Protokoll der Sitzung vom 16.05.2013

Jetzt sehe ich, dass Herr Gansel eine Kurzintervention vortragen möchte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die NPD-Fraktion möchte ich die Gelegenheit zu einer Kurzintervention nutzen, weil mich dieses Maß an sozialdemokratischer Verlogenheit und Heuchelei wirklich anwidert. Ich erinnere mich noch daran, dass ausgerechnet die SPD vor wenigen Monaten hier eine Aktuelle Debatte unter dem Titel „Faire Arbeit in Sachsen“ beantragt hatte. Ein richtiger Titel – nur, damals wie heute muss man immer wieder daran erinnern, dass es die rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder gewesen ist, die sieben lange Jahre Zeit hatte, armutsfeste branchenübergreifende gesetzliche Mindestlöhne durchzusetzen.

Die Regierung Schröder hat es absichtsvoll unterlassen. Schröder, der damals den bezeichnenden Namen „Genosse der Bosse“ hatte, unterließ es aus Wirtschaftsnähe. Da stellt sich hier die Sachsen-Sozi-Truppe regelmäßig hin und versucht so zu tun, als sei soziale Gerechtigkeit, die mit der Frage von Mindestlöhnen tatsächlich verbunden

ist, ihr Markenkern. Das ist vielleicht vor 150 Jahren ihr Markenkern gewesen, als in Sachsen die Sozialdemokratie gegründet wurde, aber heute hat soziale Gerechtigkeit mit der real existierenden SPD nichts mehr zu tun.

Sie sollten sich wirklich schämen, der Bevölkerung und dem Volk immer wieder mit Ihren verlogenen Gerechtigkeitsdebatten Sand in die Augen zu streuen. Sie sind keine Partei für Mindestlöhne. Ihre Regierung Schröder hat es unterlassen, während wir als nationale Opposition seit 2004, seit wir diesem Landtag angehören, immer wieder konsequent für branchenübergreifende gesetzliche Mindestlöhne eingetreten sind.

(Beifall bei der NPD – Martin Dulig, SPD, steht am Mikrofon.)

Auf die Kurzintervention reagiert jetzt der angesprochene Abg. Dulig.

Kurz bevor wir in dieses Plenum gegangen sind, haben wir des Ermächtigungsgesetzes, das dazu geführt hat, dass die Demokratie und der Parlamentarismus in Sachsen abgeschafft wurden, gedacht.

(Jürgen Gansel, NPD: Mann, ist das peinlich!)

Das ist eine Situation, in der die Demokratinnen und Demokraten zusammenstehen

(Jürgen Gansel, NPD: Gegen Mindestlöhne!)

und in der wir uns unsere Geschichte vergegenwärtigen. Wir als SPD sind stolz auf unsere Geschichte, weil es eine Freiheitsgeschichte ist und wir uns immer für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität eingesetzt haben.

(Holger Apfel, NPD: Zum Thema! – Widerspruch des Abg. Jürgen Gansel, NPD – Zuruf von der SPD: Halt doch mal die Klappe!)

Wir sind durch alle Höhen und Tiefen dieser Geschichte gegangen. Die Sozialdemokratie hat viele Fehler und vieles gut gemacht. Wir lassen uns von Nazis nicht historisch belehren. Wir haben aus unserer Geschichte gelernt. – Sie nicht. Sie haben kein Recht, hier den Finger zu heben. Wir werden weiterhin für Gerechtigkeit kämpfen, für Mindestlöhne, und da können Sie hier geifern wie Sie wollen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Die weitere Rednerreihe lautet: CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Für die CDU-Fraktion ergreift jetzt Herr Kollege Krauß das Wort.

(Jürgen Gansel, NPD: Dulig wird immer noch peinlicher!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dulig, ich will vorausschicken, für mich gibt es in der Semantik einen Unterschied zwischen Lohnuntergrenze und Mindestlohn.

Letzten Endes ist es das Gleiche. Insofern können Sie das gern als Synonym verwenden.

Mich hat verwundert, Herr Kollege Dulig, dass sich die SPD als Vorkämpfer für Mindestlöhne aufgespielt hat. Wir wollen noch einmal in die Geschichte der Mindestlöhne schauen, wie das abgelaufen ist. Wann hat es in Deutschland die ersten branchenspezifischen Mindestlöhne gegeben? War das unter Rot-Grün oder zu einer anderen Zeit? Es war unter Helmut Kohl. 1996 sind die ersten branchenspezifischen Mindestlöhne eingeführt worden.

(Beifall bei der CDU)

Danach kam die Regierung Gerhard Schröder und RotGrün. Sie haben nichts, aber auch gar nichts in diesem Bereich gemacht. Das wollen wir doch mal festhalten.

(Beifall bei der CDU)

Das ist die Geschichte. Wir hatten vor wenigen Wochen den Rückblick auf zehn Jahre Agenda 2010. Es war amüsant zuzuschauen, wie die SPD und die GRÜNEN gestritten haben, wer denn nun daran schuld war, dass es damals nicht zur Einführung eines Mindestlohnes kam. Man hatte immer die andere Seite im Verdacht, das gemacht zu haben. Fakt ist aber, Sie haben nichts, aber auch gar nichts gemacht. Danach kam die Regierung von Angela Merkel und es wurden weitere branchenspezifische Mindestlöhne eingeführt. Wir haben zusammen mit der FDP in einigen Bereichen – ich hätte mir noch mehr gewünscht – branchenspezifische Mindestlöhne eingeführt, zum Beispiel in der Zeitarbeit.

Wenn Sie das Beispiel eines Leiharbeiters bringen, dann sollten Sie sich ein Fragezeichen dahinter machen, ob die Fakten, die Sie genannt haben, richtig sind. Wir haben in der Zeitarbeit einen Mindestlohn von 7,50 Euro. Wenn Sie uns erzählen, dass zu Ihnen jemand kommt, der 6 Euro kriegt, dann hätten Sie den zum Zoll schicken oder sagen müssen, ich mache das an Ihrer Stelle und zeige das an, weil der zu wenig Lohn bekommt. Der Leiharbeiter ist von unserer Diskussion aber nicht betroffen, weil er einen branchenspezifischen Mindestlohn schon jetzt hat. Der kriegt keine 6 Euro.

(Beifall bei der CDU)

Für mich beinhaltet die Diskussion die Frage der Leistungsgerechtigkeit. Wer arbeitet, der muss mehr haben als jemand, der nicht arbeitet. Wir möchten, dass es sich lohnt, früh aufzustehen, auf Arbeit zu gehen und eine Leistung für die Gesellschaft zu erbringen.

(Beifall bei der CDU)

Es ist keine Frage, dass das bei einem Stundenlohn von 3 Euro nicht möglich ist. Wir sagen ganz deutlich, Leistungsträger in unserer Gesellschaft – das ist sicher der Zahnarzt und der Großunternehmer, keine Frage – ist auch die Krankenschwester, die in der Nacht und am Wochenende arbeitet, und auch die Putzfrau, die um 4 Uhr anfängt, die Flure zu putzen. Auch das sind Leis

tungsträger, auf die wir stolz sind und denen wir dankbar sind, dass sie diese Arbeit machen.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte, dass jemand, der früh aufsteht, am Monatsende mehr hat als jemand, der den lieben langen Tag im Unterhemd zum Fenster herausschaut und zusieht, wie die anderen arbeiten. Da muss ein Lohnunterschied sein!

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir wissen, das ist heute leider nicht immer der Fall. Deswegen muss man an der einen oder anderen Stelle etwas ändern, und es ist richtig, dass es Lohnuntergrenzen gibt, gerade in den Branchen, in denen wir keine Tarifverträge haben. Das Problem mit niedrigen Löhnen besteht doch nicht bei Volkswagen, bei Dow Chemical oder bei Globalfoundries, die im internationalen Wettbewerb stehen. Wir haben das Problem in den Bereichen, wo ein schlechter Organisationsgrad herrscht, zum Beispiel im Gaststättenbereich oder bei Verkäuferinnen.

Was ist das Konzept der Union? Wir sagen ganz klar, wir wollen keinen politisch festgelegten Mindestlohn haben, sondern wir wollen einen Mindestlohn, der von den Tarifvertragsparteien ausgehandelt wird. Der Staat soll sich bitte schön zurückhalten, weil die Kompetenz für Tarifverträge ganz eindeutig bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern liegt. Die müssen es miteinander ausfechten.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen möchten wir gern eine paritätisch eingesetzte Kommission haben, in der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichberechtigt nebeneinander sitzen. Die müssen sich streiten, wo der Mindestlohn für die Branchen liegen soll, aber auch für den übergreifenden Bereich, wo es keine branchenspezifischen Löhne gibt. Das ist unser Konzept. Sie sagen, es soll zwar eine Kommission geben, die das aushandelt, aber danach kann der Staat trotzdem sagen, ich mache etwas anderes. Das unterhöhlt aus meiner Sicht ganz deutlich die Tarifautonomie.

Ich bin sicher, dass die nächste Bundesregierung hier weiter vorankommen wird.

(Martin Dulig, SPD: Das stimmt! – Beifall bei der SPD)

Ich halte es da mit Michael Sommer, der gesagt hat, es wird 2013 einen Mindestlohn in Deutschland geben.

Die Redezeit ist zu Ende.

Keine Frage. Die CSU hat schon angekündigt, dass sie dem neuen Koalitionsvertrag nicht zustimmen wird, wenn dort keine Regelung hineinkommt. Ich bin relativ sicher, dass die CDU darauf Wert legen wird, dass sie Anfang der nächsten Legislaturperiode, egal mit wem sie koaliert, eine Lösung findet.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Das war Herr Krauß für die CDU-Fraktion. Es folgt für DIE LINKE Herr Kind.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Machen wir weiter Bundestagswahlkampf? Gut, es ist schönes Wetter, es ist Mai. Wir können ja den Bundestagswahlkampf einleiten. Gestern haben wir Bundestagswahlkampf zum Thema Steuerpolitik gemacht, heute machen wir Bundestagswahlkampf zum Thema Mindestlohn. Wenn es in Berlin hilft, tun wir Sachsen das doch gern.

Mich freut, dass wir über ein Thema sprechen, an dem in diesem Jahr zur Bundestagswahl mit Sicherheit keine Partei, die sich relevant um eine Stimme in Berlin bewirbt, vorbeikommt. Dass die gesellschaftliche Realität bei allen Parteien, zuletzt auch bei der FDP, angekommen ist – zumindest vom Thema her –, ist darauf zurückzuführen, dass DIE LINKE spätestens seit 2002 das Thema öffentlich gemacht hat, immer wieder gefordert hat und dafür als nicht zeitgemäß, nach hinten gerichtet und träumerisch verschrien wurde. Wir haben das Thema Mindestlohn auf die politische Agenda gesetzt, weil wir die Realitäten und die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland richtig analysiert haben und den Mut hatten, auch in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften GEW bzw. Nahrung-Genuss-Gaststätten dieses Thema in die Diskussion zu bringen.

Es gibt andere Themen, die in den letzten Jahren auch wichtig waren: Atompolitik, Energiewende und Wehrpflicht. Das sind alles Bollwerke, die in den letzten Jahren gefallen sind oder neu bewertet wurden. Im Bereich der Arbeitsmarktpolitik ist es mit dem Mindestlohn ebenfalls der Fall. Es ist ein Thema, zu dem sich alle Parteien positionieren müssen, um in der Gesellschaft politisch agieren zu können und gehört zu werden und nicht, wie es der FDP durch verschiedene politische Aktionen passiert ist, in der Sonntagsumfrage bei den Umfragewerten 3 oder 4 % sehen zu müssen. Es ist zumindest Herrn Rösler aufgefallen, dass sie zu diesem Thema eine konstruktive Haltung einnehmen müssen.

(Holger Zastrow, FDP: Ich will die Wahl gewinnen und nicht die Umfrage!)

Sie möchten die Wahlen nicht gewinnen. Sie möchten wieder teilnehmen dürfen.

(Torsten Herbst, FDP: Das ist kein Problem! – Holger Zastrow, FDP: Das kann man uns nicht verbieten, Herr Kind!)