Es gibt festgelegte Belastungsgrenzen, über die meine Vorredner auch schon mehrfach gesprochen haben. In Deutschland wird anders als in anderen Ländern niemand von notwendigen medizinischen Leistungen und Thera
pien ausgeschlossen. Das heißt, Geringverdiener zahlen keine Zuzahlungen. Sie haben gehört, wie es sich mit chronisch Kranken verhält, wie es mit der Kinder- und Jugendmedizin ist und wie es sich mit Leistungen der Schwangerschaft verhält. Das Feld der Ausnahmen ist sehr breit.
Sehr geehrte Kollegen der Linksfraktion! Wir haben eine grundlegend andere Auffassung zur Finanzierung eines Gesundheitssystems. Wer Unterstützung benötigt, bekommt sie. Sie verteufeln die Eigenbeteiligung der Patienten am Gesundheitssystem. Für uns hingegen ist Eigenbeteiligung nicht nur wichtig für die Finanzierbarkeit einer modernen Medizin, sondern auch, um das Bewusstsein der Patienten für die Kosten der Leistung zu schaffen. Sie fordern auf Ihre populistische bekannte Art ein kostenloses Gesundheitssystem für alle, ohne die ehrliche Kostenfrage zu stellen. Wir plädieren dafür mit rationellen Argumenten, die Finanzierung unseres Gesundheitssystems zu diskutieren, sodass für alle Patienten die notwendigen Therapien auch zur Verfügung stehen.
Gestatten Sie mir einen letzten Satz. Ich denke, es überrascht Sie daher nicht, dass wir Ihren Antrag ablehnen. Geld fällt eben nicht vom Himmel, auch nicht für Leistungen des Gesundheitssystems. Leistungen fordern ohne Leistungen bezahlen zu wollen, funktioniert nicht.
Für die FDP-Fraktion war das Frau Kollegin Jonas. Jetzt sehe ich eine Kurzintervention von Herrn Dr. Pellmann.
Herzlichen Dank, Herr Präsident! Frau Jonas, Sie haben erneut gesagt, die Patienten sollen eine Eigenbeteiligung leisten. Meinen Sie denn nicht auch, dass Sie mit dem monatlichen Krankenkassenbeitrag genügend Eigenbeteiligung leisten? Sie reden so daher, als wäre der Krankenkassenbeitrag gar nichts, als wäre das eine Steuer. Nein, es ist ein Krankenkassenbeitrag, der selbstverwaltet wird, falls Sie natürlich in einer gesetzlichen Krankenkasse sind.
Deshalb meinen wir prinzipiell, dass der monatlich gezahlte Beitrag reichen muss, um eine medizinische Grundversorgung ohne diese zahlreichen, bürokratisch ohnehin noch zu verwaltenden zusätzlichen Dinge zu leisten und nicht anders. Aber ich bitte Sie herzlich, hören Sie auf, so zu tun, als würden sich die Patienten nicht eigenbeteiligen. Sie bezahlen genügend Krankenkassenbeitrag. Das ist der Hauptteil jeglicher Eigenbeteiligung.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Dr. Pellmann! Frage Nummer 1: Ich bin gesetzlich krankenversichert und kenne daher das System und weiß auch, was jeder in ein Grundversorgungssystem einzahlt.
Zweitens. Es zahlen nicht alle Bürger unseres Landes entsprechende Krankenversicherungsbeiträge und zahlen in diese Strukturen ein. Es ist die gesellschaftliche Aufgabe, die Grundsicherung abzusichern, und genau das tun wir. Diese Zuzahlungen ermöglichen eine Eigenbeteiligung, eine Transparenz und eine Mitwirkung. Genau das ist der richtige Weg. Die Aufgaben, die vor uns stehen, sind die Finanzierungen der Krankenhäuser. Die Sicherung dieser Versorgung auf diesem Niveau lässt eben nur diesen Weg momentan zu. Außer, es fällt wirklich von alleine irgendwann das Geld vom Himmel.
Wir fahren in unserer Rednerreihe fort, und für die Fraktion GRÜNE ergreift Frau Kollegin Giegengack das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kaum ein Experte ist noch in der Lage, die zahlreichen Gesundheitsreformen vollständig zu rekapitulieren, in deren Zuge auch die Zuzahlung für Versicherte eingeführt wurde. Es ist viel schon ausgeführt worden an Detailgeschichten. Das Volumen der Zuzahlungen insgesamt ist in den letzten Jahren leicht rückläufig. Es lag 2010 um 8 % unter dem Niveau von 2005. Und das hat ausschließlich damit zu tun, dass die Arzneimittelfestbeträge und die Rabattverträge eingeführt worden sind, indem zunehmend mehr Arzneimittel auch zuzahlungsfrei geworden sind. Allein bei den Zuzahlungen für Arznei-, Verband- und Hilfsmittel aus Apotheken ging das Volumen von 2,1 Milliarden Euro im Jahr 2005 um 21 % auf 1,6 Milliarden Euro im Jahr 2010 zurück.
Einerseits – das wurde hier schon gesagt – sollen Zuzahlungen zur Finanzierung der Gesundheitskosten beitragen, eine sogenannte Finanzierungsfunktion damit ausgefüllt werden. Da sage ich, bei 2 % der Gesamtkosten ist das, denke ich, etwas vernachlässigbar. Andererseits sollen sie auch eine steuernde Wirkung entfalten und unnötige oder übermäßige Inanspruchnahme von Leistungen des Versicherungssystems verhindern, die sogenannte Steuerungsfunktion.
Zu diskutieren ist in diesem Zusammenhang eben auch die fehlsteuernde Funktion, über die wir durchaus reden können bei der Praxisgebühr. Ich denke schon, das hat bei einigen durchaus so gewirkt, aber die haben wir abgeschafft. Wir glauben, dass es nicht der richtige Weg ist, grundsätzlich die Zuzahlung abzuschaffen,. Die einzige Sache, über die mit uns diskutiert werden kann, ist die Abschaffung der Zuzahlung für Verhütungsmittel, insbesondere für einkommensschwache Frauen, weil das eine absurde Situation ist. Ich bitte dann schon die CDU, einmal zuzuhören: Die Verhütungsmittel müssen privat bezahlt werden, aber die Abtreibung bezahlt dann die Krankenkasse, und das finde ich schon etwas schräg. Schräg ist vielleicht der falsche Ausdruck. Ich habe da ein moralisches Problem.
Trotz der relativ geringen Größe von rund 2 % der gesamten Gesundheitsausgaben und obwohl Zuzahlungen und begleitende Ausnahmeregelungen eine lange Tradition in der gesetzlichen Krankenversicherung haben, nämlich schon seit 1923, stehen die Zuzahlungen immer wieder im Fokus der öffentlichen Diskussion – viel mehr als der Rest der privaten Gesundheitsausgaben. Auch wenn die Zuzahlungen für Leistungen der Krankenkassen in den letzten Jahren an Umfang zugenommen haben, sind die gesamten privaten Gesundheitsausgaben in Deutschland vergleichsweise gering. Betrachtet man die privaten Ausgaben für Gesundheit als Anteil an den gesamten Haushaltsausgaben, so liegt Deutschland mit 2,4 % noch unter dem OECD-Durchschnitt von 3,2 %.
Das deutsche Gesundheitssystem wird im internationalen Vergleich als leistungsfähig, aber teuer bezeichnet, und im Jahr 2010 beliefen sich die Gesamtausgaben für Gesundheit auf 11,6 % des BIP und lagen damit über dem OECD-Durchschnitt von 9,5 %. Auch sind die Gesundheitsausgaben in Deutschland zwischen 2000 und 2009 real um durchschnittlich 2 % gestiegen. Betrachtet man aber die Altersstruktur, die sich in dieser Zeit auch verändert hat, muss ich sagen, hat Deutschland kein schlechtes Ergebnis vorgelegt. Das hat vielleicht auch etwas mit der Gesundheitspolitik zu tun, die in den letzten Jahren betrieben worden ist. Weder SPD und GRÜNE von 1998 bis 2004 noch CDU und SPD von 2005 bis 2009 sind dabei von der Grundstruktur der GKV abgewichen. Beide Regierungen delegierten Kompetenzen an die Selbstverwaltung, beide förderten Wettbewerb und intervenierten, um die Qualität der Versorgungsstrukturen der Leistungserbringer zu verbessern.
Was jetzt Schwarz-Gelb im Bund macht, ist etwas anderes: Deregulierung, Stärkung des Wettbewerbs und langfristig die Umstellung des einkommensabhängigen Beitragssystems auf eine einkommensunabhängige
Kopfpauschale. Das halten wir ebenso wie DIE LINKE für den falschen Weg, denn schon jetzt haben wir im Gesundheitssystem ein Gerechtigkeitsproblem. Überdurchschnittlich gesunde Personen mit hohem Einkommen wandern in die PKV ab, die sich an wesentlichen Solidarlasten einfach nicht beteiligt.
So kommt es zum Beispiel zu so einer absurden Situation wie auch hier in Sachsen, dass die gesetzliche Krankenkasse finanzielle Anreize zur Aufrechterhaltung der ambulanten medizinischen Versorgung im ländlichen Raum setzt, bei der Terminvergabe dann aber die privat Versicherten bevorzugt werden. Es ist nachgewiesen in empirischen Untersuchungen, dass die privat Versicherten kürzere Wartezeiten haben und eher einen Termin bekommen, durchschnittlich 23 Tage eher. Das ist fehlende Zugangsgerechtigkeit. Das finde ich eine völlig falsche Entwicklung. Das müssen wir abschaffen, deshalb stehen wir GRÜNE für die Bürgerversicherung, das ist der richtige Weg.
Und bei Ihrem Antrag werden wir uns enthalten bzw. dagegen stimmen. Bei uns ist die Abstimmung offen.
Das war Frau Giegengack für die Fraktion GRÜNE. – Frau Schüßler, Sie ergreifen jetzt für die NPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gesundheitsversorgung ist nach unserer Auffassung ein Grundrecht und kein Luxus. Deshalb ist die Aufforderung der LINKEN an die Staatsregierung, die Zuzahlung für Patientinnen und Patienten abzuschaffen, aus unserer Sicht eine richtige Idee. Leider krankt es aber wie so oft bei den LINKEN an der langfristigen realistischen Finanzierung und an weitergehenden Konzepten. Was nützt ein kurzfristiger Zugriff auf die Polster der Versicherungen, wenn die Versicherten langfristig draufzahlen und die enormen zukünftigen Kosten des bisherigen Gesundheitssystems ignoriert werden.
Sie selbst gestehen in Ihrem Antrag ja ein, dass Ihre Maßnahmen nur grobe Kosmetik und von kurzer Dauer wären. Jedem in diesem Haus ist doch klar, dass die zahlreichen Krankenversicherungen des heutigen Versicherungssystems die entstehenden Kosten nicht etwa durch Einsparungen in den eigenen Strukturen kompensieren würden, sondern die Belastungen an die Versicherten und Arbeitgeber weiterreichen würden. Genau damit argumentiert ja auch die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme.
Der letzte Satz der Antragsbegründung lautet: „Langfristig ist für eine gerechte und stabile Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung eine solidarische
Bürgerinnen- und Bürgerversicherung einzuführen.“ Das klingt spannend, aber mir ist nicht ganz klar, wie konsequent Sie das bisherige System überprüfen und verbessern wollen. Deshalb möchte ich kurz unseren Einsatz für eine einheitliche Volksgesundheitskasse erläutern.
Nach unserer Auffassung muss die Vielzahl von gesetzlichen Krankenkassen überprüft werden. Allein im I. Quartal 2013 gab es 134 gesetzliche Krankenkassen in Deutschland, 134 Kassen mit horrenden Verwaltungsapparaten, unübersichtlichen Leistungen und Tarifen und gut bezahlten Vorständen. Dieser Wasserkopf macht die Gesundheitsversorgung in Deutschland unnötig kompliziert und teuer. Warum gibt es denn keine ernsthaften Überlegungen, um mehr Versicherungen zusammenzulegen, um so Millionen Euro einzusparen? Millionen Euro, die den gesetzlich Versicherten zugutekommen und nebenbei die deutschen Lohnnebenkosten senken würden.
Die etablierte Politik hat es bisher nicht fertig gebracht, eine ehrliche und ergebnisoffene Debatte mit den Versicherungskonzernen zum Thema Einsparungen zu führen. Auch der unsolidarische Einsatz des bisherigen Versiche
rungssystems ist für uns nicht nachvollziehbar. Eine Diskussion über eine Abschaffung der privaten Krankenversicherungen und der dadurch entstandenen Zweiklassenmedizin in Deutschland halten wir für mehr als überfällig. Selbst Spitzenvertreter der gesetzlichen Krankenversicherung sehen keinen Sinn im Nebeneinander zweier Versicherungssysteme in einem Land. So äußerte beispielsweise der stellvertretende Vorsitzende der BarmerKrankenkasse, Herr Rolf Ulrich Schlenke, in einem Interview mit der „Leipziger Volkszeitung“, das Nebeneinander von privater Krankenversicherung für höher Verdienende und Beamte und gesetzliche Krankenkassen ist sozialpolitisch sicherlich nicht sinnvoll.
Selbst wenn es nicht zu diesem gründlichen Überprüfen des Versicherungssystems kommen sollte, ist das aufgeworfene Thema der Abschaffung der Zuzahlungen im bisherigen Versicherungssystem unterstützenswert.
Für die NPD-Fraktion sprach gerade Frau Schüßler. Wir könnten jetzt in eine zweite Runde eintreten. Redebedarf bestünde? – Den kann ich nicht erkennen. Damit erhält die Staatsregierung das Wort. Bitte, Frau Staatsministerin Clauß.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zuzahlungen in der Krankenversicherung sind kein Selbstzweck.
Erstens. Sie tragen dazu bei, einen umfassenden Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung zu erhalten. Dabei sind sie aber nur eines von mehreren Finanzierungsinstrumenten der gesetzlichen Krankenversicherung.
Zweitens. Zuzahlungen sollen helfen, die Eigenverantwortung des Einzelnen zu stärken. Das wird häufig – wie auch heute wieder zu hören war – als „Sparprogramm“ interpretiert oder zumindest missverstanden. So ist es aber nicht. Zuzahlungen sollen die Patientinnen und die Patienten nicht nur dazu bewegen, auf nicht notwendige Leistungen zu verzichten, sondern auch dazu führen, dass sinnvolle zuzahlungsbefreite Leistungen bevorzugt
werden. Dazu zähle ich die Gesundheitsförderung, Schutzimpfungen, Früherkennungsmaßnahmen und vieles andere mehr.
Die beabsichtigte Stärkung der Eigenverantwortung zeigt sich auch in der Wahl geeigneter Behandlungsprogramme, zum Beispiel der strukturierten Behandlungsprogramme, die teilweise von Zuzahlungen befreit sind. Das ist sehr wichtig für chronisch Kranke und für das, was letzten Endes auch mit unserer Demografie verknüpft ist.
Drittens. Zuzahlungen sollen die Solidargemeinschaft vor Überforderung schützen. Mit der Abschaffung sämtlicher Zuzahlungen verringern sich automatisch die Gesamtmittel; auch das haben wir gehört. Die dann fehlenden Mittel müssten die Beitragszahler durch Zusatzbeiträge oder Erhöhung des Beitragssatzes aufbringen. Das kann nicht Sinn und Zweck der Sache sein.
Zwar könnten wir zur Finanzierung auch den anderen Weg wählen und den Steuerzahler belasten. Aber auch das wäre eine Umverteilung der Belastung. Eine Entlastung Einzelner würde zu einer zusätzlichen Belastung aller Bürgerinnen und Bürger führen. Die Abschaffung sämtlicher Zuzahlungen bewirkt also keineswegs eine deutliche finanzielle Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, wie es in dem Antrag behauptet wird.
Das Solidarprinzip besagt, dass sich die Höhe der Beiträge am Erwerbseinkommen des Mitglieds orientiert, und zwar unabhängig davon, ob und wenn ja, wie krank das Mitglied ist. Es besagt aber auch, dass Mitglieder mit niedrigem Erkrankungsrisiko solidarisch für alle Versicherten mit höherem Erkrankungsrisiko einstehen. Praktisch führt dies im Gesundheitsfonds zu einer Umverteilung der Beiträge von Gesunden zu Leistungsausgaben für die Kranken. Das ist ein wesentliches Element der gesetzlichen Krankenversicherung. Das ist richtig und wichtig und soll auch so bleiben.
Ich fasse zusammen: Die gegenwärtige Ausgestaltung der Zuzahlungsregelung ist sachgerecht. Die dazu eingeführten Belastungsgrenzen schützen den einzelnen Versicherten vor finanzieller Überforderung. Die Zuzahlungen selbst schützen die Solidargemeinschaft vor Überforderung. Unser – sehr gutes – System der medizinischen Versorgung wird auch durch die Zuzahlungen auf seinem hohen Standard gehalten. Von daher sieht die Staatsregierung keine Veranlassung, im Sinne des Antrags tätig zu werden.