Protokoll der Sitzung vom 13.03.2013

weitere öffentliche Bibliotheken die Möglichkeit nutzen, einem solchen Verbund beizutreten. Auch solche Verbünde existieren bereits in Sachsen. Somit wurde und wird auf Bedürfnisse vor Ort, lokal oder auch regional, bereits reagiert.

Um auf die SLUB zurückzukommen: Die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden koordiniert und unterstützt die Arbeit der Bibliotheken im Freistaat Sachsen vor allen Dingen bei zahlreichen Projekten. Sie ist vom SMWK beauftragt, die Bestandserhaltung in den sächsischen Bibliotheken zu koordinieren und zu gestalten. Des Weiteren koordiniert die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden im Auftrag des SMWK auch die Beiträge des Freistaates Sachsen zur Europäischen Digitalen Bibliothek, der Europeana.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zusätzlich und auch in zunehmendem Maße präsentieren sich die Bibliotheken als ein Ort zahlreicher Kultur- und Bildungsveranstaltungen. Auch außerschulische Bildungsangebote

rücken weiter in den Mittelpunkt ihres Aufgabenbereichs. Diesem Auftrag stellen sich die öffentlichen Bibliotheken und ihre Partner mit Erfolg. Ihren bildungspolitischen Auftrag nehmen sie in vielfacher Weise und landesweit genauso wie vor Ort wahr.

Beispielsweise ist der Landesverband Sachsen im Deutschen Bibliotheksverband mit dem vom SMWK unterstützten kulturellen Bildungsprojekt „Buchsommer 2012“ tätig geworden. An diesem Projekt beteiligten sich insgesamt 60 Bibliotheken in ganz Sachsen. Mein Haus wird die Förderung auch in diesem Jahr fortsetzen. Für das Projekt „Buchsommer 2013“ sind im Jahr 2013 Zuwendungen in Höhe von 104 000 Euro geplant.

Zudem möchte sich der Freistaat Sachsen noch aktiver in breitenwirksame Angebote zur Leseförderung einbringen. Er beabsichtigt, auch die Vogtländischen Literaturtage als Projekt zur Förderung des Lesens zu unterstützen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Regelungsbedarf zur Sicherung der Aufgaben der Bibliotheken sieht die Staatsregierung gegenwärtig bei der Pflichtexemplarregelung. Das betrifft aber lediglich die elektronischen Publikationen. Hier arbeitet die Staatsregierung an dem Entwurf zur Novellierung des Sächsischen Pressegesetzes.

Zu den weitreichenden Aufgaben der Bibliotheken zählen ebenso die Vermittlung von Informations- und Medienkompetenzen. Während für öffentliche Bibliotheken die Verankerung dieses Themas in bildungsrechtlichen Regelungen ein Anliegen darstellt, gehört dies im Hochschulbereich bereits seit Langem zu den selbstverständlichen Aufgaben der Bibliotheken. Für weitergehende Regelungen zur Abgabe von Belegexemplaren an Bibliotheken bzw. zum Datenschutz beim Umgang mit Nachlässen sieht die Sächsische Staatsregierung jedoch im Moment keinen Handlungsbedarf. Die Bibliotheken orientieren sich diesbezüglich derzeit an der in § 5 Abs. 2 des

Bundesarchivgesetzes niedergelegten archivalischen

Praxis.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen: Das Angebot öffentlicher Bibliotheken in Sachsen ist bereits sehr vielfältig. Die Bibliotheken sind leistungsfähig und attraktiv, und sie sind lebendige Anlaufstellen für Menschen aus sämtlichen Schichten der Bevölkerung. Die Staatsregierung hat Vertrauen in die kommunalen Aufgabenträger, die sich ihrer Verantwortung auch stellen, und zwar ohne weitere Regelungen und Vorgaben, und die auch dafür Sorge tragen, dass das Bibliotheksangebot das kulturelle Leben in Sachsen vielfältig bereichert.

Das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst wird auch in Zukunft seine Gesamtverantwortung für das sächsische Bibliothekswesen wahrnehmen und sich hierbei fachlich und unterstützend einbringen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin – Das Schlusswort haben die Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Einer für zwei? – Herr Mann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir haben mit unserem heutigen Antrag versucht, Ihnen darzustellen, wie wir uns eine Gesamtverantwortung des Freistaates eben auch für die öffentlichen Bibliotheken vorstellen. Wir sehen diese Gesamtverantwortung vor allen Dingen in der Ausfüllung darin, für ein abgestimmtes, kooperatives Bibliothekswesen an wissenschaftlichen und öffentlichen Bibliotheken zu sorgen, die Landesfachstelle ausreichend auszustatten, ihr auch Vor-Ort-Beratungen zu ermöglichen, die Belegexemplarregelung auch für die öffentlichen Bibliotheken zu sichern, den Datenschutz für Archivbestände zu aktualisieren und nicht zuletzt ihre Verhandlungsposition beim Erwerb von Lizenzen zu verbessern.

Dies alles wäre ohne viel Aufwand möglich, und es wäre, wie wir, SPD und GRÜNE, finden, sehr sinnvoll.

Heute Abend – ich hatte es schon gesagt – wird die Leipziger Buchmesse offiziell eröffnet. Unser Ministerpräsident hält dort, glaube ich, in diesen Minuten ein Grußwort. Sie alle haben es vielleicht gelesen, die Pressemitteilung ist überschrieben mit dem Slogan: „Lesen ist auch in der digitalen Welt Lebensvoraussetzung“ – Lebensvoraussetzung, großes Wort.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich fordere Sie herzlich auf: Tun Sie etwas dafür, dass der Ort, an dem die Menschen die Vielfalt der Lesemedien kennenlernen und damit Lebensvoraussetzung gewinnen können – die öffentlichen Bibliotheken –, in der digitalen Welt ankommt, und nehmen Sie unseren Antrag an.

Vielen Dank.

(Einzelbeifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 5/11131 zur Abstimmung und bitte diejenigen, die zustimmen möchten, das anzuzeigen. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Danke

sehr. Gibt es Stimmenenthaltungen? – Bei Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden und ist nicht beschlossen, meine Damen und Herren. Der Tagesordnungspunkt 8 ist beendet.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 9

Crystal – Sofortprogramm zur Stärkung der

ambulanten Suchtberatung in Sachsen

Drucksache 5/10944, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Das sächsische Suchthilfesystem überprüfen – auf das Drogenphänomen

„Crystal“ (Metamphetamin) umgehend reagieren!

Drucksache 5/11169, Antrag der Fraktion DIE LINKE,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Wir beginnen mit der Aussprache, und zwar zunächst die einreichenden Fraktionen, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE, und im Anschluss CDU, SPD, FDP, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht. Für die Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN spricht Frau Abg. Herrmann. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich heute früh gefreut, dass die Sprecher der Koalitionsfraktionen, Herr Hartmann und Herr Karabinski, die Opposition zur weiteren Diskussion zum Thema Crystal, dem Umgang damit im Freistaat und der Stärkung der Prävention und der Suchtkrankenhilfe sowie der Suchtberatungsstellen im Freistaat eingeladen haben.

Warum ist das Problem Crystal ein besonderes, und worauf muss besonders reagiert werden? Zum einen steigt die Zahl der Klientinnen und Klienten, die in den Suchtberatungsstellen ankommen, in den letzten Jahren in Sachsen drastisch an. Waren es 2002 ungefähr 950 Personen, so waren es 2011 bereits rund 2 400. Der Anstieg in den Jahren 2009/2010 bzw. 2010/2011 beträgt rund 25 %. Wenn man der Sächsischen Landesstelle gegen Suchtgefahren und der Diakonie glauben kann, wird im Jahr 2011/2012 sogar mit einem Anstieg von ungefähr 40 % zu rechnen sein. Das ist sehr ungewöhnlich. Es gibt keine andere Droge mit vergleichbarer Zunahme der Klientenzahlen in den Suchtberatungsstellen.

Das Problem lässt sich auch regional kaum eingrenzen. Sowohl Suchtberatungsstellen in großen Städten – also Leipzig, Chemnitz und Dresden – als auch Suchtberatungsstellen im ländlichen Raum – vor allen Dingen in den Landkreisen, die Grenzkontakt haben, vor allen Dingen deshalb, weil ein Teil der Herstellung in Tschechien vonstattengeht – konstatieren die Zunahme der Klientenzahlen.

Aber nicht nur regional lässt sich das Problem nicht eingrenzen. Crystal ist keine Partydroge mehr. Es hat sich mittlerweile breitgemacht und wird von allen Schichten der Bevölkerung konsumiert. Es lässt sich also auch in dieser Hinsicht nicht eingrenzen. Es ist billig – billiger als alle anderen Drogen – zu haben. Es ist eine Droge, die perfekt zu unserer heutigen Zeit passt.

Ich hatte heute Morgen schon auf die Broschüre der Suchtberatungsstelle Chemnitz verwiesen. Es lohnt sich für Sie, einmal diese Broschüre anzuschauen; man kann sie auch auf der Seite des Staatsministeriums lesen. Da steht zum Beispiel etwas über das Besondere an Crystal: „Die Anwendung psychoaktiver Substanzen in unserer Zeit kann als eine Form der Auseinandersetzung mit den Bedingungen und Gegebenheiten der modernen Wirklichkeit verstanden werden. Insofern passt Crystal mit seinem Wirkspektrum hervorragend.“ Man kann noch, wenn andere schon völlig erschöpft sind. Man kann es sich leisten. Mit Crystal bleibt man schlank, hat man den Durchblick, man merkt nicht, wie schrecklich – hier steht etwas anderes – der Alltag ist, man kommt über die Probleme im Elternhaus leichter hinweg – ich zitiere hier nicht wörtlich –, und man kann zum Beispiel auch lange am PC konzentriert sein. Es ist also eine Droge, von der viele Kinder und Jugendliche meinen, dass sie genau zu den Anforderungen passt, mit denen sie in der heutigen Zeit konfrontiert sind.

Minister Ulbig hat heute Morgen gesagt, dass es auch ein gesamtgesellschaftliches Problem ist. Damit hat er recht. Er hat das Beispiel der Schule ins Feld geführt. Da frage ich Sie: Was wäre, wenn eine Schule öffentlich zugibt, dass an ihr ein Problem mit Crystal besteht und sich gleichzeitig aktiv der Auseinandersetzung mit diesem Problem stellt? Ich glaube, dann gäbe es eine ganze Reihe von Leuten, die mit dem Finger auf diese Schule zeigen und sagen würden: Das kann doch gar nicht sein. Warum gerade in dieser Schule? Irgendwas muss doch da falsch

laufen. – Insofern ist auch unser Umgang mit dem Thema Crystal geeignet, eine öffentliche Debatte dazu und natürlich auch eine Auseinandersetzung, die präventive Erfolge hat, zu bewirken oder auch nicht.

Eine weitere Besonderheit von Crystal ist, dass es recht schnell abhängig macht und dass das Einstiegsalter besonders niedrig ist; es liegt bei 14 bis 18 Jahren. Regelmäßiger Konsum kann Nervenzellen nachhaltig schädigen. Gedächtnisstörungen, Aufmerksamkeitsstörungen, Konzentrationsstörungen oder psychotische

Störungen sind die Folge. Diese Störungen können auch bei Abstinenz weiter bestehen. Es dauert überhaupt länger, bis Entzug wirksam wird, und dieser Entzug ist wesentlich aufwendiger als bei anderen Drogen.

Ich möchte noch erwähnen, dass genau bei dieser Droge sehr häufig auch Familien und Kinder betroffen sind – ich habe es heute früh schon gesagt. Crystal wirkt sexuell stimulierend. Es kann zwar den Zyklus der Frau stören, aber eine Schwangerschaft ist nicht ausgeschlossen. Crystal ist grundsätzlich toxisch für das ungeborene Kind, auch wenn man heute noch nicht genau weiß, wie sich die Auswirkungen von Crystal in der Entwicklung des Kindes niederschlagen werden.

Crystalkonsum der Eltern fällt aufgrund seiner langen Wirkungsweise auch in ein Zeitfenster, in dem sich Eltern um ihre Kinder kümmern müssen: Frühstück, der Weg zur Kita usw. Das bedeutet, dass die Kinder die veränderten Reaktions- und Verhaltensweisen ihrer Eltern miterleben.

Nun ist heute früh schon angeführt worden, dass im Doppelhaushalt eine Aufstockung der Suchtberatung vorgenommen wurde. Wir haben jetzt 4,1 Millionen Euro pro Jahr eingestellt. Es wurde angeführt, dass das doch für den Umgang mit Crystal ausreichend sei. Dazu ist zu sagen: Der Fachschlüssel für die Suchtkrankenhilfe liegt in Sachsen bei ungefähr 1 : 25 000. In anderen Bundesländern wird – und bundesweit empfohlen – 1 : 15 000 angestrebt. Das heißt, wir haben seit Jahren einen Schlüssel, der nicht ausreichend für die Suchtkrankenhilfe ist. Es gibt einige Kommunen, die bei 1 : 20 0000 liegen, aber es gibt eben auch Landkreise, die bei 1 : 30 000 liegen. Das ist auch bei Anhörungen im Sächsischen Landtag gesagt worden. Die Aufstockung, die wir vorgenommen haben, dient also in erster Linie der Grundversorgung und der adäquaten Grundausstattung der Suchtkrankenhilfe und nicht dem besonderen Umgang mit dem Phänomen Crystal.

Für den Umgang mit diesem Phänomen brauchen wir deshalb – das ist unsere Auffassung, das schlagen wir Ihnen heute vor – ein Sofortprogramm. Wir hatten schon im Haushalt vorgeschlagen, zehn zusätzliche Fachberater für dieses Phänomen einzustellen, die sowohl in der Beratung als auch in der Weiterbildung dem Phänomen Crystal und dem drastischen Anstieg beim Konsum in Sachsen gerecht werden können.

Die derzeitigen Strukturen in der Suchtkrankenhilfe sind nicht ausreichend für den Umgang und die Prävention in Bezug auf Crystal. Dieser Vorschlag, die Suchtkranken

hilfe aufzustocken und Fachberater für Crystal einzustellen, hat auch nichts damit zu tun, dass wir sagen, man müsste in keiner Weise repressiv vorgehen. Nur der Vorrang repressiver Maßnahmen vor der Suchtkrankenhilfe oder die besondere Herausstellung repressiver Maßnahmen wird eben diesem Phänomen auch nicht gerecht.

Ich glaube, das können Sie sich leicht vorstellen, wenn Sie sich überlegen, dass ein 15-Jähriger oder auch eine 15-Jährige Crystal konsumiert und dann zur Verantwortung gezogen wird. Dafür haben wir nicht ausreichend Handhabe. Es ist auch diesem Problem nicht angemessen. Viele Jugendliche wissen nicht, wenn sie erstmalig konsumieren, worauf sie sich hier eigentlich einlassen.

Wie gesagt: Es ist breit verfügbar an Schulen, auf Partys, wird aber auch im häuslichen Bereich konsumiert, einfach, um das Durchhaltevermögen zu stimulieren. Suchtberatung braucht deshalb ausreichend Ressourcen für Beratung, für ziel- und fachgruppenspezifische Weiterbildungsangebote, auch für die angrenzenden Hilfesysteme bzw. Betreuungssysteme, zum Beispiel für die Jugendhilfe, das Gesundheitswesen, zum Beispiel auch für die Schwangerschaftskonfliktberatung, für den gesamten Bereich des Kinderschutzes; denken Sie an Familienhebammen, weil gerade junge Familien betroffen sind. Es können Ihnen auch alle Fachberater sagen, dass an den einschlägigen Orten, wo Crystal konsumiert wird, vermehrt Familien oder Frauen zum Beispiel mit Kindern auftauchen. Wir haben hier ein großes Problem.