Protokoll der Sitzung vom 18.04.2013

Für die SPDFraktion spricht der Abg. Brangs.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ehemals aktiver Handballer freue ich mich, dass wir uns überhaupt mit einem sportpolitischen Thema im Rahmen eines Antrags beschäftigen. Ich freue mich auch deshalb darüber, weil die zunächst getroffene Entscheidung des IOC dazu geführt hat, dass etwas in den Blickpunkt geraten ist und es sich auch lohnt, im Sächsischen Landtag darüber zu reden, nämlich die Frage der Kommerzialisierung des Sports.

(Beifall bei der SPD)

Ringen ist auf vielen Kontinenten und in einer Vielzahl von Staaten ein wichtiger Teil des Volkssports. Bereits seit 1896 – auf die lange Tradition ist schon hingewiesen worden – ist das Ringen fester Bestandteil der Olympischen Spiele der Neuzeit. Seit 2004 gibt es das olympische Ringen auch für Frauen. In der ganzen Zeit ist Ringen, und das ist wahrscheinlich auch das Problem an diesem Sport, ein sehr ursprünglicher Sport geblieben. Die Regeln sind fast gleich geblieben. Es geht immer noch darum, dass zwei Menschen auf einer Matte mit Kraft und Technik versuchen den anderen zu besiegen.

Es geht eben nicht darum, ob man zwischendurch mal einen gewissen Hype erzielen kann durch besondere neue Geräte, aufregende Parcoursführung oder was auch immer. Es ist ein sehr ursprünglicher Sport, der noch sehr dem olympischen Gedanken entspricht. Ich glaube, das ist jetzt dem Ringen zum Verhängnis geworden. Nach Meinung des IOC ist Ringen nicht sexy und nicht cool. Die Fernsehübertragungen sind dann auch nicht mehr so angesagt. Wahrscheinlich liegt es auch daran, wo die Weltspitze herkommt, nämlich aus Georgien, Aserbaidshan und dem Iran. Vielleicht sind das Länder, die bei den allerwenigsten als hip angesagt sind und man Probleme hat, sie zu vermarkten. Deshalb gab es diese Entscheidung des IOC mit 14 zu 8 Stimmen, dass man 2020, also nach 124 Jahren, Ringen aus dem olympischen

Programm streichen will. Begründet worden ist das mit einem Kriterienkatalog. Wenn man sich diesen näher ansieht, geht es darum, was ich gerade gesagt habe. Es geht um Fernsehrechte, Fernsehquoten, Zuschauerzahlen, Ticketverkäufe, um Vermarktung, die Attraktivität bei Jugendlichen und eben nicht um Historie und auch nicht um Tradition im Sinne des olympischen Erbes.

Dass unter diesen Bedingungen Ringen eigentlich nur verlieren kann, ist klar, denn das IOC will Spektakel und mediale Präsenz. Natürlich stehen dabei klassische Sportarten ein wenig unter Druck gegenüber den sogenannten modernen Trendsportarten, weil diese besser zu vermarkten sind. Die Frage ist nur: Wollen wir zukünftig die Olympischen Spiele ausschließlich nach Kommerz ausrichten? Es gibt eben auch unverrückbare olympische Werte. Darüber gilt es zu diskutieren, und zwar offen und nicht hinter verschlossenen Türen. Man sollte darüber nachdenken, warum hinter verschlossenen Türen so seltsame Entscheidungen entstehen. Ich will ja nicht nur sagen, dass dort ältere Männer zusammensitzen, die seit Jahrzehnten an diesem Job hängen – aber warum wird Sotschi als Ort für die Winterolympiade ausgewählt? Ich kann mich nicht erinnern, dass in den letzten Jahrzehnten sehr viele Wintersportler von dort gekommen sind und der Ort für eine lange Wintertradition bekannt ist. Warum wird die Fußballweltmeisterschaft nach Katar vergeben? Es spielen sicherlich andere Dinge eine Rolle.

Die Aufnahme von Disziplinen wie beispielsweise BMX, Beachvolleyball, Skicross oder Snowboard im Winter hat andere Ziele zum Inhalt. Es ist natürlich klar, dass die Ringer im Laufe der Jahre, die im ursprünglichen Sinn in der Tradition der Olympischen Spiele stehen, Probleme haben werden, etwas dagegenzusetzen. Bei den letzten Olympischen Spielen im Jahr 2012 im London nahmen immerhin 344 Athleten aus 83 Ländern teil.

Es ist also nachvollziehbar, dass sich massiver Widerstand regt. Es ist aber auch sehr interessant, dass dieser Widerstand quer über die politischen Grenzen hinweg verläuft. Sowohl der russische als auch der amerikanische Präsident, die türkische Regierung und der Präsident des Iran haben sich dafür ausgesprochen, dass der Ringersport weiter olympisch bleibt. Am 15. Mai – das lässt aufhorchen – findet ein Freundschaftsländerkampf zwischen den USA und dem Iran in New York auf dem Times Square statt. Ringer treten dort gegeneinander an.

(Christian Piwarz, CDU: Madison Square Garden!)

Was habe ich gesagt?

(Christian Piwarz, CDU: Times Square hast du gesagt!)

Ja, New Yorker Times Square ist richtig, nicht auf dem Platz.

Die SPD-Fraktion hat im Europäischen Parlament bereits darauf reagiert. Es gibt eine Initiative, das Ringen weiterhin als Olympische Disziplin beizubehalten. Innerhalb

eines kurzen Zeitraums haben sich viele Unterstützer über alle Parteien und Länder hinweg zusammengefunden. Das Thema wurde in den zuständigen Sportausschuss eingebracht. Es soll eine gemeinsame Resolution des Europäischen Parlaments geben, die gerade vorbereitet wird. In dieser soll es unter anderem heißen: Ringen gehört zu den ersten antiken olympischen Disziplinen und verkörpert den wahren olympischen Geist. Es wird auf Wunsch der Initiatoren noch in diesem Monat eine öffentliche Tagung im Europaparlament stattfinden. Daran werden Vertreter des IOC genauso wie hochrangige Funktionäre des Ringersports teilnehmen.

Insofern gebe ich meinem Kollegen Rost recht. Dorthin gehört das Thema eher als in den Sächsischen Landtag. Aber – wie immer ein Aber – es geht natürlich auch darum, dass es einen Sächsischen Ringerverband und sächsische Olympiateilnehmer gibt.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Man muss natürlich auch sagen, dass diese Vertreterinnen und Vertreter – Herr Rost, Sie werden es kaum glauben –, auch mit Sozialdemokraten reden. Man soll es nicht glauben. Sie reden nicht nur mit der CDU. Wir haben natürlich auch diese Gespräche geführt.

(Geert Mackenroth, CDU: Auch wir ringen mit Sozialdemokraten!)

Wie bitte?

(Geert Mackenroth, CDU: Auch wir ringen mit Sozialdemokraten! – Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP)

Kollege Geert Mackenroth, als ehemaliger Sozialdemokrat ist das sogar in Ihrer Biografie dokumentiert. Deshalb kann ich damit sehr gut leben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Hauptkritik geht in die folgende Richtung: Wir sagen, dass dieses intransparente Verfahren und die festgelegten Kriterien, die auch nicht vorher diskutiert wurden, dazu führen, dass einzelne Sportarten nicht mehr olympisch sein sollen. Die Frage ist doch folgende: Ist es richtig, dass wir zu entscheiden haben, ob Trampolinspringen, Synchronschwimmen, Taekwondo oder der ständig durch Doping in den Schlagzeilen auftauchende Radsport noch olympisch sind und dem olympischen Gedanken entsprechen oder dies für die Sportart Ringen nicht mehr zutrifft? Das ist eine Frage der subjektiven Wahrnehmung. Deshalb brauchen wir in dieser Angelegenheit viel mehr Transparenz. Das sollte nicht hinter verschlossenen Türen geschehen.

Ich möchte zum Schluss auf das Thema zurückkommen, was diese Entscheidung für die sächsischen Ringerinnen und Ringer bedeuten würde. Zunächst würde die Abschaffung eine Katastrophe bedeuten, was die Finanzierung der Stützpunkte anbelangt. Es gibt in Chemnitz und Leipzig gut funktionierende Stützpunkte. Wir haben einen sächsischen Landestrainer, nämlich Sven Thiele. Er wurde Ende 2012 sogar zum Bundestrainer berufen. So schlecht kann die Arbeit nicht sein. Das Gegenteil ist der Fall. Die

Ringer machen eine sehr gute Arbeit. Es sind hervorragende Nachwuchsleistungen von sächsischen Ringerinnen und Ringern zu verzeichnen. Es geht natürlich ebenso um Tradition. Ringen ist in Sachsen – vor allen Dingen in der Tradition – stark verankert.

Ich möchte ein Beispiel dafür nennen: Thalheim. Im Jahr 1912 wurde dort der Fußballklub gegründet. Bereits im Jahr 1903 wurde der Ringerverein gegründet. Er ist beliebt. Wer behauptet, dass keine Zuschauer kommen würden, hat unrecht. Das stimmt so nicht. Wir wissen aus der 1. und 2. Bundesliga zum Beispiel in Aue, Thalheim, Werda oder Markneukirchen, dass im Schnitt 500 Zuschauer kommen. Manche Landesligapartie im Fußball hat weitaus weniger Zuschauer.

(Kristin Schütz, FDP: Es geht um Olympia!)

Wie bitte?

(Kristin Schütz, FDP: Es geht um Olympia!)

Ja, worum soll es denn sonst gehen? Natürlich geht es um Olympia. Wenn es nicht mehr olympisch ist, ist demnächst die Finanzierung gefährdet. Deshalb versuche ich die Dimension aufzuzeigen, was das für Sachsen bedeutet. Natürlich geht es um Olympia.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Es geht um die sportliche, die finanzielle und die sozialpolitische Sicht. Ringen, das wurde in Studien nachgewiesen, trägt auch zum Aggressivitätsabbau von Kindern bei. Aus finanzieller Sicht – das ist der entscheidende Punkt – lässt sich dazu sagen, dass der Deutsche Ringerbunddachverband über 65 000 aktive Ringer hat. Wenn dieser Beschluss umgesetzt werden würde, gäbe es statt einer Million, die jetzt zur Verfügung steht, nur noch ein Zehntel dessen. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Landesverbände, Dachverbände und damit auch auf den sächsischen Ringerverband. Das ist doch klar.

Insofern glaube ich, dass es richtig ist, dass wir auch von hier aus ein Signal senden. Wir dürfen nicht zulassen, dass der Olympische Gedanke reinen kommerziellen Interessen und Einschaltquoten zum Opfer fällt. Wir sollten immer wieder darauf hinweisen, was die eigentliche Idee der Olympischen Spiele war. Es ging eben nicht um Kommerz. Wenn die Sportart Ringen – was ich nicht hoffe – durch das Olympische Komitee aus dem Programm gestrichen werden sollte, dann sollte man auch so konsequent sein und die Olympischen Spiele in Olympic Business Games umbenennen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Nun spricht Herr Bläsner für die FDP-Fraktion; bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Folgendes vorwegschicken: Wir müssen bei aller Sympathie für das Thema – Verena, ich weiß, du brennst für den

Sport und das Thema – aufpassen, dass wir den Betroffenen – vor allem dem Sächsischen Ringerverband – keine falschen Hoffnungen machen, sodass dann davon ausgegangen wird, dass wir als Landtag etwas bewegen können. Das gehört zur Wahrheit und sollte in dieser Diskussion gesagt werden. Das möchte ich vorwegschicken.

(Zuruf des Abg. Mario Pecher, SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ringen gehört neben dem Laufen wohl zu den ältesten Sportarten mit Wettkampfcharakter. Seit dem Jahr 1896 ist Ringen olympisch. Damit ist Ringen von Anfang an, seit Beginn der Olympischen Spiele der Neuzeit, dabei.

Viele deutsche Sportler haben sich in der Vergangenheit einen Namen im Ringen erkämpft. Der erste Olympiasieger in dieser Disziplin war sogar ein Deutscher. Insgesamt 50 Medaillen für Deutschland können sich sehen lassen. Im internationalen Vergleich haben wir eine gute Geschichte aufzuweisen.

Zugegebenermaßen haben mich die Überlegungen des IOC ziemlich überrascht und bestürzt. Ich kann es nachempfinden, dass der Sächsische Ringerverband gegen diese Planung ankämpft. Dies ist im Interesse seiner Sportlerinnen und Sportler und der langen Tradition dieser Sportart. Jeder von uns hat sicherlich eine eigene Meinung, welche Sportart olympisch sein sollte und welche nicht. Die meisten im Plenum sind wohl der Meinung, dass Ringen olympisch sein sollte. Ich persönlich bin auch der Meinung, dass das Ringen olympisch sein sollte.

Politisch sollten wir uns aber zurückhalten. Es ist die Aufgabe des Sports und seiner Verbände zu entscheiden, was aus ihrer Sicht olympisch sein sollte und was nicht. Zudem wird es im IOC, ich hatte es vorhin schon angesprochen, niemanden interessieren, was der Landtag sagt. Vorhin wurde das Europaparlament angesprochen, das ein deutliches Signal, aber auch nicht mehr als ein Signal, ausgesendet hat.

Wenn wir uns heute – vor allem zum Antragspunkt 2 – positionieren, ist zudem Tür und Tor geöffnet, dass die Autonomie des Sports Schritt für Schritt ausgehöhlt wird. In Zukunft wird dann im Landtag über die Förderung jeder einzelnen Sportart je nach Vorliebe der Abgeordneten entschieden. Das kann nicht Sinn und Zweck der heutigen Diskussion sein.

Ich möchte daran erinnern – Verena, du hattest es gestern schon erwähnt –, dass auch der Schwimmsport gerade in einer schwierigen Phase steckt. Hierbei hat der Standort Sachsen auch mit weniger Finanzen zu kämpfen. Manchmal fällt es eben schwer, sich als Politiker ein Stück weit zurückzuhalten und es den Fachgremien zu überlassen. Wir sollten es jedoch den Fachgremien überlassen, wie der Sport, insbesondere der Leistungssport, finanziert und ausgestaltet wird.

Die Politik unterstützt den Sport, regiert aber nicht in ihn hinein. Wir finanzieren die Infrastruktur, den Breiten- und Leistungssport, indem wir dem Landessportbund einen

entsprechenden Zuschuss geben, und wir räumen Steine aus dem Weg, beispielsweise bei der Frage der Nutzung von Loipen im Wald. Auch die Bundeswehr oder die Polizei bieten Möglichkeiten, dass Spitzensportler ihren Sport professionell ausüben können.

Ich glaube, das ist die Position, die die Politik einnehmen sollte. Bei aller persönlichen Sympathie für das Ringen achten wir auf die Selbstverwaltung des Sports und können daher heute hier keine politische Aussage treffen. Wir werden den Antrag deshalb ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)