Protokoll der Sitzung vom 14.12.2012

(Zurufe der Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU, und Andreas Storr, NPD)

Von mir aus können Sie es auch abgemildert wie folgt sagen: mit den extremen Rechten. Sie beide haben es zum Ausdruck gebracht. Vielleicht bringen Sie es auch einfach einmal in dem Titel zum Ausdruck. Sie vermitteln den Menschen immer wieder das Gefühl, dass Sie beides miteinander vermischen wollen. Es ist Unsinn. Herr Bandmann, Sie haben es deutlich gesagt: Es ist ein operatives Abwehrzentrum gegen den Rechtsextremismus. Gerade in Anbetracht dessen, dass die Blutspur des Todes auch von Sachsen ausgegangen ist, die die NSULeute hinterlassen haben, die Rassisten gewesen sind und fremdenfeindliche Typen waren, muss man es tatsächlich beim Namen nennen. Schreiben Sie es doch einfach auf, wenn Sie es hier schon sagen!

(Beifall bei den LINKEN)

Weil Sie es nicht erwähnt haben, möchte ich es zumindest tun. Ich halte Ihre Personalentscheidung, den Polizeipräsidenten Merbitz zum Leiter dieses operativen Lagezentrums zu machen, für eine richtig gute Entscheidung.

(Andreas Storr, NPD: Er ist ein ehemaliger SED-Genosse! Das kann ich mir gut vorstellen!)

Ich habe natürlich an dieser Stelle wieder Bauchschmerzen. Das wird Sie nicht überraschen. Ich habe Schwierigkeiten damit, an eine Bilokalität – ein Mensch ist an zwei Stellen gleichzeitig – zu glauben: einerseits in Dresden

das operative Lagezentrum und in Leipzig eine der schwierigsten Polizeidirektionen zu leiten. Der Horst von der CDU hat eine der höchsten Kriminalitätsraten sowie eine hohe Nichtaufklärungsrate hinterlassen, die nun Herr Merbitz klären soll. Er steht natürlich vor der Schwierigkeit, zwei Polizeidirektionen zusammenzulegen: Leipzig und Westsachsen. Dazu haben Sie ihm jetzt noch die Aufgabe übertragen, das operative Lage- oder Abwehrzentrum zu leiten.

Es stellen sich für mich folgende Fragen: Wieso konnte er das nicht als Landespolizeipräsident machen? Wieso musste er als Landespolizeipräsident degradiert werden, um diese Aufgabe zu übernehmen, wenn es doch anscheinend Ihr bester Mann zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und rechter Gewalt ist?

Ich glaube, dass Sie begonnen haben, den richtigen Weg zu beschreiten. Das möchte ich ausdrücklich hervorheben. Ich glaube, dass Sie die Gefahr erkannt haben. Sie müssen aber tatsächlich – dabei helfen wir Ihnen gern – auch die richtigen Formulierungen dafür finden.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Martin Dulig, SPD)

Der Abg. Gebhardt sprach für die Fraktion DIE LINKE. Für die SPD spricht nun der Abg. Homann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Demokratiefeinde entschlossen bekämpfen – das ist vielleicht der Satz, hinter dem wir uns alle versammeln können. Es ist richtig, dass wir über dieses Thema im Sächsischen Landtag immer wieder sprechen.

Gerade die Verbrechen des NSU zeigen uns, dass wir in der Politik und in der Gesellschaft Probleme angehen müssen, um uns nachhaltig mit Menschenfeindlichkeit, rechtsextremistischen Einstellungen und Strukturen zu beschäftigen. Die Staatsregierung hat mit dem Operativen Abwehrzentrum (OAZ) eine erste Konsequenz vorgestellt.

Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass die Grundidee eine richtige ist: Strukturen zu bündeln und Kompetenzen zusammenzufassen ist eine durchaus sinnvolle Geschichte. Jetzt müssen Sie uns nur das dazugehörige Konzept liefern. Das sind Sie uns bis heute schuldig geblieben. Sie haben am 28. November eine Pressefassung zum OAZ vorgelegt. Ein Konzept aber sind Sie diesem Hause bis heute schuldig.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten machen uns an dieser Stelle zu Recht Sorgen, weil Sie in Ihrer Kurzfassung und Ihrem Pressekonzept Folgendes schreiben: Es sollen 124 Beamtinnen und Beamte eingesetzt werden. Wir fragen uns Folgendes: Woher wollen Sie

diese eigentlich nehmen? Sie wollen im Zeitraum zwischen den Jahren 2010 und 2026 2 600 Stellen abbauen und auf einmal 124 Stellen für das OAZ aus dem Hut zaubern. Das ist eine Frage, die Sie uns erst einmal beantworten müssen.

(Beifall der Abg. Martin Dulig, SPD, und Eva Jähnigen, GRÜNE)

So richtig es ist, Kompetenzen zu bündeln und Strukturen zu straffen, so wenig macht es Sinn zu glauben, dass man damit einen Rückzug aus der Fläche kompensieren kann. Sie möchten mit der Polizeireform 2020 31 von 72 Polizeirevieren schließen. Für uns ergibt sich an dieser Stelle kein Bild, wie ein OAZ diesen Rückzug auffangen soll. Das ist schlichtweg unmöglich. Wir brauchen die Polizistinnen und Polizisten vor Ort, wie zum Beispiel in Flöha, Burgstädt und Limbach-Oberfrohna, die tagtäglich und vor Ort den Neonazis die Stirn bieten.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Ich habe dieses Jahr in einer Kleinen Anfrage den Krankenstand in den sächsischen Behörden abgefragt. Ich war erschüttert darüber, dass der Krankenstand vor allem unter den Polizistinnen und Polizisten in Sachsen anhaltend hoch und in der Tendenz steigend ist. Im Jahr 2011 waren in der PD Westsachsen ein Krankenstand von 9,81 % und in der PD Chemnitz von fast 9 % zu vermelden. Jeder, der sich ein bisschen mit Personalmanagement beschäftigt hat, weiß, dass ein solcher Krankenstand ein Zeichen für schlechtes Personalmanagement ist. Das liegt daran, dass Sie die Beamtinnen und Beamten überfordern und ihnen nicht die entsprechenden Voraussetzungen schaffen, um ihre Arbeit auch im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Hierbei sind Sie als Dienstherr durchaus in der Pflicht. Es reicht nicht aus, hier Aktuelle Debatten zu führen, Herr Bandmann. Man muss etwas liefern.

Mit großer Sorge sehen wir die Umschichtung im „Weltoffenen Sachsen“. Hierzu muss man Folgendes sagen: Diese Umschichtung ist eine Maßnahme ohne Verstand und Plan. Sie wurde zum Beispiel im Landespräventionsrat, dem von Ihnen angekündigten zentralen Gremium, um die Strategie gegen rechts voranzutreiben, nicht ein einziges Mal besprochen.

Mich würde es zudem nicht überraschen, wenn die Wahrheit so aussähe, dass der Innenminister von den Plänen Ihrer Koalitionsfraktion gar nichts gewusst hätte. Meine Sympathien gehören in diesem Sinne eher Ihnen, Herr Innenminister.

Der Landesjugendhilfeausschuss hat nichts gewusst. Das zeigt ebenso, dass Sie an dieser Stelle ohne Plan vorgehen. Die durchaus sinnvolle Erhöhung des „Weltoffenen Sachsens“ auf über 3 Millionen Euro wird im Bereich der Initiativen konterkariert dadurch, dass Sie eine sogenannte Reservierung für die Jugendarbeit in Verbänden vor

nehmen. Diese ist durchaus richtig. Wir unterstützen das. Das Problem ist jedoch, dass das Geld, das Sie dafür reservieren, für andere nicht zur Verfügung steht. Sie begründen dies damit, dass es sich um Projekte und Initiativen am linken Rand handeln würde. De facto steht durch Ihre Reservierung weniger Geld für folgende Projekte zur Verfügung: das Anne-Frank-Zentrum, den Ausländerrat Dresden, die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung, das Kulturbüro oder das Ost-West-Forum in Gödelitz.

Herr Homann, die Redezeit geht zu Ende.

An dieser Stelle zeigt sich ganz deutlich, dass Ihr Engagement noch deutlich ausbaufähig ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das war Herr Homann für die SPD-Fraktion. Frau Jähnigen spricht nun für die Fraktion GRÜNE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ein Jahr nach Bekanntwerden der Taten des NSU sind diese in Sachsen noch nicht im Ansatz aufgeklärt.

(Beifall bei der NPD)

Das Versagen der sächsischen Sicherheitsbehörden ist auch noch nicht aufgeklärt.

Ich glaube, es ist zu früh zu behaupten, dass wir mit der Soko Rex gut aufgestellt waren und wären. Konsequenzen sind mangels Aufklärung noch nicht gezogen worden. Hinzu kommt, dass wir seit dem Bericht über die Vorfälle von Hoyerswerda wissen, dass Menschen in Sachsen, die sich gewaltfrei gegen Nazis engagieren, nicht genügend geschützt werden und ihren Heimatort verlassen müssen.

Ich will hier ganz klar sagen: Wenn so etwas zugelassen wird, haben die Neonazis in ihrem Kampf um national befreite Zonen einen Schritt gewonnen. Das können wir nicht akzeptieren.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Wir können auch nicht akzeptieren, dass der Innenminister und die Spitzen der Polizei versuchen, diesen Vorfall zu beschönigen. Was hilft ein operatives Abwehrzentrum, wenn es der Polizei vor Ort in einer solchen Situation offenbar an Kapazität fehlt?

Aber nun haben Sie in dieser Situation wieder allen Extremisten den Kampf angesagt, wohl gemerkt allen Extremisten gleichermaßen; denn die Pressedarstellung des angeblichen Konzeptes für das operative Abwehrzentrum enthält auch die Bekämpfung der sogenannten PMK, der politisch motivierten Kriminalität, also auch die Bekämpfung des vermeintlichen Linksextremismus.

(Andreas Storr, NPD: Gibt es auch einen vermeintlichen Rechtsextremismus?)

Spätestens seit dem Februar 2011 wissen wir, dass unter Linksextremismus auch Demonstranten erfasst werden, die sich friedlich gegen Neonazis wehren wollen.

(Jürgen Gansel, NPD: Und Steinewerfer in Connewitz!)

Herr Innenminister Ulbig, Ihnen persönlich nehme ich den Kampf gegen den Rechtsextremismus ab. Das Problem ist, dass Sie in einer Partei beheimatet sind, die die sächsischen Probleme immer noch kleinreden will. Früher hieß es: Sachsen ist immun gegen den Rechtsextremismus. Diese Haltung hat uns zur Hochburg des Rechtsextremismus gemacht. Heute heißt es: Wir müssen alle Extremisten bekämpfen. Nein, das Kleinreden der Probleme hilft im Kampf gegen die Neonazis nicht. Die Realität ist doch, dass Sachsen ein Neonaziproblem hat.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn Kollege Schreiber in seinem Briefkasten Kacke findet, ist das eine Sauerei und nicht zu entschuldigen. Linksextremismus ist es nicht.

(Christian Piwarz, CDU: Das ist ziemlich fies. Sie sollten mal in der Situation sein, Kollegin Jähnigen! – Zurufe von der NPD)

Es geht hier um die Opfer der NSU und ihre Angehörigen aus Deutschland. Es geht um Leute in Gemeinden und Städten, die wegen ihrer Einstellung, ihres Aussehens und ihrer sexuellen Identität Angst haben und die diese Städte verlassen und in die Großstädte ziehen. Es geht darum, dass es in Sachsen immer noch latente chauvinistische und ausländerfeindliche Einstellungen gibt und dass diese nicht geringer werden, wie die aktuelle Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung gezeigt hat.

Der Ministerpräsident hat nach den Vorfällen von Hoyerswerda gesagt: Wir dürfen nicht wegschauen. Aber warum werden dann die Leute, die sich gegen Nazis friedlich engagieren, mit fragwürdigen Klauseln auf Bekenntnisse zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung verpflichtet, als ob wir einen Grund hätten, ihnen zu misstrauen?

Warum wird die Förderung des „Weltoffenen Sachsen“ im neuen Haushalt de facto eingeschränkt? Was tut diese Regierung eigentlich dafür, dass die sächsische Verwaltung und die Sicherheitsbehörden Vorbild für weltoffenes Handeln, für Bürgernähe werden? Was tut die sächsische Regierung gegen Diskriminierung von Menschen, die anders aussehen, eine andere Identität haben? Wann fördern Sie Antidiskriminierungsberatung? Wann legen Sie ein Aktionsprogramm gegen Homophobie auf?

Was tun Sie dafür, dass in den Schulen mehr über Demokratie gelernt wird und dass sich die Jugendeinrichtungen damit befassen? – und ich meine nicht eine Sonderförderung im „Weltoffenen Sachsen“. Ich meine den alltäglichen Unterricht; denn das, was dort bisher läuft, reicht offenbar nicht.