Schlimm ist allerdings auch, dass sich die Staatsregierung von diesen Positionen nicht deutlich abgegrenzt hat. Die Äußerungen von Wirtschaftsminister Morlok waren relativ halbherzig; der Ministerpräsident hatte wie immer zu allem keine eigene Meinung. Das kann natürlich am Ende auch kaum verwundern; denn es war die CDU, damals noch in der Alleinregierung, die im Bundesrat die Hartz-IV- und überhaupt die Arbeitsmarktreform massiv vorangebracht hat; und es war die CDU, die sächsische Union, die immer wieder eine Verschärfung von Gesetzen gefordert hat.
Auch die Aufblähung des Sektors von Minijobs und Niedriglöhnen ist unter CDU-Regierung in Sachsen vorangetrieben worden. Hier muss man daran erinnern: Wir haben mit 30 % der Beschäftigten in diesem Sektor den höchsten Anteil aller deutschen Bundesländer.
Anstatt nun ein Landesbeschäftigungsprogramm aufzulegen, wie beispielsweise wir es immer wieder gefordert haben, und auf diese Weise Arbeitsplätze zu schaffen, von denen man existieren kann, gehörte es zu den ersten Maßnahmen der neuen Landesregierung, den KommunalKombi-Zuschuss abzuschaffen. Auch wir wissen, der Kommunal-Kombi ist sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss; aber solange wir kein anderes geeignetes Instrument haben, muss er fortgeführt werden. Das ist unsere klare Position.
DIE LINKE war von Anfang an bei den entschiedensten Gegnern von Hartz IV; unsere Befürchtungen haben sich leider weitgehend bestätigt. Auch Sozialexperten teilen unsere Position, wie beispielsweise der Präsident der Volkssolidarität oder auch Ulrich Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. – Dazu werden meine Kollegen noch sprechen.
Von mir abschließend nur so viel: Erstens. Hartz IV ist nicht reformierbar. Das Gesetz bekämpft die Arbeitslosen und nicht die Arbeitslosigkeit. Deshalb gehört es abgeschafft. Zweitens: Es muss Schluss sein mit einer Zweiklassengesellschaft bei Arbeitslosen. Alle Arbeitsuchenden müssen durch die Arbeitsagenturen gleichberechtigt betreut und vermittelt werden. Das ist uns wichtig.
Für die Linksfraktion sprach Kollege Hahn. – Es folgt für die CDU-Fraktion Herr Kollege Krauß; bitte.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben leider erlebt, was wir erwarten mussten: nämlich die typische Schwarz-WeißMalerei, die bei den Linken üblich ist. Die Botschaft hieß wieder einmal: Alles ist Mist. Gegenvorschläge Fehlanzeige, da kommt nichts von Ihnen. Ich habe mich ein wenig an die Zeit des Wahlkampfes von 2004 erinnert gefühlt, als ganz Links und ganz Rechts ungefähr die gleichen Plakate hatten: Hartz IV muss weg!
Schauen wir uns einmal die Realität an. Keine Frage: Das Arbeitslosengeld II ist nicht perfekt. Sachsen hat sich übrigens deswegen immer im Bundesrat mit Vorschlägen eingebracht und tut es auch heute noch. Bei der entscheidenden Abstimmung hatten wir uns der Stimme enthalten, weil wir leider mit den Einzelheiten nicht vollständig zufrieden waren.
Ich möchte dann, wenn Herr Pellmann seine Frage gestellt hat, auf die Dinge eingehen, die positiv sind.
Herr Kollege Krauß, herzlichen Dank. – Sie hatten einleitend auf das Jahr 2004 und die Protestaktionen abgestellt. Können Sie sich erinnern, dass neben den Protesten der Linken selbst der damalige sächsische Ministerpräsident Prof. Milbradt in Zittau auf einer Kundgebung sprechen wollte, aber die Teilnehmer dies nicht zugelassen haben?
Herr Kollege Pellmann, mir geht es nicht darum, woran ich mich erinnern kann, sondern mir wäre es lieb, wenn Kollege Hahn aus Ihrer Fraktion sich an diese Zeit erinnern könnte; denn er hat gesagt, Sachsen habe damals alles getan, was auf Bundesebene gefordert worden sei. Das ist falsch.
Was ist in den fünf Jahren bislang geschehen? Zwischen 2006 und 2009 ist die Zahl der sogenannten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen um mehr als eine halbe Million Menschen gesunken.
2004 hatten wir eine Arbeitslosenquote von 18 % und im vergangenen Jahr von 12,9 %. Hätten Sie mich vor fünf Jahren gefragt, ob die Arbeitslosenquote in Sachsen mal auf 12,9 % sinkt, hätte ich Ihnen gesagt: Das ist unrealistisch; ich würde es mir wünschen, aber das schaffen wir leider nicht. Wenn wir uns anschauen, dass wir heute bei 12,9 % stehen, dann können wir auch ein bisschen stolz sein, dass wir dorthin gekommen sind.
Keine Frage – das hat natürlich auch mit den Reformen auf dem Arbeitsmarkt zu tun. Die Zahl der offenen Stellen ist gesunken. Auch das ist eine positive Wirkung. Wir wissen alle, dass die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen vor allem durch Arbeit möglich ist.
Welche weiteren Vorteile gab es für die Betroffenen? Es gibt eine individuellere Betreuung durch einen persönlichen Ansprechpartner. Es gibt Vereinbarungen über die Bemühungen, die ein Bewerber erbringen soll, damit er zu einer Arbeit kommt. Man kann damit noch besser auf persönliche Eigenschaften oder Hemmnisse eingehen, die ein Betroffener hat. Natürlich kann man auch noch Dinge verbessern. Muss jeder zum Bewerbungsseminar gehen? Oder ist es nicht sinnvoll zu schauen, wer ein Bewerbungsseminar und wer einen Computerkurs braucht? Jetzt sind die gesetzlichen Möglichkeiten gegeben, um die passende Maßnahme auszusuchen, die dem Betroffenen hilft.
Es gibt noch einen anderen Punkt, der aus meiner Sicht sehr wichtig ist. Vor der Reform hat sich das Arbeitsamt überhaupt nicht für die Sozialhilfeempfänger interessiert. Es hat versucht, seine Leute zu vermitteln, aber nicht die Sozialhilfeempfänger, für die gar keine Stellenangebote da waren. Jetzt ist es so, dass die Arbeitsverwaltung engagiert ist und möchte, dass auch jemand, der längere Zeit arbeitslos ist, einen Bildungsgutschein oder einen Einstellungszuschuss bekommt, genauso wie jemand, der erst kurze Zeit arbeitslos ist. Das sind deutliche Verbesserungen für alle Betroffenen.
An einigen Stellen haben wir eine Entbürokratisierung. Man muss nicht mehr auf das Amt gehen, um eine Waschmaschine oder einen Schrank zu beantragen, sondern man bekommt so etwas jetzt als pauschale Leistung.
Herr Kollege Hahn, Sie sind auf Roland Koch eingegangen. Ich glaube, da gibt es manches Missverständnis in der Debatte. Er hat nicht gesagt, dass jeder Arbeitslose faul ist. Wenn Sie das Interview lesen, werden Sie feststellen, dass er gesagt hat, es gibt sehr viele, die sich bemühen, aber es gibt einige, die sich nicht bemühen. Wenn wir in uns selbst hineinfragen, werden wir die gleiche Antwort geben können. Wir kennen sehr viele, die sich um eine Arbeit bemühen, aber man kennt auch den einen oder anderen, der sich mit Hartz IV eingerichtet hat. Kollege Wowereit in Berlin hat sich die Frage vor wenigen Tagen auch gestellt. Diese Frage stellen sich doch auch die Menschen bei uns im Land. Zweifelsohne – die Mehrheit bemüht sich, aber sehr viele Menschen, die morgens früh aufstehen müssen, um auf Arbeit zu gehen, kennen in ihrem Umfeld Leute, die zu Hause sind und sich nicht bemühen. Über dieses Problemfeld einmal zu sprechen ist wohl legitim.
Ich lese Ihnen einmal die Meldung einer Nachrichtenagentur zum Thema Recht auf Faulheit vor: „Linksfraktionschef Gregor Gysi hat sich für ein Recht auf Faulheit ausgesprochen. Artikel 1 des Grundgesetzes garantiere die Würde des Menschen –, und damit auch die Würde des faulen Menschen’, sagte Gysi in einem Gespräch. Der Staat habe dafür zu sorgen, dass es jedem Menschen gut gehe, ‚auch wenn er keine Lust hat, etwas zu tun’.“
Dort wird es schwierig, weil wir diese Einstellung nicht teilen können. Diejenigen, die Beiträge in die Sozialkassen zahlen, haben ein Recht darauf, dass sich jedermann um Arbeit bemüht, wenn er arbeitslos ist.
Deswegen komme ich zum Schluss. Wer keine Arbeit hat, hat sich die Unterstützung der Gemeinschaft verdient, damit er nicht in Armut fällt. Dafür gibt es Hartz IV. Aber wir sagen auch ganz deutlich: Ein Recht auf staatlich finanzierte Faulheit gibt es nicht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Fünf Jahre Hartz IV – eine Bilanz zu ziehen finde ich gut. Ich habe nur noch 2 Minuten Redezeit und will es deshalb kurz machen. Ich werde auf die Probleme eingehen und danach kurz benennen, wo aus Sicht der SPD-Fraktion Handlungsoptionen bestehen.
Auch in der Wissenschaft ist mittlerweile unbestritten, dass die Zusammenlegung der beiden Systeme Arbeitslosen- und Sozialhilfe gut und notwendig war. Probleme bestehen in der Ausgestaltung. Aus meiner Sicht – das ist eine sozialpolitische und keine arbeitsmarktpolitische Sicht – hat die Gestaltung von Bedarfsgemeinschaften im Osten dazu geführt, dass viele Menschen ihren eigenständigen Anspruch auf soziale Sicherung, nämlich über die Arbeitslosenhilfe, verloren haben. Es hat vor allem Frauen getroffen, weil deren Erwerbstätigkeit hier besonders hoch war und sie einen eigenständigen Anspruch auf soziale Sicherung hatten.
Ein Fehler sind die alten Grundlagen, zum Beispiel auf den Warenkorb zurückzugreifen und die abgeleiteten Regelsätze für Kinder beizubehalten. Ich hoffe, dass dieser Fehler demnächst korrigiert wird. Die einmaligen Leistungen abzuschaffen war ebenso ein Trugschluss. Jeder Volkswirt lernt im ersten Semester, dass die Sparquote bei einem Haushalt mit dem Einkommen von Hartz-IV-Beziehern gleich null ist. Wir haben damit auch