Protokoll der Sitzung vom 30.01.2013

(Michael Weichert, GRÜNE: … nach Gutsherrenart! – Uta Windisch, CDU: So ein Quatsch!)

keine Öffentlichkeit bei der Vergabe, kaum eine Kontrolle, weil keine Leute in den Kommunen vorhanden sind. Schauen Sie doch den Bericht des Rechnungshofes an. Da wird Tür und Tor für das Heuern und Feuern bei öffentlichen Aufträgen geöffnet. Subunternehmen und Dumpinglöhne werden noch zahlreicher.

(Zuruf des Abg. Mike Hauschild, FDP)

Billig, Herr Hauschild, ist für Sie weiterhin wirtschaftlich. Der niedrigste Preis kommt zum Zuge. Baumängel zahlt der Steuerzahler

(Uta Windisch, CDU: So ein Blödsinn!)

bei einem geschätzten Aufkommen von öffentlichen Aufträgen von mindestens 15 % des Bruttoinlandsprodukts in Sachsen.

Lohnt es sich da nicht, eine Vorbildrolle einzunehmen, auch wenn es ökonomisch den Freistaat mehr Geld kostet? Wie sagte jüngst der Unternehmer Christian Michel anlässlich seiner Auszeichnung – das ist etwas für Sie, Herr Tillich –:

(Ministerpräsident Stanislaw Tillich: Ja!)

Er möchte mit seinem Unternehmen so eine Art Leuchtturm für soziale Gerechtigkeit sein. Er zahlt Löhne, von denen seine Angestellten leben können. Die Presse kann durch gute Einzelbeispiele Vorbilder für ein besseres Sachsen bekannt machen, während die Politik von CDU und FDP knallhart die Interessen Tausender Beschäftigter mit Füßen tritt.

Deshalb an die Medien – jetzt sind sie weg, da haben Sie wieder Glück als Koalition – die Bitte, nicht zu schreiben: Heute hat der Landtag ein Vergabegesetz beschlossen. Bleiben Sie bitte bei der Wahrheit. Berichten Sie bitte, die Koalition von CDU und FDP hat Lohndumping keine Abfuhr erteilt.

(Oh-Rufe von der CDU)

Für mich wurde eine Chance, soziale und ökologische Kriterien aufzunehmen, wieder verpasst. Lohndumping bestimmt so weiterhin die sächsische Wirtschaft. Sächsische Politik bleibt für junge Menschen weiterhin ein Auswanderungsgrund.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei der NPD – Zuruf der Abg. Uta Windisch, CDU)

Das war Herr Zais für die Fraktion DIE LINKE. – Nun die SPD-Fraktion. Herr Abg. Brangs, Sie haben das Wort; bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man hat natürlich das Problem, wenn man bei einer solchen Debatte als dritter bzw. sogar vierter Redner auftritt, dass vieles schon gesagt worden ist.

(Frank Heidan, CDU: Dann kann man es kürzer machen!)

Dennoch möchte ich es noch einmal auf den Punkt bringen, dass hier eine große Chance vertan worden ist, ein deutliches Signal an die Menschen in Sachsen zu senden, dass wir überall dort, wo öffentliche Vergabe stattfindet – da, wo Steuermittel eingesetzt werden –, Wert darauf legen, dass sie zu fairen, zu sozialen Bedingungen stattfindet und dass wir nicht wollen, dass es auf Dumpinglohn hinausläuft und ausschließlich das billigste Angebot den Zuschlag bekommt.

(Befall bei der SPD)

Genau diese Chance haben Sie verpasst. Es ist eben kein modernes, sondern ein antiquiertes, verstaubtes Vergabe

gesetz. 13 Länder haben sich auf den Weg gemacht – Sachsen ist wieder einmal nicht dabei. Aber ich weiß natürlich, dass es innerhalb der Koalition dazu Debatten gegeben hat, zum Beispiel beim Thema – die einen sagen Lohnuntergrenze, die anderen sagen Mindestlohn. Im Kern geht es darum, dass man Mindeststandards beschreibt, unter die man bei einer Vergabe nicht gehen will. Am Ende hat es nicht gereicht, dass man sich darauf verständigen konnte – auch das ist eine vergebene Chance.

Es geht darum, zu benennen, wo die Probleme liegen. Sie liegen darin – am Beispiel der Vergabe unserer Polizeiuniformen –: Wir haben in Sachsen die Neuanschaffung von Polizeiuniformen ausgeschrieben. Und wer hat den Zuschlag bekommen? Ein Textilunternehmen aus Mazedonien. Die Näherin in diesem Textilunternehmen erhält umgerechnet einen monatlichen Lohn von 101 Euro.

Wenn das die Antwort von Schwarz-Gelb darauf ist, dass wir hier Menschen im Land halten wollen, dass wir wettbewerbsfähige mittelständische Unternehmen haben wollen, die auch bei einer solchen Vergabe eine Chance haben, dann ist das ein Armutszeugnis.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und der NPD)

Für meine Begriffe ist es ein Skandal, dass Sie sagen, das ist ein Teil der freien Marktwirtschaft; es soll sich derjenige bewerben, der es kann, und wenn es über den Preis läuft, dann ist es nun einmal so. So ist es nicht. Wir kennen die Vergabe, wir wissen, dass Vergabe transparent sein muss. Wir wissen auch, dass sie bestimmten Standards unterliegt. Aber wir wissen auch, dass es viele, viele Beispiele gibt – auch in Sachsen –, dass teilweise Landkreise dazu übergehen zu sagen, wir formulieren in unserer Ausschreibung zum Beispiel tarifliche Standards.

(Mike Hauschild, FDP, steht am Mikrofon.)

Ich weiß, dass Kreistagsfraktionen darüber diskutieren: Wenn das Land es allein nicht schafft, dann müssen wir es eben machen. Es ist eine vergebene Chance und ein vollkommen falsches Signal an die Menschen in Sachsen, das Sie hier aussenden.

(Beifall bei der SPD)

Herr Brangs, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Herr Hauschild, bitte.

Herr Brangs, ist Ihnen bekannt, dass das Sächsische Vergabegesetz nur bis zu einem Schwellenwert von 200 000 Euro für Liefer- und Dienstleistungsaufträge gilt, dass die Uniformen selbstverständlich mehr als 200 000 Euro wert waren und der Auftrag deswegen nicht nach dem Sächsischen Vergabegesetz vergeben wurde?

Ja, das ist mir bekannt. Und was heißt das für Sie?

Das heißt, dass unser Vergabegesetz in dem von Ihnen geschilderten Fall gar nicht Anwendung gefunden hat. Unser gutes Vergabegesetz ist also insoweit nicht zu kritisieren.

Das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass Sie in der politischen Verantwortung sind, auf diese Missstände zu reagieren. Eine Antwort geben Sie mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht. Sie versuchen gerade, sich mit dem Hinweis auf die Vergabehöhe herauszureden. Genau mit der Frage, die Sie gestellt haben, verdeutlichen Sie das eigentliche Problem, dem Sie sich nicht stellen.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN – Mike Hauschild, FDP: Das ist Bundesrecht! Das können wir gar nicht ändern!)

Es geht nicht darum, ob das Bundesrecht ist, sondern es geht darum, dass Sie die Chance gehabt hätten, für sächsische Vergaben eine Vorbildfunktion wahrzunehmen, aber darauf verzichten Sie. Sie hätten die Chance gehabt, Vergaben in Sachsen an Sozial- und Tarifstandards zu orientieren. Gerade bei öffentlichen Vergaben dürfen Dumpinglöhne nicht Einzug halten, und soziale Mindeststandards müssen eingehalten werden. Auf entsprechende Regelungen verzichten Sie jedoch in Ihrem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Am Ende bleibt mir der Hinweis: Ich bin frohen Mutes, dass in diesem Land in absehbarerer Zeit andere Mehrheitsverhältnisse dafür sorgen werden, dass das, was uns die Menschen auf den Marktplätzen im Rahmen der Kampagne des DGB „Billig kommt teurer!“ als Forderung mit auf den Weg gegeben haben, Wirklichkeit wird. Ich habe im vergangenen halben Jahr auf den Plätzen mit vielen Menschen – auch mit vielen Unternehmern – gesprochen, die gesagt haben: Es ist ein Skandal, dass zu diesen Bedingungen ausgeschrieben wird. Wir wollen, dass es endlich ein anderes Vergabegesetz gibt. Macht euch auf den Weg und bringt in diesen Landtag einen Gesetzentwurf ein, der wirklich die Bezeichnung „modernes Vergabegesetz“ verdient!

Das werden wir tun. Wir haben einen Gesetzentwurf erarbeitet und werden darüber in einer der nächsten Plenarsitzungen debattieren. Wenn Sie sich dann immer noch ablehnend verhalten sollten – wovon ich leider ausgehen muss –, werden wir es zum Thema der Landtagswahl machen. Wir werden sehen, wie eine neue Regierung sich dazu verhalten wird.

Ich sage Ihnen: Das, was Sie uns vorlegt haben, ist ein Gesetz, das eigentlich schon mit der Verabschiedung auf den Haufen der Geschichte geworfen werden müsste. Denn es gibt auf die Herausforderungen, die wir zu bewältigen haben, keine Antwort. Es ist kein modernes Vergabegesetz und gibt uns kein vernünftiges Signal. Ich

hoffe, dass wir in absehbarer Zeit auch in Sachsen die Vergaben so regeln, wie es in 13 anderen Bundesländern bereits der Fall ist. Das ist ein richtiges Signal, das brauchen wir.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Nun bitte die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Abg. Weichert, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier haben wir wieder ein typisches Beispiel dafür, wie man Gesetze nicht mehr machen sollte. Alles begann mit dem schwarz-gelben Koalitionsvertrag in Sachsen. Dort hielten die – damals noch Traum- – Koalitionäre fest, dass das inzwischen total veraltete Sächsische Vergabegesetz auf die Anwendbarkeit der von der EU 2004 vorgegebenen und durch den Europäischen Gerichtshof 2008 höchstrichterlich bestätigten neuen Kriterien zu prüfen sei. Diese europäischen Richtlinien gestatten es öffentlichen Vergabestellen, ökologische und soziale Aspekte bei Beschaffungen, Lieferungen und Investitionen zu berücksichtigen.

Sowohl die Bundesebene als auch die Mehrzahl der Bundesländer haben inzwischen ihre Vergaberegelungen an die europäischen Normen angepasst und damit ihre Vergabegesetze modernisiert. Längst hat es sich nämlich herumgesprochen, dass die Berücksichtigung ökologischer und sozialer Standards unter dem Strich bei volkswirtschaftlicher Betrachtung die wirtschaftlichste und die nachhaltigste Form des öffentlichen Bauens, Beschaffens und Einkaufens ist. Der sicherste Weg zur Nachhaltigkeit sind die Lebenszyklusbetrachtung, die Lebenszykluskostenbetrachtung und die Einhaltung von Tariflohn oder, wo noch nicht vereinbart, von Mindestlohn für die Leistungserbringer.

Meine Damen und Herren! Da bis heute, drei Jahre nach Inkrafttreten des Koalitionsvertrages, von der angekündigten Prüfung nichts zu merken war – aus dem Ministerium waren sogar Sätze zu hören wie: „Das fassen wir in dieser Legislatur nicht mehr an!“ –, machten sich die demokratischen Oppositionsfraktionen an die Arbeit. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie anschließend SPD und Linksfraktion erarbeiteten Gesetzentwürfe, die die EU-Richtlinien umsetzen und das sächsische Vergabewesen modernisieren würden.

Meine Damen und Herren! Da es sich hierbei um die Umsetzung von europäischen Vorgaben handelt – es geht nicht um parteiprogramminduzierte Ideologie –, hätte die Koalition sich mit dem einen oder anderen Änderungsantrag an dieser Debatte beteiligen können, und wir hätten heute gemeinsam ein Vergabegesetz beschließen können, das modern, europäisch, nachhaltig und vor allen Dingen gut für Sachsen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Stattdessen hat man in den zuständigen Arbeitskreisen der Koalition fix die heiße Nadel genommen und das bis jetzt gültige Vergabegesetz – Kollege Pohle hat es schon als „in die Jahre gekommen“ qualifiziert – etwas entschlackt, man hat Freibeträge nach oben gesetzt und – nach eigenen Angaben – „auf den Zwang zu jeglichen sachfremden gesellschaftspolitischen, sozialen und ökologischen