Protokoll der Sitzung vom 17.04.2013

Wie ernst Sie, die drei Antragsteller, den Mindestlohn nehmen, kann ich Ihnen an einem Beispiel festmachen: Stadtrat Bautzen bei einer Sitzung im März. Dort gab es eine Vorlage der Stadtverwaltung für die Bezahlung von Volontären. Es wurde ein Einstiegslohn in Höhe von 7,50 Euro vorgeschlagen. Die Vertreter Ihrer Parteien haben dem selbstverständlich zugestimmt. Es gab keinen Widerspruch. Die einzige Fraktion, die dieser Bezahlung nicht zugestimmt hat, war die FDP. Das geschah aus einem bestimmten Grund: Wir sind der Meinung, dass uns diese Arbeit mehr als 7,50 Euro wert ist. Wir können das bezahlen.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Genau das ist das, was wir wollen. Man muss selbst entscheiden können, was einem die Arbeit wert ist. Man muss keine gesetzlichen Untergrenzen festlegen. Wenn man das in großem Maße propagiert und es selbst an der Basis für nicht anwendbar hält, frage ich mich, warum Sie

dies in ein Gesetz hineinschreiben möchten. Sie sehen an der eigenen Basis, dass es nicht akzeptiert wird.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP und der CDU)

Sie möchten, dass die Vergabestellen, zum Beispiel eine kleine Gemeinde, bei der Vergabeentscheidung, die nur wenige Tage Zeit hat, die Nachhaltigkeits- und die Lebenszykluskosten bewerten. Sie soll und muss sie besser bewerten, als es das Planungs- und Ingenieurbüro im Vorfeld des Projektes einfließen ließ. Wie das funktionieren soll, ist mir schleierhaft.

Ich nenne ein Beispiel. Es spielt in Ostsachen. Dort fand vor Kurzem die Ausschreibung für einen Bau einer Kindertageseinrichtung statt. Die Gemeinde Soland hat es sich nicht selbst zugetraut, die Unterlagen zur Vergabe der einzelnen Gewerke zu kopieren und zu verschicken. Dafür haben sie einen teuren Verlag aus Dresden engagiert. Es war ein großer Verlag. Dieser hat es zum dreifachen Preis an die Bieter verschickt. Die Bieter mussten dies bezahlen. Das hat dazu geführt, dass weniger Bieter als üblich daran teilgenommen haben. Eine Verwaltung, die sich das nicht zutraut, soll solche komplexen Sachverhalte wie die Lebenszykluskosten und unterschiedliche Systeme wie zum Beispiel bei der Wärmeerzeugung – es gibt die unterschiedlichsten Möglichkeiten – bewerten. Ich frage mich ernsthaft Folgendes: Wie wollen Sie ihnen das erklären?

Wir haben ein gültiges Vergabegesetz. Ein Sachverständiger einer großen angesehenen Rechtsanwaltskanzlei, KPMG, die international tätig ist und in Berlin einen großen Sitz hat, war vor Kurzem da. Vor Kurzem gab es eine Veranstaltung der Handwerkskammer. Dort hat Dr. Carsten Oehme von der KPMG zu diesem, zu unserem, zum neuen Vergabegesetz referiert – Dr. Carsten Oehme. Doktor ist er deshalb, weil er über das Vergaberecht promoviert hat. Ich möchte ihn aus der „Deutschen Handwerks Zeitung“ vom 22. März zitieren. Er stellte fest, dass das Gesetz nicht dem aktuellen Trend in der Gesetzgebung folgt. Zitat: „Es ist schlank, kurz und einfacher zu verstehen als das ohnehin schon viel gelobte Vorgängergesetz.“ Des Weiteren führt er aus, dass es vermutlich das derzeit beste Landesvergabegesetz in Deutschland sei. Mehr kann man von einem Sächsischen Vergabegesetz nicht erwarten.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von den LINKEN)

Nun spricht für die NPD-Fraktion Herr Abg. Delle. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich inhaltlich auf die beiden vorliegenden Gesetzentwürfe eingehe, lassen Sie mich einige Worte über die doch merkwürdige Chronologie in Sachen Vergabegesetz verlieren.

Im April 2004 wurde die EU-Richtlinie beschlossen, nach der es möglich ist, bei öffentlichen Vergaben soziale und ökologische Kriterien zu berücksichtigen.

Im Juli 2006 bestätigte das Bundesverfassungsgericht die Zulässigkeit von Tariftreuevereinbarungen als Vergabekriterien.

Nach dem im April 2008 erlassenen Rüffert-Urteil des Europäischen Gerichtshofs, in dem die Zulässigkeit der Anwendung ökologischer und sozialer Kriterien auf der Grundlage der 2004 erlassenen Richtlinie höchstrichterlich bestätigt wurde, führte die Bundesregierung genau ein Jahr später mit ihrem sogenannten Modernisierungsgesetz zusätzlich zu den üblichen Kriterien wie Fachkunde, Leistungsfähigkeit oder auch Zuverlässigkeit auch soziale, umweltbezogene und innovative Kriterien als Vergabekriterien ein.

Im Oktober 2009 vereinbarten dann CDU und FDP in ihrem Koalitionsvertrag hier in Sachsen, eine Reform des Vergabegesetzes bis Ende 2010 in Angriff zu nehmen. Drei Jahre später als geplant wurde dies vor Kurzem hier in diesem Hause realisiert.

Und nun kommen LINKE und GRÜNE mit ihrem Entwurf. Man fragt sich schon: Wozu denn das eigentlich? Aber gut, sei’s drum.

Inhaltlich ist an dem Entwurf der GRÜNEN vor allem zu kritisieren, dass hier an die Bieter der Ausschreibungen für öffentliche Aufträge eine Reihe von dehnbaren, nur schwer überprüfbaren und ideologisch motivierten Anforderungen gestellt werden, die zu einem erheblichen Nachweis- und Überprüfungsaufwand führen dürften. Allein die Zertifizierungen, die unter Umständen notwendig würden, um als Bieter Erfolgsaussichten zu haben, könnten unverhältnismäßig teuer werden, insbesondere, wenn es zu einem Zertifizierungswettbewerb kommt.

Wegen der Komplexität und Dehnbarkeit der genannten Anforderungen in Verbindung mit den erheblichen Sanktionsrisiken, die in Abschnitt 6 genannt werden, wird das Risiko insbesondere für die kleinen Unternehmen aber viel zu hoch. Dies steht in klarem Widerspruch zu der angeblichen Mittelstandsfreundlichkeit, die die GRÜNEN hier unter Beweis stellen wollen.

Der Entwurf lässt zudem an mehreren Stellen die notwendige rechtliche Bestimmtheit vermissen, zum Beispiel bei dem Punkt „Ausschluss von der Auftragsvergabe bei Vorliegen eines Eintrags in einem landes- oder bundesweiten Korruptionsregister“ in § 17 Abs. 2 Nr. 6.

Meine Damen und Herren von den GRÜNEN: Solange weder in Sachsen noch auf Bundesebene gesetzlich genau definierte und reglementierte Korruptionsregister überhaupt existieren, die die NPD-Fraktion seit vielen Jahren fordert, sind so bezeichnete Register als Ausschlusskriterium viel zu unbestimmt. Außerdem muss ohnehin das Willkürverbot beachtet werden. Schon der Ausschluss aufgrund einer Anklageerhebung – also noch ohne Urteil – ist doch sehr fragwürdig.

Aus Sicht der NPD-Fraktion bringt der Gesetzentwurf der GRÜNEN auch keine nennenswerten Verbesserungen für regionale Anbieter im Vergleich mit dem im Landtag beschlossenen und inzwischen rechtskräftigen Vergabege

setz mit sich. Zwar können die verschiedenen sozialen und umweltbezogenen Auflagen rein theoretisch in ihrer Wirkung überregionale und auch internationale Anbieter abschrecken und regionale Anbieter begünstigen, jedoch ist das ein zweischneidiges Schwert, da es auch umgekehrt wirken könnte.

Für den Gesetzentwurf der LINKEN und der SPD gelten im Wesentlichen die gleichen Bedenken wie gegenüber demjenigen der GRÜNEN, weswegen wir beide Gesetzentwürfe ablehnen werden.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren, das war die erste Runde in der Aussprache. Gibt es Redebedarf für eine zweite Runde? Ich frage die Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN. – Das ist nicht der Fall. DIE LINKE? – Herr Abg. Zais. Sie haben das Wort, Herr Zais.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hatte mir vorgenommen, erst etwas später zu reden, um Herrn Pohle und Herrn Hauschild erst zu hören. Wir haben jetzt viele Wochen und Monate gemeinsame Foren oder Öffentlichkeit gehabt. Es gibt nichts, was wir noch miteinander austauschen könnten. Deshalb muss ich Ihre Reden nehmen, wie sie sind.

Sie stehen in der Tradition, so eine Art letzte Verteidigung der Festung. Es ist in der Bundesrepublik einfach Fakt, dass es von 16 Bundesländern 14 mit Tariftreue- und Mindestlohnregelung gibt, die ein neues Gesetz haben. Bleiben Sachsen und Bayern. Und da freue ich mich wie Sie, Herr Pohle, auf die zukünftigen zwei Jahre Wahlkampf – darauf freue ich mich wirklich.

Wenn ich Ihre Worte höre, Herr Pohle, stelle ich fest: Das waren heiße Sprüche – auch die des Herrn Hauschild. Da war nicht ein Kommentar zu einem Paragrafen unseres Gesetzes, der etwa fachlich nicht fundiert wäre. Das können Sie auch nicht sagen. Es wurde in der Sachverständigenberatung und im Ausschuss bestätigt, dass unser Gesetz eine vollkommen sachverständige Auslegung hat.

Kommen wir zu Ihrem Grundproblem: Politische Ziele – das sind Ihre ideologischen Auswürfe, Herr Pohle – unterstellen Sie uns. In unserem Gesetz gibt es soziale Kriterien. Die sind vom Grundgesetz geschützt. Es gibt nämlich eine Sozialpflicht, die ausgehöhlt wird und die wir umkehren wollen. Da sind wir mit dem Gesetz im Bunde. Stellen Sie Ihren Redebeitrag einmal ins Internet. Ich mache den gern bekannt, damit der bei Ihnen gelesen werden kann. Das zeigt Ihre wirkliche Haltung zu all dem, was Sie für Politik – auch als Koalition von Schwarz-Gelb – in den vergangenen Jahren gemacht haben.

Die Debatte um einen fairen Wettbewerb werden wir auch heute nicht beenden – wie auch immer Sie nachher stimmen werden –, sondern es ist, wie Kollege Brangs

richtig sagt, ein Thema, das den Wahlkampf überziehen wird: das zwischen Lohn und Vergabe und „billiger kommt teurer“.

Wir werden dem Wähler transparent rüberbringen – diesbezüglich haben wir gestern einen Vorschlag gehört, Herr Pohle –, wie hier Geld ausgegeben wird, das nicht auszugeben ist, weil Pfusch am Bau durch Dumpinglöhne immer wieder neu entsteht.

Auch der kleine Teilbereich der öffentlichen Auftragsberatung wird damit weiter in der öffentlichen Auseinandersetzung in Sachsen bleiben. Die Wähler werden es nicht erlauben, Herr Pohle, dass in den nächsten zwei Jahren dieses Thema an den Rand gerät. Sie werden sich die Programme genau ansehen. Also ein Entziehen wird nicht möglich sein.

Ein Beispiel für all diejenigen Abgeordneten, die gestern nicht dabei waren – wie Herr Hauschild, Herr Pohle und ich –, die weniger über diese Vergabegesetze Bescheid wissen: Eine Handwerkskammer der Dachdeckerinnung hatte eingeladen. Ich zitiere aus der Einladung: Wir haben klare Vorstellungen zur Ausgestaltung des Durchführungsreglements, um Defizite, die das Vergabegesetz noch enthält, zu verändern. – So wurden wir eingeladen, Herr Pohle. Ein Lob klingt anders!

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Ich zitiere weiter – nur aus der Einladung –: „Mindestlohn, Handwerkerbetriebe, Mittelstand, …“ – wir reden über Mindestlohn – „… Lohndumping, Vergabe von Stundenverrechnungssätze durch die Verbände, Kalkulationshilfen zur Nachprüfbarkeit, Vergabeberichte und die Verantwortlichkeit in den Verwaltungen bezüglich Rechenschaftslegung gegenüber den Kommunalvertre

tern …“, so die Dachdeckerinnung Sachsens. Ist das ein Lob für Ihr Gesetz? Ich weiß gar nicht, welches Thema die nicht benannt haben, das gestern kritisch über Ihr Gesetz diskutiert wurde. Wenn Ihr neues Vergabegesetz eine solche Kritik hervorruft, dann wird die Diskussion nicht beendet, sie wird verschärft.

Herr Zais, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Herr Hauschild.

Lieber Kollege Zais, ist Ihnen noch von gestern geläufig, dass jeder Redner, der dort stand – ob Herr Brosius oder andere –, gesagt hat: „Das Gesetz, wie es jetzt ist, ist sehr gut“? Dann kamen noch einzelne Wünsche, die eventuell noch dazukommen oder nicht. Aber jeder Redner, der dort war, jeder Vertreter hat gesagt: Das Gesetz, wie es ist, ist sehr gut. – Wissen Sie das noch von gestern?

Herr Hauschild, ich bestätige Ihnen, dass alle gesagt haben: Das Gesetz ist gut,

(Mike Hauschild, FDP: Danke!)

und Sie wollen weiter mit dem beschlossenen eine Verbesserung haben. – Stimmt das? Und das, was ich verlesen habe, sind doch konkrete Punkte der Verbesserung dieses Gesetzes. Herr Hauschild, ich habe ja verstanden, was Sie fragen. Die Handwerker waren gestern so fair und haben gesagt: Na ja, das Gesetz ist beschlossen, wir müssen damit zurechtkommen.

(Lachen und Zurufe von der CDU)

Jetzt kommt das, Herr Hauschild, was Herr Pohle sagt. Er hat heute schon einmal gesagt, er bestimmt die öffentliche Diskussion. Wir haben ein Vergabegesetz, und wir brauchen gar nicht mehr zu reden. Herr Pohle, Sie bestimmen nicht, was im Landtag besprochen wird! Sie bestimmen auch nicht die öffentliche Diskussion!

Ich zitiere einmal den Sohn von Chemnitz Stefan Heym: „Das Einzige, was sie haben, ist Macht.“ Er hat nicht gesagt, sozialistische Macht korrumpiert. Er hat gesagt: Macht korrumpiert, und absolute Macht korrumpiert absolut.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

In der Richtung können Sie immer von den Handwerkern erwarten, Herr Hauschild, dass sie sagen, das Gesetz ist da, jetzt wollen wir es verbessern. Es ist ja gut, dass Sie überhaupt mit ihnen reden.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Stefan Brangs, SPD)