Protokoll der Sitzung vom 30.01.2013

Drucksache 5/10595, Beschlussempfehlung des

Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Wir beginnen mit der Aussprache in gewohnter Weise: CDU, FDP, DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht.

Wer spricht von der CDU-Fraktion? – Herr Abg. Pohle, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! „Die CDU-Fraktion ist der festen Meinung, dass Gesetz und Verordnung unserer mittelständischen Wirtschaft das Rückgrat stärken und den Vergabestellen im kommunalen und staatlichen Bereich mehr Rechtssicherheit geben werden.“

Mit diesen Worten, meine sehr geehrten Damen und Herren, schloss der von mir hochgeschätzte Kollege Jürgen Petzold im Juli 2002 seine Rede anlässlich der Verabschiedung des Sächsischen Vergabegesetzes in diesem Hause. Die Erfahrungen der letzten zehn Jahre mit diesem Gesetz haben gezeigt, dass die Meinung Jürgen Petzolds und der CDU-Fraktion, wie so oft, berechtigt waren.

Unser Sächsisches Vergabegesetz konnte den damals gesetzten Anspruch, eine neue Qualität im öffentlichen Auftragswesen aller Bundesländer zu setzen, in vollem Umfang erfüllen. Es setzte ein einheitliches, gut handhabbares und überschaubares Regelwerk für die Vergabe öffentlicher Aufträge in unserem Freistaat und wurde zum Quell und Ideengeber für die Gesetzgebung in zahlreichen anderen Bundesländern. Mehr kann man von einem guten Gesetz nicht erwarten.

Nun kommen freilich nicht nur wir selbst in die Jahre, sondern auch die besten Gesetze. Bedingt durch die mehrfachen Änderungen der VOL und der VOB – zuletzt im Wesentlichen in den Jahren 2009 und 2010 – ergaben sich Widersprüche zu unserem Vergabegesetz, besonders zum Prüf- und Wertungsschema in der Durchführungsverordnung. Dieser Entwicklung gerecht werdend, verpflichtete sich die Regierungskoalition im Jahr 2009 in ihrem Koalitionsvertrag zur Überarbeitung des Vergabegesetzes.

Unser Anspruch dabei war es, nicht nur eine Anpassung an das mittlerweile geltende Bundesrecht zu erreichen, sondern auch das hochqualitative sächsische Vergaberecht fortzuentwickeln, Hinweise aus der Vergabepraxis aufzunehmen, dort, wo möglich, eine Entschlackung und Entbürokratisierung zu erreichen und unter Nutzung der bewährten Substanz einen zukunftsweisenden Standort zu schaffen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der uns heute abschließend vorliegende Gesetzentwurf der Koalition wird aus meiner Sicht diesem Anliegen vollumfänglich gerecht. Wie gelang uns das inhaltlich? In puncto Bürokratieabbau entledigen wir uns einiger gleichlautender Mehrfachregelungen zur VOB und zur VOL und erreichen damit eine Straffung, die uns den Verzicht auf eine separate Durchführungsverordnung ermöglicht.

Das einheitliche Prüfungs- und Wertungsschema – das sich als genau das erwiesen hat, was es sein sollte: ein handhabbares, einfaches und einheitliches Handwerkszeug für die Vergabestellen – haben wir den Veränderungen der VOB hinsichtlich der zwingenden und fakultativen Ausschlussgründe, der Nachforderung der Eignungsnachweise, der Prüfung der Angemessenheit der Preise und der Auswahl des wirtschaftlichen Angebots angepasst und dem Gesetz als Anlage angefügt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Mit der Regelung, den Vergabebericht des Freistaates nur noch alle zwei Jahre zu veröffentlichen, passen wir uns der in Sachsen üblichen Haushaltsbeschlussfassung an

und bekräftigen einerseits den Transparenzanspruch der Bürger, andererseits aber auch den verantwortungsvollen Umgang mit Steuermitteln.

Mit der moderaten Anhebung der Schwellenwerte für die freihändige Vergabe, sowohl im Bereich der VOB als auch im Bereich der VOL, kommen wir dem als berechtigt anerkannten Anliegen der Vergabestellen entgegen und leisten einen Beitrag zur Entbürokratisierung, Transparenz und Rechtssicherheit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Schulbücher unterhalb der EU-Schwellenwerte völlig frei zu vergeben folgt der gleichen Intention und entspricht angesichts der geltenden Buchpreisbindung der gesellschaftlichen Realität. Eine Reihe von Veränderungen dient einzig dem Zweck, unsere Unternehmen, besonders die mittelständischen und kleinen heimischen Unternehmen, von teurem und nicht notwendigem bürokratischem Aufwand zu entlasten, ihnen Anreize zu liefern, sich an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen und so ihre wirtschaftliche Basis zu stärken. Nur das schafft bekanntlich Arbeit und soziale Sicherheit. So müssen Nachunternehmer künftig erst auf Anforderung genannt werden, also dann, wenn reale Chancen zur Erlangung des Auftrages bestehen. Andererseits legen wir hier eine klare Rechtsfolge fest, gegebenenfalls Auftragsverlust, wenn die Benennung auf Anforderung nicht fristgemäß erfolgt. Das ist eine klare Erhöhung der Rechtssicherheit für die öffentlichen Auftraggeber.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Beim Nachweis der Eignung des Bieters orientieren wir uns wiederum am Maßstab der Zweckmäßigkeit. Vom Bieter sind nur Unterlagen abzufordern, die durch den Auftrag notwendig werden. Obwohl wir der Präqualifizierung wegen der leichteren Prüfbarkeit durch die Vergabestellen den Vorzug geben, behalten wir auch die Möglichkeit der Einzelnachweise bei, wieder zugunsten der kleinen Unternehmen.

Gleiches gilt für den Verzicht auf die Gewährleistungsbürgschaften bei Auftragswerten unter 250 000 Euro. Die bisher gewonnenen Erfahrungen, die äußerst seltene Inanspruchnahme in der Praxis und die andererseits hohe finanzielle und bürokratische Last für unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen, die meist an Eigenkapitalschwäche leiden, rechtfertigen diese Harmonisierung zum Bundesrecht eindeutig.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Einen ganz besonderen Wert stellt aus meiner Sicht der § 8 unseres Gesetzentwurfes dar. Hier vollzieht sich ein Quantensprung hinsichtlich der Transparenz und der Rechtssicherheit. Wir kommen hier einer seit langer Zeit zu Recht erhobenen und bundesweit diskutierten Forderung der Auftragnehmer nach einem verbesserten Rechtsschutz im sogenannten Unterschwellenbereich nach.

Die Beanstandungsgrenze ebenso wie die von uns eingeführte Verpflichtung zur Information bei Aufhebung eines

Angebotes liegt künftig schon bei Auftragswerten über 75 000 bzw. 50 000 Euro. Das kommt den Unternehmen entgegen und hält den Mehraufwand für die Vergabestellen in vertretbaren Grenzen, wie uns erfahrene Verwaltungspraktiker versicherten.

Eine ebenso fundamentale Neuerung stellt die Schaffung der zentralen Nachprüfbehörde dar, die sich im Oberschwellenbereich bereits bewährt hat. Sie schafft die Voraussetzungen für hoch qualitative, einheitliche und vergleichbare Entscheidungen. Die Zusammenführung in einer Behörde schafft zudem bessere Voraussetzungen zur Professionalisierung und Qualifizierung der Mitarbeiter. Die bisher zuständigen Kreisbehörden werden entsprechend entlastet.

An dieser Stelle möchte ich mich auf das Herzlichste bei allen Sachverständigen und Beratern bedanken, die mit hohem Engagement, großem Fachwissen und durch ihre praktischen Erfahrungen das Entstehen und die Fortentwicklung dieses Gesetzentwurfes flankierten. Nicht zuletzt ihrer kritischen Lesart entspricht der von uns heute eingebrachte Änderungsantrag zum Wertungsschema, der eine Fehlinterpretation des § 6 hinsichtlich der Quantifizierung der Nachunternehmerleistungen ausschließen wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch einige Worte zu dem, was wir nicht in unser Gesetz geschrieben haben. In diesem Zusammenhang geht mein Dank auch an die Kollegen der Oppositionsfraktionen für die meist sehr konstruktive Diskussion im Ausschuss und in öffentlichen Foren, die trotz programmatischer Unterschiede eine sachorientierte Auseinandersetzung ermöglichte.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben keinen Bezug auf Fragen der Entlohnung genommen, jedenfalls keinen, der über bisher geltendes Bundesrecht hinausgeht. Dieser Verzicht ist vollkommen ideologiefrei. Er stellt keine Positionierung zur Einführung oder Nichteinführung von Mindestlöhnen oder Lohnuntergrenzen dar, schon gar nicht zu deren Höhe oder Ausgestaltung.

Wir haben darauf verzichtet, weil wir – wie die weit überwiegende Mehrheit aller am Vergabeverfahren Beteiligten sowohl im öffentlichen Bereich als auch in der Wirtschaft – die Auffassung teilen, dass Lohn- und Sozialpolitik eben doch vergabefremde Kriterien sind.

(Zuruf des Abg. Miro Jennerjahn, GRÜNE)

Soziale Problemstellungen müssen auch im Arbeits- und Sozialrecht gelöst werden.

(Zuruf des Abg. Miro Jennerjahn, GRÜNE)

Das ist ideologiefrei. – Hier wird der Bundesgesetzgeber in naher Zukunft seine Hausaufgaben zu machen haben. Wir können es uns letzten Endes überhaupt nicht leisten, in einem solch wichtigen Bereich wie der Vergabe öffentlichen Geldes Stellvertreterkriege zu führen. Das wäre ungefähr so, als würden wir in der Straßenverkehrszulassungsordnung aufnehmen, dass nur noch Lkws

zugelassen werden dürfen, deren Fahrer einen von uns bestimmten Mindestlohn erhalten. Liebe Kollegen, solche Hilfskonstruktionen sind letztendlich sogar feige. Sie würden uns der Verpflichtung entheben, die Probleme genau dort zu lösen, wo sie entstehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben auch darauf verzichtet, ein ökologisches bzw. Fair Trade bestimmtes Regelwerk in unser Gesetz aufzunehmen. Ich glaube, dass wir uns in diesem Haus fast alle darüber einig sind, dass es unsere höchste Aufgabe ist, an einer besseren zukünftigen Welt zu arbeiten. Wir sollten es aber so tun, dass wir die Schritte, die zu ihrer irdischen und gegenwärtigen Verwaltung notwendig sind, auch noch gehen können.

(Michael Weichert, GRÜNE: Damit es niemandem wehtut! – Heiterkeit bei der SPD)

Ich möchte noch stellvertretend an die Worte des Gutachters Herrn Nelleßen erinnern, der vollkommen zu Recht darauf hinwies, dass es weder einem mittelständischen Unternehmer noch dem Mitarbeiter einer kommunalen sächsischen Vergabestelle möglich sein dürfte, die Umwelt- und Arbeitsbedingungen umfassend einzuschätzen, unter denen das Öl gefördert wurde, das im Bitumen für unsere Straßen steckt oder das zu Sprit für unsere Schulbusse raffiniert wurde.

Liebe Kollegen! Das ist keine Stellungnahme gegen fairen Handel oder ökologisches Bauen. Die Forderung nach höchster Wirtschaftlichkeit impliziert heute ohnehin die Beachtung ökologischer Erfordernisse. Ein verantwortungsvoller und kompetenter Bauherr wird heute, wenn er die Steuergelder verantwortungsbewusst einsetzt, selbstverständlich energetische und andere Umweltstandards vor Augen haben.

Es sei denn, er baut vielleicht ein neues Museum in Leipzig. Dort hat man nicht so darauf geschaut und mit dem neuen Bildermuseum die größte Energieschleuder der Neuzeit hingestellt. Selbst das Renaissancerathaus von Hieronymus Lotter, Baujahr 1556, gleich nebenan dürfte wohl über eine bessere Energiebilanz verfügen. Aber glauben Sie mir, das Baudezernat Leipzigs ist keinesfalls konservativ dominiert. Zu solchen Einschätzungen braucht es einfach Fachwissen und Sachverstand, und beides können wir nicht gesetzlich dekretieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie um Zustimmung zu dem von uns vorgelegten Gesetzentwurf und schließe meine Ausführungen voller Überzeugung mit den gleichen Worten Jürgen Petzolds, mit denen ich sie begonnen habe: Die CDU-Fraktion ist der festen Meinung, dass das Gesetz unserer mittelständischen Wirtschaft das Rückgrat stärken und den Vergabestellen im kommunalen und staatlichen Bereich mehr Rechtssicherheit geben wird.

Recht vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Pohle. – Jetzt die FDP-Fraktion; Herr Abg. Hauschild.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem mein geschätzter Kollege Ronald Pohle detailliert auf die einzelnen Punkte des neuen Sächsischen Vergabegesetzes eingegangen ist, möchte ich auf die Punkte eingehen, die mir als praktizierendem Handwerker und Verantwortung tragendem Stadtrat besonders am Herzen liegen.

Nach langer und gründlicher Vorbereitung konnten wir Ihnen ein extrem schlankes und trotzdem prägnantes und wegweisendes Gesetz vorlegen. Mit Mut zur unkomplizierten Einfachheit haben wir ein Gesetz geschaffen, das sowohl der einfache Handwerker und Dienstleister als auch der ungeübte Verwaltungsmitarbeiter einer kleineren Gemeinde fehlerfrei anwenden kann.

Mein Ziel war es, dass ebendiese Handwerker, Dienstleister und Verwaltungsmitarbeiter mit dem Gesetz Freude haben und genau nicht die Anwälte. Dies ist uns gelungen. Nur neun Paragrafen sind nach dem Inkrafttreten noch übrig, und die kann wirklich jeder kennen.

Als Handwerksmeister liegt mein besonderes Augenmerk auf der Einfachheit der bürokratischen Aufwendungen und der hohen Qualität der zu erbringenden Leistungen. Durch die Bestimmung, dass grundsätzlich Eigenerklärungen bei der Angebotsabgabe ausreichen, sind jetzt noch mögliche Formfehler und damit der Ausschluss vom Bieterverfahren deutlich reduziert worden. Das hilft sowohl den Bietern als auch der Verwaltung, die nun Unmengen von Formularen weniger kontrollieren muss. So funktioniert das mit dem Bürokratieabbau.

Wir alle wollen höchste Qualität als Ergebnis eines Auftrages. Da hilft es wenig, die Preise zum Beispiel durch politische Mindestlöhne festzulegen oder Auflagen zu erfinden, die zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe gar nicht tatsächlich kontrollierbar sind, da sie erst beim Erfüllen des Auftrages eintreten.

In den Diskussionen während der Erarbeitung des Gesetzes kam immer wieder das Beispiel des schadhaften Daches der Dresdner Eissporthalle zur Sprache. Auch in einem Artikel in einer heutigen Tageszeitung ist es wieder so. Dort steht, dass der Einsatz anderen Materials die Ursache war. Wenn Mindestlöhne irgendeinen Zusammenhang mit Qualität hätten, wie passt denn dann der gültige gesetzliche Dachdeckermindestlohn von 11 Euro mit der Forderung der Opposition von 8,50 Euro zusammen? Dann müssten doch eher 15 Euro gefordert werden, oder alle Dächer würden nur mit Glück halten.