Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat ist es so, dass der Gesetzentwurf natürlich jetzt keine großen materiellen Regelungsgehalte hat, es geht um eine Zahl, aber es geht natürlich bei der Frage des Gesetzentwurfs um viel, viel mehr. Sie haben alle ein Recht, davon auch Kenntnis zu haben.
Der materielle Hintergrund ist der, dass es seitens des Verbands, auch seit zwei Jahren vorgetragen, eine große Sorge gibt, dass die Altersübergänge der ÖbVs eben nicht so hinzubekommen sind, wie das von uns allen und auch von den ÖbVs selbst wünschenswert wäre. Aus dem Grund ist es notwendig, dass wir die Altersgrenze verschieben. Ich weiß wohl, dass es günstiger gewesen wäre, diesen Gesetzentwurf im letzten Jahr zu beraten. Ich bedaure es, dass wir es erst heute tun, aber wir tun es zumindest heute dankenswerterweise auch der Entscheidung des Innenausschusses, der gesagt hat: Trotz einer sehr kurzen Beratungsphase sind wir bereit, eben die Abhilfe wenigstens für die Zukunft zu schaffen.
Was wollen wir für die Zukunft uns auch für die politische Arbeit mit aufschreiben? Wir wollen weiter eine flächendeckende Präsenz der öffentlich bestellten Vermessungsingenieure im Freistaat Sachsen erreichen.
Das heißt, besonders die ländlichen Regionen haben einen Anspruch darauf, dass öffentlich bestellte Vermessungsbüros in Niesky, in Borna, vielleicht auch in Aue oder anderen Regionen vertreten sind und dass nicht alle ÖbVs nur in der Landeshauptstadt Dresden, in Leipzig oder in Chemnitz ihren Sitz nehmen. Wir brauchen diese flächendeckende Präsenz.
Diese flächendeckende Präsenz hat einen Vorteil. Die ÖbVs entscheiden über gewichtige Fragen des Rechts. Das wird oft vergessen, oft wird das auf eine technische Entscheidung zurückgeführt. Es sind Grundstücksfragen. Damit sind rechtliche Fragen verbunden, nachbarschaftsrechtliche, eigentumsrechtliche Fragen, die letztendlich ganz wichtig im Rechtsstaat sind. Deswegen ist der zweite Punkt für uns ebenfalls wichtig.
Wir müssen das Problem, das auch von dem Verband an uns herangetragen worden ist, klären und mehr für den Fachkräftenachwuchs tun. Es kann nicht hingenommen werden, dass die junge, lernfähige sächsische Fachkräftegeneration weiterhin in andere deutsche Länder – nach Niedersachsen, Hessen, Nordrhein-Westfalen oder Bayern – abwandert. Insoweit erwarten wir in unserem Freistaat dringend Regelungen zur Zukunftssicherung, damit die ÖbV-Büros an jüngere Vermessungsingenieure übergeben
werden können. Der Berufsverband als kompetenter Gesprächspartner weist uns seit vielen Jahren auf dieses Problem hin und beschreibt die Brisanz der Lage.
Ich möchte noch einmal verdeutlichen, dass die Qualifikation der ÖbVs enorme Kraft, enormen Fleiß und viel Zeit erfordert. Es bedarf großer persönlicher und finanzieller Anstrengungen, um ÖbV im Freistaat Sachsen sein zu können. Voraussetzung ist der Abschluss eines Studiums im Bereich Vermessungswesen. Es folgt ein Bewerbungsverfahren für die Laufbahnausbildung. Drittens schließt sich die Laufbahnausbildung des gehobenen oder des höheren vermessungstechnischen Verwaltungsdienstes an; am Ende steht das zweite Staatsexamen. Viertens muss die erforderliche Berufspraxis im Freistaat Sachsen gesammelt werden. Fünftens folgt die Leistungsfähigkeitsprüfung nach dem Sächsischen Vermessungsgesetz.
Das zeigt: Es sind mindestens zehn Jahre notwendig, bevor jemand in den Berufsstand des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs eintreten kann. Deshalb ist es richtig, dass wir die Altersgrenze ändern. Dadurch verschaffen wir uns ein wenig Luft.
Das habe ich schon zweimal angesprochen. Es ist völlig richtig: Wir sind zu spät dran. Auch die Berufsverbände haben das deutlich gesagt. Das werde ich nicht unter den Teppich kehren. Sie werden von mir nichts anderes hören. Aber jetzt müssen wir nach vorn schauen.
Die Altersstruktur der im Freistaat Sachsen tätigen ÖbVs mahnt uns zusätzlich, schnellstens Regelungen zur Lösung der Nachwuchsfragen zu finden. Ich gehe davon aus, dass für den gehobenen und den höheren vermessungstechnischen Verwaltungsdienst jeweils sechs bis acht Plätze notwendig sind, damit wir uns diesem Problem stellen können. Wir brauchen dringend eine Verbesserung. Insoweit bitte ich auch um die Mithilfe derjenigen ÖbVs, die sich vor der Pensionierung bzw. vor Eintritt in die Rente befinden. Auch sie selbst müssen etwas dafür tun, dass eine Büroübergabe möglich ist. Ich weiß, dass das wiederum mit der Fachkräftefrage zusammenhängt.
Lassen Sie mich abschließend dem Landesverband Sachsen im Verband Deutscher Vermessungsingenieure danken. Ich danke auch allen Einzelpersonen, die sich an die CDU-Fraktion oder an mich persönlich gewandt haben.
Ich wiederhole: Ich bin unzufrieden damit, dass wir erst heute zusammensitzen, um über diesen Gesetzentwurf zu beraten. Aber ich habe die Hoffnung, dass wir die Probleme derjenigen ÖbVs lösen können, die sich noch nicht im Ruhestand befinden.
Ausdrücklich danke ich dem ehemaligen Vorsitzenden der Landesgruppe Sachsen des BDVI, Herrn Wolfgang Heide, dem jetzigen Vorsitzenden, Herrn Peter Boxberger, und den Vorstandsmitgliedern für die jahrelange, fachlich solide und auf eine gute Entwicklung im Freistaat Sachsen ausgerichtete Zusammenarbeit.
Herzlichen Dank, dass Sie zugehört haben. Ich würde mich freuen, wenn Sie dem Gesetzentwurf Ihre Zustimmung erteilen könnten.
Vielen Dank, Herr Schiemann. – Nun für die Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Köditz. Frau Köditz, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schiemann, entschuldigen Sie bitte, aber Ihren Wortbeitrag von soeben kann ich eigentlich nur als völlig losgelöst von der Erde bzw. von der Realität bezeichnen. Ich habe Sie heute Vormittag hier im Plenarsaal gesehen. Im Mittelpunkt der Regierungserklärung stand die neuerliche Jahrhundertflut. Ich frage Sie ganz einfach: Haben Sie diese Realitäten zur Kenntnis genommen? Haben Sie bei jener Innenausschusssitzung am 6. Juni die Realitäten zur Kenntnis genommen?
Zu Ihrer Erinnerung: Die Innenausschusssitzung fand zwar terminlich nach Plan statt; aber wir trafen uns nicht im Landtag, sondern im Innenministerium, weil der Landtag sich auf Hochwasser vorbereitete. Andere Ausschusssitzungen sind ganz abgesagt worden.
Ich fand die Sitzung des Innenausschusses am 6. Juni logisch, weil Katastrophen – so war und ist die Flut vom Juni 2013 zu bezeichnen – in die Zuständigkeit des Ministeriums des Innern und des Innenausschusses fallen. Die Tagesordnung für diese Sitzung war bereits radikal gekürzt worden. Die Anhörung zum Archivgesetz findet nun im September statt. Der Polizeikommissionsgesetzentwurf der GRÜNEN ist erst einmal weg. Der Antrag zur Fachkräftegewinnung für den öffentlichen Dienst – auch weg.
Es blieben nur die Tagesordnungspunkte: der jetzt zu behandelnde Gesetzentwurf, das Verfassungsänderungsgesetz sowie die Information der Staatsregierung. Zum Verfassungsänderungsgesetz war aus Gründen, die ich hier nicht weiter ausführen will, keine Absetzung erwünscht. Aber auf eine abschließende Beratung wurde dort wenigstens verzichtet. Die Information der Staatsregierung zum Schwerpunkt Flut – und nur dazu – fand Gott sei Dank und logischerweise als erster Tagesordnungspunkt statt.
Meine Damen und Herren! Dresden erwartet zeitgleich den Höchststand der Flut der Elbe, aber der Innenausschuss berät abschließend und völlig losgelöst von der Außenwelt über diese, heute hier zu beschließende Gesetzesänderung. Den Antrag der LINKEN auf Absetzung des
Tagesordnungspunktes im Innenausschuss hatte ich übrigens nicht mit der Flut begründet, sondern mit dem notwendigen Beratungsbedarf seitens unserer Fraktion. Der Gesetzentwurf hatte den Landtag am 22. Mai erreicht. Ab 31. Mai war Sachsen mit der Flut beschäftigt. Nun, keinen Monat, nachdem der Gesetzentwurf dieses Haus erreicht hat, wird er schon beschlossen – ohne Wenn und Aber.
(Christian Piwarz, CDU: Das hat doch Herr Schiemann gerade erklärt! Wir wissen nicht, was Ihr Problem ist, Frau Köditz! – Sebastian Scheel, DIE LINKE: Ihre Regierung!)
Ein – ein! – Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur soll mit Wirkung vom 27. Juli sein Amt verlieren, weil er die derzeit geltende Höchstaltersgrenze von 68 Jahren erreicht. Für diesen Vermessungsingenieur und sein Büro ändern wir heute ein Gesetz, Flut und Beratungsrechte völlig außer Acht lassend.
Hat sich sein Geburtsdatum, welches nun schon fast 68 Jahre zurückliegen müsste, so spontan geändert? Warum wurde ein derartiges Gesetzesvorhaben nicht früher in die Wege geleitet? Warum wurden all die Hinweise zu der Problematik seitens der Landesgruppe Sachsen des Bundes der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure nicht aufgenommen? Das sind doch gute und wichtige Hinweise! Herr Schiemann hat vieles dazu schon ausgeführt. Die Frage ist doch immer wieder: Warum diese Zeitnot?
Ich muss leider sagen: Herr Ulbig, Sie als Innenminister scheinen die Abläufe in Ihrem Haus nicht im Griff zu haben. Die Entwicklung beim Vermessungswesen ist nichts Neues. Die Kritik an der mangelnden Nachwuchsgewinnung und an den langen Ausbildungslehrgängen sowie das Problem der ausgewogenen flächenmäßigen Ansiedlung von Vermessungsbüros sind alt. Nichts ist in den letzten Jahren passiert!
Meine Damen und Herren! Im Innenausschuss wird an den Innenminister regelmäßig die Frage gestellt, mit welchen Gesetzesinitiativen noch zu rechnen sei bzw. wann. Es kommt regelmäßig zu Überraschungen, über die dann „ausnahmsweise“ auf die Schnelle zu beraten und zu beschließen ist. Eine Gesetzesänderung im Bereich Vermessungs- und Katasterwesen fand da nie Erwähnung.
Als Tischvorlage erreichte uns der Brandbrief der Landesgruppe Sachsen. Darin wird auf die Problematik des Nachwuchses mit drastischen Worten eingegangen: „Ergebnis der Ausbildung 2012: möglicherweise ein Berufsnachfolger ab 2016 bis 2019.“ Einer. Das muss Sie doch endlich zum komplexen Handeln treiben. Eine Anhebung der Altersgrenze um vier Jahre bringt keine wirkliche Entlastung, auch keinen Zeitgewinn von vier
Jahren für eine Gesamtlösung. In den letzten zweieinhalb Jahren sind fünf Vermessungsingenieure vor Erreichen der jetzigen Altersgrenze aus dem Amt geschieden. Auch das steht im Brandbrief. Ich bezweifle, dass die Anhebung der Altersgrenze jetzt dazu führt, dass alle fröhlich bis 72 arbeiten; denn es gibt Menschen, die wissen, dass das Leben nicht nur aus Arbeit bestehen muss.
Meine Damen und Herren! Die LINKE wird sich Ihrem Vorhaben nicht in den Weg stellen, aber es auch nicht befördern. Wir enthalten uns bei diesem Schnellschuss und hoffen auf baldige Vorlage eines komplexen Lösungsansatzes für diese Gesamtproblematik.
Vielen Dank, Frau Köditz. – Die SPD-Fraktion hat keine Wortmeldung abgegeben. Bleibt es dabei? – Dann die FDP-Fraktion, Herr Abg. Karabinski. Herr Karabinski, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ist wohl einer der kürzesten den wir hier je zur Beratung und Abstimmung vorgelegt bekommen haben. Im § 21 Abs. 2 des Sächsischen Vermessungs- und Katastergesetzes wird die Zahl 68 durch die Zahl 72 ersetzt, was bedeutet, dass das Amt des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs nicht mehr mit Vollendung des 68. Lebensjahres erlischt, sondern künftig erst, wenn der ÖbV 72 Jahre alt wird.
Als kleinste organisierte Berufsgruppe stehen die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure im Freistaat Sachsen selten im Fokus der Öffentlichkeit. Aber wie in vielen Bereichen, so macht sich auch bei den ÖbVs seit Längerem ein demografisches Problem bemerkbar. Berufsangehörige mussten, obwohl sie sich durchaus noch ihrer Aufgabe gewachsen sahen, in den letzten Jahren ihr Büro aufgeben, ohne dass sie es an einen Nachfolger übergeben bzw. verkaufen konnten. In einzelnen Amtsbezirken droht deshalb das Szenario, dass in Zukunft kein Vermessungsbüro mehr ansässig sein wird.
Deshalb hat sich die Staatsregierung wenn auch spät, aber sie hat sich entschlossen, die Versorgung mit ÖbVs in Sachsen durch eine Anhebung der Altersgrenze von 68 auf 72 Jahre zu sichern und so älteren Vermessungsingenieuren die Möglichkeit zu geben, ihren Beruf länger auszuüben. Bereits in der Begründung des Gesetzentwurfs wird aber dargestellt, dass diese Maßnahme nur die erste von mehreren Maßnahmen sein kann, um das öffentlich bestellte Vermessungswesen im Freistaat Sachsen dauerhaft zu sichern. Eine Anhebung des Höchstalters greift nur kurzfristig. Auf mittlere Sicht müssen wir uns jetzt überlegen, wie das Berufsbild des ÖbV für junge Menschen wieder attraktiv wird, sonst stehen wir in vier Jahren vor denselben Problemen wie jetzt.
Zu überlegen ist, ob die erst 2003 eingeführte Bedarfsprüfungsklausel im § 20 Abs. 1 heute noch sinnvoll ist, zumal der Halbsatz „… wenn dies den Erfordernissen eines geordneten Vermessungswesens entspricht“ vielfältig interpretierbar ist. In Zeiten, in denen händeringend nach Büronachfolgern gesucht wird, erscheint eine solche Klausel als reine Makulatur. Zudem müssen wir über ein Aufstocken der Laufbahnausbildung nachdenken. Zumindest sechs jährliche Ausbildungsplätze ab 2014 sollten doch möglich sein.
Die heutige Anhebung der Altersgrenze ist ganz gewiss ein Schritt in die richtige Richtung, aber im Bereich der ÖbVs haben wir noch einiges zu tun, und das kann nur der erste Schritt sein.
Frau Jähnigen für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat als nächste Rednerin das Wort. Bitte, Frau Jähnigen.