Protokoll der Sitzung vom 13.03.2013

Sie haben auch nicht im Ansatz überlegt, wie wir den Menschen das Verständnis des Wahlverfahrens und den Zugang zu Wahlen erleichtern können. Sprich: Pflicht zur Öffentlichkeitsarbeit, Aufklärung über das Internet. Leider werden auch nach diesem Gesetzesbeschluss, wenn er heute so gefasst wird, die kleingedruckten, bürokratisch formulierten, unverständlichen, schwer

lesbaren Wahlbenachrichtigungskarten immer noch die Praxis bleiben. Das hätten wir hier ändern müssen.

Zu den Bürgermeisterkandidaturen: Der Referentenentwurf des Ministeriums Ulbig sah ausdrücklich vor, dass die Kandidaten eine entsprechende Erklärung unterzeichnen. Natürlich kann man ihnen nicht ihr Recht auf Kandidatur nehmen – ganz klar. Aber man kann durch eine solche Erklärung eine öffentliche Debatte befördern. Wer war dagegen? Der Bürgermeisterverband SSG, also der sächsische Spitzenverband, in dem im Wesentlichen Bürgermeister vertreten sind. Schade, dass Sie das so kritiklos angenommen haben.

Was die Abwertung der Wahlausschüsse durch die gesenkten Anforderungen an die Beschlussfähigkeit – § 9 Kommunalwahlgesetz – bedeuten soll, hat sich mir auch nicht erschlossen.

Viel wichtiger ist aber das, was Sie nicht geregelt haben. Herr Kollege Karabinski, in Sachsen finden ständig Bürgermeisterwahlen statt, auch in diesem Jahr, und zwar etliche. Wir müssen über das Verfahren reden und auch darüber, wie die Abwahl erleichtert werden kann; auch das ist ein Stück weit Demokratie. Die Quoren für die Abwahl von Landräten und Bürgermeistern sind mit 33 % der Stimmberechtigten und 55 % Erfolgsquorum viel zu hoch. Aber auch und gerade nach der Kreisreform – die Landkreise haben nunmehr eine starke Verwaltungslastigkeit – müssen wir über die Amtsperioden besonders von Bürgermeistern und Landräten reden. Sieben Jahre sind uns viel zu lang.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Aber gern.

Herr Karabinski, bitte.

Vielen Dank, Frau Jähnigen. – Haben Sie mir nicht zugehört, als ich sagte, dass wir uns dem Thema im Zuge der Novellierung der Gemeindeordnung widmen? Waren Sie im Innenausschuss nicht anwesend, als wir ausgiebig dargelegt haben, dass wir das im Zuge dieser Novellierung angehen werden?

Ich habe Ihnen zugehört; ich war auch im Innenausschuss anwesend. Ich meine aber, Sie erarbeiten zu viele Einzelartikelgesetze. Das ist alles Stückwerk.

(Kerstin Köditz, DIE LNKE: Richtig!)

Immer kommt ein Stück Kommunalrechtsänderung, nie kommt die große Novelle, die seit Jahren angekündigt wird.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Genau! Das ist das eigentliche Problem!)

Ich habe inzwischen den Glauben verloren. Ich finde Ihr Vorgehen kritikwürdig. Transparenz und Bürgerfreundlichkeit stärkt es ohnehin nicht, und die Kommunalverwaltungen klagen darüber.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Ein weiteres Defizit ist das Wahlalter. Nicht nur, dass wir das Mindestwahlalter der Wählerinnen und Wähler senken wollen; wir meinen auch, dass wir das passive Wahlalter senken sollten. Man soll durchaus mit 18 Jahren Bürgermeister werden können.

Wir glauben, dass dieser Entwurf eine weitere verpasste Chance auf Herstellung von mehr Bürgerfreundlichkeit und Demokratie darstellt. Sie haben sich den entscheidenden Fragen nicht gestellt und auch die Stellungnahmen der Sachverständigen nicht genügend berücksichtigt.

Wir werden diesen Gesetzentwurf ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gibt eine Kurzintervention. Bitte, Herr Hartmann.

Ich möchte den Redebeitrag von Frau Jähnigen nicht völlig unkommentiert stehen lassen und beginne mit einer Richtigstellung: Die Stichwahl wird nicht abgeschafft; denn wir hatten sie bisher nicht. Wenn, dann reden wir über die Einführung selbiger. Die Diskussion gilt es in der Tat zu führen.

Ich möchte noch einmal deutlich sagen: Die Koalition hat mehrfach klar zum Ausdruck gebracht, dass sie über eine große Novelle des Gemeindeverfassungs- und Gemeindewirtschaftsrechts derzeit diskutiert. Es ist beabsichtigt, den Entwurf nächsten Monat in den Landtag einzubringen. Die Diskussion läuft auch unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände. Insoweit gehören die Punkte, die Frau Kollegin Jähnigen am Schluss ihrer Ausführungen thematisiert hat, in der Tat zum Kommunalverfassungsrecht; sie werden dieses Hohe Haus in den nächsten Wochen und Monaten beschäftigen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Jähnigen, bitte.

Richtig ist, dass es um die Abschaffung der Neuantrittsmöglichkeit und die Einführung der Stichwahl geht; da hat der Kollege recht.

Ansonsten meine ich: Da Sie schon über eine große, umfassende Novelle diskutieren – was ich Ihnen glaube –, wünsche ich mir dringend, dass Sie nicht nur die kommunalen Spitzenverbände, in denen nur Verwaltungsvertreter sitzen, beteiligen, sondern dass Sie auch die Bürgerinnen und Bürger fragen, was sie für ihr ehrenamtliches Engagement und ihre Wahl vor Ort wollen und brauchen.

Herr Dr. Müller, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Trotz aller Ankündigungen der CDU, die Novelle der Gemeindeordnung noch vorlegen zu wollen, ist der heute vorliegende Gesetzentwurf zumindest enttäuschend. Was ein großer Wurf hätte werden können, ist an parteipolitischen Überlegungen – insbesondere der CDU – gescheitert. Es wurden lediglich einige technische Verbesserungen umgesetzt.

Selbstverständlich ist nichts gegen die Anpassung von Fristen an Parlamentswahlen oder gegen die Vereinfachung der Briefwahl einzuwenden. Aber zentrale Anliegen – wie die Reform der Leistung von Unterstützungsunterschriften, die Stichwahl bei Bürgermeisterwahlen und die Verhinderung von Scheinkandidaturen – wurden nur unzureichend gelöst; das haben schon viele Vorredner gesagt.

Das ist auch deshalb unverständlich, weil die Sachverständigen in der Anhörung zahlreiche Verbesserungsvorschläge gemacht haben und sich darin auch weitgehend einig waren.

Nehmen wir das Beispiel der Unterstützungsunterschriften: Statt sich endlich zur empfohlenen Straßensammlung durchzuringen, wird eine Minireform gemacht, indem die Unterstützungsunterschriften bei Kreiswahlen nicht mehr nur auf dem Landratsamt, sondern auch in Gemeinden geleistet werden können. Warum Straßensammlungen einen Mehraufwand an Bürokratie bedeuten sollen, wie der CDU-Vertreter in der Beratung im Innenausschuss behauptet hat, wird sein Geheimnis bleiben.

Auch die notwendigen Quoren bei den Unterstützungsunterschriften sind unbefriedigend gelöst. Man muss den Eindruck haben, dass die Landtagsparteien zusammen mit den etablierten Freien Wählern in den Gemeinden möglichst unter sich bleiben wollen und neue Bürgerinitiativen möglichst von der Beteiligung an Kommunalwahlen ferngehalten werden sollen.

Dass in der Begründung des Gesetzentwurfs das glatte Gegenteil behauptet wird, ist dabei schon ziemlich dreist. Dabei kommen Sie hier nur einem deutlichen Hinweis des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahr 2009 nach, der eine Überprüfung der bisherigen Regelung anmahnte.

Skeptisch steht die NPD-Fraktion auch der Möglichkeit zur Erhöhung der Zahl der Wahlkreise gegenüber. Das nämlich benachteiligt kleine Parteien und neue Wählervereinigungen, weil damit mehr Bewerber aufgestellt werden müssen, um die Chancengleichheit zu wahren. Auch das ist ein deutliches Indiz dafür, dass man lieber unter sich bleiben möchte.

Ebenfalls nicht befriedigend gelöst ist das Problem der Scheinkandidaturen von Bürgermeistern bei Kommunalwahlen. Selbst die Koalition musste im Ausschuss zugeben, dass dies ein echtes Problem darstellt, das über einzelne Fälle hinausgeht. An dieser Stelle sei allerdings angemerkt, dass das nicht nur Bürgermeister und Landräte betrifft, sondern auch viele lokale andere Prominente, die zum Schein zur Wahl antreten. Das kenne ich allerdings auch von anderen Parteien, unter anderem von der LINKEN, wo so etwas auch eine Rolle spielte. DIE LINKE hat zumindest im Ansatz bei den Bürgermeistern einen verfassungskonformen Vorschlag in Form einer Erklärung des Bewerbers eingebracht, die zwar rechtlich nicht verbindlich ist, aber zumindest einen gewissen Druck auf den Bewerber aufbauen würde. Aber auch hier hat die Koalition gemauert.

Nächstes Thema ist die Einführung der Stichwahl bei Bürgermeister- und Landratswahlen und die im innerdeutschen Vergleich sehr ungewöhnliche Vorschrift einer Neuwahl, wenn im ersten Wahlgang kein Bewerber die absolute Mehrheit erreicht hat. Und die Lösung des Problems? Fehlanzeige. Dabei waren sich auch hier die Experten einig, dass eine Änderung sinnvoll wäre.

Meine Damen und Herren! Man kann nur hoffen, dass bei der angekündigten großen Reform der Sächsischen Gemeindeordnung mehr herauskommt als dieses Stückwerk, das die Staatsregierung und die sie tragenden Fraktionen vorgelegt haben.

Die NPD-Fraktion wird aus diesen Gründen den Gesetzentwurf ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Wenn das nicht der Fall ist, frage ich die Staatsregierung, ob sie das Wort wünscht. – Herr Staatsminister Ulbig, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Das Wahlrecht ist ein elementares staatsbürgerliches Recht, gerade auf kommunaler Ebene. Dort werden Entscheidungen getroffen, welche die Menschen vor Ort ganz unmittelbar betreffen. Bei keiner anderen Wahl ist die Politik so nah am Bürger und auch umgekehrt. Das Kommunalwahlrecht muss deshalb eine bürgerfreundliche Wahlteilnahme sicherstellen. Gleichzeitig ist das Kommunalwahlrecht auch Grundlage für den reibungslosen Ablauf der Arbeit in den Wahlbehörden, denn es muss für die Wahlvorschlagsträger einerseits und

die über 31 000 ehrenamtlichen Wahlhelfer andererseits einfach handhabbar sein.

Worauf ich hinaus will, ist, dass das Kommunalwahlrecht einer besonderen Beachtung und einer regelmäßigen und kritischen Kontrolle bedarf. Deshalb haben wir die Kreistags- und Landtagswahlen 2008 und die Gemeinde- und Ortschaftsratswahlen 2009 systematisch überprüft, denn wir wollen die Wahlvorbereitung und -durchführung noch weiter erleichtern und rechtssicher gestalten. Die Auswertung unserer Überprüfung hat eines ganz deutlich gezeigt: Ja, das Kommunalwahlrecht in Sachsen hat sich bewährt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Allerdings gibt es an einigen Stellen Handlungsbedarf zur Klarstellung, Vereinfachung und Harmonisierung mit den Vorschriften des Landes- und Bundeswahlrechts. Ebenso gab es einige Änderungsanliegen aus der Praxis der Wahlbehörden. Auf diese Sachen, meine Damen und Herren, haben wir mit dem vorgelegten Entwurf reagiert. Ich bin ausdrücklich dankbar dafür, dass während der Diskussion im Landtag weitere Änderungen vorgesehen worden sind, die ich ausdrücklich begrüße, ganz besonders das Thema Übergangsvorschriften der für die Wahl maßgeblichen Einwohnerzahl. Darauf, Frau Junge, möchte ich noch reagieren, denn die Ergebnisse des Zensus werden erst im Sommer dieses Jahres bekannt gegeben. Bis dahin kann in der gesamten Wahlvorbereitung anhand dieser Übergangsvorschrift auf einheitliche Einwohnerzahlen zurückgegriffen werden.

Ich denke – anders als Sie es gesagt haben –, dass es ein wichtiger Schritt in Richtung Klarheit und Rechtssicherheit ist, denn – das wissen Sie doch genauso gut wie ich –, für die allgemeinen Gemeindesrats- und Kreistagswahlen 2014 beginnen die Wahlvorbereitungen bereits im Juli dieses Jahres.

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann ich Ihnen angesichts der Tatsache, dass die Vertreter der EU-Regierungen in Brüssel gestern beschlossen haben, den Termin für die Wahlen zum Europaparlament auf den Zeitraum vom 22. bis 25. Mai vorzuziehen – das ist eine interessante und vielleicht die einzige neue Information in dieser Debatte –, mitteilen, dass wir die Kommunalwahlen damit verbinden werden und dass diejenigen, die sich mit der Kommunalwahl tatsächlich befassen, schon einmal im Kalender vorsehen können, dass wir auf dieses Wochenende gehen werden.

(Marion Junge, DIE LINKE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)