gen wollen, dass bestimmte Defizite, die es durchaus gibt, angesprochen und möglichst beseitigt werden. Ich erwarte also – das natürlich in erster Linie, da es eine Frage der Verantwortungsverteilung ist – von der Staatsregierung, dass sie noch in dieser Legislaturperiode eine ausführliche Analyse vorlegt, in der die Schwachstellen des Systems deutlich genannt werden. Ich erwarte dann zugleich auch Schlussfolgerungen.
Frau Clauß hat ja heute in einem Presseartikel angedeutet, dass sie sich durchaus auch gesetzliche Veränderungen vorstellen könnte. Dabei ist uns völlig klar, wir können das Problem nicht losgelöst vom Gesundheitswesen in unserem Freistaat betrachten, sondern Frau Giegengack hat völlig recht, die Dinge greifen ineinander und das ist so eine Sache mit den verschiedenen Schrauben.
Ich möchte daher auch deutlich sagen, dass ich keine Patentlösung vortragen kann. Die haben wir wahrscheinlich alle nicht. Ich möchte aber zumindest ein paar Fragen stellen und versuchen, einige Bemerkungen dazu zu machen, also Fragen, die mich natürlich aus einer Stellungnahme der Landesärztekammer angeregt haben, die uns am Montag zugegangen ist, in der sich die Landesärztekammer ausdrücklich auch für das heutige Thema bedankt.
Da frage ich zum Ersten: Weshalb haben wir denn einen so deutlichen Anstieg der Notarzteinsätze? Ich sage, das könnte daran liegen, dass den betroffenen Patienten nicht immer klar ist, wen sie dann anzurufen hätten. Wir müssen mehr Klarheit schaffen und das auch propagieren. Es liegt natürlich generell am Ärztemangel. Wenn 10 % der Planstellen in Krankenhäusern gegenwärtig nicht besetzt werden können, dann ist es natürlich klar, dass irgendwann Not am Mann oder an der Frau ist. Die langen Wartezeiten auf Fachärzte mögen auch dazu beitragen, dass man dann in der Not zum Telefon greift, was sicher nicht immer sinnvoll oder vielleicht auch nicht gegeben ist. Wir müssen auch überlegen: Sind die Einsatzzentralen denn ausreichend mit medizinisch geschultem Personal besetzt? Ich sage allerdings auch, ich kann verstehen, dass lieber der Notarztwagen geschickt wird, um möglicherweise spätere juristische Haftungsansprüche zu vermeiden. Auch hier müssen wir überlegen, was geht.
Allerdings müssen wir auch eines deutlich sagen: Das amerikanische Modell, wo zum Notfall kein Notarzt mitfährt, lehnen wir prinzipiell ab.
Das Zweite: Ist der gegenwärtige Sicherstellungsauftrag an die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen noch zeitgemäß oder müssen wir hier wirklich überlegen? Ich hatte an die Krankenhäuser gedacht. Frau Giegengack hat mich zumindest zum Nachdenken angeregt. Aber hier brauchen wir eine Lösung.
Auch die Landesärztekammer stellt zumindest in Zweifel, ob dieser Sicherstellungsauftrag noch zeitgemäß ist.
Das Dritte: Ja, ich weiß nicht, ob die Notarztversorgung nur auf freiwilliger Basis erfolgen kann oder ob es nicht doch zu gesetzlich verpflichtenden Lösungen kommen muss, an denen sich möglicherweise alle Teile der Ärzteschaft beteiligen sollten. Das könnte alle entlasten.
Das Vierte: Wie gewährleisten wir denn eine gleichwertige Versorgung in allen Landesteilen? Da wird man möglicherweise auch zu Verpflichtungen kommen müssen.
Deswegen sage ich als meinen letzten und fünften Punkt, dass wir durchaus überlegen müssen, nicht unbedingt die Vergütung pauschal zu erhöhen, sondern die Frage beantworten müssen: Greift die Vergütung auch differenziert genug? Auch das wäre zu entscheiden.
Für die einbringende Fraktion DIE LINKE war das Herr Pellmann. Als Nächstes ergreift für die CDU-Fraktion Herr Kollege Krauß das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich auf den einen oder anderen Gedanken eingehen.
Herr Kollege Pellmann hat richtig gesagt, die Leute wissen nicht, wo sie unbedingt anrufen sollen. Ich hatte jetzt auch den Eindruck, als ich den Beitrag von Frau Giegengack gehört hatte, dass sie nicht so richtig den Unterschied zwischen kassenärztlichem Bereitschaftsdienst und Rettungsdienst wusste. Erst recht kann man es nicht vom Bürger erwarten, dass er das wirklich weiß. Frau Giegengack hat das miteinander vermischt. Sie wusste den Unterschied nicht.
Noch einmal: Beim kassenärztlichen Bereitschaftsdienst fährt der Arzt vielleicht los, weil der Patient einen Schnupfen hat. Er fährt nicht mit Blaulicht, sondern mit seinem privaten Auto zum Patienten nach Hause. Beim Rettungsdienst kommt er mit Blaulicht. So einfach ist erst mal der Unterschied. Wir müssen das System erst einmal verstehen. Wenn das selbst bei Kreisen im Landtag nicht unbedingt der Fall ist, können wir nicht erwarten, dass das der Bürger automatisch weiß.
Danke, Herr Präsident. Danke, Herr Kollege. Ist Ihnen aufgefallen, dass die Kollegin Giegengack das weniger vermischt, als vielmehr in ihrem Redebeitrag darauf hingewiesen hat, dass es beim Rückgang des ärztlichen Bereitschaftsdienstes automatisch dazu führt, dass mehr Notdienste angefordert werden, weil der ärztliche Bereitschaftsdienst eben zu bestimmten Zeiten nicht zur Verfügung steht? Sie hat ja die Zeiten genannt. Dann wählen die Leute eben den Notdienst.
Der kassenärztliche Bereitschaftsdienst wird in der eigenen Zuständigkeit der Ärzte in der Kassenärztlichen Vereinigung geregelt. Sie haben selbst geregelt, wie groß sie die Gebiete zuschneiden. Das liegt in ihrer Selbstverwaltung. Ich bin relativ sicher, dass man sich in Chemnitz dabei irgendetwas gedacht hat. Natürlich ist sichergestellt, dass auch in Chemnitz der kassenärztliche Bereitschaftsdienst durch die Ärzte abgesichert wird und keiner gezwungen ist zu sagen, ich habe einen starken Schnupfen und ich rufe mal den Krankenwagen an.
Lassen Sie mich aber zum eigentlichen Thema zurückkommen. Wir sollten auch noch einmal darüber sprechen, wie man diesen kassenärztlichen Bereitschaftsdienst und den Rettungsdienst enger miteinander verknüpfen kann. Wir hatten hier im Landtag eine Anhörung beantragt, die aus meiner Sicht sehr spannend war. Der eine oder andere Kollege hat ja auch aus der Anhörung zitiert. Uns muss es gelingen, dass der Betroffene eine Stelle anruft und das Problem erläutert. Der Disponent hat dann eine höhere Verantwortung. Das ist richtig, Herr Pellmann. Aber wenn jemand sagt, ich habe Zahnschmerzen, dann ist klar, dann muss nicht der Rettungswagen losfahren, oder wenn jemand sagt, ich habe einen starken Schnupfen, dann muss klar sein, da fährt kein Rettungswagen los.
Natürlich gibt es auch immer einen Graubereich, wo man abwägen muss, wen man schickt. Ich fände es gut, wenn es eine Telefonnummer für alles gibt. Wir wissen, welche Erfahrungen Thüringen damit gemacht hat, dass das auch gut für den krankenärztlichen Bereitschaftsdienst ist und die Einsätze für den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst gesunken sind. Sicher kam es dort auch im Vorfeld zu Missbrauch. Den hat man in diesem Zusammenhang reduziert.
Ich finde aber, dass man noch eine andere Strukturfrage stellen muss. Ganz klar, die vorgegebenen Rettungsfristen müssen eingehalten werden; der Krankenwagen muss rechtzeitig vor Ort sein. Das steht außer Frage. Wenn wir feststellen, dass es in einem Gebiet zu Schwierigkeiten bei der Notarztbesetzung kommt, dann sollte man darüber nachdenken, ob man den Bereich nicht anders zuschneiden kann, damit man es hinbekommt – ohne die Hilfsfrist zu verletzen. Man sollte vor Ort nach kreativen Lösungen suchen, um voranzukommen.
Herr Pellmann hat den Sicherstellungsauftrag angesprochen und ob es sinnvoll ist, diesen bei den Krankenkassen anzuwenden. Ich frage mich immer, ob es jemand anderes
automatisch besser kann. Wenn die Kassenärztliche Vereinigung zum Beispiel zuständig wäre, könnte es diese automatisch besser? Mir fällt kein Argument dazu ein, wieso sie es besser könnte. Wichtig ist doch, dass wir die Kompetenzen geben, damit in dem Fall die Krankenkassen stärker eingreifen und mitsteuern können. Wir sind nicht nur auf das freundliche Mitwirken der Krankenhäuser angewiesen, sondern dass man sagen kann: Wenn ihr nicht bereit seid, euch zu beteiligen, dann muss es eine Möglichkeit geben, Druck auszuüben. Wenn es uns nicht gelingt, das in einem guten Miteinander mit den Krankenhäusern zu regeln, ist der Gesetzgeber gefordert, hier eine Lösung zu finden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Sie sehen, wir sind an dem Thema dran. Uns bewegt das. Wir wollen das mit allen Beteiligten zusammen lösen, so wie wir das bisher gemacht haben. Es ist eine gute sächsische Tradition, dass wir miteinander reden, nicht nur übereinander, und dass jeder seine Kompetenz mit einbringt, um eine Lösung für die Bürger im Freistaat Sachsen zu finden.
Das war Herr Krauß für die CDU-Fraktion. Die FDP-Fraktion hätte noch eine Minute Redezeit. Sie können sie in Anspruch nehmen oder nicht. Bitte, Frau Jonas.
Vielen Dank, Herr Präsident. Die Debatte hat ganz deutlich gezeigt, dass Handlungsbedarf besteht, aber auch, dass die Versorgungssysteme besser miteinander verknüpft und kombiniert werden müssen. Ich bin voller Optimismus, dass wir das in den nächsten Monaten aktiv angehen.
Damit ist die Redezeit der FDP-Fraktion ebenfalls verbraucht. Wir treten in eine dritte Rednerrunde ein, wenn Redebedarf besteht. Redezeit haben noch zwei Fraktionen, die einbringende Fraktion DIE LINKE und die CDU-Fraktion. – Die einbringende Fraktion ergreift das Wort. Herr Kollege Bartl, bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Ich bedanke mich erst einmal. Es war eine konstruktive Debatte. Das sehe ich genauso. Herr Kollege Krauß, das Problem ist, dass bei Ihnen an dieser oder jener Stelle ein bisschen zu viel Arroganz durchgeschimmert hat.
Mit Arroganz werden wir das Problem gewiss ebenso wenig lösen wie mit der fehlenden Bereitschaft, die Gesamtproblematik zu beleuchten und die Hinweise derer aufzunehmen, die im jetzt geltenden System handeln und gewissermaßen aus dem System heraus die Kritik üben.
Jetzt kann man wieder auf Zeitungsartikel verweisen – das tut mir leid –, aber es ist Sache dieses Hohen Hauses, sich rechtzeitig auf der Grundlage von Analysen, Evaluation oder Ähnlichem mehr mit entsprechenden Fehlentwicklungen oder Abweichungen von gesetzlichen Vorgaben zu befassen. Wenn das nicht geschieht, ist es eine dankenswerte Leistung der vierten Gewalt, der Medien, uns dadurch, dass sie Betroffene zu Wort kommen lassen, mit der Nase draufzustupsen.
Da sagt eben heute die „Freie Presse“ in einem Interview mit dem leitenden Notarzt aus den Zeisigwaldkliniken Chemnitz, ein Mensch, der Tag für Tag in diesem System agiert und lebt: „Das Gesamtpaket Rettungsdienst in Sachsen stimmt nicht. Daran sind zahlreiche Faktoren schuld.“ Er meint, dass es damit beginnt, dass der Freistaat Sachsen 2005 den Krankenkassen die Sicherstellung der notärztlichen Dienste übertragen hat, was in Deutschland einmalig ist. Dann der Satz: „Das System erweist sich als starr, bürokratisch und praxisfern. Die Kommunikation zwischen den Verantwortlichen, den Landkreisen, kreisfreien Städten, dem Freistaat, den Krankenkassen und Notärzten ist gestört.“
Die Praktiker sagen, es handelt sich um einen klaren Organisationsmangel. Für Organisationsmängel und deren Abstellung bei gesetzlich zugewiesenen Aufgaben ist dieses Haus als Gesetzgeber zuständig. Dafür dem Haus die entsprechenden Grundlagen zu liefern aus der unmittelbaren Erkenntnis aus der Fach-, Rechts- und Dienstaufsicht ist das Sozialministerium zuerst und das Innenministerium flankierend zuständig. Um diese Frage geht es letzten Endes.
Es kann nicht sein, dass wir im Gesetz klipp und klar regeln, dass Notarztdienstpläne aufzustellen sind und der Notarzt in den Wachen an 365 Tagen in der und der Zeit da zu sein hat. Dann stellen wir fest, dass zu 5,5 % der Fälle kein Notarzt am Platz war.
Das Folgende sage ich wegen der Frage der Erkenntnisanknüpfungen. In einem Fall habe ich eine betroffene Mutter vertreten. An einem 23. Dezember wurde um 12 Uhr mittags angerufen, weil der betreffende Patient einen, wie sich später herausstellte, Aortenriss hatte. Er hatte dem Leitstellendisponent geschildert, dass er fürchterliche Schmerzen hat. Dieser fragte nach, ob der Patient vielleicht einen Ischiasnerv eingeklemmt hat. Dann begann die Erörterung. Er sagte, dann sind Sie nicht unser Fall, sondern ein Fall für die DMH. Wenden Sie sich mal an die DMH. Als der Patient weiter versucht, an die DMH heranzukommen, wird ihm erklärt, dass es ein Fall für die Nummer 112 ist, wenn der Schmerz so dramatisch ist. 35 Minuten hat es gedauert, bis der Notarzt kam.
Allein in diesem Verfahren, Herr Krauß – und das ist das Problem –, haben sich, als es verhandelt wurde, sieben oder acht Beteiligte in den Verhandlungssaal gesetzt, die ebenfalls Betroffene waren. Nebenbei be
Ich bin dankbar dafür, dass von Ihnen, Herr Krauß, und von Frau Jonas erklärt wurde: Wir müssen darüber reden, wir beleuchten das. Wir wissen, dass Brandenburg anders herangeht, auch Thüringen hat eine andere Regelungsgrundlage. Das ist völlig okay. Doch wir haben nicht alle Zeit der Welt, weil es um die Frage geht, dass hier ein Kernbereich der Daseinsvorsorge Regelungsgegenstand ist und dieser oder jener, der verantwortlich ist, ganz schnell ein Stelldichein mit dem Staatsanwalt bekommen kann. Auch deshalb rede ich als rechtspolitischer Sprecher.