Ich gebe offen zu, dass wir über die Abschaffung ohne Kompensation der Praxisgebühr nicht gejubelt haben. Ich sage etwas, was auch von der Landesärztekammer so bestätigt wurde. Letztendlich hat das Hausarztprinzip eine Gatekeeperfunktion. Das ist gesetzlich im SGB V festgelegt worden. Dazu gehört auch, dass er die Rückkopplung haben muss, was der Patient, den er überwiesen hat, von anderen Fachärzten an Behandlungen bekommt. Mit der Überweisung, die bisher durch ihn getätigt wurde, war die gesetzlich geregelte Rücküberweisung bzw. die Rückkopplung der Information gesichert.
Also muss man jetzt ein System bzw. eine Nachregelung schaffen, damit dieses Vertrauens- und Arbeitsverhältnis nicht nur zwischen Arzt und Patient, sondern auch zwischen den Ärzten mit Leben erfüllt und weiterhin gestärkt wird. Es ist jetzt Aufgabe der Politik, vor allem auf Bundesebene, diese Lücke zu schließen, was mit der blanken Abschaffung der Praxisgebühr versäumt wurde.
Frau Neukirch, in Sachsen werden Taten vollbracht. Sachsen ist in der Zwischenzeit bundesweit sogar für seine Schritte beneidet worden, wie es nach der Wende im Jahr 1990 zum Beispiel im Krankenhausbereich erfolgte. Wie oft höre ich, wenn ich draußen als gesundheitspolitische Sprecherin agiere: Ihr habt damals den richtigen Schritt unter Geißler gemacht und eure Krankenhäuser auf den notwendigen Stand gebracht. Dabei sind Bundesländer wie Niedersachsen und besonders NordrheinWestfalen noch auf einem weiten Weg, weil sie viel zu viele Betten haben. Sie wissen nicht, wie sie es politisch herüberbringen sollen, dass sie Betten abbauen müssen.
Wir haben in Sachsen diese schwere Aufgabe schon lange gelöst. In Sachsen ist bereits vor Jahren erkannt worden, dass wir in die Demografiefalle hineinlaufen. Es sind schon vor Jahren Maßnahmen ergriffen worden – gemeinsam mit den Gremien. Ich erinnere nur an die Schaffung des „Netzwerkes Ärzte für Sachsen“, in dem alle Verantwortlichen mitarbeiten, ob es die Landesärztekammer ist, ob es die Krankenkassen sind oder ob es das Sozial- und Verbraucherschutzministerium ist.
Die Einrichtungen machen sich gemeinsam über Nachwuchsgewinnung Gedanken, aber nicht nur Gedanken: Es gibt auch praktische Programme. Hat doch gestern erst Staatsminister Kupfer darüber gesprochen, was man unternehmen kann, um Ärzten den ländlichen Raum schmackhaft zu machen. Es gibt also schon viele Maßnahmen, die ich nicht wiederholen will, weil sie in Debatten schon dargelegt wurden. Deshalb ist es wichtig, das Vertrauen, das die Menschen haben, zu stärken – deshalb auch das Ende dieses Titels. Es lohnt sich, wir haben das gute System. Dass die Qualität gesichert werden muss, ist unstrittig.
Darauf müssen wir achten. Dafür dient auch die Debatte. Das System verdient Vertrauen. Die Menschen haben Vertrauen – Umfragen haben es ergeben. Unsere Pflicht ist es, dieses Vertrauen zu stärken.
Frau Strempel sprach erneut für die einbringende CDU-Fraktion. Jetzt spricht Frau Kollegin Jonas für die miteinbringende Fraktion der FDP. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Zitat aus einer Pressemitteilung beginnen: „Die Praxisgebühr war von Anfang an eine Fehlkonstruktion und hat keine der an sie gerichteten Erwartungen erfüllt. Statt unnötige Arztbesuche zu verhindern, hat sie Patienten, Praxen und Krankenhäusern unnötige Bürokratie gebracht.“
Das ist die eine Seite. Es ist richtig, dass wir jetzt gemeinsam schauen müssen, wie wir die Wirkungs- und Steuerungsleistungen hinbekommen. Das war das falsche Element. Die Aufgaben sind für alle Beteiligten – sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene – klar formuliert: Gemeinsam muss jetzt nach neuen Wegen gesucht werden.
Ich komme noch einmal auf den Bereich der Organspende, der Organtransplantation und der Organspendemanipulation zu sprechen. Wenn ich als Konsequenz aus den Skandalen in Regensburg und in Göttingen Kontrollen verlange, Kontrollen durchführe und retrospektiv auch Patientenakten sichte, dann muss ich damit rechnen, dass die Probleme, die damals schon bekannt waren, nach wie vor noch vorhanden sind. Genau deshalb gab es im letzten Sommer dieses Spitzengespräch, um zu schauen, wie man diese Probleme löst und die Frage nach Wartelisten und geeigneten Patientenakten stellt.
Auch die Forderung eines Sechsaugenprinzips ist sofort umgesetzt worden, das heißt, bereits heute haben wir, um Patienten auf Wartelisten zu setzen, ein Sechsaugenprinzip: Drei Ärzte begutachten unabhängig voneinander die Situation des jeweiligen Patienten. Auch das muss man an dieser Stelle sagen: Mehr als 12 000 Patienten warten auf lebensnotwendige Organe. Die Ängste, die geschürt werden, was mit den Organen passiert und ob noch finanzielle Dinge beteiligt sind, schaden uns allen. Es schadet den Patienten und es schadet den Ärzten. Es ist unsere Pflicht, das immer wieder in den Fokus zu rücken.
Schauen wir noch auf den von Frau Neukirch angesprochenen Gesundheitsbericht. 80 % der Patienten sind mit unserem Gesundheitssystem zufrieden. Befragen wir dazu die Ärzte, dann sagen sogar 93 %, dass unser Gesund
heitssystem spitze ist. Sicherlich, es gibt an der einen oder anderen Stelle Wünsche, und Wünsche sind dazu da, um zu schauen, wo man es effektiver machen könnte. Zeit ist das große Problem – auch das ist bereits angesprochen worden –, aber auch die Qualifikation und die Versorgung. Wir wissen, dass wir für den ländlichen Raum die Aufgaben gestellt bekommen haben, und wir gehen sie an. Wir wissen, dass die Nachwuchssicherung eine unserer großen Aufgaben werden wird.
Auch das Thema der Krankenhausfinanzierung – auch das ist bereits angesprochen worden – steht für uns als Kernthema. Bereits in den letzten Haushaltsverhandlungen haben wir mit dem Generationenfonds dafür gesorgt, dass das Thema Krankenhausfinanzierung in den nächsten Jahren ein Schwerpunktthema sein wird.
Das war Frau Jonas für die FDP-Fraktion. – Wir fahren fort in der zweiten Rednerrunde. Für die Fraktion DIE LINKE ergreift Frau Kollegin Lauterbach das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Frau Strempel, ich denke, es ist gut und wichtig, wenn wir in diesem Haus kritisch diskutieren können. Nur das bringt uns voran.
Frau Jonas, schauen wir uns einmal den Beginn der Praxisgebühr an. Die damalige rot-grüne Koalition hat eine Gebühr von 15 Euro für jeden Facharztbesuch verlangt, die Koalition sogar eine Gebühr je Arztbesuch. Die FDP hat sogar eine prozentuale Selbstbeteiligung gefordert. Was dabei herauskam, wissen wir alle: eine Praxisgebühr von 10 Euro pro Quartal – und das zehn Jahre lang.
Die Fraktion DIE LINKE im Bundestag hat bereits im Jahr 2006 einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Praxisgebühr eingereicht. In den Jahren 2009 und 2012 wurden nochmals Anträge zum gleichen Thema gestellt. Also auch im Jahr 2012 gab es einen Antrag zur Abschaffung der Praxisgebühr. Damals wurde alles abgelehnt – auch hier im Landtag. Sie wissen es selbst: In den Jahren 2004, 2008 und 2012 gab es Anträge der Linksfraktion zur Abschaffung der Praxisgebühr – sie wurden alle abgelehnt.
Plötzlich die Kehrtwende: Im Gegenzug zur Abschaffung der Praxisgebühr stand die „Herdprämie“ zur Diskussion.
Wissen Sie, wie ich mir vorkomme? – Wie auf einem orientalischen Basar. Es wird gefeilscht und gehandelt.
Plötzlich hat die Praxisgebühr keine Steuerungswirkung mehr. Der Verwaltungsaufwand ist unverhältnismäßig hoch. Es gibt keine Einsparungen. Und plötzlich hat DIE LINKE recht.
Ja, es ist so. Plötzlich hat DIE LINKE recht. Oder lag es wirklich, wie Herr Wehner schon erwähnte, an den 2 % Wahlprognosen der FDP? Ich kann es nicht glauben.
DIE LINKE unterstützt selbstverständlich, dass die Abschaffung der Praxisgebühr jetzt in die richtige Richtung geht, nämlich das Vertrauen in das Gesundheitswesen wieder aufzubauen.
Aber ich denke, Sie ziehen hier die falschen Schlussfolgerungen. Das merke ich an Ihren Diskussionen von A nach B.
Vertrauensbildende Maßnahmen sind, alle Zuzahlungen abzuschaffen. Dazu gehören 10 % Zuzahlung bei Arznei- und Hilfsmitteln bis maximal 10 Euro, 10 Euro bis zum 28. Tag in einem Krankenhaus, Kosten für nicht verschreibungspflichtige Medikamente, Fahrtkosten zu
ambulanten Behandlungen, Entbindungs- und Sterbegeld. Das wird vom Patienten ganz selbstverständlich getragen und es kommt noch viel hinzu. Die Belastungsgrenze wurde auf 2 % vom jährlichen Brutto angehoben.
All das hat keine Steuerungswirkung, außer Kranke, Hilfsbedürftige, Menschen, die auf Medikamente angewiesen sind, zu bestrafen.
Was brauchen wir in Sachsen? Frau Neukirch hat dazu schon viel gesagt. Wir brauchen ausreichend Haus- und Fachärzte, vor allem im ländlichen Raum. Wir brauchen kurze Wartezeiten beim Facharzt, kurze Wege und eine gute Erreichbarkeit. Vor allem brauchen wir eine solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung, um dies auch alles bezahlen zu können. Sie sehen, DIE LINKE macht sich auch Gedanken um die Bezahlung dieses Gesundheitswesens.
Was heißt das? Alle Bürgerinnen und Bürger zahlen entsprechend ihrem Einkommen in ein System ein. Wir brauchen keine 170 Krankenkassen. Wir brauchen auch keine Beitragsbemessungsgrenze, aber da würden wir ja selbst auch mehr zahlen müssen.
Das schafft Vertrauen. Frau Jonas, das falsche Element Praxisgebühr brachte jährlich 2 Milliarden Euro. Das ist 1 % vom Gesundheitsfonds. Alle anderen Kosten, die die Patienten noch tragen – ich habe sie aufgezählt –, bringen 46 Milliarden Euro jährlich.
Ich bin gleich am Ende. – Mein letzter Satz: Der Krankenkassenüberschuss liegt bei 20 Milliarden Euro. Ich denke, unter dem kassenseitigen Gesichtspunkt haben Sie noch viel zu leisten.
Darf ich Sie mal fragen, Herr Kollege, was Sie schon hier vorn tun. Vielleicht können Sie sich noch ein wenig gedulden.