Protokoll der Sitzung vom 17.04.2013

Ich rufe Artikel 3 auf, Inkrafttreten. Wer möchte die Zustimmung geben? – Die Gegenstimmen, bitte? – Stimmenthaltungen? – Auch hier keine Stimmenthaltungen bei einigen Stimmen dafür; dennoch mit Mehrheit abgelehnt.

Wir verfahren so wie im letzten Tagesordnungspunkt: Alle Teile des Gesetzentwurfes wurden abgelehnt; damit erübrigt sich die Schlussabstimmung. Die 2. Beratung ist abgeschlossen und der Tagesordnungspunkt beendet.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 4

2. Lesungen der Entwürfe

Gesetz über die Ausschreibung und Vergabe öffentlicher Aufträge

im Freistaat Sachsen (Sächsisches Vergabegesetz – SächsVergG)

Drucksache 5/9002, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/11542, Beschlussempfehlung des

Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Gesetz zur Neufassung des Vergaberechts im Freistaat Sachsen

und zur Änderung weiterer Vorschriften

Drucksache 5/9013, Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE und der SPD

Drucksache 5/11543, Beschlussempfehlung des

Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt und es beginnt die Fraktion der GRÜNEN mit Herrn Abg. Weichert.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu Beginn möchte ich die Landrätin des Vogtlandkreises Frau Dr. Maria Denk zitieren, die im Jahr 2065 anlässlich der 50-Jahr-Feier der Neugestaltung des Plauener Rathauses unter anderem Folgendes gesagt hat: „Ein besonderer Dank, meine Damen und Herren, gilt aber auch unseren Vorgängern, die mit einer klugen und vorausschauenden, aber auch gesamtwirtschaftlich vernünftigen Vergabeentscheidung schon im Jahr 2014 dafür gesorgt haben, dass uns dieses funktionale wie schöne Gebäude seit 50 Jahren horrende Betriebskosten, gemessen an anderen öffentlichen Gebäuden, erspart hat. Wir konnten und können dadurch finanzielle Spielräume nutzen, um beispielsweise die Ausstattung unserer Kitas, Schulen und Sportanlagen modern und zeitgemäß zu halten oder auch die Finanzierung der soziokulturellen Zentren hier in Plauen sicherzustellen.“ – Zitatende.

(Bravo-Rufe des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE – Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Dr. Jana Pinka, DIE LINKE)

Das, meine Damen und Herren, wäre der Effekt, den wir für Sachsen langfristig erreichen können, wenn wir heute die Weichen richtig stellen.

Beim Thema Vergaberecht sind wir da in guter Gesellschaft. Zunächst haben im Jahr 2004 Europäisches Parlament und Europäischer Rat die Richtlinie beschlossen, die es ermöglicht, ökologische und soziale Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge anzuwenden. 2006 hat das Bundesverwaltungsgericht die Zulässigkeit von Tariftreueregelungen in den Vergabeverordnungen bestätigt; schon im April 2009 hat die Bundesregierung das deutsche Vergabewesen modernisiert.

Meine Damen und Herren! Inzwischen haben 13 der 16 Bundesländer nachgezogen und diese Regelung im Landesrecht eingeführt. Nicht so Sachsen, obwohl die

Prüfung der Umsetzbarkeit im Koalitionsvertrag von CDU und FDP gefordert wird.

Meine Damen und Herren! Wenn wir hier nicht als Schlusslicht dastehen wollen, müssen wir uns schnellstens der aktuellen Entwicklung anpassen und unsere Spielräume als Gesetzgeber nutzen. Wir dürfen sie nicht verspielen – wie leider in der Gesetzesnovelle der Koalition geschehen, die im Januar hier auf der Tagesordnung stand.

Meine Fraktion, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und auch die Fraktionen von SPD und LINKEN legen Ihnen heute Gesetzentwürfe vor, die beides beinhalten: die Anpassung an europäische Normen und das Nutzen politischer Spielräume.

Das heißt konkret: Wir wollen bei Beschaffungen der öffentlichen Hände in Sachsen – erstens – diese an ökologischen und sozialen Kriterien ausrichten, zweitens kleinere und mittlere Unternehmen und die regionalen Wirtschaftskreisläufe stärken, drittens unnötige Bürokratie abbauen, viertens mehr Transparenz und fünftens mehr Korruptionsprävention erreichen sowie sechstens die Reichweite des Sächsischen Vergabegesetzes auf alle Bereiche ausdehnen, in denen in Sachsen öffentliche Gelder ausgegeben werden.

Meine Damen und Herren! Die Steuerzahler, also unsere Bürger, haben ein Recht darauf, nicht nur zu erfahren, dass ihr Geld ausgegeben wird, sondern vor allem auch, wie es ausgegeben wird.

In § 7 des vorgelegten Gesetzentwurfs werden die umweltrelevanten Vergabekriterien für Produkte, Dienst- und Bauleistungen geregelt. Hier geht es darum, den Ressourcenverbrauch so effizient wie möglich zu gestalten und damit während der Lebenszeit einer Anschaffung oder Investition die Betriebskosten so gering zu halten, wie es zum Zeitpunkt der Vergabe möglich ist. Genauso sind etwaige Entsorgungskosten und die allgemeinen, durch das Produkt entstandenen Umweltkosten zu berücksichtigen. Dann haben wir eine tatsächliche Lebenszykluskos

tenbetrachtung und damit auch – gesamtgesellschaftlich gesehen – die wirtschaftlichste Vergabe. Das ist ein Paradigmenwechsel, weswegen es sich um eine wirkliche Modernisierung der Vergabepolitik in Sachsen handelt. Denken Sie an die Worte von Frau Landrätin Dr. Denk. Über 50 Jahre gesehen sind die Investitionskosten für die vogtländische Immobilie unter 20 %, die Betriebskosten bei 70 %.

In § 19 kann man das Gesamtgesellschaftswirtschaftlichkeitsprinzip nachlesen: Nicht der Billigste erhält den Auftrag, sondern das Unternehmen, das in diesem Sinne das wirtschaftlichste Angebot macht. Zur Betrachtung kommen hier natürlich die Anschaffungskosten, aber auch die voraussichtlichen Betriebskosten, der Energieverbrauch, Entsorgungs-, Transport- und externe Umweltkosten, die mit der Anschaffung oder Investition im Zusammenhang stehen.

Für die Beschaffungsstellen bedeutet das übrigens auch, dass mit Steuermitteln der möglichst sorgsame Umgang gepflegt wird. Das führt zu einer langfristigen Haushaltswirkung. Frau Dr. Denk will ich jetzt nicht noch einmal bemühen, meine Damen und Herren.

In den §§ 10 bis 13 sind die sozialen Kriterien festgeschrieben. Hier geht es um – erstens – die Einhaltung der Kernarbeitsnormen, die von der Internationalen Arbeitsorganisation ILO festgelegt worden sind; zweitens Tariftreue unter Beachtung europarechtlicher Vorgaben und drittens eine Lohnuntergrenze von 8,50 Euro, die dort gilt, wo noch keine Tariflöhne gezahlt werden. Das gilt laut § 2 Abs. 4 ausdrücklich auch für Leiharbeitnehmer.

Meine Damen und Herren! In den §§ 3 und 4 finden Sie die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen und die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe. Das erreichen wir durch – erstens – mehr Ausschreibungen und weniger freihändige Vergaben; zweitens, indem wir losweise Ausschreibungen von der Sollregelung zur Pflicht machen, und drittens müssen kleine und mittelständische Unternehmen auf beschränkte oder freihändige Vergaben hingewiesen werden.

Meine Damen und Herren! Das alles mag nach mehr Bürokratieaufwand klingen. Durch die Regelung in § 15 erreichen wir jedoch das Gegenteil. Hier wird die Möglichkeit der Präqualifikation eingeräumt. Das verringert den Aufwand seitens der Unternehmen und erleichtert es besonders kleinen und mittleren Unternehmen, sich an Ausschreibungen zu beteiligen. Das ist wichtig gerade angesichts der vielen Kleinstunternehmen im IHK- und HWK-Bereich, die wir hier in Sachsen haben.

Die Wichtigkeit der Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe, vor allem in den ländlichen Räumen, habe ich schon erwähnt.

Die §§ 26 und 28 sind Regelungen, die zu mehr Transparenz führen. Alle Vergabeentscheidungen der öffentlichen Hand müssen veröffentlicht werden. Wichtig ist, dass sowohl inhaltliche Vorgaben gemacht werden als auch dem Sächsischen Landtag die Möglichkeit eingeräumt

wird, die Wirksamkeit der neuen Kriterien zu bewerten und gegebenenfalls nachzujustieren. Selbstverständlich werden alle Vergabestellen der öffentlichen Hand einbezogen, also auch die staatlichen Unternehmen und Beteiligungen, bei denen der Anteil des Landes oder von Kommunen bei über 50 % liegt.

Meine Damen und Herren, Sie sehen: Wir legen ein durchdachtes, an der Zukunft unseres Landes ausgerichtetes, modernen europäischen Regularien entsprechendes, neues Sächsisches Vergabegesetz vor. Im Wesentlichen geht es darum, ökologische, soziale und innovative Kriterien bei der Verausgabung von Steuermitteln beachten zu können. Dabei geht es jährlich um ca. 14 % des Bruttoinlandsprodukts in Sachsen, also um immerhin rund 13 Milliarden Euro.

Wir sollten uns im Interesse nachfolgender Generationen dafür entscheiden, dem gesamtgesellschaftlich gesehen wirtschaftlichsten Angebot, also der Lebenszykluskostenbetrachtung und damit einem Paradigmenwechsel in der Vergabepolitik, den Zuschlag zu erteilen. Wir sollten den Zuschlag erteilen durch Zustimmung.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Vielen Dank, Herr Weichert. – Für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Kind.

(Frank Heidan, CDU, meldet Redebedarf an.)

Sie möchten vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen?

(Frank Heidan, CDU: Ja!)

Herr Kind, bitte noch einen Augenblick.

Herr Heidan, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Weichert, ich hoffe nicht, dass das eintritt, was Sie zu Beginn Ihrer Rede geäußert haben. Ich gehe davon aus, dass das Plauener Rathaus nicht auf der Grundlage Ihres Vergabegesetzentwurfs gebaut werden wird, sondern entsprechend den Vorschriften, die heute ihre Gültigkeit haben und die das beschreiben – bis weit in die Zukunft hinein –, was für einen modernen Bau notwendig ist. Sicherlich gehört auch die finanzielle Bereitstellung dazu. Sie wissen, dass das auch Gegenstand der aktuellen Diskussion in meiner Heimatstadt Plauen ist. Dabei wird das Vergabegesetz eine wichtige Rolle spielen. Wir brauchen es aber hier nicht mehr zu beschließen, weil das Hohe Haus das Sächsische Vergabegesetz bereits in einer der letzten Sitzungen verabschiedet hat.

So weit noch einmal zur Erklärung. – Vielen Dank.

Das war die Kurzintervention von Herrn Heidan. – Herr Weichert, möchten Sie erwidern?

(Kopfschütteln des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)

Wir setzen mit der Aussprache fort. Herr Abg. Kind, jetzt haben Sie das Wort.