Protokoll der Sitzung vom 18.04.2013

Herr Jennerjahn, bitte, für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei so viel Sport auf der Tagesordnung in der Plenarwoche bin ich jetzt schon ganz außer Atem. Aber kommen wir zum eigentlichen Thema:

Es ist zweifelsfrei anzuerkennen, dass Ringen eine sehr traditionsreiche Sportart ist, wie es auch in der Begründung zu dem Antrag ausgeführt wird. Es ist auch legitim, über die Entscheidung des IOC-Vorstandes unzufrieden zu sein. Es ist legitim, Unmut über diese Entscheidung zu äußern oder sich solidarisch mit denen zu erklären, die sich für den Erhalt des Ringens als olympische Sportart einsetzen.

Es wäre jetzt allzu leicht, populistischen Neigungen nachzugeben und dem Antrag mit wehenden Fahnen zuzustimmen. Das werden wir allerdings an dieser Stelle nicht tun; denn die Frage hat Verena Meiwald schon aufgeworfen. Ich habe mich auch gefragt, was dieser Antrag im Plenum des Sächsischen Landtages zu suchen hat. Es hat eine Weile gedauert, bis mir die Antwort eingefallen ist. Aber im Grunde ist die Antwort ganz einfach.

Als Politiker sind wir qua Mandat automatisch Experten für das Ringen und gleichzeitig Vollzeitringer. Wir ringen beständig um richtige Lösungen. Wir ringen um den richtigen Weg. Wir ringen um Worte, und manchmal ringen wir auch um Fassung. Die Opposition ringt mit der Regierungskoalition, die CDU mit der FDP und Herr Gebhardt mit Herrn Hahn um den Fraktionsvorsitz.

(Heiterkeit)

Neben Freistil und Griechisch-Römisch kann man hier Ringen also auch in der Stilart Sächsisch-Linkisch verfolgen. Aber jenseits dessen haben wir, wenn Sie ehrlich sind, liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, doch bei der Frage: Ringen als olympische Disziplin – ja oder nein? überhaupt keine Handlungskompetenz. Die Formulierung Ihres Antrages zeigt das auch deutlich. Die Staatsregierung möge sich auf der Ebene der Innenminister der Länder gegenüber der Bundesregierung, dem Bundesinnenminister sowie dem Deutschen Olympischen Sportbund dafür einsetzen, dass Ringen ab 2020 weiter

als olympische Kernsportart betrieben werden kann. Okay, und dann?

Sie schreiben selbst in der Begründung zu dem Antrag, dass die Entscheidung über die Zukunft des Ringens als olympische Disziplin von der Vollversammlung des IOC getroffen werden muss. Insofern finde ich Ihren Antrag durchaus problematisch, weil Sie den Menschen eine Handlungskompetenz vorgaukeln, die wir an der Stelle nicht haben. In der Formulierung, die Sie gewählt haben, wollen Sie eine politische Einflussnahme auf eine selbstständige Organisation, die eigenverantwortlich entscheidet. Es gibt Bereiche, für die wir als Landespolitik nicht zuständig sind und aus denen wir uns auch heraushalten sollten.

Die Entscheidung des IOC, die noch nicht einmal endgültig ist, gehört für mich dazu, und zwar ganz unabhängig von der Frage, ob mir persönlich diese Entscheidung gefällt oder nicht. Denn andernfalls können wir demnächst hier im Plenum auch darüber diskutieren, ob sich die Staatsregierung gegenüber DFL, DFB, UEFA und FIFA für die Einführung des Videobeweises im Fußball einsetzen soll.

(Beifall bei den GRÜNEN – Johannes Lichdi, GRÜNE: Ja!)

Ich freue mich auch schon auf die leidenschaftliche Diskussion über die Frage Gerechtigkeit versus Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters und den tiefen Riss, der sich quer durch alle Fraktionen bei dieser Frage auftun wird. Ich sehe es vor mir: Der Präsident des FC Landtag, Marko Schiemann, versucht auf den Weg zum Rednerpult zu kommen, während er unterwegs von Christian Piwarz getackelt wird, der eigentlich gar nicht über Soccer reden will, sondern nur über American Football. Allein das wäre die Debatte wahrscheinlich schon wert.

(Christian Piwarz, CDU: Sie haben gut aufgepasst!)

Ja, manchmal google ich auch.

Der zweite Punkt Ihres Antrags mit der Forderung, den Sächsischen Ringerverband in seinem Bemühen um eine Erneuerung der Zweikampfsportart finanziell zu unterstützen, ist sehr allgemein gehalten. Dazu kam schon einiges an Kritik. Das war wohl eher der Versuch, überhaupt noch einen landespolitischen Bezug in den Antrag zu bekommen. Das Thema Sportförderung ist in der Tat geeignet, darüber intensiv zu diskutieren. Das haben wir gestern zum Beispiel mit dem vorliegenden Gesetzentwurf für ein Sportfördergesetz getan.

In der Allgemeinheit halte ich den Antrag der LINKEN nicht für zielführend. Meine Fraktion wird sich deshalb enthalten. Nichtsdestotrotz drücke ich natürlich dem Deutschen Ringerbund die Daumen, dass sein Werben für den Erhalt der olympischen Sportart Ringen Erfolg hat.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Für die NPD Herr Dr. Müller, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit den Olympischen Spielen verbindet man leider bereits seit Jahrzehnten nicht mehr nur sportliche Höchstleistungen, sondern auch eine gnadenlose Kommerzialisierung des Sports.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

So verwundert es nicht, dass eine klassische Sportart wie das Ringen nun aus dem Kanon der olympischen Sportarten ab 2020 gestrichen werden soll. Die Kriterien, die dazu geführt haben, sprechen für sich, vor allem TVQuoten, Zuschauerzahlen, Ticketverkäufe und Verbreitung. Die kulturelle und historische Bedeutung des Ringens scheint dagegen keine Rolle gespielt zu haben.

Leider haben die Verantwortlichen in den Fachverbänden den schon seit längerer Zeit geführten Diskussionen um eine Streichung zu wenig Beachtung geschenkt und zu wenig für ihre Sportart geworben. Manfred Werner, Präsident des Deutschen Ringerbundes, reagierte nach der Entscheidung der Exekutivkommission überrascht: „Das kommt für mich aus heiterem Himmel.“

Anders die ebenfalls bedrohten Modernen Fünfkämpfer. Hier hatte der Deutsche Weltverbandspräsident, Klaus Schormann, frühzeitig alle Hebel in Bewegung gesetzt und in einem offenen Brief insbesondere das Vermächtnis des Olympia-Wiederbegründers Pierre de Coubertin beschworen. Am Ende mit Erfolg. Drahtzieher der Verdrängung klassischer Sportarten ist dabei aber IOCPräsident Jaques Rogge, der seit Jahren diverse Versuche unternommen hat, die Olympischen Spiele vermeintlich zu modernisieren.

Nun hat es also das Ringen getroffen. Ersetzt werden soll es durch Sportarten mit mehr oder weniger Nervenkitzel für den Zuschauer. Vorgeschlagen sind dabei Baseball/Softball, Klettern, Karate, Rollschuhsport, Squash, Wakeboarding und Wushu.

Ein Problem ist die Behandlung der Sportart durch das Fernsehen. So sollen während der Olympischen Spiele in London ARD und ZDF zusammen insgesamt nur 47 Minuten lang über die gesamten Ringerwettkämpfe berichtet haben. Diese Entwicklung ist bedauerlich, wird aber wohl kaum noch zu stoppen sein.

Ob der Antrag der LINKEN hier in diesem Plenum seine Berechtigung hat und in irgendeiner Form weiterhelfen wird, daran haben wir gewisse Zweifel. Dennoch wird die NPD-Fraktion diesem Antrag zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Wird weiter von den Fraktionen das Wort gewünscht? – Das ist nicht der

Fall. Dann frage ich jetzt den Herrn Sportminister. – Herr Ulbig, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zuerst einmal ist in dieser Debatte sehr deutlich geworden, dass das Grundanliegen des Antrages durchaus von allen geteilt wird. Über die Bedeutung und Tradition des Ringens möchte ich mich nach den Vorrednern auch nicht mehr auslassen.

Auch persönlich fände ich es schade, wenn Ringen zukünftig keine olympische Disziplin mehr wäre. Herr Brangs, das sage ich nicht als ehemaliger Handballer, sondern als einer, der in jungen Jahren durchaus einmal aktiv gerungen hat.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Dennoch kann die Staatsregierung den Antrag nicht unterstützen. Ich will es kurz begründen: Es ist tatsächlich nicht Angelegenheit und Aufgabe der Landespolitik, sich in die Gremienarbeit des IOC einzumischen. Die Autonomie des Sports wurde heute schon mehrfach diskutiert. Sie wird an vielen anderen Stellen zu Recht als hohes Gut angesehen. Das sollten wir auch in solch einer schwierigen Diskussion akzeptieren und beachten.

Dies betont im Übrigen auch die parteiübergreifende Initiative auf Bundesebene, die ich kenne, Frau Meiwald. Ich kenne im Moment nur die ohne die LINKEN, weiß aber, dass es offenkundig auch einen gleichartigen Antrag der LINKEN geben wird. Dann werden wir vielleicht noch auf der zuständigen Ebene etwas tun, weil der Bund zumindest für den Leistungssport die entsprechende Verantwortung trägt und damit die richtige Adresse ist, wenn es darum geht, sich auf internationaler Ebene für das Ringen stark zu machen.

Deshalb halte ich es jetzt auch nicht für besonders schlau zu sagen, weil es das eine oder andere Landesparlament gab, das sich auch damit befasst hat, sollten wir auf diesen Zug aufspringen, ungefähr im Stile einer Me-too-Politik. Das halte ich an dieser Stelle nicht für richtig.

Die Landespolitik kann und muss ihren Beitrag leisten, wenn es darum geht, gute Rahmenbedingungen für den Sport zu schaffen. Darüber haben wir tatsächlich gestern im Rahmen des Sportfördergesetzes diskutiert und deutlich gemacht, welche Leistungen hier im Freistaat Sachsen entsprechend erbracht werden.

Aber bei Plänen und Vorhaben des organisierten Sports muss sie sich – unabhängig von persönlichen Sportvorlieben – allerdings heraushalten. Da bin ich dem Abg. Rost wirklich dankbar, dass er diese Ausgewogenheit, diese Balance, hier noch einmal so detailliert vorgetragen hat. Denn das ist letztlich auch ein Gebot der sportlichen Fairness. Es ist hin und wieder angesprochen worden, zumindest nach den derzeit geltenden Regeln ist es ja so, dass die Anzahl der Sportarten, die am olympischen Wettbewerb teilnehmen können, gleich bleibt. Das bedeu

tet, dass natürlich dann, wenn darüber diskutiert wird, welche Sportart drinbleiben soll, zukünftig auch die Diskussion stattfinden müsste, welche Sportarten gegebenenfalls zurücktreten müssen oder nicht. Das kann aus dieser Perspektive erst recht keine Angelegenheit von Landesparlamenten sein.

Wenn man hier einmal anfängt, die Arbeit der zuständigen Fachgremien infrage zu stellen, dann bringt man sprichwörtlich eine Lawine ins Rollen. Das wäre dann aus meiner Sicht der Sache und dem Sport insgesamt nicht zuträglich. Deshalb sind Fairness und Respekt an dieser Stelle doch angezeigt. Ich hoffe, dass trotz der ablehnenden Haltung zum Antrag heute das Ringen als olympische Disziplin trotz alledem Zukunft hat.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Das Schlusswort hat die Linksfraktion; Frau Meiwald, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In aller Kürze. Ich möchte mich bei Ihnen allen für die sehr sachliche Debatte bedanken. Ich freue mich, dass das Anliegen unseres Antrages breite Unterstützung hier im Haus gefunden hat, will aber noch zwei, drei Sätze sagen.

Es ist eben kein Eingriff in die Autonomie des Sports, und es geht hier nicht um die Unterstützung irgendeiner beliebigen Sportart, sondern einer bedrohten Sportart. Die braucht für die Erneuerung auch Ihrer Hallen – ich rede nicht von Sportkleidung oder anderem – tatsächlich Gelder aus unseren zur Verfügung gestellten Infrastrukturmitteln. Sie haben gestern bei der Sportdebatte angekündigt, auch weiterhin dafür zu sorgen, dass diese Gelder in ausreichender oder zumindest einmal in vernünftiger Form vorliegen. Vielleicht kann man dann hier, wenn der Fördermittelvergeber tatsächlich weiterhin das

Land ist, so wie wir das gestern gehört haben, zumindest sensibel damit umgehen, dass der Ringersport eine bedrohte Sportart ist und vielleicht gedanklich im Augenblick mehr Unterstützung braucht als andere Sportarten. Wir müssen die Rahmenbedingungen schaffen für die Erneuerung. Das müssen wir auch hier in Sachsen tun, weil wir ansonsten tatsächlich den Nachwuchs verlieren. Mit der Zustimmung zu unserem Antrag wäre es auch ein Signal an die sächsischen Sportlerinnen und Sportler in dieser altehrwürdigen Sportart gewesen, und es wäre ein Signal gewesen, tatsächlich der kulturhistorischen Bedeutung des Ringens näher zu kommen.

Lieber Herr Piwarz, bei dem „JeKi“-Antrag konntet ihr euch der breiten Unterstützung des Parlamentes sicher sein. Ich warte auf den Tag, wann es uns gelingt, eure breite Unterstützung zu einem unserer Anträge zu einem solchen tatsächlich brisanten und – wir haben ja gehört – vom Thema her weit über die Fraktionsgrenzen getragenen Antrag zu erhalten.

(Christian Piwarz, CDU: Wenn ihr vernünftige Anträge macht!)

Ich werbe noch einmal um Ihre Zustimmung.