Protokoll der Sitzung vom 17.04.2013

auf dem Gebiet der Gleichstellung, denn es gibt viel Arbeit.

Das bisherige Frauenfördergesetz aus dem Jahr 1994 ist seit Inkrafttreten nicht oder kaum geändert worden. Im Geltungszeitraum des Frauenfördergesetzes – also seit fast 20 Jahren – gab es umfassende und umfangreiche Änderungen auf EU- und Bundesebene. Ziel unseres Gesetzes ist deshalb unter anderem auch, die Anpassung an Bundes- oder EU-Recht darzustellen.

Die Staatsregierung verspricht uns seit Jahren eine Novelle des Sächsischen Frauenfördergesetzes. Mit unserem Gesetz könnte es diese nicht nur geben – das ist uns in den verschiedenen Anhörungen in Ausschüssen und außerhalb dieser bestätigt worden –, nein, wir hätten ein modernes Instrument der Gleichstellungsförderung noch in dieser Legislaturperiode.

Der Gesetzentwurf besteht aus vier wesentlichen Teilen: Der erste Teil, Artikel 1, umfasst den Bereich des öffentlichen Dienstes im weitesten Sinne. Er ist Ersatz des Sächsischen Frauenfördergesetzes durch ein modernes

Gesetz zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern, das in allen Bereichen staatlichen Einflusses gilt.

Nicht zuletzt durch die neue Gesetzesbezeichnung soll ausgedrückt werden, dass ein Übergang von der reinen Frauenförderung zur Förderung der Gleichstellung für Frau und Mann beabsichtigt ist, wobei selbstverständlich auch weiterhin Frauenförderung im Fall der Unterrepräsentanz von Frauen, wie zum Beispiel in Führungspositionen, eine wesentliche Säule der Gleichstellungsarbeit ist.

Das Gesetz gilt – wie bisher – für Behörden, Gerichte und sonstige öffentlich-rechtliche Einrichtungen des Freistaates, für die kommunalen Träger der Selbstverwaltung sowie für die sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen öffentlichen Rechts.

Das Gesetz gilt weiterführend auch für Betriebe mit Landesbeteiligung, und es gelten Regelungen des Gesetzes fort bei Privatisierung, also Verkauf solcher Betriebe oder bei der Ausgliederung einzelner Teile.

Des Weiteren gibt es Regelungen im Gesetz für Auftragsvergabe durch den Freistaat, die auch an die Umsetzung von Gleichstellung gebunden ist.

Wir wollen die bisherigen Frauenbeauftragten – das haben wir bereits in der 1. Lesung betont – durch Gleichstellungsverantwortliche ersetzen, ihre Funktion deutlich stärken und schon in der Bezeichnung unseren erweiterten Politikansatz deutlich machen.

In allen Bereichen besteht die Pflicht zur Erarbeitung von Gleichstellungsplänen. Auch besteht Berichtspflicht über die Umsetzung dieser Pläne.

Zum Gesetz gehört auch die Vorschrift zur Anwendung einer geschlechtergerechten Sprache in den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Freistaates und im Dienstverkehr. Es ist in meinen Augen mittelalterlich, wenn ich vom Juristischen Dienst des Landtags belehrt werde, dass in einem Antrag oder einem Gesetzentwurf nicht „Richterinnen und Richter“ stehen darf, sondern nur „Richter“, da in Sachsen im Dienstverkehr das generische Maskulinum gilt.

(Einzelbeifall bei der LINKEN)

Ein zweiter Teil des Gesetzentwurfs – genauer gesagt, die Artikel 2 und 3 – befasst sich mit der kommunalen Ebene. Wir wollen die Landkreis- und Gemeindeordnung dahin gehend erweitern, dass den hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten der Landkreise die volle regelmäßige Arbeitszeit zur Verfügung steht und sie nicht noch mit anderen Stellenanteilen für andere Aufgaben wie zum Beispiel Frauenbeauftragte des Landratsamtes oder Behindertenbeauftragte betraut werden. Denn durch die Zusammenlegung von drei oder vier Kreisen infolge der Verwaltungsreform sind die zu betreuenden Territorien groß, ja, sehr groß geworden.

Der demografischen Entwicklung – besonders im ländlichen Raum – Rechnung tragend, wollen wir Gleichstellungsbeauftragte in Gemeinden schon ab 10 000 Einwoh

nern statt wie bisher 20 000 verbindlich festschreiben. Bei Städten mit über 100 000 Einwohnern fordern wir eine volle Planstelle, nicht nur eine festgeschriebene Hauptamtlichkeit, die auch nur eine halbe Planstelle, also 50 % der Tätigkeit, sein kann.

Wir haben einen Änderungsantrag zu unserem Gesetzentwurf. Darauf gehe ich später noch einmal ein.

Laut Artikel 4 soll das Sächsische Statistikgesetz dahin gehend verändert werden, dass grundsätzlich alle auf natürliche Personen bezogenen statistischen Merkmale nach ihrer geschlechtsspezifischen Ausprägung erhoben und veröffentlicht werden. Damit erhalten wir eine fundierte Grundlage für politische Entscheidungen, insbesondere aus gleichstellungspolitischer Sicht.

Artikel 5 schließlich schlägt Veränderungen des Sächsischen Wahlgesetzes vor. Die Zusammensetzung der sächsischen Bevölkerung soll auch im Parlament widergespiegelt werden. Wie aber die Zusammensetzung des Landtags mit einem Frauenanteil von etwa 30 % zeigt, sind dazu gesetzliche Regelungen notwendig, da Freiwilligkeit nicht zum Erfolg führt. So wollen wir, dass bei allen zur Wahl stehenden Parteien jeweils zur Hälfte Frauen und Männer kandidieren und die Landesliste jeder Partei dafür abwechselnd mit Frauen und Männern besetzt wird.

Wir haben bei der Anhörung des Gesetzentwurfs im Ausschuss für Soziales und Verbraucherschutz, aber auch in anderen Veranstaltungen, auf denen wir unseren Gesetzentwurf zur Diskussion gestellt haben, viel Lob und Zuspruch, aber auch viele Hinweise zur Konkretisierung oder für genauere Formulierungen erhalten. Wir möchten uns bei allen Sachverständigen, die an der Anhörung teilgenommen haben, nochmals ausdrücklich dafür bedanken. Auf die vorgenommen Änderungen, in die wir die Hinweise der Sachverständigen aufgenommen haben, werde ich bei der Einbringung unseres Änderungsantrages noch einmal eingehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich werbe nochmals um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf, um auch in Sachsen die Gleichstellungspolitik auf eine moderne gesetzliche Grundlage zu stellen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Für die CDU spricht Frau Saborowski-Richter.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Grundsätzlich begrüßen meine Fraktion und ich die Förderung der Gleichstellung von Frau und Mann. Allerdings lehnen wir den vorgeschlagenen Weg der Fraktion DIE LINKE ab. So fehlt im Gesetzentwurf entsprechendes Material, welches beweist, dass die zurzeit geltenden Regelungen des Sächsischen Frauenfördergesetzes unzureichend sind. Denn so entsteht zwangsläufig der Eindruck, dass Frauen im kommunalen Bereich völlig unterrepräsentiert sind.

Dass das nicht der Fall ist, beweisen die Zahlen, die Herr Neumann vom Sächsischen Landkreistag in der Anhörung zum Gesetz benannt hat. Er sagte, dass es nach der Frauenförderstatistik zum 30.06.2011 in den Landratsämtern insgesamt 9 294 Frauen gab. Das entspricht einem Anteil von 67,2 %. Bei den sonstigen Beschäftigten belief sich der Anteil auf 69,2 %, bei den Beamten auf 52,7 % bei den leitenden Funktionen, auf 56,5 % bei den Arbeitnehmern, 41,4 % bei den Beamten in den obersten Leitungsfunktionen und 33,3 % bei den Arbeitnehmern. Lediglich bei den Beamten gibt es noch keine Frau. Bei der Neubesetzung von Stellen liegt der Frauenanteil sogar bei 75,9 %.

Ein weiteres Beispiel aus meiner Heimatstadt Chemnitz: Von fünf Dezernenten sind zwei Frauen, und auf Abteilungsleiterebene sind von 87 Stellen 39 mit Frauen besetzt. Am seit 2008 existierenden Führungsnachwuchsprogramm der Stadtverwaltung Chemnitz nehmen insgesamt 14 Bedienstete teil; davon sind acht weiblich.

Des Weiteren fehlen im Gesetzentwurf Aussagen zur Finanzierbarkeit der anfallenden Mehrkosten. Ebenfalls wird der Gleichstellungsgedanke im Entwurf zwar grundsätzlich verfolgt, aber in einzelnen Bestimmungen wird ausschließlich auf die Frauenförderung abgestellt. Zum Beispiel werden Bereiche mit einer Überrepräsentanz von Frauen nicht berücksichtigt.

Im Folgenden möchte ich noch beispielhaft auf einige Punkte eingehen: Im ersten Abschnitt des Entwurfs, im § 1 Abs. 2, wird die Forderung nach einer geschlechtergerechten Sprache zum Ausdruck gebracht. Diese Forderung wurde und wird wiederholt zur Diskussion gestellt, da bisherige Regelungen nicht ausreichend seien.

Zu dieser Frage wird im Handbuch der Rechtsförmlichkeit zur sprachlichen Gleichgestaltung ausgeführt, dass Frauen direkt anzusprechen seien und als gleichermaßen Betroffene sichtbar gemacht werden sollen. Gleichzeitig macht das Handbuch aber auch deutlich, dass in Vorschriftstexten die sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern nicht auf Kosten der Verständlichkeit oder Klarheit gehen darf.

(Beifall bei der CDU)

Aus diesem Grunde halten wir weitere gesetzliche Vorschriften für nicht erforderlich. In den §§ 8 und 9 werden umfangreiche bürokratische Forderungen bei Stellenausschreibungen und Auswahlverfahren aufgestellt. Unserer Meinung nach sind die bereits jetzt geltenden Regelungen im Sächsischen Frauenfördergesetz in den §§ 6 und 8 in ausreichender Weise geregelt.

In § 16 ist die Frauenförderung bei der öffentlichen Auftragsvergabe vorgesehen. Das Ziel der öffentlichen Auftragsvergabe ist es jedoch, Leistungen zu beschaffen bzw. Investitionen durchzuführen. Oberste Priorität muss dabei das Prinzip der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit haben. Dieser Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung wird verwässert, da hier politische Ziele zu einer Verteuerung der Aufträge führen könnten.

Ebenso sehe ich große Vollzugsprobleme bei der Überprüfung der frauenfördernden Maßnahmen im Rahmen der Auftragsvergabe. Denn wie soll die Kontrolle praktisch aussehen? Sollen Stellen- und Frauenförderpläne aller beteiligten Unternehmen bei der Vergabestelle vorgelegt werden? – Die Vergabe würde dadurch in meinen Augen angreifbar und verzögert sich bei den ohnehin schon langen Fristen.

Im § 17 geht es um die Frauenförderung bei staatlicher Leistungsgewährung. Die grundsätzlich vorgesehene Verschärfung ist nicht sachgerecht, da gerade im sozialen Bereich, beispielsweise in der Kita-Betreuung oder auch in der Pflege, der Anteil von Frauen sowieso besonders hoch ist.

Im § 18 wird die Thematik der Gremienbesetzung behandelt, welche zukünftig geschlechterparitätisch zu besetzen sind. Unserer Auffassung nach müssen in die Gremien ausschließlich Personen mit Zuständigkeit und entsprechender Fachkompetenz entsandt werden.

Im § 21 wird die Stärkung der Funktion der Gleichstellungsverantwortlichen beschrieben. Unklar bleibt, in welchem Verhältnis die Gleichstellungsverantwortlichen laut Gesetzentwurf zu den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten nach § 64 Abs. 2 der Sächsischen Gemeindeordnung stehen. Hier fehlen dann auch die Bezifferung der Mehrkosten sowie ein entsprechender Ausgleich für die Kommunen.

Zu Artikel 2, Änderung der Sächsischen Landkreisordnung: Ziel ist es, die Stellvertreter der Gleichstellungsverantwortlichen hauptamtlich zu bestellen. Begründet wird dies durch die Vergrößerung der Landkreise im Zuge der Verwaltungs- und Funktionalreform aus dem Jahr 2008. Das ist für uns nicht nachvollziehbar, da vergleichbare Maßnahmen für andere Leitungskräfte wohl eher nicht geplant sind. Sinn und Zweck der Reform war es auch, Verwaltungsressourcen effektiv einzusetzen.

Im Artikel 5 geht es um die Änderung des Sächsischen Wahlgesetzes. Gegen diese Änderung sprechen zum einen verfassungsrechtliche Bedenken. Zwar wurde in der Anhörung im Sozialausschuss deutlich gemacht, dass es aufgrund eines Gutachtens des Landtages von SchleswigHolstein durchaus möglich sein könnte, eine entsprechende Quotenregelung bei der Aufstellung von Landeswahllisten einzuführen, aber in der dem Gutachten zugrunde liegenden Gesetzesänderung in Schleswig-Holstein und einer diesbezüglich stattgefundenen Anhörung wurden ebenfalls nicht unerhebliche verfassungsrechtliche Bedenken vorgetragen; denn es würde gegen die Grundsätze des allgemeinen und gleichen Wahlrechts verstoßen.

Zum anderen sollte man rein praktisch die Entwicklung einer Quotenregelung zu Ende denken. Es könnte auch die Idee vertreten werden, dass es eine Jugend- und Seniorenquote geben müsste.

Unserer Meinung nach sollte es allein den Parteimitgliedern obliegen, welche Frauen und Männer in ihren Augen die geeignetsten sind, die jeweiligen politischen Ziele

durchzusetzen. Zu den Änderungsanträgen, die noch eingebracht werden, werde ich in einer zweiten Runde sprechen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Für die SPDFraktion spricht jetzt Frau Dr. Deicke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist noch nicht lange her, da haben wir hier an dieser Stelle über den Vierten Sächsischen Frauenförderungsbericht debattiert. Der Bericht beschreibt sehr differenziert und auch detailliert die Situation von Frauen im öffentlichen Dienst. Danach sind die Defizite in Sachen Gleichstellung eigentlich bekannt. Auch leugnet der Bericht nicht, dass hier Handlungsbedarf besteht.

Da erwartet man eigentlich, dass sich die Staatsregierung dessen annimmt. Doch die sächsische Staatsregierung macht es sich hier sehr einfach: Sie spielt auf Zeit. Das spricht doch sehr dafür, dass sie gar nicht vorhat, den Freistaat in Sachen Gleichstellungspolitik voranzubringen.

Das derzeit gültige Frauenförderungsgesetz stammt – wie Frau Gläß gerade sagte – aus längst vergangenen, besseren Tagen sächsischer Frauen- und Gleichstellungspolitik, aus dem Jahre 1994, und es ist in seinen Grundzügen seitdem kaum verändert worden. Damit hat Sachsen bundesweit gesehen eines der ältesten Frauenfördergesetze. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Leistung!

Schon allein deshalb bedarf es einer dringenden Überarbeitung und einer Umwandlung in ein modernes Gleichstellungsgesetz. Auf einen Entwurf aus dem Haus der Staatsministerin Clauß warten wir schon lange.

(Zuruf von den LINKEN: Da werden Sie auch noch eine Weile warten müssen!)

Aber leider vergeblich.

DIE LINKE hat mit dem Sächsischen Gleichstellungsfördergesetz ein modernes Gleichstellungsgesetz vorgelegt, dem wir als SPD-Fraktion gern zustimmen. Das Gesetz soll dabei von der Frauenförderung hingehen zur Förderung der Gleichstellung von Frau und Mann. Dort, wo explizite Frauenförderung notwendig ist, soll sie aber selbstverständlich weiterhin stattfinden, und dass sie notwendig ist, zeigen die Zahlen in Sachsen nur zu gut.