Protokoll der Sitzung vom 30.01.2013

In den Diskussionen während der Erarbeitung des Gesetzes kam immer wieder das Beispiel des schadhaften Daches der Dresdner Eissporthalle zur Sprache. Auch in einem Artikel in einer heutigen Tageszeitung ist es wieder so. Dort steht, dass der Einsatz anderen Materials die Ursache war. Wenn Mindestlöhne irgendeinen Zusammenhang mit Qualität hätten, wie passt denn dann der gültige gesetzliche Dachdeckermindestlohn von 11 Euro mit der Forderung der Opposition von 8,50 Euro zusammen? Dann müssten doch eher 15 Euro gefordert werden, oder alle Dächer würden nur mit Glück halten.

Unsere Lösungen für höchste Qualität sind gute Planer, gute Auftragnehmer und eine fundierte Vergabe. Das schaffen Sie nicht durch Gesetzeskraft allein, sondern nur durch Erfahrung, Verlässlichkeit und Vertrauen in alle Beteiligten. Wir schaffen Freiheit, damit nicht sklavisch nach jedem Paragrafen geschielt wird, sondern die eige

nen Erfahrungen der Bauämter wieder im Vordergrund stehen.

Deshalb haben wir uns auch ganz bewusst dafür entschieden, Planungsbüros künftig nicht mehr im Vergabegesetz zu regulieren – sie sind schon durch die HOAI reglementiert, und ihre Beauftragung muss nun nach ihren speziellen Stärken erfolgen und nicht nach Paragrafen.

Wir wollen die Qualität auch dadurch steigern, dass sich schwarze Schafe nicht auf den bisher üblichen Preiskrieg zurückziehen können. Durch die Einschränkung, dass Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften erst ab 250 000 Euro gefordert werden dürfen, wird die Qualität der Ausführung immer wichtiger werden, denn nun wird die vergebende Stelle es sich dreimal überlegen, ob sie den Bieter nimmt, der schon immer nachgebessert hat und der billigste von seinen Mitbewerbern war, oder ob sie dann wirklich den nimmt, der keine Nachbesserung braucht.

(Karl-Friedrich Zais, DIE LINKE: Das ist pure Lobby!)

Ja, das ist Lobby, ja, wir sind Lobbyisten für Qualität. Das stimmt.

Das ist ein handfester Anreiz für qualitativ hochwertige Ausschreibungen und eine immens wichtige Entlastung vor allem für kleine sächsische Handwerksbetriebe und ein wichtiges Argument für die Gemeinderäte, nach Qualität zu vergeben und nicht vordergründig nach dem Angebotspreis.

Ich möchte aber ganz klar sagen: Der Bieter mit dem niedrigsten Preis ist nicht automatisch ein Ausbeuter, ein Leuteschinder, ein Nachtragssozialkassenbetrüger.

(Karl-Friedrich Zais, DIE LINKE: Das sagt doch gar keiner!)

Ich selbst bin ab und an der Bieter mit dem niedrigsten Preis mit meiner Firma, vor allem dann, wenn wir zum Beispiel im Ausland tätig sind. Trotzdem bin ich stolz auf die Qualität und Verlässlichkeit, die unser Team in meiner 15-jährigen selbstständigen Tätigkeit erfolgreich bei jedem einzelnen Auftrag abliefern konnte.

(Beifall bei der FDP)

Das neue Vergabegesetz ist unbürokratisch, da es keine vergabeunabhängigen Kriterien bei der Vergabe vorschreibt. Vergabeunabhängige Auflagen, zum Beispiel überzogene Ökostandards oder die schon beschriebenen politischen Mindestlöhne, sind nicht vorgeschrieben.

Neue Vergabegesetze in anderen Bundesländern machen die Rechtsanwendung immer komplizierter, indem sie sachfremde, gesellschaftspolitische, soziale und ökologische Standards verpflichtend vorschreiben. Unser Gesetzentwurf konzentriert sich auf die wesentlichen Regelungen für Auftraggeber und Bieter und einen rechtssicheren Vergabeprozess. Falls doch eine Vergabestelle, beispielsweise eine Kommune, auftragsbezogen auf bestimmte ökologische Standards Wert legt, ist dies auch möglich. Es

ist eben nur nicht landesrechtlich vorgeschrieben. Hier lassen wir den vergebenden Stellen freie Hand.

Wir haben Ihnen hier ein Gesetz vorgelegt, das würdig in die Fußstapfen des bisherigen Gesetzes, das ja anerkanntermaßen eines der besten Vergabegesetze Deutschlands ist, treten wird. Es wird zu schnellen, rechtssicheren und fairen Vergaben führen. Ich bitte um Ihre Stimme dafür.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Nun die Fraktion DIE LINKE. Herr Abg. Zais, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich habe das erste Mal eine Überschrift für meinen heutigen Redebeitrag gewählt.

(Beifall bei der SPD)

Ich will es Ihnen nicht verheimlichen: „Sachsens schwarz-gelbe Koalition wählt wieder und wieder die rote Laterne“. Das Geschrei um Lohnuntergrenzen auch in der sächsischen CDU – jeder erinnert sich noch – verblasst sofort, wenn es konkret wird. In einer Zeit, da in Europa durch die Finanzkrise heftige Auseinandersetzungen anstehen, merken die Bürger, dass sie die Zeche der Finanzspekulationen zahlen werden. Das erzeugt natürlich einen Ruck an Mindestsolidarität, Entschlossenheit, und nicht wehrlos alles über sich ergehen zu lassen.

180 000 Neueintritte in die IG Metall, und das in einem Jahr, mehr als GRÜNE und FDP Parteimitglieder haben, berichtet die IG Metall stolz. Das sind natürlich klare Botschaften für die bevorstehenden Tarifverhandlungen. Die Tarifverträge laufen Ende April aus. Die Forderungen nach 6,5 % Lohnsteigerung in der Energiewirtschaft und die gegenwärtig laufenden Urabstimmungen zum Streik unterstreichen die Entschlossenheit vieler Beschäftigter.

Selbst in der Abfallwirtschaft gibt es einen neuen Mindestlohn: 8,62 Euro. Diese niedrige Lohnuntergrenze kommt natürlich aus dem Bundeskabinett, zeigt aber auch, dass Frau von der Leyen weiß, was die politische Situation erfordert.

Schließlich signalisiert die Bundes-CDU nach der Niedersachsenwahl Gesprächsbereitschaft für die Einführung eines Mindestlohnes, wenn es auch noch leise klingt. Die Mehrheiten im Bundesrat zwingen die CDU, sich im Wahljahr zu bewegen. Die Dinge kommen voran, wenn auch langsam. Ganz in diesem Sinne haben die Oppositionsparteien im Mai 2012 zwei Gesetzentwürfe eingebracht, die bei der Vergabe öffentlicher Aufträge soziale und ökologische Kriterien verbindlich berücksichtigen. Ja, ich betone, soziale und ökologische Kriterien. Das ist Absicht und bleibt auch eine Chance für die Zukunft in Sachsen.

(Beifall bei den LINKEN)

Gemeinsam mit dem sächsischen DGB wurde eine in Sachsen allseits bekannte Kampagne unter dem Titel

„Billig kommt teurer" – damit stehen unsere Gesetzentwürfe den Ihren entgegen – ins Leben gerufen. Viele Bürger zu erreichen war das Ziel, und es ist gelungen. Diese Bewegung wird heute nicht zu Ende sein, Herr Hauschild und Herr Pohle. Sie heißt ab heute „Wir lassen nicht locker!“, und wir werden die Wahljahre 2013 und 2014 mit diesem Thema begleiten.

In zahlreichen europäischen Ländern müssen sich Unternehmen, die öffentliche Aufträge erhalten, verpflichten, Tarifstandards und Mindestlöhne einzuhalten. Hervorzuheben sind die skandinavischen Länder, aber auch England. Dort gibt es eine Bewegung, bei der der Nachweis der Einhaltung lokaler Mindestlöhne durch die Unternehmen erbracht werden muss.

Nun frage ich Sie, meine Damen und Herren Koalitionäre: Mit welchen politischen Intentionen oder Erwartungen rennen Sie heute mit offenen Augen so hart an diese politische Wand. Glauben Sie wirklich noch, diese europaweite Entwicklung aufhalten zu können? Ihre heutige Gesetzesverabschiedung wird den Druck erhöhen, öffentliche Aufträge gesetzlich fair zu regeln. Nein, meine Damen und Herren, wir werden Sie in den nächsten Sitzungen des Landtages schon wieder zur Rede stellen. Dieses Thema wird öffentlichkeitswirksam bis zum Erfolg auf der Tagesordnung bleiben.

Die Zeit ist reif für Tariftreue, Herr Ministerpräsident, und Mindestlöhne in Deutschland. Das haben Sie ja auch durch Ihr Interview zum Ausdruck gebracht, wenn Sie sich auch vor der kleineren Partei so zögerlich zurückziehen.

(Ministerpräsident Stanislaw Tillich: Ich habe von einer Lohnuntergrenze gesprochen!)

Ja, das habe ich am Anfang gesagt. Den Unterschied von Lohnuntergrenze und Mindestlohn erklären Sie mir bitte einmal beim Bier.

Neben Sachsen werden nur noch Bayern und Hessen, Herr Tillich, nichts gegen Lohndumping unternehmen. Die Front bröckelt, einzig die FDP hält noch irgendwie die Entwicklung auf. Ich sage Ihnen schon vor der Beschlussfassung, dass Ihr heutiges Vergabegesetz nur eine kurze politische Lebensdauer haben wird.

Was ist nun an Ihrem Gesetz weiter kritisch zu vermerken? Ich bin ehrlich, stelle es voran und will es nicht leugnen: Kollege Pohle und Kollege Hauschild haben sich angestrengt, um wenigstens zu erreichen, dass das wirtschaftlichste und nicht das billigste Angebot in Sachsen den Zuschlag erhält. Ich meine, dass das misslungen ist. Dieser Gesetzentwurf bietet keinen wirklichen Rechtsschutz für den Wirtschaftlichsten, weil es generell für Bewerber und Bieter keinen primärrechtlichen Rechtsschutz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge unterhalb des EU-Schwellenwertes in der Bundesrepublik gibt.

Das ist Bundesangelegenheit. Deshalb, Herr Pohle und Herr Hauschild, haben Sie sich auf den Bund so zurückgezogen. Aber das ist falsch. Es ist aber wahr, dass es Bundesangelegenheit ist. Dort findet bekanntlich gar

nichts statt, obwohl es im Koalitionsvertrag des Bundes verankert ist. Es ist noch eine FDP- und CDUGrablegung. Ergo verliert jede Kommune, Herr Pohle, Herr Hauschild, eine gerichtliche Auseinandersetzung, wählt sie nach Ihrem Gesetzestext das wirtschaftlichste Angebot.

Warum sollen nun die Kommunen den Schwarzen Peter übernehmen? Sie haben keine Antwort darauf, da auch der Städtetag in der Anhörung diese Forderung nicht erhoben bzw. Sie darüber aufgeklärt hat. Von den Baulobbyisten als Sachverständige ganz zu schweigen. Ihre Absicht, liebe Kollegen, wird nicht mit Leben erfüllt, da die Wirtschaftlichkeitskriterien meist – aufgrund ihrer Streitigkeiten vor Gericht – in den Kommunen vernachlässigt werden.

Wir, die Opposition, haben Wirtschaftskriterien – und die stehen nicht in der Anlage, die stehen im Gesetz. Das ist der Tarif oder der Mindestlohn. Beide stehen für einen fairen, transparenten Wettbewerb von Bietern und Bewerbern. Dieses Kriterium ist leicht kontrollierbar und auch leicht einklagbar. Sie müssen es nur zum Gesetz erheben. Sie eiern wie immer herum, füllen das Gesetz mit schönen Worten – Beispiele: schwere Verfehlungen, unzutreffende Erklärungen. Klagen Sie das doch mal ein als Stadtrat, Herr Hauschild, wenn es gar keine verbindlichen Erklärungen gibt, die unterschrieben werden. Das ist doch einfach die Wahrheit in den Kommunen. Lesen Sie den Bericht des Rechnungshofes.

Zweitens. Sie geben den Kommunen nicht einmal mehr die Möglichkeit, bei Pfusch am Bau Regressansprüche geltend zu machen. Sie, Herr Hauschild, übertreiben ja noch und sagen, derjenige, der die Aufträge ausschreibt, wird sich genau überlegen, weil wir die Sicherheitsleistungen nicht mehr im Gesetz haben, ob er demjenigen oder demjenigen den Auftrag gibt. Sie schieben die Verantwortung auf die Kommune. Auf jeden Fall hat die Kommune durch den Wegfall der Sicherheitsleistung nun kein wirksames Mittel mehr, Vertragstreue zu erzwingen.

Herr Zais, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Bitte, Herr Hauschild.

Herr Zais, Sie haben in unserem Gesetzentwurf gelesen, dass wir die Rechtsmittel des Regressanspruches abgeschafft haben. Mich würde interessieren, auf welcher Seite, auf welcher Zeile Sie das gelesen haben, dass es nicht möglich sei, Regress zu fordern.

Der zweite Teil der Frage dazu: Sind Sie wirklich der Meinung, dass alle Unternehmer, alle Handwerker, alle Dienstleister nur darauf bedacht sind, schlechte Leistungen und Mängel zu produzieren?

Zum letzten Teil sage ich Nein. Das ist eine Unterstellung; das habe ich nicht gesagt.

Das Erste, die Sicherheitsleistung, haben Sie weggenommen. Erst über 250 000 Euro sind die Sicherheitsleistungen wieder zu verlangen. Bei den kleinen Handwerkern habe ich Verständnis, dass sie diese hohen Leistungen, diese Bürgschaften schlecht bringen können. Lassen wir sie aber generell weg, dann ist es so, dass im Bau – dazu komme ich gleich noch – natürlich Streitigkeiten entstehen, und es endet derzeit, weil dieses Druckmittel da ist, mit einem Vergleich bei fehlerhafter Ausführung. Habe ich die nicht als Kommune, dann muss ich klagen, dann muss ich Regressansprüche über Gericht einholen. Dann hat der Bauunternehmer seine Versicherung – das interessiert ihn gar nicht, das macht seine Versicherung, dafür zahlt er sie. Die Kommune bleibt auf dem Pfusch sitzen.

Herr Hauschild, Sie wissen praktisch, wie es läuft, weil Sie ein Mann sind, der solche Aufträge ausführt. Aber damit wird es eigentlich schwerer für die Kommunen. Die Architektenkammer Sachsen hat es uns schwarz auf weiß gegeben, –

Herr Zais, die Anfrage ist beantwortet?

– Ja. – Wörtlich, etwas verkürzt, heißt es dort, dass Bauunternehmen nicht immer ihren Leistungsverpflichtungen nachkommen. Hier muss es ein Instrument zur Erzwingung der Vertragstreue geben. Ansonsten wird der Fehlentwicklung weiter Vorschub geleistet. Wo gebaut wird, gibt es Streit über Verantwortung von Bauunternehmen und Architekten – auch das weiß ich. Ja, sage ich auf solche Erwiderungen. Aber Ihre einseitige Gesetzgebung, Herr Hauschild, für die Baulobby stinkt auf jeder Seite dieses Gesetzes. Das kann den Freistaat viel Geld kosten.

Weitere Mängel sind der hohe Schwellenwert von 25 000 Euro – bis zu dieser Grenze müssen nicht einmal hausrechtliche Kriterien eingehalten werden; die Vergabe kann jetzt nach Gutdünken durchgeführt werden –,