Protokoll der Sitzung vom 15.05.2013

Rechtsstaatliche Bedenken haben wir bei der Frage, ob der Freistaat Sachsen sich am Kauf einer gestohlenen Steuer-CD beteiligen sollte. Das ist und bleibt immer noch eine schwere Straftat. Ob dafür Steuermittel aufgewendet werden sollten, bleibt eine offene Frage.

Deshalb würden wir bei diesem Antrag gern punktweise Abstimmung beantragen. – Besten Dank.

(Beifall bei der NPD)

So weit die Kurzintervention. – Als Nächster in der Rednerreihe ergreift für die CDU-Fraktion Herr Kollege Mackenroth das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu dem Antrag fünf Punkte ansprechen.

Erster Punkt: Der Antrag beginnt – ich zitiere – mit den Worten: „Der Landtag stellt fest, dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt ist.“

Das ist niedlich, rührend oder albern – je nachdem, wie man es sehen will. Muss ein Parlament wirklich feststellen, dass in einem Rechtsstaat auch Verstöße gegen strafbewährte Steuerregelungen verfolgt werden müssen?

(Beifall bei der CDU)

Wir sind doch keine Bananenrepublik,

(Jürgen Gansel, NPD: Eigentlich schon! Absurdistan!)

in der Kavalieren besondere Rechte eingeräumt werden.

Ich frage die Antragsteller: Welches Verhalten, das Straftatbestände erfüllt, ist denn nach Ihrer Meinung ein Kavaliersdelikt, das dann nicht verfolgt muss? Gewöhnen Sie sich daran: Im Rechtsstaat gibt es keine Kavaliersdelikte.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Schon diese Wortwahl zeigt beispielhaft, dass hier nur ein aktuelles – –

(Zuruf des Abg. Mario Pecher, SPD)

Herr Pecher, fragen Sie doch; das ist doch einfacher für Sie, als wenn Sie dazwischenrufen. Das würde auch Ihre Stimme schonen, weil Sie hier ein Mikro haben.

Schon diese Wortwahl zeigt beispielhaft, dass hier ein aktuelles Thema – eben ein Einzelfall, ein Zufallsfund – in mehr oder weniger populistischer Weise aufgegriffen werden soll, um schnell und möglichst als Erster einen Punkt zu machen. Der lieblos formulierte Antrag enthält noch ganz andere sprachliche und inhaltliche Grausamkeiten und liegt damit deutlich unter dem üblichen Niveau der sächsischen Sozialdemokratie.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Er signalisiert schon in seiner Überschrift unzutreffend soziale Ungerechtigkeit und baut die weitere Argumentation in Richtung Steuererhöhungen und Reichensteuer auf, über die wir uns heute Vormittag etwas in die Wolle bekommen haben – und das, obwohl wir doch eigentlich schon eine Reichensteuer haben.

Die oberen 10 % der Einkommenssteuerzahler – daran darf man erinnern – schultern bereits 53 % des Aufkommens, und die oberen 25 % bringen 75 % des Aufkommens; die unteren 25 % zahlen praktisch keine Steuern. Unsere Gesellschaft, Herr Pecher, ist viel solidarischer, als viele es wahrhaben wollen, auch – nicht nur, aber auch – dank der Reichen.

Zweiter Punkt, die sogenannten Steuer-CDs: Wir wissen mittlerweile aus einer Antwort des Finanzministeriums auf eine Kleine Anfrage, dass sich der Freistaat in den Jahren bis 2011 an insgesamt fünf Ankäufen von SteuerCDs anderer Bundesländer finanziell beteiligt hat. Die Finanzierung entfiel hälftig auf Bund und Länder, der

Länderanteil berechnete sich nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel. Insoweit ist kaum erkennbar, welcher über diese Pressemitteilung des SMF hinausgehende Erkenntnisgewinn mit der Berichtsaufforderung verbunden sein soll. Das weiß ich nicht.

Der Antrag aber fordert die Staatsregierung zusätzlich auf, sich an dem Ankauf der Steuer-CDs zu beteiligen; Kollege Pecher hat das eben gesagt. Dazu ganz kurz zwei Anmerkungen. Erstens: Der Ankauf von Hehlergut, die finanzielle Belohnung von Straftaten ist in einem Rechtsstaat rechtlich und ethisch höchst problematisch.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Zweitens: Selbst wenn man das überwinden würde, hilft der Ankauf von Steuer-CDs nur bedingt, denn derartige Ankäufe sind nicht nachhaltig. Es hilft eben nicht, dauerhaft auf Zufallstreffer aus zweifelhafter Quelle zu setzen. Systematisch zielführender wären der automatisierte gegenseitige Datenaustausch mit allen Nachbarstaaten und flächendeckende Steuerabkommen mit souveränen Staaten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Kollege Pecher hat es bereits gesagt: Das unterschriftsreife Steuerabkommen mit der Schweiz hat die Bundesratsmehrheit gerade aus durchsichtiger Wahlkampftaktik verhindert. Jeder weiß: Nach der Bundestagswahl wird es ein solches Abkommen geben. Ergebnis bis dahin: Steuerausfälle in Höhe von mindestens 1,6 Milliarden Euro, möglicherweise von bis zu 10 Milliarden Euro. Auch unser Finanzminister – darin gebe ich Ihnen recht – kann nicht hellsehen.

Ebenfalls interessant: Während in der Amtszeit von Herrn Steinbrück als Bundesfinanzminister ganze sechs Doppelbesteuerungsabkommen verabschiedet wurden, hat der jetzige Bundesfinanzminister schon 36 derartige Doppelbesteuerungsabkommen durchgesetzt. Auch das ist eine interessante Zahl.

(Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön.

Lieber Kollege Mackenroth, sind Sie der Auffassung, dass, nachdem – wir gehen einmal davon aus – dieses Abkommen unterzeichnet worden wäre, der jetzt aktuelle Steuerfall Hoeneß öffentlich geworden wäre?

Ich weiß nicht, wodurch der Steuerfall Hoeneß öffentlich geworden ist, Herr Kollege. Ich weiß nicht, ob das eine mit dem anderen zu tun hat. Aber wir reden jetzt über Ihren Antrag.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Stefan Brangs, SPD: Sie selbst haben es in Zusammenhang gebracht!)

Insofern ist das zu tun, was ich eben gesagt habe, und dabei bleibe ich.

Dritter Punkt: Die Staatsregierung wird aufgefordert zu berichten, warum die Steuerverwaltung unterdurchschnittlich besetzt sei. Die SPD stellt offenbar auf die Stellungnahme der Staatsregierung aus einer bestimmten Drucksache ab. Da ist in der Tat ersichtlich, dass die Personalbesetzung in der Regel hinter dem Soll zurückbleibt. Auch wenn die Personalbedarfsberechnung durchaus keine Bibel ist, so bleibt dies doch bedauerlich. Insbesondere für den Bereich der Steuerfahndung würde jeder eingesetzte Beamte sein Jahresgehalt in der Regel mehrfach wieder einspielen.

Dennoch: Die Staatsregierung kompensiert dies – zumindest teilweise. Sie hat in der erwähnten Stellungnahme ausgeführt, dass sie verstärkt auf den Einsatz von Technik, etwa von maschinellen Risikomanagementsystemen, setzt. Dies scheint mir grundsätzlich vernünftig und vertretbar im Zielkonflikt zwischen Personalbedarfsberechnung und Personalabbaunotwendigkeiten, und dies dürfte auch mittelfristig Auswirkungen auf die Personalbedarfsberechnung und auf das zur Erledigung der Aufgaben im Freistaat Sachsen erforderliche Personal haben.

Vierter Punkt: Die Staatsregierung soll sich für weitere Maßnahmen, Steuergerechtigkeit, Steuerehrlichkeit und gegen Steuerkriminalität einsetzen. Der Antrag teilt nicht mit, dass und wo Sachsen hier Nachholbedarf hat, abgesehen davon, dass im Übrigen wieder mal der Bund zuständig ist. Noch einmal: Aus einem bayerischen Einzelfall sollten wir nicht ohne Weiteres auf konkrete Fehlentwicklungen in unserem Freistaat schließen.

(Beifall bei der CDU)

Zudem: Das BMF hat am 8. Mai mitgeteilt, dass die Behörden der USA, Australiens und Großbritanniens der Bundesregierung Daten im Umfang von ungefähr 400 Gigabyte aus Steueroasen wie den Britischen Jungferninseln, Singapur und den Cookinseln angeboten hätten. Deutsche Steuerfahnder erhalten also auch auf diese Daten Zugriff, mit denen eben hoffentlich nicht nur Einzelfälle, einzelne Steuerhinterzieher, sondern vor allem Strukturen, Modelle und Vermittlungswege dieser Straftaten aufgedeckt werden können. Das ist nachhaltige Steuerfahndung.

Fünfter Punkt – letztens –: Die Staatsregierung wird in dem Antrag aufgefordert, über den Bundesrat auf die Streichung von § 398 a Abgabenordnung hinzuwirken und die strafbefreiende Möglichkeit der sogenannten Selbstanzeige abzuschaffen. Es geht den Antragstellern dabei um die Streichung der Möglichkeit, auch über die Bagatellgrenze von 50 000 Euro hinaus – übrigens auch ein Euphemismus, da sieht man, was Bagatellen sind und wo das „richtige Leben“ anfängt – eine strafbefreiende Selbstanzeige durchführen zu können. Der Bundesrat hat mit seiner Mehrheit am 3. Mai einen entsprechenden Beschluss gefasst.

Sie wissen: Auch in der Union wird über § 398 a diskutiert, aber eben nicht bzw. keinesfalls im Schnellschussverfahren. Der Grundsatz „Straffreiheit bei Wohlverhalten“ privilegiert im Übrigen nicht nur – wie Sie glauben machen wollen – die Reichen, sondern gilt in vielen Bereichen auch sonst allgemein im Strafrecht.

Die strafbefreiende Selbstanzeige hat sich grundsätzlich bewährt. Für den Anzeigenden ist sie oft mit einem ganz hohen Risiko verbunden. In der Regel wird nämlich in diesen Fällen immer ein Strafverfahren bzw. Ermittlungsverfahren eingeleitet, um zu klären, ob nicht vielleicht die Tat doch schon entdeckt war und Straflosigkeit aus diesem Grund ausscheidet. Die Streichung dieser Vorschrift hätte daher zusätzliche hohe Einnahmenverluste für den Staat zur Folge, da eine noch höhere Hemmschwelle vor der Selbstanzeige bestünde. Wir sollten abwarten und sorgfältig prüfen, ob und wo Handlungsbedarf besteht.

Abschließend vielleicht noch die gesamtpolitische Einordnung – damit schließt sich der Kreis zu unserer Debatte von heute Morgen –: Sie wollen mit dem Antrag Wahlkampf machen und intellektuell argumentative Vorsorge für künftige Steuererhöhungen betreiben nach dem Motto „Schwarz-Gelb tut nichts, schützt Steuersünder, dadurch gehen Einnahmen verloren, also müssen wir diese Einnahmen anderweitig sichern“.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Und Sie reden wieder und nur ausschließlich über die vermeintlich ungenügende Einnahmenseite. Auf diesen Leim gehen wir Ihnen nicht. Ich würde Sie gern auch einmal über die Minimierung von Ausgaben und über das Sparen reden hören.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Jedenfalls wird Steuerhinterziehung bestraft, dabei bleibt es. Es ist unsachlich, mit einer populistischen Diskussion über Einzelfälle, die zudem außerhalb Sachsens spielen, von finanzpolitischer Verantwortungslosigkeit freizeichnen zu wollen. Unser Ziel ist es, nicht nur Kriminelle zur Strecke zu bringen, sondern alle legitimen Einnahmenquellen des Staates auszustatten, um künftige Steuererhöhungen zu vermeiden und unseren gewaltigen Schuldenberg abzubauen. Steuerschlupflöcher sind dafür als Erstes zu schließen, allerdings nur mit rechtsstaatlichen Mitteln.

Ich empfehle Ablehnung des Antrages.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Kollege Mackenroth sprach für die CDU-Fraktion. – Es folgt nun für die Fraktion DIE LINKE Kollege Scheel.