Protokoll der Sitzung vom 14.12.2012

Die Feiertagsregelung ist reines Länderrecht. Aber damals ist ein Kompromiss zur Einführung der Pflegeversicherung ausgehandelt worden. Dieser Kompromiss sah vor, dass die Länder dafür einen Feiertag abschaffen, und zwar einen Feiertag, der ein Bundesfeiertag ist, der also in allen Bundesländern Feiertag ist. Daran haben sich die anderen Länder gehalten, und Sachsen hat darauf verzichtet und deshalb diese Disparität in der Finanzierung in Kauf genommen.

Deshalb können Sie jetzt nicht diesen Kompromiss einseitig von Sachsen aufkündigen. Ich habe die Möglichkeiten gezeigt. Im Übrigen sind wir der Meinung, dass paritätische Finanzierung wichtig ist und dass man nach Möglichkeiten suchen sollte, diese wiederherzustellen. Aber der Weg, den Sie vorschlagen, ist nicht gangbar.

Wenn Sie als Begründung für Ihren Antrag die Nachteile der sächsischen Arbeitnehmer aufführen, dann gibt es noch andere Möglichkeiten, die wir ja hier auch gemeinsam vertreten, zum Beispiel Mindestlohn, Lohnangleichung usw., um die Nachteile auf diesem Wege anzugehen, und nicht über diese Feiertagsregelung.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die NPD Herr Abg. Mario Löffler, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag mit der sperrigen Überschrift „Kein Pflegebußgeld für sächsische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – Buß- und Bettag erhalten!“ scheint der einbringenden Fraktion nicht direkt unter den Nägeln gebrannt zu haben, sonst wäre der wortgleiche SPD-Antrag mit der Drucksache 5/7461 mit der Überschrift „Paritätische Beitragsverteilung in der gesetzlichen Pflegeversicherung auch in Sachsen“ nicht über Jahre im Geschäftsgang geparkt worden.

Es stellt sich mir außerdem die Frage, warum die SPD während ihrer Regierungszeit keine Gelegenheit gefunden hat, das Thema Pflegeversicherung unter dem heute thematisierten Gesichtspunkt aufzugreifen. Gelegenheit hierzu hatte sie.

Ich möchte auf die Drucksache 4/0995 verweisen, unter der ein Antrag der CDU- und der SPD-Fraktion zu finden ist. Er trägt den bemerkenswert kurzen Titel „Pflegeversicherung“. Inhaltlich beschränkt sich dieser Antrag vom 8. März 2005 auf die Entwicklung der Leistungen vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, die von den Mitgliedern der NPD-Fraktion richtiger als demografische Katastrophe benannt wird. Die Frage der paritätischen Beitragsverteilung findet sich in diesem Papier nicht wieder.

Nicht anders sieht es mit dem Antrag der damaligen Koalitionspartner unter der Überschrift „Umsetzung der Reformen der Pflegeversicherung in Sachsen“, Drucksache 4/12200, vom 5. Mai 2008 aus. Auch hier dreht sich alles um Pflegeleistungen, die Finanzierung bleibt außen vor.

Was treibt die SPD an, diesen Antrag, der keinerlei Aussicht hat, die notwendige Mehrheit zu finden, gerade jetzt auf die Tagesordnung zu setzen? Sind es die Gerüchte, die FDP möchte den Buß- und Bettag in ihrer grenzenlosen Unternehmerfreundlichkeit abschaffen? Soll so ein Keil in die Regierungskoalition des Freistaates Sachsen getrieben werden? Doch das ist nicht unser Problem.

Für mich und meine Fraktionskollegen stellt sich eben nicht nur die Frage der nicht paritätischen Beitragserhebung in der Pflegeversicherung. Es sollte auch eine Diskussion über die Verwerfungen geführt werden, die in anderen Bereichen der Sozialversicherung in den letzten zwei Jahrzehnten entstanden sind. Ich denke hierbei an den sogenannten Gesundheitsfonds, an den De-factoAusstieg aus der paritätischen Beitragsfinanzierung in der gesetzlichen Krankenversicherung seit 2005, an die damit verbundenen Zusatzbeiträge und die erst jüngst abgeschaffte Praxisgebühr.

Seit 1970 haben sich die Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung von damals 8,2 % auf bis heute 15,5 % nahezu verdoppelt. All das belastet Arbeitnehmer

überproportional. Ich denke an die immer zahlreicheren sogenannten Anspruchsberechtigten, übrigens auch

aufgrund von immer noch gültigen Sozialversicherungsabkommen aus den Gründerjahren der Bundesrepublik, die, ohne jemals einen Beitrag gezahlt zu haben, steuerfinanzierte Sozialversicherungs- und andere Leistungen erhalten.

Hier und heute besteht aus zeitlichen Gründen keine Möglichkeit, all diese Absurditäten einzeln zu beleuchten.

Der Antrag der SPD-Fraktion ist aus unserer Sicht nicht schädlich, aber auch wenig hilfreich. Daher wird sich meine Fraktion der Stimme enthalten.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Wer möchte von den Fraktionen noch zum Inhalt sprechen? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Frau Staatsministerin Clauß, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ja, es ist richtig, die Sachsen bezahlen mehr, denn sie haben ihren Buß- und Bettag noch als Feiertag, in diesem Jahr am 21. November. Es ist schon zu hinterfragen, warum heute, am 14.12., am Vorvorabend des dritten Advents, dieser Antrag gestellt wird.

Ich darf hier unseren Altministerpräsidenten Prof. Kurt Biedenkopf zitieren, denn er lieferte im November 1994 die Begründung, warum der Freistaat daran festhält: „Wenn wir einen Feiertag streichen, streichen wir den nicht zulasten der Arbeitnehmer, sondern zulasten der gesamten Bevölkerung. Das heißt, die Kinder müssen in die Schule gehen, die Freiberufler müssen arbeiten, die Händler müssen ihre Geschäfte offen halten.“

In den anderen Bundesländern wurde der Buß- und Bettag abgeschafft, damit mehr gearbeitet wird und letztlich auch die Arbeitgeberseite entlastet wird. Alles, was wir heute diskutieren, würde aber die bundesweiten Probleme der Finanzierung – jetzt wird es richtig ernst – der sozialen Pflegeversicherung nicht lösen, die wir in Zukunft aber werden lösen müssen.

Dabei geht es nicht nur um Leistungsverbesserungen zum Beispiel von demenziell erkrankten Menschen, die wir mit dem Pflegeneuausrichtungsgesetz auch aktiv angegangen sind, und deswegen auch die Beitragssteigerung jetzt ab 01.01.2013. Nein, es geht auch darum, wie wir im demografischen Wandel die Pflegeversicherung generationengerecht und solidarisch aufstellen. Die entsprechenden Diskussionen – Abschaffungen oder paritätische Finanzierung des Buß- und Bettages – sind kein konstruktiver Beitrag zur Lösung der Problemlagen unserer Sozialversicherungssysteme. Die Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung wird uns dauerhaft beschäftigen – mit und ohne Buß- und Bettag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Schlusswort hat die SPD-Fraktion. Herr Dulig, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Alexander Krauß, nur weil Menschen es nicht als Problem sehen, heißt es doch nicht, dass es kein Problem gibt. Da gibt es einen großen Unterschied. Das heißt, man kann blind sein und sagen, okay, damit wollen wir nichts zu tun haben, und wir schließen die Augen davor. Doch das ist nicht unser Ansatz.

Unser Hauptanliegen ist die paritätische Finanzierung als Grundprinzip. Wenn dazu auch entsprechende Entscheidungen in den letzten Jahren erfolgten, die dem widersprochen haben, auch in unserer Verantwortung, dann heißt das nicht, dass wir das deshalb unkritisch sehen. Ganz im Gegenteil. Da hätten Sie zuhören müssen, was ich vorhin gesagt habe.

Uns geht es um das Grundprinzip des Sozialstaates. Wenn es Ihnen inzwischen egal ist, kann ich nichts dafür. Sie müssten mir vor allem noch mal erklären, warum wir gestern zum Beispiel hier gemeinsam einen Antrag beschlossen haben, die Vorfristigkeit bei den Sozialversicherungsbeiträgen zurückzunehmen, die Sie damals verändert haben. Das ist doch von Ihrer Seite nicht konsequent. Hier sollten auch getroffene Entscheidungen revidiert werden, weil Sie sie inzwischen mit als ungerecht empfinden. Seien Sie doch bitte konsequent!

(Beifall bei der SPD)

Lieber Enrico Stange, es gibt vonseiten der Bundesregierung keinen Handlungsbedarf. Es gibt nur ein einziges Bundesland, das für sich eine Sonderregelung gemacht hat. Der Bund hat gar kein Interesse, egal, welche Koalition an der Spitze steht, da etwas zu verändern, weil es für ihn keine Auswirkungen hat. Das heißt, die Initiative kann nur von Sachsen ausgehen; denn die Veränderungen des Gesetzes wurden ja auch nur deshalb aufgenommen, weil Sachsen einen eigenen Weg gehen wollte.

Dass wir in Sachsen, als wir in der Koalition waren, das Thema nicht zu Ende diskutiert haben, lag natürlich auch daran, dass viele die Diskussion um den Buß- und Bettag geführt haben, innerhalb der SPD, auch in den Gewerkschaften. Es ist eben nicht so, dass alle gesagt haben, wir wollen den Buß- und Bettag erhalten, und dass das Ergebnis eben auch eine Zeit gebraucht hat, um zu sagen, wir wollen gar nicht so eine Feiertagsdiskussion, sondern wir wollen es auf den Kern der paritätischen Finanzierung reduzieren.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Herr Stange.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Kollege Dulig. Würden Sie mir aber zumindest recht in der Annahme geben, dass Ihr Antrag auf eine Initiative auf Bundesebene abzielt? – Sie fordern, in SGB XI den § 58 Abs. 2 bis 5 ersatzlos zu streichen. Dies allerdings kann dieser Landtag nicht beschließen. – Darin geben Sie mir zumindest recht?

Richtig. Das ist ein Bundesgesetz, aber die Initiative kann nur von Sachsen ausgehen – logischerweise.

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns geht es um Folgendes:

Erstens: das Grundprinzip der paritätischen Finanzierung wiederherzustellen, damit es nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgetragen wird.

Zweitens: damit die Voraussetzungen zu schaffen, dass bei den kommenden Veränderungen und Reformen der Pflegeversicherung nicht die Ungerechtigkeit größer wird, sondern dass wir eine gleiche Ausgangsbasis haben. Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, seien Sie sich sicher, dass wir beim Thema Pflegeversicherung vor größeren Herausforderungen stehen. Es geht darum, dass wir eben gleiche Voraussetzungen haben.

Deshalb lassen Sie uns diesen Kern diskutieren, denn – ich sage das auch noch einmal in Richtung CDU – wenn Sie mal fragen, wie denn hier die Position zum Buß- und Bettag ist, dann können Sie das gern mal mit dem Koalitionspartner klären. Die haben da eine andere Meinung. Ich vermute, auch in anderen Fraktionen ist die Feiertagsdiskussion etwas anders, als wir sie hier mit diesem Antrag haben. Deshalb ist es vielleicht auch aus strategischen Gründen heraus für Sie interessant, Ihren Buß- und Bettag dadurch zu retten, dass Sie wenigstens die paritätische Finanzierung herstellen, weil Sie damit die Diskussion auch erledigt haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Ich lasse jetzt über die Drucksache 5/10641 abstimmen. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei einer Reihe von Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden. Ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 7

Operationelle Programme 2014 – 2020

Drucksache 5/10366, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hierzu können die Fraktionen wieder Stellung nehmen. Es beginnt die Fraktion GRÜNE, danach folgen CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht.

Ich erteile nun der Frau Abg. Kallenbach das Wort.