Protokoll der Sitzung vom 30.01.2013

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das war die Reaktion auf eine Kurzintervention.

Das Schlusswort hat jetzt Kollege Dulig für die einbringende Fraktion der SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Art und Weise der Auseinandersetzung macht mich wütend und ärgerlich, weil es Ihnen, Herr Morlok, wichtiger ist, die Schuldfrage zu klären. Wissen Sie, ich habe kein Problem damit, Kritik anzunehmen. Ich habe auch kein Problem damit, über Versäumnisse, die da vielleicht in der damaligen rotgrünen Bundesregierung passiert sind, zu reden und einzugestehen, dass man aus Fehlern lernen muss. Nur dass Sie sich hier hinstellen und mit dem Finger auf andere zeigen, anstatt den Leuten zu sagen, wie Sie es machen, ist keine richtige Antwort. Die ganze Auseinandersetzung vonseiten Schwarz-Gelb läuft unter dem Motto „Viel Lärm um nichts“. Sie tun so, als würde es kein Problem geben. Es ist alles in Butter, alles geregelt. Das zeigt Ihre Ignoranz vor den Problemen der Leute, die nun wirklich mit dem Bahnlärm beschäftigt sind und für die das keine Bagatelle ist.

(Beifall des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Reden Sie doch mit Ihrem Nachbarn Geert Mackenroth, sprechen Sie mit dem Landtagspräsidenten Herrn Rößler. Als wir bei den Demonstranten waren, gab es auf einmal eine große Einheit, auch in den Instrumenten. Nur dann seien Sie hier ehrlich. Dann sagen Sie, Sie wollen den Antrag ablehnen, weil er von der SPD ist. Dann sagen Sie das. Ich bin mir nicht sicher, ob die Menschen Ihre Argu

mente verstehen, wenn sie Ihre Rede nachlesen. Sie haben eigentlich nur gesagt, dass alles in Ordnung ist und alles getan wird. Das hat mit der Realität nichts zu tun. Sie müssen Antworten geben auf die Herausforderungen, die vor der Tür liegen. Nehmen Sie doch einmal die Käseglocke über dem Landtag weg! Sie haben wirklich das Gefühl für die Probleme verloren. Das sind ganz handfeste Probleme und die Leute wollen nicht, dass wir darüber streiten, wer schuld ist.

Die wollen eine Lösung. Die meisten wissen doch, dass es keine kurzfristigen Lösungen gibt.

(Zurufe von der CDU)

Die Lösungen, die Sie anbieten, sind im Jahr 2020. Sie müssen umsteuern, damit die Lösungen schneller an den Tag gelegt werden. Vor allem müssen Sie verstehen, dass das keine nationale Sache ist. Gerade Sachsen als Grenzland muss das europäisch diskutieren. Nennen Sie mir doch einen Punkt, den Sie als überflüssig erachten. Ist es überflüssig, die Bahn aufzufordern, mehr zu investieren, sich auf europäischer Ebene für mehr Lärmschutz einzusetzen. Finden Sie das überflüssig? Also ich bin gespannt. Da spreche ich ganz bewusst die Leute an, die mit auf den Demonstrationen waren, wie sie sich heute verhalten.

(Zurufe von der CDU)

Denn die Menschen wollen konkrete Antworten. Sie wollen keine Ablenkungsmanöver, wie Sie sie heute veranstaltet haben.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das war das Schlusswort zum Antrag der SPD-Fraktion, meine Damen und Herren.

Ich stelle nun die Drucksache 5/10271 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist die Drucksache 5/10271 nicht beschlossen. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 9

Abschiebestopp von Roma, Ashkali und Balkan-Ägyptern

in die Staaten der Balkanhalbinsel

Drucksache 5/11064, Antrag der Fraktionen

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SPD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Außerdem hat der Ausländerbeauftragte, Herr Prof. Gillo, um das Wort gebeten. Ich schlage Ihnen vor, dass dies nach der ersten Runde der Fraktionen eingeordnet wird. Die Reihenfolge der ersten Runde ist wie folgt: GRÜNE, DIE LINKE, SPD, CDU, FDP, NPD, dann der Sächsische

Ausländerbeauftragte und anschließend die Staatsregierung.

Meine Damen und Herren, das Wort ergreift zunächst für die Fraktion der GRÜNEN Frau Kollegin Herrmann. Bitte, Frau Herrmann.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag fordern die Fraktionen GRÜNE, SPD und LINKE die Staatsregierung auf, umgehend die Abschiebung von Minderheiten in die Balkanländer einzustellen. Mit dem Antrag erkennen wir die katastrophalen, menschenunwürdigen Lebensbedingungen von Minderheitenangehörigen, insbesondere der Roma, Ashkali und Balkan-Ägypter, in diesen Staaten und damit die Diskriminierung dieser Menschen in ihren Heimatländern an.

Wir unterstützen damit auch das Anliegen des sächsischen Netzwerks „Asyl, Migration und Flucht“, dem wir für seine Initiative dankbar sind.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Unsere Forderung dient der Wahrung der Menschenwürde, zu deren Schutz wir verpflichtet sind. Ebenso sehen es übrigens die Regierungen von Schleswig-Holstein, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und

Rheinland-Pfalz, die ohne Not und ohne großes Gezeter ganz selbstverständlich einen Abschiebestopp über die Wintermonate ausgesprochen haben.

Die Zunahme der Zahl der Flüchtlinge als Asylmissbrauch zu diffamieren verkennt vor allem die Lage vor Ort. Angehörige der Roma, Ashkali und Balkan-Ägypter sind Opfer massiver Diskriminierung, die dazu führt, dass sie ihre Existenz nicht eigenständig bestreiten können. Damit sind ihre elementaren Lebenschancen faktisch verhindert. Zudem werden sie immer wieder zur Zielscheibe von Hass und rassistischer Gewalt, zum Teil auch durch die Staatsorgane, die sie eigentlich schützen sollten.

Ein Großteil der Roma lebt in sogenannten informellen Siedlungen, von denen in Serbien 30 % über keinen Zugang zu Trinkwasser und 70 % über keinen Anschluss an Abwasserentsorgungssysteme verfügen. Die serbische Regierung geht selbst davon aus, dass 270 000 Roma dort in gesundheitsgefährdenden Verhältnissen leben. In Mazedonien drückt sich die allumfassende Diskriminierung dadurch aus, dass 70 % aller Roma arbeitslos sind; das hat die Europäische Kommission festgestellt.

Insgesamt haben Kinder der Roma keinen gleichen Zugang zu Bildung und Gesundheitsleistungen. Nur das aber würde ihre Chancen verbessern. Romakinder gehen überproportional häufig in Sonderschulen, und ihr Zugang zu medizinischen Dienstleistungen ist eingeschränkt, weil sie sich Medikamente und Zuzahlungen nicht leisten können.

Im Winter, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird die Not noch stärker, weil Einkommensmöglichkeiten, zum Beispiel Saisonarbeit, fehlen und gleichzeitig die Kosten für Brennmaterial und Lebensmittel steigen. Ich könnte die Aufzählung noch wesentlich fortsetzen.

Meine Frage lautet allerdings, ob Sie sich vorstellen können, was direkt es für die Menschen bedeutet. Vielleicht haben manche noch erlebt, in unsanierten Altbauwohnungen zu DDR-Zeiten zu leben, und sich darüber zu

Recht aufgeregt. Und diese Situation ist gar nicht mit den Verhältnissen zu vergleichen, die die Angehörigen dieser Minderheiten in den Ländern der Balkanhalbinsel vorfinden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Leider führt die derzeitige Politik in Europa dazu, dass Flüchtlinge bei ihrer Rückkehr in diese Länder staatlichen Repressionen ausgesetzt sind und dafür abgestraft werden, dass sie es gewagt haben, einen Asylantrag zu stellen, damit das Ausland auf ihre Situation in den Herkunftsländern aufmerksam zu machen und zu Auseinandersetzungen mit genau dieser Diskussion zu zwingen. In Belgrad werden abgeschobene Asylbewerberinnen und Asylbewerber polizeilich vorgeladen, und zukünftig droht ihnen sogar Haft. In Mazedonien drohen der Entzug des Reisepasses und das Versagen der Sozialhilfe. Es führt eben nicht zum Erfolg, wenn die europäische Politik einzig das Ziel abnehmender Flüchtlingszahlen verfolgt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dieses Ziel, liebe Kolleginnen und Kollegen, können die Herkunftsländer auf unterschiedliche Art erreichen, eben auch durch zunehmende Repressionen und Nichtachtung der Menschenrechte. So nimmt der Druck auf die Bevölkerungsgruppen seit der Diskussion um den angeblichen Asylmissbrauch und der Forderung nach der Rücknahme der Visafreiheit sogar noch zu. Die hier in Deutschland geführten Diskurse werden auch in Serbien und Mazedonien aufgenommen. Dort entsteht die Angst, dass die Visaerleichterung wegen „dieser Menschen“, nämlich der Minderheiten, für alle wieder verschärft werden könnte. Dadurch nehmen die Ablehnung durch die dortige Bevölkerung, die Ausgrenzung und Diskriminierung noch zu. Vielmehr muss sich europäische und auch sächsische Politik an Menschenrechten orientieren und Diskriminierung in den Herkunftsländern abbauen.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Dafür müssen Sie Verantwortung übernehmen, Herr Ulbig. Die Zunahme der Zahl der Flüchtlinge pauschal als Asylmissbrauch abzustempeln schürt hier und dort verbreitete Vorurteile gegenüber Roma. Eine ähnliche Debatte führte Anfang der Neunzigerjahre zu einer Vielzahl von Pogromen und Übergriffen auf Flüchtlinge. Wir müssen uns auf die menschenrechtlichen Grundlagen des Asylrechts besinnen. Diese sollten in den öffentlichen Diskurs eingebracht werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Das fordert die EU mit ihrer Richtlinie vom April 2004, indem sie dort Mindestnormen für die Anerkennung von Flüchtlingen formuliert und die Diskriminierung als Fluchtgrund ausdrücklich nennt, gleich so auch das UNFlüchtlingswerk, indem es eine Diskriminierung darin sieht, wenn dadurch eine Person nur begrenzt in der Lage ist, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Daneben stellt das UN-Flüchtlingswerk auch fest, dass rassistische Diskri

minierung – davon sprechen wir – eine der deutlichsten Menschenrechtsverletzungen darstellt und folglich bei der Festlegung des Flüchtlingsstatus berücksichtigt werden muss.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Noch einige Worte zu der Diskussion hier in Sachsen: Natürlich sind die Zahlen im Vergleich zu 2008 angestiegen. Das wollen wir nicht leugnen. Aber hier von „dramatisch“ zu sprechen ist mehr als übertrieben, gemessen an den Zahlen in der Vergangenheit. Natürlich müssen wir im Blick haben, dass die Kommunen jetzt vor Unterbringungsschwierigkeiten stehen. Der Grund dafür liegt aber darin, dass sie in den letzten Jahren ihre Asylunterkünfte dem Bedarf entsprechend reduziert haben. Es wäre ein absoluter Irrweg, jetzt neue Großunterkünfte zu schaffen. Vielmehr müssen wir Asylsuchende in Zukunft stärker dezentral unterbringen. Das müssen Sie, geehrter Herr Innenminister, unterstützen. Lassen Sie die Kommunen nicht länger im Regen stehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Leipzig nimmt in Sachen dezentraler Unterbringung eine Vorreiterrolle ein. Den Vorbehalten gegenüber Asylbewerbern, die es auch in Leipzig gab und gibt, kann nur durch stärkere Einbeziehung der Bevölkerung in die Planung und durch Kommunikation begegnet werden. Genau das geschieht jetzt in Leipzig.

Die Zeit der Heime fernab von jeglicher Infrastruktur muss endlich der Vergangenheit angehören. Eine Unterbringung im Gemeindegebiet in kleineren Unterkünften und Wohnungen lässt das Verständnis füreinander wachsen und sorgt für Weltoffenheit, von der wir ja hier immer reden.

(Beifall bei den GRÜNEN)