Aber einfach den Zusammenhang zwischen Lärmbelastung und Erkrankungen zu ignorieren, ist eben der völlig falsche Weg.
Die grundsätzliche Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, besteht darin – und darauf hat Frau Kallenbach schon hingewiesen –, ob wirtschaftliche Interessen der Betreiber von Flughäfen dauerhaft über die gesundheitlichen Interessen von Menschen gestellt werden. Wenn ich von Frau Kallenbach höre, dass sich die Richtung der Rechtsprechung in dieser Weise verändert hat,
dann lässt das durchaus hoffen. Aber genau das ist hier aufseiten der Staatsregierung zu vermuten, wenn sie auf unseren Antrag durch Herrn Morlok antworten lässt, dass die Erstellung einer Studie über die gesundheitlichen Auswirkungen des Fluglärms am Flughafen Leipzig/Halle nicht zielführend seien und sich sofort auf den Bundesgesetzgeber und auf das gültige Fluglärmgesetz zurückzieht, wie das soeben Frau Springer wieder zelebriert hat.
In diesem „Fluglärmgesetz“ werden tatsächlich Grenzwerte für Lärmemissionen definiert. Die Grenzwerte werden laut Gesetz nach der Sigma-Methode berechnet. Problematisch an dieser Berechnungsmethode ist jedoch, dass die Grenzwerte unter anderem aus dem langjährigen arithmetischen Mittelwert der Betriebsrichtungsverteilung errechnet werden, das Durchschnittsjahr aber in der Realität niemals existiert. Die so errechneten und im Gesetz festgeschriebenen Grenzwerte dienen dazu, Schutzgebiete festzulegen, innerhalb derer die betroffenen Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch auf passiven Schallschutz haben.
Die Grenzwerte seien mit der Novelle des Gesetzes aus dem Jahr 2007 verschärft worden, so Herr Morlok, und sollen bis zum Jahr 2017 erneut überprüft und gegebenenfalls verändert werden, Frau Springer! Für eine solche erneute Novelle braucht der Gesetzgeber aber eine wissenschaftlich fundierte medizinische Langzeitstudie.
Indem sich die Staatsregierung aber immer wieder auf die Zuständigkeit des Bundes zurückzieht, verletzt sie aus meiner Sicht ihre nach der Verfassung gegebene Fürsorgepflicht für die Bürgerinnen und Bürger in der Umgebung des Flughafens Leipzig/Halle.
Selbstverständlich kann der Haupteigentümer auf die Geschäftspolitik des Flughafens Einfluss nehmen. Sie nimmt ja auch Einfluss. Sie war es doch, die DHL angeworben hat, und sie ist es erneut, wenn sie einen amerikanischen Frachtkonzern nach Leipzig/Halle holt.
Von diesem Flughafen gehen heute schon jährlich über 60 000 Flugbewegungen in die Welt. Es ist zu erwarten, dass mit der weiteren Ansiedlung von Frachtunternehmen die Flugbewegungen weiter zunehmen werden – und das vor allem zu nachtschlafender Zeit, Frau Springer, mit noch immer besonders lärmenden Flugzeugtypen wie der Antonow.
Die Schallschutzmaßnahmen und das ausgeweitete Schutzgebiet für die Nachtruhe am Flughafen Leipzig/ Halle sind löblich, reichen aber nicht aus, um die betroffenen Anwohner und Anwohnerinnen vor Krankheiten zu schützen. Um die lärmigen Antonows auszumustern, fordern nun die GRÜNEN den ausschließlichen Einsatz modernerer, leiserer Flugzeugtypen nach der Bonusliste des Bundesverkehrsministeriums. Diese Forderung
Im Moment nicht, etwas später. – Darüber hinaus soll sich die Staatsregierung im Zusammenhang mit einer anstehenden Novelle des Luftverkehrs- und Lärmschutzgesetzes im Bundesrat dafür einsetzen, dass die deutsche Flugsicherung bei der Festlegung der Flugrouten verpflichtet wird, neben der Flugsicherheit auch die Minimierung des Fluglärms für ihre Entscheidung heranzuziehen, die Öffentlichkeit daran zu beteiligen und verbindliche Lärmobergrenzen nach dem Vorschlag des Umweltbundesamtes einzubeziehen.
Auch diese Forderung unterstützen wir, geben aber der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit auf den Weg, sich über ihre mögliche Regierungsbeteiligung im Bund – entweder in rot-grüner oder in schwarz-grüner Konstellation – diese Forderung zu eigen zu machen
und die Novellierung des in Rede stehenden Gesetzes schon vor dem Jahr 2017 im Bund anzupacken. Darauf bin ich gespannt.
Die Forderung der GRÜNEN nach einem nationalen Fluglärmbeauftragten zur Lösung der anstehenden Probleme halte ich nicht unbedingt für zielführend.
Vielmehr sind die Absenkung der gültigen Grenzwerte und das gesetzliche Verbot von Nachtflügen – mindestens in der Kernzeit der Nachtruhe – zwischen 0 Uhr und 5 Uhr gesetzlich geboten. Denn nur dadurch können die gesundheitlichen Folgen für Anwohnerinnen und Anwohner minimiert werden.
Schließlich wird im Antrag der GRÜNEN die Abschaffung von indirekten Subventionen durch die steuerliche Freistellung von Kerosin und Flugbenzin und eine differenzierte Ausgestaltung der Luftverkehrsteuer gefordert. Schon heute hat die geringe Luftverkehrsteuer für Inlandsflüge – darauf wird diese zunächst erhoben – Wirkung gezeigt. Die Inlandsflüge sind nämlich deutlich zurückgegangen. Genau das sollte damit erreicht werden.
Auch diese Forderung unterstützen wir als Linksfraktion, halten sie aber für nicht ausreichend, um in der Verkehrspolitik tatsächlich umzusteuern. Die Lärmbelastung der Menschen durch Autos, durch Lkws und durch Luftverkehre muss bei weiterer Zunahme der Verkehre langfristig deutlich reduziert werden. Solange die verschiedenen Verkehrsträger aber steuerlich unterschiedlich behandelt werden – mit indirekten Subventionen –, sehe ich wenige Chancen für dieses Gesamtanliegen.
Trotz unserer Bedenken zum nationalen Fluglärmbeauftragten wird die Fraktion DIE LINKE dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lärm macht krank. Darüber sind wir uns sicherlich hier im Raum alle einig, egal, ob es sich dabei um Lärm durch Autos, durch Züge oder durch Flugzeuge handelt. Klar ist aber auch, dass die Belastung durch Fluglärm von den Deutschen nach dem Straßenverkehr als größtes Lärmproblem empfunden wird. Über 37 % der Bevölkerung fühlen sich durch Fluglärm belästigt. Rund 7 % der Bevölkerung leiden hochgradig daran.
In allen öffentlichen Reden, Stellungnahmen und Interventionen weisen selbst die Mitglieder der Regierungsfraktionen immer wieder darauf hin: Ja, Lärm macht krank! Doch wenn es darum geht, wirklich Farbe zu bekennen, kneifen Sie. Ein Beispiel: Als wir vor kurzer Zeit einen Antrag ins Plenum einbrachten, um den Lärmschutz an Bahnstrecken zu verbessern, wurde dieser von der Regierungskoalition abgelehnt. Gleichzeitig stellten sich die Abgeordneten von CDU und FDP hin – zum Beispiel in Coswig – und unterstützten die Bürgerinitiative gegen den Bahnlärm. Ist das glaubwürdige Politik?
Zweites Beispiel: Ich habe mir die Mühe gemacht und im Protokoll der Sitzung vom 19. April 2011 nachgelesen. Dort ging es – ebenfalls auf Antrag der GRÜNEN – um einen besseren Lärmschutz am Flughafen Leipzig/Halle. Kollege Fischer von der CDU sagte damals – ich zitiere –: „Lärm und Emissionen stellen sicherlich ein gesundheitliches Problem für Familien und für Kinder dar. Auch wir als CDU nehmen diese Problemlage sehr ernst.“
Ferner zitiere ich Kollegin Jonas von der FDP, ebenfalls aus dem Protokoll: „Es ist natürlich ganz wichtig, dass die Gesundheit der Anwohner im Umfeld im Vordergrund stehen muss.“ – Und trotzdem wurde der Antrag damals, ebenso wie der zur Problematik des Schienenlärms, von CDU und FDP abgelehnt. Ist das glaubwürdige Politik?
Meine Damen und Herren! Für uns Sozialdemokraten ist klar: Der Gesundheitsschutz der Menschen in Sachsen muss höher bewertet werden als wirtschaftliche Interessen.
Genauso klar ist aber auch, dass wirtschaftliche Interessen nicht völlig vernachlässigt werden dürfen. Maximalforderungen wie ein völliges Nachtflugverbot sind deshalb kontraproduktiv.
Vielmehr muss es doch darum gehen, einen Ausgleich zwischen den Interessen der Wirtschaft und den lärmgeplagten Anwohnern der Flughäfen zu finden. Für den Flughafen Leipzig/Halle wäre zum Beispiel die gleichmäßige Bahnverteilung eine Möglichkeit zur Lärmminderung; denn von einer Gleichverteilung der Starts und
Landungen auf beiden Startbahnen kann immer noch keine Rede sein. Auch nachts wird vorrangig die stadtnahe Startbahn Süd genutzt. Außerdem könnte der Freistaat als Hauptgesellschafter der Mitteldeutschen Airport Holding dafür sorgen, dass dort nur noch lärmarme Flugzeuge starten und landen dürfen.
Da sind wir wahrscheinlich unterschiedlicher Meinung, aber ich bleibe bei dieser Aussage. Vor allem in der Zeit von 22 bis 6 Uhr müssten Starts und Landungen von extrem lauten Maschinen wirkungsvoll unterbunden werden. Dies ließe sich zum Beispiel ganz einfach durch die Anpassung der Start- und Landegebühren für solche Maschinen regeln.
Frau Dr. Deicke, wissen Sie, dass ich einen ganzen Teil dieser Forderungen, die Sie jetzt gerade aufgemacht haben, vor wenigen Jahren an den Bundesverkehrsminister weitergeleitet habe, nämlich bei der Eröffnung der Südlandebahn am Flughafen Schkeuditz. Der Bundesverkehrsminister hieß Wolfgang Tiefensee interjection: (SPD). Die Antwort war: nichts, null Komma nichts. Vielleicht wenden Sie sich mal an diesen Kameraden. – Danke.
Herr Seidel, ich weiß nicht, dass Sie diese Forderung weitergeleitet haben. Wie sollte ich davon erfahren, wenn es nicht direkt über meinen Tisch gegangen ist?
Der Verkehrsminister – das wissen Sie auch – ist nicht mehr im Amt, und wir reden auch nicht das erste Mal über diese Forderung. Sie haben sich an dieser Stelle diesen Forderungen verweigert.
(Beifall bei der SPD – Ines Springer, CDU: Zu uns gehört diese Forderung nicht, sie gehört in den Bund! – Svend-Gunnar Kirmes, CDU: Jawohl!)
Ich war bei den Start- und Landegebühren stehengeblieben. Es ließe sich also ganz einfach über diese Methode regeln. Warum beträgt die Gebühr in Leipzig für die extrem laute Antonow 124 nur 3 000 Euro, während zum Beispiel in Frankfurt am Main 20 000 Euro und in der Nachtkernzeit sogar 52 000 Euro Landeentgelt fällig werden?