Protokoll der Sitzung vom 20.01.2010

Lieber Kollege Weichert, noch einmal zu Ihnen. Sie haben ein paar Ideen genannt, die ich sogar unterstützen kann. Allerdings besteht zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei den GRÜNEN schon immer eine große Differenz. Denn wie erklären Sie mir, Kollege Weichert, die Idee, eine Bettensteuer hier in Dresden einzuführen? Die Idee einer Bettensteuer, die ganz massiv von den GRÜNEN in Dresden gekommen ist, ist natürlich Gift für die Tourismuswirtschaft und genau das falsche Signal. Wenn das Ihre Konzepte sind, meine Damen und Herren, dann tut es mir leid. Ich bin froh, dass die GRÜNEN in Sachsen nichts zu sagen haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Noch einen letzten Satz, auch wenn es eigentlich, wie Frau Windisch gesagt hat, nicht hierher gehört, und zwar zur Spendengeschichte. Ich meine das sehr ernst, meine Damen und Herren, und ich meine alle Parteien. Wir

sollten uns mit dieser Debatte nicht lächerlich machen und vorsichtig sein mit dem, was wir hier erzählen. Wir alle, alle Parteien sind darauf angewiesen, dass wir Privatpersonen und Mitglieder als Spender haben. Wir sind auch darauf angewiesen, dass wir Vertreter der Wirtschaft haben, die die Politik der Parteien unterstützen. Das ist übrigens auch in der deutschen Verfassung so vorgesehen und überhaupt nichts Schlimmes.

Wenn wir uns erhaltene Spenden gegenseitig vorrechnen, meine Damen und Herren, wird es sehr kritisch und wir stehen möglicherweise bald ohne Unterstützung aus der Wirtschaft da. Wie wir dann noch Politik in dieser Gesellschaft machen sollten, weiß ich nicht genau. Lieber Kollege Weichert, Sie haben dieses Land auch eine Weile mitregiert und wissen, dass die GRÜNEN seit 1998 ungefähr 40 Millionen an Spenden bekommen haben. Das ist auch kein Pappenstiel. Sie haben ganz viele Spenden von bedeutenden Umweltbetrieben und aus der Solarwirtschaft bekommen. Wollen Sie diese alle zurückzahlen? Ich glaube, dass das eine falsche Diskussion ist. Dasselbe gilt für die SPD, die mehr Spenden bekommen hat als die FDP. Das wissen Sie ganz genau, und sie sind auch größer: 2007 Sie 10 Millionen Euro, wir 7 Millionen Euro. Das kann man nachlesen; ich habe den Bericht mit.

Ich komme nun zum Schluss und bitte Sie, ehrlich zu sein und auf dem Teppich zu bleiben. Sie wissen ganz genau, dass wir Spenden brauchen. Liebe Kollegen von den Linken. Es gibt Parteien, die gar keine Spenden brauchen. Wahrscheinlich haben Sie von den Linken noch genug Geld von dem zur Verfügung, was Sie in den letzten 40 Jahren unter dem Stichwort „SED“ den DDR-Bürgern geklaut

(Proteste bei der Linksfraktion)

und jetzt irgendwo liegen haben.

(Starker Beifall bei der FDP und der CDU)

Sie überziehen die Redezeit, Kollege Zastrow. Das geht so nicht.

Gibt es noch weiteren Redebedarf aus den Fraktionen zu dieser 1. Aktuellen Debatte? – Wenn das nicht der Fall ist, frage ich die Staatsregierung. Herr Staatsminister Morlok? – Ich bitte Sie ans Rednerpult.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte ein paar Argumente aus der Debatte aufgreifen und einige aktuelle Zahlen ergänzen; einige wurden ja schon vorgetragen.

Von verschiedenen Rednern wurde in der Debatte das Thema Vermarktung angesprochen, Dachmarke. Sie haben das, Herr Kollege Tischendorf, Herr Weichert, Herr Zastrow, erwähnt. Bei dieser ganz entscheidenden Frage müssen wir zu Veränderungen im Freistaat Sachsen

kommen. Nicht umsonst haben wir uns in der Koalition darauf verständigt, an einer Dachmarke für den Freistaat Sachsen zu arbeiten und ein entsprechendes Konzept vorzulegen. Aber diejenigen unter Ihnen, die im Bereich Marketing Erfahrung haben, auch im Bereich der Gestaltung solcher Dachmarken, wissen, dass man so etwas nicht von heute auf morgen, sicher auch nicht in drei Monaten erreichen kann.

Wenn Sie eine Dachmarke installieren, können Sie diese auch nicht von oben herab installieren, sich irgendwo im Kabinett ausdenken und dann dem Freistaat überstülpen, sondern das setzt einen Diskussionsprozess mit allen Beteiligten voraus. Denn nur dann, wenn so eine Marke einmal akzeptiert ist, wird sie uns im Freistaat Sachsen auch weiterhelfen. Das ist ein Prozess, dem wir uns als Staatsregierung stellen wollen. Wir werden Ihnen hier im Parlament mit Sicherheit im Laufe der Legislatur einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten.

Ein weiteres Stichwort aus der Diskussion ist das Thema Demografie im Zusammenhang mit unserer Tourismuswirtschaft gewesen. Ich meine – die Debatte heißt ja auch „Chancen der Tourismuswirtschaft“ –, dass wir in der demografischen Entwicklung Chancen haben, weil der Freistaat Sachsen durch seine abwechslungsreiche Landschaft und durch seine reichen Kulturgüter insbesondere ein attraktiver Standort für ältere Menschen ist, hier einmal einen Urlaub oder einen Kurzurlaub zu machen.

Wir wissen, dass das Thema Wellness gerade bei älteren Mitbürgern ein wichtiges Argument ist. Wir wissen aber auch, dass man, um diese Wellness-Angebote machen zu können – viele kleine Anbieter können das momentan noch nicht –, entsprechend investieren muss. Das ist auch eine Frage, wie wir unsere Unternehmen im Freistaat Sachsen im Tourismusbereich in die Lage versetzen zu investieren, um hier Marktchancen zu erschließen oder zu erhalten.

Das Thema Fachkräfte ist angesprochen worden, und zwar zu Recht. Wir hatten die Sitzung des Lehrstellenkollegiums, die erste in der Amtszeit der neuen Staatsregierung. Wir haben im Kollegium gemeinsam Entscheidungen getroffen, und zwar das Lehrstellenkollegium zu überprüfen, um hier einen Paradigmenwechsel vorzunehmen, weil die ursprüngliche Aufgabe, tatsächlich Lehrstellen für die vielen Bewerber bereitzustellen, nicht mehr zur Debatte steht, sondern es geht jetzt eher darum, wie wir in Zukunft in der Lage sind, den Fachkräftebedarf der Unternehmen zu stillen. Wir haben uns im Lehrstellenkollegium verständigt – die Kollegen Ausschussvorsitzenden, Herr Petzold und Herr Lehmann, waren dabei –, dass wir uns bis zum Sommer dieses Jahres eine neue Strategie, eine neue Aufgabe geben wollen, um dieses Themas Herr zu werden. Das heißt, wir als Staatsregierung wie die Beteiligten sind dabei, das Thema Fachkräfte zu bearbeiten.

Ein weiteres Thema – Kollege Dulig hat es angesprochen – ist die Frage der Haushaltskompetenz. Dazu kann ich Ihnen Folgendes sagen, lieber Martin Dulig: Die Haus

haltskompetenz dieser Staatsregierung von CDU und FDP werden Sie im Laufe dieses Jahres sehen, wenn uns Prof. Unland hier im Namen der Staatsregierung den nächsten Doppelhaushalt vorlegen wird. Da werden Sie sehr überrascht sein und sehen, wer im Freistaat Sachsen haushaltspolitische Kompetenz hat.

Ein weiterer Punkt der Debatte war, wie sich die Wirtschaftskrise auf das Urlaubsverhalten auswirkt. Dazu muss ich sagen, dass unsere sächsischen Unternehmen, unsere sächsischen Destinationen insbesondere auch in der Wirtschaftskrise ihren Marktanteil halten und sogar steigern konnten.

Das liegt auch daran, dass man in der Wirtschaftskrise eher einmal auf die Fernreise verzichtet – das ist das Ergebnis der Entwicklung – und Urlaub zu Hause macht, der doch etwas kostengünstiger ist. Deswegen ist es möglich gewesen – ich habe die Zahlen für den Oktober verglichen –, dass wir in Sachsen gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres sogar einen Zuwachs an Übernachtungen erzielen konnten. In der Krise haben sich also unsere sächsischen Unternehmen gut bewährt.

Ich war im letzten Jahr auf der Messe „Tourismus & Caravaning“ und habe mit vielen Ausstellern gesprochen. Die Einschätzung, dass man gerade in Sachsen auf diese Entwicklungen entsprechend vorbereitet ist, wird auch von den Ausstellern getragen.

Es ist bereits angesprochen worden: Wir haben wieder eine Studie zum Thema „Tourismuswirtschaft im Freistaat Sachsen“ in Auftrag gegeben. Diese Studie soll am Freitag vorgestellt werden. Sie zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind, denn wir haben einen erheblichen Investitionsrückstau in der sächsischen Tourismuswirtschaft; das Thema Wellness habe ich schon erwähnt. Wir sprechen über Beträge von mehreren Hundert Millionen Euro. Ich halte es für wichtig für unsere Unternehmen im Wettbewerb, dass wir diesen Investitionsstau beseitigen.

Nun kann man sich hinstellen und sagen – wie es die SPD getan hat –: nach der Mehrwertsteuersenkung die Preise senken, die Löhne hoch, investieren. Dagegen habe ich bzw. hat die Staatsregierung überhaupt nichts. Uns unterscheidet nur, dass wir als Staatsregierung der Auffassung sind, dass die einzelnen Unternehmen in der Tourismusbranche vor Ort viel besser wissen als die Staatsregierung

in Dresden, welchen Weg bzw. ob sie einen Weg mit allen drei Komponenten gehen können. Deshalb vertrauen wir darauf, dass unsere Unternehmen in diesem Bereich die richtigen Entscheidungen treffen werden.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Noch etwas zur Steuersystematik. Wenn Sie sagen, liebe Kollegen von der SPD, bei einer Senkung der Umsatzsteuer muss man die Löhne erhöhen, heißt das dann auch, dass bei einer Erhöhung der Umsatzsteuer die Löhne herunter müssen, oder wie muss ich das verstehen?

(Heiterkeit bei der CDU)

Offensichtlich haben Sie das nicht so richtig zu Ende gedacht, wie ich auch ganz allgemein beim Thema Steuersystematik namens der Staatsregierung sagen möchte, dass es in erster Linie das Geld der Bürger und der Unternehmen ist, das wir von ihnen wegnehmen, um unsere Aufgaben zu erledigen. Deswegen ist das Wort „Steuergeschenk“ ein Unwort, denn wir schenken niemandem etwas; es gehört den Unternehmen und den Bürgerinnen und Bürgern.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wenn im Einzelfall ein Unternehmen, ein Hotelier die Übernachtungspreise aufgrund der Mehrwertsteuersenkung nicht senkt, dann setzt auch hier die Staatsregierung auf den mündigen Verbraucher. Wer beim tagtäglichen Einkauf zum Beispiel eines neuen Fernsehers oder eines CD-Players im Kaufhaus Rabatte heraushandelt, der wird auch in der Lage sein, am Empfang im Hotel einmal nachzufragen, warum die Preise nicht gesunken sind. Wenn der Hotelier ein gutes Argument hat, weil er zum Beispiel in ein neues Schwimmbad investieren möchte, wird er es akzeptieren, und wenn die Argumente schlecht sind, wird der mündige Bürger, der mündige Verbraucher vielleicht einmal ein anderes Hotel aussuchen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Morlok.

Meine Damen und Herren! Die 1. Aktuelle Debatte ist abgeschlossen. Wir kommen zu

2. Aktuelle Debatte

5 Jahre Armutsrisiko Hartz IV und die Staatsregierung verharrt in Untätigkeit

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion DIE LINKE das Wort; bitte, Herr Kollege Hahn.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus Sicht der Linken ist klar: Fünf Jahre Hartz IV sind kein Grund zum Feiern. Es ist ein trauriges Jubiläum, aber für uns ist es Anlass, Bilanz zu

ziehen. Wir wollen auch sagen, was daraus geworden ist, und diese Bilanz sieht ziemlich düster aus.

Hartz IV ist nach unserer Einschätzung gründlich gescheitert. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen in Sachsen hat sich nicht wesentlich verringert. Was haben wir auf der anderen Seite stattdessen: einen beträchtlichen Anstieg der Armut. Ich nenne einmal die Zahlen vom September 2005: Wir hatten dort 547 000 Menschen in Sachsen, die auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld angewiesen waren. Ende 2008 waren es immer noch 523 000. Wenn es überhaupt Vermittlung durch die ARGEn gegeben hat, dann erfolgte diese Vermittlung leider häufig in sogenannte Minijobs. Die Folgen dieser Politik sind verheerend: Wir haben rund 130 000 Menschen, die trotz Beschäftigung in Sachsen auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen sind. Das sind die Fakten.

Wir haben eine Armutsquote, die im Durchschnitt bei etwa 20 % liegt, vielerorts auch noch deutlich darüber. Besonders dramatisch ist die Kinderarmutsquote, die bei fast 30 % liegt; in Orten wie Görlitz zum Beispiel auch über 40 %. All das ist wahrlich kein Grund zum Jubeln.

Dennoch: Die Befürworter der Arbeitsmarktreformen – allen voran CDU und FDP – preisen weiterhin angebliche Erfolge. Den Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten, die noch bestehen, könne man am besten dadurch begegnen, dass man den Betroffenen noch mehr Druck macht. Diesbezüglich waren die jüngsten Äußerungen des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch an Klarheit und Unverschämtheit kaum zu überbieten.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren, wird sind von Herrn Koch durchaus schon einiges gewöhnt; aber die Forderung nach einer zwangsweisen Arbeitspflicht für Hartz-IVEmpfänger war dann doch ein neuer und unrühmlicher Höhepunkt. Ich will ganz klar sagen: Die Äußerungen von Herrn Koch sind eine Beleidigung für Millionen Menschen, die unverschuldet arbeitslos geworden sind.

(Beifall bei der Linksfraktion, vereinzelt bei der SPD und der Abg. Elke Herrmann, GRÜNE)

Ich füge hinzu: Ich finde es schlimm, dass ein solcher Mann in Deutschland immer noch Ministerpräsident in einem Bundesland sein kann.

Schlimm ist allerdings auch, dass sich die Staatsregierung von diesen Positionen nicht deutlich abgegrenzt hat. Die Äußerungen von Wirtschaftsminister Morlok waren relativ halbherzig; der Ministerpräsident hatte wie immer zu allem keine eigene Meinung. Das kann natürlich am Ende auch kaum verwundern; denn es war die CDU, damals noch in der Alleinregierung, die im Bundesrat die Hartz-IV- und überhaupt die Arbeitsmarktreform massiv vorangebracht hat; und es war die CDU, die sächsische Union, die immer wieder eine Verschärfung von Gesetzen gefordert hat.