolet!)

Die NPD formuliert offen und für jeden nachvollziehbar ihren Anspruch, das Grundgesetz, die freiheitlichdemokratische Grundordnung und die Universalität der Menschenrechte aufzuheben.

Eine Sorge, Herr Kollege Lichdi, teile ich ausdrücklich: Es wird politische Verantwortungsträger in Deutschland geben, die meinen, dass mit dem NPD-Verbot das Problem Rechtsextremismus erledigt sei. Jenen, die so denken, halte ich entgegen: Ein Verbot der NPD ist ein wichtiger Erfolg, aber kein Grund zur Entwarnung. Denn sind wir doch einmal ehrlich: Die acht NPD-Abgeordneten sind rassistisch, antisemitisch und antidemokratisch, aber diese acht sind auch „Lachnummern“ und eigentlich nichts anderes als kleine „Hobbyführer“. Sie acht würde unsere Demokratie locker verkraften. Sie acht sind überhaupt nicht das Problem.

Das Problem sind die Neonazikameradschaften und die autonomen Nationalisten, die dieses Land unsicher machen, die versuchen, national befreite Zonen zu schaffen, die versuchen, Vereine und Verbände zu unterwandern,

(Widerspruch bei der NPD)

die mit Gewalt gegen Migranten, anders Aussehende, anders Denkende, Gewerkschafter, engagierte Christen vorgehen und in deren Verantwortung seit 1990 über 180 rassistisch und von rechts motivierte Morde in Deutschland verübt wurden. Das ist die wahre Gefahr in diesem Land.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und des Abg. Dr. Martin Gillo, CDU)

Aber es muss auch festgestellt werden, dass es genau diese Strukturen sind, die vom Geld der NPD profitieren,

(Andreas Storr, NPD: Das ist doch Quatsch!)

die sich im Schutz des Parteiengesetzes verstecken

(Lachen bei der NPD)

und die die Immunität der Abgeordneten und ihrer Büros ausnutzen. Wir erleben das an vielen Stellen. Wir erlebten das in der Sächsischen Schweiz, die Verbindungen zwischen den SSS und der NPD waren offenbar. Wir erleben es in Bürogemeinschaften, zuletzt in Leipzig in der Odermannstraße, bis heute in Riesa oder auch in Limbach-Oberfrohna. Ein Verbot der NPD würde also die Neonazistrukturen in diesem Land nicht zerschlagen, aber ein NPD-Verbot würde ein konsequentes Vorgehen erleichtern. Deshalb wollen wir als SPD-Fraktion die NPD verbieten.

(Arne Schimmer, NPD: Sie reden ja schon wie Goebbels, Herr Homann. Genauso dramatisch. Goebbels II!)

Ich verbitte mir einen Vergleich mit Goebbels, Herr Präsident.

(Zurufe von der NPD)

Herr Homann, fahren Sie bitte in Ihrer Rede fort. Wir werden das dann im Protokoll überprüfen. Fahren Sie bitte fort.

Jedes Verfahren vor einem deutschen Gericht – und da hat Herr Lichdi recht – beinhaltet eine Unsicherheit, wenn es um das Ergebnis geht. Ein Gerichtsverfahren, dessen Ergebnis von Beginn an feststeht, kann auch kein rechtsstaatliches sein. Wer ein rechtsstaatliches Verfahren will, muss deshalb eine Unsicherheit respektieren. Das gilt im Übrigen für jede Form gestaltender Politik. Wer nicht bereit ist, auf seine eigene Arbeit zu vertrauen, der sollte keine Politik machen.

Ich vertraue meinen SPD-Kollegen in den anderen Bundesländern. Die SPD in Sachsen unterstützt deshalb das NPD-Verbotsverfahren. Wir werden anschließend entschlossen dafür sorgen, dass die Debatte um Menschenfeindlichkeit nicht beendet wird, im Gegenteil, wir müssen nach einem erfolgreichen NPD-Verbot unseren Fokus noch stärker auf die Ursachen menschenfeindlicher Einstellungen richten. Das werden wir mit allen tun, die dies in dieser Gesellschaft mit uns gemeinsam verfolgen: für ein weltoffenes Sachsen, für ein weltoffenes und demokratisches Deutschland.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Bevor wir zum nächsten Redner kommen, erteile ich Herrn Schimmer einen Ordnungsruf. Sie haben den Abg. Homann persönlich beleidigt. Sie haben ihn mit Goebbels verglichen. Deswegen erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD – Holger Apfel, NPD: Das ist ja wohl lächerlich!)

Meine Damen und Herren! Wir fahren fort mit dem nächsten Redner in der ersten Runde. Herr Biesok für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ministerpräsidenten und die Innenminister der Länder haben sich dafür entschieden, ein NPD-Verbotsverfahren auf den Weg zu bringen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die NPD „aggressivkämpferisch“ das Ziel verfolgt, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder sie zu beseitigen. Das ist für uns alle hier permanent wahrnehmbar. Da werden im Landtagsplenum ausländerfeindliche und menschenverachtende Reden geschwungen und mal eben bei den Haushaltsverhandlungen das Grundrecht auf Asyl in ein Gnadenrecht umgedeutet. Ab und zu trinkt ein Mitglied der NPD-Fraktion mal ein großes Glas Weichspüler, um populärwissenschaftlich über den europäischen Stabilisierungsmechanismus zu fabulieren. Diese vorgetäuschte Fachlichkeit verdeckt aber nur oberflächlich, aus welcher Motivation die NPD gegen den ESM ist. Ich sehe es zunächst als Aufgabe aller politischen Parteien, dem Wirken der NPD in der politischen Auseinandersetzung entgegenzuwirken.

(Beifall bei der SPD, der FDP und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Diese Auseinandersetzung beschränkt sich für mich aber nicht auf das Programm „Weltoffenes Sachsen“ oder die Diskussion um die Demokratieerklärung. Uns gelingt es als demokratischen Parteien in Teilen nicht mehr, europäische Solidarität, die wir mit der Unterstützung Griechenlands leisten, den Steuerzahlern in Deutschland zu vermitteln. Wir diskutieren nicht mehr öffentlich, dass das Asylrecht für politisch Verfolgte im Grundgesetz eine Antwort auf die NS-Diktatur ist. Wir liefern der NPD so politische Themen, die sie für Ängste in der Bevölkerung ausnutzen können und mit denen sie ihre verfassungsfeindliche Gesinnung versuchen zu kaschieren. Ein Verbotsverfahren ist das allerletzte Mittel, zu dem eine wehrhafte Demokratie greifen darf. Die Ministerpräsidenten und Innenminister der Länder sehen diesen Zeitpunkt als gekommen an.

Meine Damen und Herren! In meiner anwaltlichen Tätigkeit bin ich fast ausschließlich zivilrechtlich tätig. Bevor ich eine Entscheidung für ein Gerichtsverfahren treffe, muss ich prüfen, ob ich das, wovon ich überzeugt bin, auch darlegen und beweisen kann. In einem Parteiverbotsverfahren muss der Antragsteller darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass eine verfassungswidrige Einstellung und eine „aggressiv-kämpferische“ Haltung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung

vorliegt.

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

An die Stelle der eigenen Wahrnehmung aus den dröhnenden Reden von Holger Apfel tritt das formale Beweisrecht. Ich bin da kritisch und skeptisch, ob das gelingen wird. Ich frage mich überdies, ob die Problematik der V-Leute, an der der vorherige Anlauf für ein NPDVerbotsverfahren scheiterte, vollständig ausgeräumt ist.

Nur wenige Länder wollen sich dafür verbürgen, dass das, was von ihren Landesämtern für Verfassungsschutz vorbereitet wurde und als Dossier über die verfassungsfeindliche Gesinnung der Partei vorliegt, tatsächlich auch ohne Mitwirkung von Informanten im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes erarbeitet wurde. Das stimmt mich sehr nachdenklich.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Mich auch!)

Ich gehe aber davon aus, dass das Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht und auch das mögliche nachgelagerte Beschwerdeverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte von den Innenministern der Länder gründlich vorbereitet worden sind.

Ein Scheitern des Verbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht darf kein Demokrat wollen.

(Beifall bei der FDP und den GRÜNEN)

Ein Scheitern des Verfahrens wäre ein Werbeblock für die NPD.

(Zuruf von der NPD)