Deshalb lautet unser Vorschlag, den Europäischen Freiwilligendienst hierfür zu nutzen. Seit seiner Gründung haben über 70 000 junge Menschen im Rahmen des EFD Erfahrungen in und mit Europa gesammelt. Allerdings ist eine Teilnahme nur im Alter von 18 bis 30 Jahren, in bestimmten Fällen ab 16 Jahren möglich. Warum sollen
wir nicht die Altersbegrenzung fallen lassen? Es kann doch keinen Unterschied machen, ob jemand 30 oder 31 Jahre ist, wenn er sich in Europa engagieren will.
Uns ist natürlich bewusst, dass es auch beim Europäischen Freiwilligendienst immer wieder Probleme bei der Umsetzung gab und gibt. Jetzt und auch zukünftig werden sich immer wieder verschiedene Fragen stellen, beispielsweise hinsichtlich der Beurlaubung von der derzeitigen Arbeitsstelle. Auch wird immer wieder der Vorwurf erhoben, dass durch den Europäischen Freiwilligendienst kostengünstige Arbeitskräfte aktiviert werden. Diese Gefahr besteht bei Freiwilligendiensten grundsätzlich immer. Deshalb müssen Mechanismen gefunden werden, um dies zu verhindern.
Wir haben deshalb in unserem Antrag auch deutlich gemacht, dass dies nicht zu einem Verdrängungswettbewerb auf dem Arbeitsmarkt führen darf. Gleichzeitig darf es für den Teilnehmer keine beruflichen Nachteile geben. Deshalb wird es erforderlich sein, sich Gedanken darüber zu machen, wie der bestehende Europäische Freiwilligendienst umgestaltet werden kann, um die skizzierten Probleme zu lösen.
Natürlich ist das Ziel unseres Antrages nur ein Mosaikstein auf dem sicherlich mühsamen Weg, wieder eine größere Zustimmung zum Einigungsprozess in Europa zu erreichen. Dennoch sollten wir diesen Prozess beginnen. Ich bitte Sie deshalb um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag.
Für die FDP-Fraktion spricht als nächster Redner Herr Biesok. Vorher gibt es noch eine Kurzintervention; Herr Gansel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit zu einer Kurzintervention nutzen, weil Herr Hähnel die Frage gestellt hat, warum das Ansehen der immer so hoch gelobten Europäischen Union europaweit im Sinkflug begriffen ist. Ich möchte für die NPD klarstellen, dass die Frage zu stellen heißt, sie zu beantworten. Die EU ist deshalb in ihren Ansehenswerten europaweit massiv eingebrochen, weil dieses Europakonstrukt seit Jahren ein eklatantes Demokratiedefizit hat. Wir Deutschen durften doch über keine einzige europapolitische Entscheidung in einer Volksabstimmung abstimmen,
weder, ob wir die EU-Osterweiterung wollten, noch ob die Deutschen die Aufgabe der D-Mark zugunsten des Euro wollten!
Die Deutschen durften nie in einer Volksabstimmung abstimmen! – Herr Modschiedler, gehen Sie doch selbst ans Mikrofon, wenn Sie irgendetwas Wichtiges abzuson
dern haben! – Die wenigen europäischen Völker, die 2005 abstimmen durften, die Niederländer und Franzosen,
haben sich ganz klar gegen den Verfassungsentwurf gewandt. Wenige Jahre später wurde genau das, was diese Völker in autonomen Entscheidungen abgelehnt haben, über die Hintertür des Vertrages von Lissabon eingeführt. So etwas merken sich die Völker, denn Völker haben ein Langzeitgedächtnis.
Erstens wegen des Demokratiedefizites will kaum noch einer die Europäische Union und zweitens wegen der finanziellen und sozialen Ungerechtigkeiten, namentlich verbunden mit der Einführung des Euro. Der Euro ist für Deutschland zu schwach, und für die südeuropäischen Länder ist der Euro zu stark. Damit werden ökonomische Defizite und Ungleichgewichte nicht eingeebnet, sondern noch verstärkt.
Ich komme zum Schluss. In Deutschland wird der Euro und die Europäische Union auch deshalb immer weniger gemocht, weil die Europäische Union ein Umverteilungsregime zulasten des deutschen Steuerzahlers ist.
Prof. Willeke von der Universität Heidelberg hat errechnet – das ist mein letzter Satz, Herr Präsident –, dass Deutschland von 1991 bis 2008 Nettozahlungen von 146 Milliarden Euro getätigt hat. 146 Milliarden Euro, die wir mehr an Brüssel gezahlt haben, als – –
Herr Gansel, Ihre Redezeit ist vorbei. – Herr Hähnel, möchten Sie auf die Kurzintervention antworten?
Das möchte ich gern, Herr Präsident. Herr Gansel, Sie haben es nicht ganz mitgeschnitten: Die Vertretung in Europa machen die gewählten Volksvertreter des Europäischen Parlamentes, die wir in freien Wahlen hier in Sachsen und in Deutschland wählen. Sie setzen dort unseren Volkswillen durch. Was noch einmal diese ewige Eierei der NPD betrifft, diese falschen Meinungen habe ich vor meiner Rede angesprochen. Die falsche Meinung, dass wir als Deutsche in Europa das meiste bezahlen und nichts dabei herauskommt usw. stimmt nicht, ebenso wenn Sie sagen, Europa hätte ein überbürokratisches System, das nicht gehandelt werden kann.
Ich habe das einmal herausgezogen. Wenn man sich anschaut, wie viele Bürger pro Land in Europa wohnen, pro Deutschland, pro Frankreich usw., und wie viel jeder einzelne Bürger bezahlt, kann ich Ihnen das genau sagen. Wir liegen als Deutschland nur im Mittelfeld. Zum Beispiel zahlt Deutschland pro Bürger nur 259 Euro an die Europäische Union. In Schweden zum Beispiel sind es
317 Euro pro Bürger. Die bezahlen also etwas mehr als wir. Nimmt man Belgien, sind es 393 Euro pro Bürger. Man muss auch die Größe des Landes rechnen und was eingezahlt wird. Luxemburg als kleines Land zahlt knapp 600 Euro pro Bürger. Man kann also sagen: Wir in Deutschland liegen mit dem, was wir der Europäischen Union geben, im Mittelfeld, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Zu Ihrem dritten Einwand, weil Sie sagen, Europa wird nicht beherrscht oder hat zu viel Bürokratie, zu viele Beamte usw. – das bringt die NPD immer wieder. Das habe ich mir auch einmal angeschaut. In Deutschland gibt es 1,6 Millionen Beamte im Bund, den Ländern und den Kommunen für 82 Millionen Einwohner. Das ist also ein Beamter pro 54 Einwohner hier in Deutschland.
Das ist ein Beamter pro 16 433 Einwohner. Ich habe es einmal ganz genau berechnet. Die Europäische Union ist viel effektiver, als Sie hier darstellen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Europa wurde in den vergangenen Monaten und Jahren vornehmlich unter dem Aspekt der europäischen Schuldenkrise behandelt. Vielleicht gab es auch einige EU-Verordnungen, die hier bekannt geworden sind, die wir umsetzen mussten, und nicht alle Verordnungen haben unbedingt eine Akzeptanz in der Bevölkerung gefunden. Wir haben daher ein Problem der Akzeptanz der Europäischen Union.
Die Europäische Union wird oftmals als eine Veranstaltung wahrgenommen, wo in nächtlichen Sitzungen über Milliarden beschlossen wird, wo sich Bürokraten in der Brüsseler Verwaltung umtun und teilweise unverständliche Regelungen hervorkommen.
Dabei droht der europäische Gedanke völlig verloren zu gehen. Der europäische Gedanke stammt aus dem totalen Zusammenbruch von Deutschland, angefangen von der NSDAP, die den Zweiten Weltkrieg hervorgerufen hat, und aus dem Gedanken, dass so etwas nie wieder passieren darf. Die Europäische Union hat den Gedanken des friedlichen Zusammenlebens von Menschen in Europa fernab von zerstörerischen Krisen. Diese Vision hatten
Monnet und Schumann als Gründungsväter der Europäischen Union in den Fünfzigerjahren vor Augen und haben sie in die entsprechenden Verträge geschrieben. Wir müssen aufpassen, dass dieser europäische Gedanke nicht aus der Verankerung in der Bevölkerung entflieht.
Mit unserer Initiative wollen wir Europa heute unter dem Blickwinkel des Zusammenlebens der Menschen in Europa stärken. Der europäische Gedanke muss von den Bürgern gelebt werden. Welches bessere Instrument gäbe es hierfür, als es Bürgern über das bisherige Maß hinaus zu ermöglichen, in europäische Nachbarstaaten zu gehen und dort in Projekten zu arbeiten, egal ob in kulturellen oder in sozialen Projekten?
Das Studentenaustauschprogramm „Erasmus“ hat es vorgemacht. Es ist für Studenten heutzutage eine Selbstverständlichkeit, ein oder zwei Semester an einer Universität im Ausland zu verbringen. Jedes Studienjahr nehmen europaweit über 200 000 junge Menschen an diesem Programm teil. Das ist etwas, was vor 20 oder 30 Jahren noch undenkbar war. Es liegt nahe, einen solchen Austausch auch für alle anderen Bürger unserer Gesellschaft zu öffnen und somit Europa der Gesellschaft wieder näherzubringen; jungen wie älteren Menschen, Jugendlichen zwischen Schule und Studium bzw. Ausbildung, aber auch Rentnern und allen anderen Interessierten.
Auf den bestehenden Europäischen Freiwilligendienst – er endet 2013 – lässt sich hierbei aufbauen. Bereits heute bietet dieser für junge Menschen von 18 bis 30 Jahren ein europaweites, breites Betätigungsfeld im Umweltbereich, in der Arbeit mit behinderten Menschen oder in der Kinder- und Jugendarbeit. Den Teilnehmenden wird im Gegenzug ein Taschengeld gewährt, Unterkunft und Verpflegung sind oftmals frei.
Wir wollen das fortentwickeln. Wir möchten mit dem Freiwilligen Europäischen Jahr in Zukunft allen Bürgern aus allen Altersschichten diese Möglichkeit geben, damit sie sich innerhalb Europas engagieren können. Der Wille und der Bedarf, derartige freiwillige Arbeit zu leisten, sind unbestritten vorhanden. So hat sich beispielsweise der neue Bundesfreiwilligendienst nach anfänglichen Schwierigkeiten gut etabliert, gerade durch die Öffnung für andere Altersgruppen.
Im Mai 2013 gab es im Freistaat Sachsen 4 619 Teilnehmer, darunter allein 1 916 aus der Gruppe der 51- bis 65Jährigen. Das heißt, 41 % kamen aus dieser Altersgruppe. Ich denke, das ist ein Zeichen dafür, dass wir auch den Europäischen Freiwilligendienst entsprechend öffnen sollten, um ihn breiteren Bevölkerungsschichten zugänglich zu machen.
Meine Damen und Herren! Dieser verstärkte Austausch innerhalb Europas ermöglicht den Weg über den Tellerrand hinaus, was einigen in diesem Plenarsaal auch einmal dringend Not tun würde. So lernt man einmal andere Kulturen kennen. Man lernt, sie nicht mehr als etwas Fremdes zu begreifen, sondern als eine Bereiche
rung, von denen man lernen kann und wo wir uns alle weiterentwickeln können. Dieser Blick über den Tellerrand ist auch ein wichtiges Mittel, um Vorurteile und Chauvinismus zu bekämpfen und Verständnis füreinander zu schaffen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die sächsische CDU und ihr Koalitionspartner FDP machen sich Sorgen um Europa und die europäische Integration. In der Begründung des Antrages heißt es, der europäische Gedanke leide unter Ansehensverlust. Ich sage: Sie haben recht dahin gehend, dass angesichts der Eurorettungsversuche durch CDU-Kanzlerin Merkel und die Spardiktate, die gegenüber europäischen Mitgliedsstaaten wie Griechenland, Portugal und Spanien verhängt werden, Europa als Union in Gefahr ist. Doch der Ansehensverlust, den Sie ansprechen, betrifft weniger die Vision eines geeinten Europa als gemeinsamer Wirtschafts- und Kulturraum, sondern der Ansehensverlust ist vor allem ein Problem der Europäischen Kommission aufgrund der Art und Weise, die Idee der europäischen Sozialstaaten zu hinterfragen und neoliberalen Interessen unterzuordnen. Die Problematik der EU-Kommission hat der Kollege der CDU zum Glück schon angesprochen. Das habe ich zur Kenntnis genommen.
Der Lösungsansatz der sächsischen CDU und FDP für mehr Ansehen der Europäischen Union, für mehr Verständnis und Toleranz zwischen den europäischen Nationen ist nun, den Freiwilligendienst für alle Generationen zu öffnen. Das klingt zunächst gut, das kommt uns bekannt vor vom Bundesfreiwilligendienst, mit dem allerdings vor allem in Sachsen und in Ostdeutschland Langzeitarbeitslose zwischenzeitlich eine neue Aufgabe und berufliche Herausforderung für sich finden.