Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die zwei Gesichter des Stanislaw Tillich sind anhand seiner ganz persönlichen Biografie schnell beschrieben. Vor 1990 war er stellvertretender Vorsitzender beim Rat des Kreises Kamenz und Teilnehmer an einem mehrmonatigen Lehrgang an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften der DDR. Stanislaw Tillich war vor 1990 ein aktiver Träger und Funktionär einer Diktatur.
Heute ist er der ewig lächelnde Ministerpräsident und lupenreiner Demokrat. Man mag das vielleicht als Abbild eines politischen Bruches deuten. Meine Meinung ist – – Hier will ich durchaus auch eine personelle Parallele zur Bundeskanzlerin Angela Merkel ziehen, weil sie sich beide vom Typus her sehr stark ähneln. Beide, so ist die Deutung der NPD-Fraktion, sind vom Typus her anpassungsfähige Wichtigtuer, bei denen das Amt zum Selbstzweck wird, um die vermeintlich persönliche Bedeutsamkeit zu mehren. Eine zweite Parallele zwischen beiden ist das ewige Lächeln als Maskerade, mit dem man die Probleme und Krisen, die auf uns zukommen, schön weglächeln kann.
Genau das, was sich in der Politik oft als Schöngequatsche und Zweckoptimismus verbreitet, kommt einem Bedürfnis in unserem Volk nach Ruhe und Stabilität zugute. Man wird aber die Krisen und Verwerfungen, die vor uns stehen, nicht weglächeln können. Insofern ist also Stanislaw Tillich nicht die kraftvolle politische Gestalt in Form des Ministerpräsidenten, der Sachsen tatsächlich eine gute Zukunft gibt, sondern er täuscht sich und auch die Bevölkerung.
Der Bürgerkompass, den die Staatsregierung hier veranstaltet hat, ist im Grunde genommen tatsächlich nur eine Kulisse, wo vorgetäuscht werden soll, dass der Bürger tatsächlich mitreden oder gar mitentscheiden kann. Aber wer glaubt, bitte schön, hier in diesem Saal, dass diese Bürgergespräche, die Vorschläge, die von den Bürgern kommen, tatsächlich Einfluss auf die Politik nehmen?
Hier soll der Anschein erzeugt werden, die Staatsregierung hätte angeblich einen direkten Draht zum Volk, spricht mit dem Volk und nimmt dessen Sorgen, Ängste und Nöte ernst. Das ist aber nicht so.
Man muss einfach sehen: Nicht das Volk herrscht heute, sondern es ist im Grunde genommen ein Dreieck von internationalen Konzernen, Fernsehen, Rundfunk und der Verwaltung als Schrumpfform des Politischen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Bürgerkompass in Zusammenarbeit mit der BertelsmannStiftung stattfindet. Die Bertelsmann-Stiftung gibt sich zwar sozusagen als Impulsgeber des Gesellschaftlichen. Tatsache ist aber, dass die Bertelsmann-Stiftung hier eine
ganz andere Rolle einnimmt. Sie ist nämlich schlicht und einfach eine wirtschaftliche Interessenvertretung. Es gibt durchaus auch einige, die das erkannt haben, leider oft außerhalb der Politik, aber durchaus auch Politiker.
Ich will hier einmal zwei Stimmen zu Wort kommen lassen, wie man die Bertelsmann-Stiftung auch politisch einzuordnen hat. In dem Buch „Bertelsmann hinter der Fassade des Medienimperiums“ kritisieren die beiden Autoren, Frank Böckelmann und Hersch Fischler, diese Nebenregierung aus Gütersloh, so wird sie bezeichnet. „Diese Nebenregierung betreibe eine Privatisierung der Politik, weil sie Vorabsprachen mit Politikern jenseits der Parlamente treffe. Im Ergebnis sei es gleich, wer gewählt werde, denn irgendwie regiert die Bertelsmann-Stiftung immer mit.“
Ein weiteres Zitat, das die Bedeutung der BertelsmannStiftung unterstreicht, ist von dem Sozialdemokraten Wolfgang Lieb. Er war Staatssekretär im nordrheinwestfälischen Wissenschaftsministerium unter Johannes Rau. Er spricht im Zusammenhang mit der BertelsmannStiftung von einer – Zitat – „privatinstitutionellen Macht des Reichtums“, die ihren Einfluss über das gesamte politische System ausdehne und einerseits die Machtverteilung zwischen Parteien, Parlamenten und Exekutive unterwandere und andererseits die öffentliche Meinung präge.
Liebe Freunde, liebe Feinde, genau das ist der Punkt. So hat man auch diesen sogenannten Bürgerkompass einzuordnen. Die Politik in diesem Lande leistet eigentlich nur noch Hilfsdienste für internationale Konzerne.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind am Ende der ersten Runde angekommen und eröffnen eine zweite Rednerrunde. Das Wort ergreift für die einbringende Fraktion der SPD erneut Herr Kollege Dulig.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben durch Ihre Redebeiträge bestätigt, dass Sie es nicht verstanden haben:
weil die Bürgerbeteiligung als solche nicht infrage steht, sondern fraglich ist, ob Sie es ernst meinen. Sie haben uns wieder als Antwort gegeben: Es steht doch im Haushalt drin. Das war Ihre Argumentation. Ja, wozu brauchten Sie dann einen Bürgerkompass? Sie hatten es zu dem Zeitpunkt doch schon längst eingepreist.
Das ist genau das Problem, das die Menschen durchschauen: diese Diskrepanz zwischen Schein und Sein, die Diskrepanz zwischen dem, was sie tagtäglich erleben. Die Leute wollen nicht, dass man einer Gruppe etwas gibt; sie wollen das ganze Problem lösen.
Sie haben den Finger in die Wunde gelegt mit dem Lehrermangel, weil sie eben sehen, was an Unterrichtsausfall passiert. Sie haben Sorge. Diese Sorge haben sie artikuliert. Dann wollen sie, dass diese Sorge auch ernsthaft aufgenommen wird. Und Ihre Antwort ist: Schaut, wir haben alles geregelt, ein bisschen was haben wir gegeben.
Die Leute haben Sorgen in Bezug auf die innere Sicherheit, und vor allem erleben sie vielleicht, dass in einer Zeit, in der umstrukturiert wird, ihre Polizeistation wegfällt. Wenn sie dann mit den Kolleginnen und Kollegen von der Polizei reden, dann sind diese demotiviert, weil man ihnen in den letzten Jahren zum Beispiel die Sonderzahlungen genommen hat, weil man sie nicht wertgeschätzt hat. Das bekommen doch die Menschen mit. Wenn Sie es nicht mehr mitbekommen, dann ist das ein weiterer Beleg dafür, dass Sie das Gefühl für dieses Land verloren haben,
Da reicht es nicht aus, nur präsidial durch das Land zu reisen und Bänder durchzuschneiden. Da werden Sie nicht mitbekommen, wo die Probleme liegen. Das ist der Unterschied zwischen Schein und Sein.
Echte Bürgerbeteiligung heißt eben, aktiv zuzuhören, sich als Zuhörender, als Aufnehmender darzustellen und nicht nur Antworten im Sinne von „es steht ja im Haushalt“ zu geben. Sie haben nicht verstanden, was aktive Bürgerbeteiligung heißt.
Was mich dabei so aufregt, ist die Tatsache, dass der Schaden nicht bei Ihnen liegt. Man könnte sich zurücklehnen und sagen: Gut, man sieht sich immer mehrfach im Leben, lieber Torsten Herbst. Wir warten mal die Wahlen ab.
Aber so einfach ist das nicht. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, wenn Sie mit Bürgerinnen und Bürgern reden, wenn Sie bei Veranstaltungen sind oder die Medien verfolgen. Da heißt es inzwischen: Die Politik hat versagt. Da heißt es: Die da oben kriegen es nicht hin.
Da sind wir alle in Mithaftung genommen. Das ist gerade das Problem für die Demokratie und die Politik.
Wir erarbeiten unser gesamtes Regierungsprogramm gerade in einem Bürgerdialog. Da brauche ich mir keine Gedanken zu machen, die Vorwürfe laufen ins Leere. Wir haben eine aktive Bürgerdialogphase, in der wir die Menschen auffordern, uns mitzuteilen, was sie an Veränderungsbedarf in diesem Land haben. Wir laden sie ein zu einem Bürgerkonvent, um dann mit ihnen über Programmatik zu diskutieren. Sie werden alle eine Antwort bekommen.
Die Antwort, die Sie den Wählerinnen und Wählern, den Menschen in Sachsen geben, ist: Es ist alles in Ordnung, Friede, Freude, Eierkuchen! Es ist aber nicht Friede, Freude, Eierkuchen. Da brauche ich auch keinen Ministerpräsidenten, der durch das Land reist und nur lächelt. Ich brauche eine aktive Politik, die zuhört, die Probleme aufnimmt und Lösungen präsentiert.
Mit Ihrem Haushalt und Ihrer aktiven Politik zeigen Sie es nicht, denn die ist nicht aktiv, sie ist nicht mit dem Gesicht zum Volk. Sie sind nicht nur mit den Füßen in einer Wolke, sondern insgesamt ganz weit abgehoben.
Die zweite Rednerrunde wurde eröffnet von der einbringenden Fraktion durch Herrn Kollegen Dulig. Jetzt sehe ich an Mikrofon 3 eine Kurzintervention. Bitte, Herr Kollege Herbst.
Wie ernst es die SPD mit den Anliegen der Bürger nimmt, hat man gestern Abend gesehen. Das sind die zwei Gesichter der SPD. Auf Bundesebene hat der Vermittlungsausschuss getagt, und die SPD hat blockiert, dass die kalte Progression abgebaut wird und die Bürger mehr Steuergerechtigkeit bekommen. Das heißt, sie hat gerade den Beziehern kleiner Einkommen zusätzliche Einnahmen vorenthalten. Sie hat auf die Bremse getreten.
(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung – Interne Wortwechsel zwischen Abgeordneten der CDU und der SPD)
Wir sind auf die Bremse getreten, und zwar auf die Schuldenbremse, die wir gemeinsam vereinbart haben.
Was nützt es, wenn man eine kalte Progression abschafft und das auf dem Rücken der Kommunen und Länder ausgetragen wird, denen dann die Milliarden fehlen. Diese werden es anschließend auf Gebühren umlegen,
dann bezahlen es die Bürger wieder. Das ist gerecht? Das ist ungerecht. Deshalb haben wir gebremst, weil das keine gerechte Politik ist.